Journal Mittwoch, 8. Oktober 2025 – Am Tegernsee kann man auch wandern
Donnerstag, 9. Oktober 2025 um 7:34Wandertag also. Nach guter Nacht stand ich zu vielversprechendem Himmel auf.
Es wurde richtig sonnig, entgegen der Vorhersage einer geschlossenen Wolkendecke. Und schon wusste ich nicht recht, was ich für meine Wanderung entlang dem Tegernseer Höhenweg anziehen sollte, vorhergesagte Höchsttemperatur 16 Grad. Ich entschied mich für ein langärmliges Sport-Shirt und meine Superduper-Wanderjacke, vorsichtshalber band ich mir noch ein Nickitücherl um den Hals.
Zum Bahnhof brach ich recht früh auf: Herr Kaltmamsell hatte uns fürs Abendessen einen Tisch reserviert, ich wollte mit genügend Sicherheitsabstand zurück daheim sein. (Deutschlandticket ist super.)
Wandertag war es überraschenderweise auch für echte Schulklassen (Herr Kaltmamsell klagt hin und wieder, dass er das mit seinen Klassen schon seit vielen Jahren nicht mehr machen kann): Die Bahn war berstend voll, unter anderem mit mehreren Schulklassen, als weitere Überraschung auch mit weiteren Wandergruppen (durchaus nicht nur im Rentenalter – haben die alle Urlaub?).
Auch in meinem Zielort Gmund schien die Sonne von nahezu wolkenlos blauem Himmel – damit hatte ich anhand der Wettervorhersage wirklich nicht rechnen können. Ich vermisste eine Sonnebrille, öffnete schon bald meine Jacke, auf dem zweiten Teil des Höhenwegs band ich sie mir um den Bauch.
Erstmal steuerte ich den Käse-Automaten an, den wir bei der jünsten Wanderung hier entdeckt hatten, ich wollte Nachschub besorgen.
Der Automat wurde gerade nachgefüllt, ich kam ins Gespräch mit der Nachfüllerin – und erfuhr viel spannenden Hintergrund. Hiermit sei empfohlen: Käse von der Naturkäserei Tegernseer Land aus dem Automaten in Gmund am Anfang des Tegernseer Höhenwegs (solange der Automat noch was hergibt, denn dann haben diese Sorten saisonale Pause – wie jeder handwerklich erstellte Käse), bringen Sie Bargeld mit. Neben dem Weissacher vom letzten Mal (schmeckte besonders gut zu Tomate, die Nachfüllerin empfahl auch Pfannenbraten) ließ ich mir einen Blauberger mit Edelschimmel aus dem Automaten. Diese Käserei, so fand ich daheim heraus, ist eine Genossenschaft – wir mögen Genossenschaften.
Es blieb sonnig, ich wanderte fröhlich – und konnte mein Wetterglück auch diesmal schier nicht fassen.
Nach einer guten Stunde war ich am Ende des nördlichen Tegernseer Höhenwegs in Tegernsee.
Mittagscappuccino am Bahnhof.
Brotzeit machte ich um halb zwei auf einem Bankerl am See am Rand von Rottach-Egern: Ernteanteil-Äpfelchen (super!) und eine Nussschnecke.
Nach knapp viereinhalb Stunden und etwa 16,5 Kilometern war ich wieder am Tegernseer Bahnhof. Erst kurz davor sah ich nach Rückfahrten, ging eh alle halbe Stunde ein Zug. Außer. Außer es fällt einer aus, wie in diesem Fall. Nun, ich hatte genug zu lesen dabei, das Wetter war weiterhin stabil, las ich also bis zur Rückfahrt 50 Minuten auf einer Bank am Bahngleis.
Der reservierte Abenbrottisch stand im Lokal Prygoshin im nördlichen Bahnhofsviertel: Auch wenn der Name es nicht vermuten lässt, hatte Herr Kaltmamsell auf der dortigen Speisekarte Arepas entdeckt, südamerikanische gefüllte Maisfladen. Die hatte er schonmal selbst zubereitet, wollte sie aber professionell gemacht probieren.
Wir tranken beide MargaritasCaipirinhas (sehr gut! und ich hatte mitten unter der Woche Lust auf Alkohol gehabt, wahrscheinlich ein Urlaubs-Symptom), die Arepa von Herrn Kaltmamsell und meine Cachapa (eine andere Art von Maisfladen, eher Pfannkuchen-groß) schmeckten gut und sättigten.
Und ich saß mit Blick aufs legendäre Café Kosmos.
Zurück daheim gab’s zum Nachtisch Trifle und Schokolade.
Ich sah nach, warum ein Lokal mit venezolanischen Spezialitäten solch einen russisch klingenden Namen trug – und stieß auf ein SZ-Interview von 2023 mit dem Wirt Michael Frimpong und die kuriose Geschichte dazu (€):
“Wenn die Bar wie der russische Söldner-Chef heißt”.
Weil hinter Bezahlschranke, hier die Kurzfassung: Namensgeber ist der “belgisch-russische Chemie-Nobelpreisträger, Schriftsteller und Philosoph Ilya Prigogine, gesprochen wie Prigoschin”, weil Frimpong dessen Buch “Order Out of Chaos” so gut gefiel. Der schon vorher Pech mit Namensideen für sein Restaurant hatte:
Wir hatten das Lokal 2017 übernommen, und weil im Freundeskreis einige zu dem Zeitpunkt Onkel geworden waren, hatte ich die Idee, den Namen “Onkelz” zu nehmen.
Die Folgen können Sie sich denken.
§
Morgens nutzte ich eine Gelegenheit, Goggles “KI”-Funktion zu verwenden: Ich wollte herausfinden, worum es sich eigentlich bei dieser Skulptur am Isarwerkkanal in Thalkirchen handelte.
Und so befragte ich Google Lens (das mir bei Produktsuchen, also Schuhen, Kleidung, anhand von Fotos schon nützlich war). Das Ergebnis:
Sie wurde 1987 aufgestellt und zeigt Sisyphos, wie er einen Felsblock den Berg hinaufdrückt.
unweit der Brudermühlbrücke
und
Die Figur besteht aus Bronze und der Fels aus Stein.
waren offensichtlich falsch, den angeblichen Künstler “Peter H. Mette” fand ich nirgends, also ging ich den Quellen nach.
Google hatte sich nach eigenen Angaben auf der Website Stadtgeschichte München bedient. Und hier stand mit Links und Foto, dass es sich um die Skulptur “Die gebändigte Kraft” von Peter Winter-Heidingsfeld handelte, übergeben 1920. Nur falls Sie dazu neigen, bei Google-Suchen die “KI”-Zusammenfassungen, die seit einiger Zeit ganz oben erscheinen, ernst zu nehmen.
Ich zitiere aus dem Interview mit Informatikprofessorin Katharina Zweig, das die Süddeutsche am Montag veröffentlichte (€):
Sprachmodelle wurden mit vielen Texten darauf trainiert, das nächste Wort vorherzusagen, das in einem bestimmten Kontext wahrscheinlich ist. Sie sind nicht so konstruiert worden, dass sie irgendetwas wissen. Wenn sie vorher sehr viele Sätze gelesen haben, die alle korrekt sind, kann die Maschine eine Variante von diesem Satz erschaffen, die inhaltlich korrekt ist. Genauso gut kann der Satz völlig in die Hose gehen.
Beim Abendessen überlegte ich mit Herrn Kaltmamsell, warum Google nicht die Fakten in seiner Quelle genannt hatte. Wir konnten nur raten: Weil sie sich nicht gut lasen? Kein so schöner Text waren wie zusammengesetzte Fragmente viel vagerer und weniger passender Quellen?
Will heißen: Werkzeuge wie ChatGPT sind verlässlich, wenn es um Sprachliches geht (deswegen eine wunderbare Hilfe bei Formulierungen und Zusammenfassungen) – die darin enthaltenen Fakten müssen immer überprüft werden. (Sonst siehe “Deloitte muss Australien Geld zurückgeben, weil Bericht voller KI-Halluzinationen war”.)
4 Kommentare zu „Journal Mittwoch, 8. Oktober 2025 – Am Tegernsee kann man auch wandern“
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9. Oktober 2025 um 10:12
@Herr Rau: Jetzt würde mich aber tatsächlich mal interessieren, warum Sie mit ihren Klassen keine Wandertage mehr machen können?
9. Oktober 2025 um 14:12
Da schließe ich mich an.
9. Oktober 2025 um 14:52
Und warum heißt der Wirt eines venezolanischen Spezialitätenlokals Michael Frimpong?
9. Oktober 2025 um 15:15
Vermutlich, Sebastian, weil seine (ghanaischen) Eltern auch Frimpong hießen und ihn Michael taufen ließen.
Warum er ein venezolanisches Lokal hat? In dem Interview wird eine Ehefrau aus Venezuela erwähnt, ich sehe einen Zusammenhang.