Journal Donnerstag, 28. April 2022, Everything Everywhere All at Once
Freitag, 29. April 2022Tja, dann halt wieder eine Nacht, die kurz nach drei endete, mir dann nur noch ein paar Phasen Dösen erlaubte. Ich stand vollverkatert auf.
Frostiger Gang in die Arbeit, in strahlender Sonne unter wolkenlosem Himmel.
Diesmal drehte ich mich an meiner sonstigen Fotostelle Richtung Bavaria mal um zur Beethovenstraße.
Im Büro führte die schlafgestörte Benommenheit unter anderem dazu, dass ich vor jeder Passworteingabe gründlich nachdenken musste, mein Hirn bewegte sich wie durch Wasserwiderstand.
Highlight des Morgens: Meine erste ärztliche Video-Sprechstunde, ich habe sie fürs Techniktagebuch aufgeschrieben. (Alle Blutwerte tippitoppi, auch Schilddrüse, selbst Eisen – aber zu der Zeit nahm ich ja auch Eisenkapseln.)
Zum Glück wurde ich über den Vormittag wacher und musste weniger kämpfen.
Mittagessen: Hüttenkäse, Orangen, Banane.
Überraschende Begleiterscheinungen des Alterns, Teil ganz viele: Dass Haarwuchs sich deutlich verändert (Art und Ort), ist ja durchaus Gegenstand von Witzeleien. Nicht gefasst war ich darauf, dass die Wimpern meiner Oberlider nach unten wachsen würden und damit ins Sichtfeld, mit einer Vehemenz, gegen die auch die Wimpernzange nichts ausrichtet. Noch ist die Zahl gering genug zum Ausreißen.
Trotz später ambulanter Querschüsse machte ich recht pünktlich Feierabend, denn ich hatte Kinokarten.
Herr Kaltmamsell servierte aus frisch geholtem Ernteanteil Spinat und Salzkartoffeln mit Spiegeleiern, dann radelten wir durch die schräge Frühlingsabendsonne zum Cinema und sahen Everything Everywhere All at Once zum Deutschlandstart.
Ein großartiger Film, endlich mal wieder was ganz was anderes im Kino, so erfrischend. Gerade im Gegensatz zum Trailer für Doctor Strange in the Multiverse of Madness, der davor lief, bewies Everything Everywhere All at Once, dass es für ein Multiverse-Szenario keinen Bombast braucht, kein Riesenbudget, keine Superhelden-Riege. Atemberaubend fand ich die Schauspielkunst der drei zentralen Darstellenden:
– Michelle Yeoh als chinesische Einwanderin Evelyn Wang, der ihr Waschsalon, die Versorgung ihres alten Vaters, die widerspenstige Tochter komplett über den Kopf wachsen.
– Ke Huy Quan als ihr Mann Waymond Wang, der auch aus anderen Universen zu ihr kommt und sie überzeugt, dass sie die Welt retten muss. (Dass Quan, Kinderdarsteller in Indiana Jones and the Temple of Doom, viele Jahre keine Rollen bekam und deshalb hinter die Kamera wechselte, ist ein enormer Verlust für die Kinogeschichte.)
– Stephanie Hsu als die Tochter der beiden, Joy Wang, die mit Fingerschnippen zwischen ihren Rollen in den verschiedenen Multiversen springt, auch ohne Kostümwechsel.
Das Drehbuch der Daniels (Daniel Kwan, Daniel Scheinert), die auch Regie führten, ist ein Meisterwerk, durchkreuzt Zuschauererwartungen, nickt freundlich in die Richtung ihrer Vorgänger der britischen SciFi-Komödie (Douglas Adams’ Idee vom Improbability Drive entfaltet sich aufs Schönste), birst vor Ideen – ich habe viel gelacht.
Auch Jamie Lee Curtis ist in dem Film eine Wonne und lässt so richtig die Sau raus.
Ja, mit zwei Stunden 20 Minuten zu lang (seit einiger Zeit sind alle Kinofilme zu lang), im letzten Viertel hätte ich gerne etwas weniger Botschaft gehabt. Aber ein echtes Ereignis. Dass die Süddeutsche den Film auf der gestrigen Kino-Seite mit einem kurzen Absatz in der Randspalte abfrühstückte, wunderte mich sehr. Im großen Münchner Cinema bekam ich schon vor einer Woche nur noch die vorletzten Karten für die gestrige Premierenvorstellung im Original.
Sehr zu empfehlen: Kurz vor der Weltpremiere im März unterhalten sich Ke Huy Quan, Daniel Scheinert, Jamie Lee Curtis, Michelle Yeoh, Stephanie Hsu und Daniel Kwan eine halbe Stunde über die Dreharbeiten – ich habe eine Menge gelernt.
https://youtu.be/3trFt71LXGE
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Wie sich das private Kochen in den vergangenen 60 Jahren weiterentwickelt hat, in denen die Küchentechnik mehr oder weniger gleich geblieben ist, was der große Unterschied zum Vorher war – und warum es noch nie einen solch enormen Fortschritt in der Kochkunst gab.
“Better eats”.
via @ankegroener