Lang geschlafen, auch ohne Ohrstöpsel und obwohl nachts erst Sirenen heulten, außerdem das Regionalbähnla in jeder Kurve mit Pfiff vor sich warnte.
Kunstduftquellen in der Ferienwohnung so weit wie möglich reduziert. Und so dachte ich: Wenn ich jetzt noch die Badtür konsequent schließe und so oft wie möglich Fenster öffne, könnte es allmählich einfach sauber riechen und nicht mehr wie eine Drogerieabteilung.
Die Vermieterin, die gleich nebenan wohnt, brachte einen Heizlüfter vorbei, weil doch am Freitag das Wetter kalt werden soll – und scheuchte mich mit ihrem Klingeln gerade vom Duschen abgetrocknet in die nächstbeste Kleidung zum Türöffnen. Ich hoffe, die Heizkraft macht das wett.
Ich kam ein wenig später los zu meiner Wanderung, weil Kleidungsverunsicherung. Erst war ich in kurzen Ärmeln startklar, doch in der Wohnung fror ich damit so, dass ich dann doch in meine Jacke schlüpfte. Gleich vor der Haustür lag die Außentemperatur aber deutlich über Wohnungskälte, durchaus T-Shirt-geeignet, also zog ich die Jacke wieder aus und verstaute sie im Rucksack.
Für gestern, den Tag mit dem schönsten Wetter, hatte ich als Wanderung die längste meiner Oktoberfestflucht ausgesucht: den Humboldtweg. Wieder war der GPS-Track besonders hilfreich, zumal ich allen Empfehlungen für Extra-Abstecher folgte. Einmal verlief ich mich trotzdem, weil ich eine Wegmarkierung falsch interpretiert hatte. Ein Routine-Check zehn Minuten nach der Abzweigung erwies meinen Irrtum, ich kehrte um.
Das Wetter superherrlich, die Strecke abwechslungsreich (wenn auch für meinen Geschmack zu viele Straßenabschnitte drin waren). Eine erste Pause machte ich recht früh, da meine Wanderschuhe reichlich Pflanzenfragmente eingesammelt hatten und ich eine Bank für Schuhe-Ausleeren und ein wenig Ausruhen nutzte.
Gestern hatte ich sogar Gesellschaft und begegnete einer anderen Wanderin, außerdem ein paar Radler*innen (einem ausgerechnet beim ein Mal Pinkeln – nicht weit ab vom Weg, weil ich davor anderthalb Stunden lang überhaupt niemanden gesehen hatte).
Ich fühlte mich munter und fit, genoss die Bewegung und die Ausblicke sehr, kam bei Steigungen ins Schwitzen und freute mich über meine Körpertüchtigkeit, die sie mir ermöglichte, sah interessante Gesteine (u.a. Diabas – Geolog*innen haben einfach die besten Wörter), außerdem wieder viele Eichelhäher, aber auch Bussarde, Falken, einen Rotmilan, ein Eichhörnchen mitten im Wald. Und einmal erschreckte ich ein Reheinen Hirschen – und dieser mich, als gefühlt nur einen Meter links von mir im Unterholz ein sehr großes Tier Fluchtgeräusche machte.

Vom Bad Stebener Bahnhof aus Richtung Hölle – ich bin mir sicher, dass jeder, wirklich jeder Witz mit diesem Ortsnamen bereits gemacht ist.

Wetterchen!

Ich verlottere im Alleinurlaub völlig und schminke mich nicht mal.

Abstecher 1: Rundweg zur Schutzhütte Wolfsbauer.



Oben Aussicht.

Unten Hölle. Dann ging’s fast eine Dreiviertel-Stunde auf einem Rad- und Fußweg eine Laster-befahrene Straße entlang.

Und zwar nach Issigau, berühmt für den Typografie-Unfall am Ortseingang (vielleicht) und eine ganz besondere Dorfkirche (sicher).


Abstecher 2: Die Kassettendecke von St. Simon und Judas aus dem 17. Jahrhundert zeigt 66 Bibelszenen.

Blick über Kemlas hinweg wieder auf viel toten Wald.



Abstecher 3: Wiedeturm, leider wegen Vandalismus geschlossen.

Hier machte ich um halb zwei Brotzeit: Ein Apfel, eine Nektarine, wenig Pumpernickel mit Frischkäse – das war gerade recht.

Manche toten Fichten können nicht ganz gefällt werden, weil sie eine Zusatzfunktion als Halterung für Wegmarkierung erfüllen.



Blankenstein, ich befand mich in einer historischen Bergbaugegend.


Den Lohbach entlang nach Lichtenberg hinauf.

Bitteschön: Diabas (es stand ein Schild davor). Ich schmeiß mich immer weg bei den Geologie-Erklärungen auf Wikipedia, die aus lauter Begriffen bestehen, die ich auch erstmal erklärt bräuchte.


Oben: Lichtenberg.

Mit Aussicht.


Der Ort Lichtenberg selbst ist auch sehr schmuck.
Die letzte Stunde der Wanderung ging ich direkt gegen die herbstlich tiefe Sonne und guckte eher auf den Meter Boden vor mir.

Nach Bad Steben kam ich aus einem ungewohnten Winkel zurück.

Wenn schon, denn schon: Abschließender Abstecher zum Humboldthaus.
Das waren dann 25 Kilometer in sechseinhalb Stunden mit einer kleinen und einer großen Pause. Dann doch anstrengend, zumal die Strecke einige knackige Auf- und Abstiege verlangt hatte. Wenn man am Ende einer Wanderung aus Sicherheitsgründen noch fit genug für eine weitere Stunde sein soll – hätte ich das gestern nur mit ordentlichem Zusammennehmen hinbekommen.
Die Haustür öffnete ich wieder in einen Kühlschrank, schlüpfte umgehend in mein Sweatshirt. Und jetzt entfernte ich auch die Duftbombe aus der Kloschüssel, die mittlerweile den Gesamtgeruch dominierte, und sicherte sie in einer Tüte auf der Terrasse (muss ich ja vor Auszug alles re-installieren). Ich kalkuliere durchaus die Möglichkeit ein, dass ich mich lediglich anstelle und eine Prinzessin-auf-der-Erbse-Nase habe, denn schließlich sehe ich doch an der Fernsehwerbung, dass künstliche Wohnungsbeduftung Mainstream ist.
Als Abendessen wünschte ich mir Schäufele, wenn schon Franken (auch wenn ich weiterhin verdorben bin durch das selbst gemachte Schäufele aus fränkischer Freundeshand). Was sich bei der Recherche als gar nicht so einfach herausstellte, das Lokal sollte ja fußläufig sein: Die seriöse Gastronomie hier ist vor allem italienisch, das Wirtshaus, in dem ich vor vier Jahren Schäufele gegessen hatte (so lala), gibt es nicht mehr, viele Gasthäuser öffnen unter Woche nicht. Laut deren Website servierte aber das Restaurant des Hotels Panorama das Gericht, nach einer Stunde Ausruhen spazierte ich dort hin.

Das Schäufele war sogar besonders gut: Zartes, saftiges Fleisch, resch-leichte Kruste (über Beilagen und Sauce reden wir einfach nicht). Dazu gab es ein besonders gutes alkoholfreies Weißbier. Um mich herum wenig Gäste, fast durchwegs Halbpension des Hotels.
Zurück in der Ferienwohnung passte nur noch wenig Schokolade zum Nachtisch rein.
Respekt: Der Heizlüfter tat seinen Job wirklich gut, ich schaltete ihn nur zweimal für wenige Minuten an, das reichte und ich brauchte keine Flauschdecke um die Schultern.
§
Auf instagram gesehen, dass es Rachel Roddys A to Z of Pasta jetzt auch auf Deutsch gibt:
Pasta von Alfabeto bis Ziti.
(Wenn Ulrike Becker die Übersetzung nicht verkackt hat: Empfehlung.) 