Ein sonniger Morgen und sonniger Tag, noch brauchte ich aber auf dem Weg ins Büro Handschuhe.
In der Arbeit wieder viel Arbeit mit Dingen. Mittags Orangen, Grapefruit, Quark.
In freundlichem Wetter verlängerte ich meinen Heimweg ein bisschen auf der Theresienwiese, die vielfältig besportelt wurde (neben Roller Blades übrigens dieses Jahr auffallend viele Roller Skates – an meist besonders sorgfältig gestylten Damen, gibt es da einen Trend?). Zu Hause erst mal Yoga, eher gemütlich – diese Folge wiederhole ich also nicht.
Nachtmahl kam vom freundlichen Nachbarschafts-Vietnamesen: Reisnudeln mit viel Gemüse und Zitronengras-Tofu. Nachtisch Schokolade.
Abends wurde gemeldet, dass auch Bayern den Corona-Impfstoff von AstraZeneca für alle Altersgruppen freigegeben hat und er in Arztpraxen ohne Priorisierung verimpft werden darf. Ich meldete mich sofort bei meiner Hausärztin per Kontaktformular dafür an. (Ab jetzt nur noch ärmelfreie Oberteile. Für alle Fälle.)
Bov Bjergs Erstling Deadline (gutes Buch) wird neu aufgelegt. Er musste dafür zwar einen eigenen Verlag gründen, den Kanon Verlag, aber das ist’s wert.
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Glumm bloggt schon immer – also mindestens seit den 20 Jahren, die ich Blogs lese (das Archiv seines früheren Blogs 500 Beine beginnt allerdings erst 2015, egal). Und aus seinem Blog kannte ich auch seine Solinger Multitoxler-Loser-Geschichten, ganz deutlich autobiografisch. Jetzt ist aus seinen Geschichten ein Buch geworden – und der Verlag hat es mir freundlicherweise kostenlos als PDF zur Verfügung gestellt: Andreas Glumm, Geplant war Ewigkeit.
Gut bis hervorragend geschrieben sind alle von Glumms Geschichten aus verschiedenen Jahrzehnten, alle in Solingen und bei seinen Menschen angesiedelt, alle mit einer wiedererkennbaren Stimme erzählt – und doch in Tonalität und Grundhaltung seht unterschiedlich. Mit nicht jeder Grundhaltung konnte ich etwas anfangen.
Wenig zum Beispiel mit den Szenen aus jüngeren Jahren, in denen ich lediglich Karikaturen eines Männlichkeitsbilds erkannte, das vielleicht 14-jährige cool finden können.
Er fuhr Auto, wie er Geschlechtsverkehr ausübte: in hektischen Intervallen, überfallartig, bockig. Und immer so, als ginge es um die Weltmeisterschaft. Benzini fuhr, als hätte er ein Military-Pferd unterm Hintern: vor ihm tiefes Geläuf und nur noch wenige Minuten bis zum Zieleinlauf. Er fuhr, als wären Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nichts als ein Hütchenspiel, mit dem der Herrgott uns alle auf Trab hielt. Jederzeit konnte man Haus und Hof aufs falsche Hütchen setzen und als Bankrotteur enden.
Volle Punktzahl in der B-Note für bildhafte Beschreibung, doch dieser Duktus macht mich heutzutage müde (ich bin alt). Kurzer Gegentest: Ich versuchte mir diese und ähnliche Beschreibungen und Formulierungen über Frauen vorzustellen – funktionierte überhaupt nicht.
Komplett bizarr wurde meine Wahrnehmung der Drogengeschichten, als ich während der Zeit der Lektüre als Schöffin am Münchner Amtsgericht in einer Verhandlung wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz saß: Dieselben Themen, dieselben Menschen, aber nichts daran launig und lustig.
Ich unterstelle Glumm nicht, dass er das Thema harte Drogen verharmlost, doch im Grunde ist in den Geschichten dieses Leben, das sich zu 95 Prozent um Rausch und Beschaffung dreht, vor allem ein großes Spiel – wer verliert, stirbt halt den Drogentod, höhöhö. Die Haltung hat etwas naiv Kindliches, vor allem in ihren Männlichkeits- und Abgebrühheits-Posen, aber es geht nunmal um Menschenleben. Selbst mir, die das Leben grundsätzlich sinnlos findet, ist das zu frivol. Was nicht bedeutet, dass man nicht Geschichten aus dieser Seite der Gesellschaft oder nicht in diesem Tonfall schreiben soll – ich mag sie lediglich nicht lesen.
Dennoch empfehle ich den Erzählband, er enthält nämlich mehr als genug Geschichten, die aus diesem Bukowski-Duktus rausfallen. Glumm erzählt, wie er die Gräfin an seiner Seite kennenlernte, er schreibt ausführlich über seine Eltern (aus einer dieser Geschichten ist der Buchtitel entnommen) in vielen aufmerksam registrierten Details, die weit über die individuellen Geschichten hinaus weisen und eine Zeit erzählen, eine Gesellschaftsschicht, wirklich Bedeutsames. Hier finden sich kaum coole Floskeln, statt dessen liebevolle Beobachtung, menschenfreundliche Gelassenheit.
„Ach wo, in der Küche höre ich schon lange kein Radio mehr. Es ist dir bloß noch nicht aufgefallen“, erklärte Mutter geduldig. Ich wartete auf das leise Lächeln in ihrem Gesicht, das immer dann kam, wenn sie es gut mit jemandem meinte. Ein stilles In-sich-hinein-Lächeln, wie bei einem Goldschürfer, der tief im Unterbauch schon ahnt, dass er gleich auf eine Ader stoßen wird.
Sie konnte ein Lachen aber auch laut herausplatzen lassen, laut wie ein italienischer Polier, wobei sie den Kopf schwungvoll in den Nacken warf, damit mehr Platz im Hals
war – mehr Platz zum Lachen. Aber diesmal war nichts davon zu sehen und zu hören. Kein Lachen, kein Lächeln, keine Musik.
„Und warum?“ fragte ich.
„Warum es dir noch nie aufgefallen ist?“
Sie reichte mir zwei abgetrocknete Dessert-Tellerchen, und ich öffnete den Hängeschrank, um sie zum anderen Geschirr zu stellen.
„Nein, warum du keine Musik mehr hörst.“
„Warum mag man keine Musik mehr hören …“, formte Mutter die Worte neu, wie eine Frage an sich selbst. Vom Flur her hörten wir Geräusche, Vater schlurfte ins Schlafzimmer, um sein Mittagsschläfchen zu halten. Ich schaute in die Augen meiner Mutter. Da stellte ich die zwei kleinen Teller ab, und ich schloss sie in den Arm.
Besonders mochte ich die Geschichten über Freundschaft, darunter fiel mir die über den lebenslagen Freund auf, der offensichtlich durch und durch ein Ekel war: “‘Leh’m is hart’ – der schwierige Abschied vom dicken Hansen” – Glumms Loyalität ist nahezu unzerstörbar.
Selbst unter den Drogengeschichten gibt es einige, die einen weiten Blick über den Horizont haben – ich bin versucht, sie nach dem Ende von Glumms Heroin-Zeit zu datieren. Diese mochte ich durchaus. Oder wie er von seinem Herzinfarkt erzählt (die Vorform dieser Geschichte kannte ich ebenfalls aus Glumms Blog), ganz nah bei sich und gleizeitig mit dem beobachtenden Blick des Geschichtenerzählers: Hervorragend gemacht.
Gelohnt hat sich die Sammlung im Buch auf jeden Fall, lesen Sie sie.
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Greifvögel sind durch und durch Fleischfresser und mögen kein Brot. Auch nicht wenn es in ihrer Beute steckt. @birdturntable hat fotografisch einen Rundschwanzsperber erwischt, wie er aus dem Kropf der eben geschlagenen Taube sorgfältig deren letzte Mahlzeit entfernt. 
die Kaltmamsell