Journal Mittwoch, 18. November 2020 – Langweiliger Buß- und Bettag

Donnerstag, 19. November 2020 um 7:24

Am Vormittag energisches Pulli-Rausschmeißen: Nachdem ich bereits vor Jahren die Säcke voll (!) “Renovier-Klamotten” aus dem Keller weggeworfen hatte (sollte ich jemals wieder renovieren oder malern, greife ich halt zu den runtergerocktesten meiner Sport-Klamotten), waren mir jetzt die zahlreichen Pullis der Sorte “Hat seit Jahren einen Schaden oder nicht beseitigbaren Fleck, kann ich nur noch daheim tragen” aufgefallen. Und dass ich diese höchstens einmal im Jahr rausziehe. Weg damit.

Draußen strahlte die Sonne, ich genehmigte mir einen kurzen Einkaufsgang für Büromaterial, das ich fürs Ablageprojekt brauche. Es war wundervoll warm.

Herr Kaltmamsell arbeitete daheim: Er hatte drei Fachsitzungen per Video-Konferenz. Denn nur nochmal erzählt, damit diese herrliche Absurdheit nicht in Vergessenheit gerät: Der Buß- und Bettag wurde nach der Wiedervereinigung 1990 bundesweiter Feiertag, 1995 unter anderem in Bayern als solcher abgeschafft. Auf Druck der evangelischen Kirche blieb der Tag allerdings schulfrei. Damit aber Lehrerinnen und Lehrer dadurch nicht etwa einen freien Tag mehr bekommen, müssen sie auch ohne Unterricht arbeiten; an vielen Schulen wird ein “Pädagogischer Tag” in unterschiedlichsten Ausformungen veranstaltet.

Zwischen zwei dieser Fachsitzungen servierte ich uns Frühstück: Porridge mit Joghurt, Nüssen und Quittenkompott. Dann saß ich wieder mit Lesematerial in verschiedenen Medienformen auf meinem Bett, Beine hochgelegt, und versuchte Heilen.

Nachmittags Reha-Sport; halb vier ist eine gute Zeit sowohl für die Anfahrt als auch fürs Training: Beruhigend wenig Betrieb. Die Übungen gingen ganz gut, problematisch und schmerzhaft ist weiterhin Gehen.

Daheim Telefonat mit Mutter, die den halben Dienstag beim Zahnarzt verbracht hatte (der Körper ist eine Baustelle).

Zum Abendessen war Lieferpizza geplant. Da sie mir in den vergangenen Jahren dort am besten geschmeckt hatte, bestellte ich über Lieferando bei The Italien Shot.

Nicht ganz so gut wie frisch vor Ort, aber immer noch sehr gut. Dann ein wenig Schokolade.
Nachtrag für die Chronik: Abends die Balkonpflanzen reingeholt, ab Freitag ist auch in der Münchner Innenstadt Frost angekündigt.

die Kaltmamsell

Journal Dienstag, 17. November 2020 – Heilen in Ruhe, Polar-Doku

Mittwoch, 18. November 2020 um 7:36

Nach der eindeutigen Zustandsverschlechterung war der Vorsatz gestern also: Möglichst wenig bewegen, vielleicht sogar außer zum bereits vereinbarten Physio-Termin das Haus gar nicht verlassen.

Was gleich mal von meinem Frühstückshunger torpediert wurde. Ich wollte mir Porridge kochen und stellte fest, dass keine Haferflocken im Haus waren – eigentlich als Notfallessen fester Bestandteil des Vorratsschranks. Dann konnte ich ja gleich Semmeln holen. Und bei der Gelegenheit ein paar Lebensmitteleinkäufe erledigen.

So lernte ich, dass ich das mit dem Gehen wirklich erst mal lassen sollte, selbst nach dieser kleinen Runde daheim hinkte ich zum Gottserbarmen. Nach Semmelfrühstück setzte ich mich aufs Bett zum Zeitunglesen, mit hochgelegten Beinen ließen die Schmerzen (Stechen in Leiste, Ausstrahlen über Knie bis Schienbein) langsam nach.

Am frühen Nachmittag nahm ich die U-Bahn zur Physio. Obwohl ich Frau Anfasserin auf meine Probleme hingewiesen hatte, machte sie Übungen mit mir, die sehr anstrengten und schmerzten – “zehn Minuten geht schon”. Jetzt weiß ich auch nicht. Den Reha-Sport verschob ich dennoch auf Mittwoch, auch wenn das zwei zusätzliche U-Bahn-Fahren mit Menschenkontakt bedeutet.

Daheim Video-Telefonat über Whatsapp mit meinem Vater im Krankenhaus, er machte einen guten Eindruck. Ich gräme mich dennoch, dass ich ihn wegen der Pandemie-Einschränkungen weder dort noch anschließend in der Reha-Klinik besuchen kann.

Zurück aufs Bett. Ich guckte die weithin empfohlene Doku Expedition Arktis: Ein Jahr MOSAiC-Expedition des Forschungsschiffs Polarstern, die zum ersten Mal überhaupt ein Jahr lang durchgehend Daten aus dem Polareis und -meer erhob. Die sprunghafte Erderwärmung machte das laut Forscherinnen und Forschern zur möglicherweise letzten Chance, ein durchgehendes Jahr Eis zu beobachten.

Ich war gefesselt und begeistert, unter anderem von: Kleinen roten Quallen aus Polarmeerwasser, einer Erklärung, was wir eigentlich riechen, wenn wir “das Meer” riechen (nein, nicht das Salz), allein all den Jobbezeichnungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler! Außerdem lernte ich Köche und Bäckerin des Schiffs kennen, das Hubschrauberpersonal, Eisbärwächter. Aus all dem Material hätte man locker eine mehrteilige Serie machen können. Hier in der ARD-Mediathek nachguckbar und hiermit sehr empfohlen.

Während ich am eigenen Rechner bastelte (weiteres Umschichten von Dateien, neues Betriebssystem installieren), startete ich auch mal wieder den Arbeitsrechner, damit er Updates laden konnte. In mein Postfach dort gucke ich ohnehin alle paar Tage – ich erhoffe mir, dass ich so beim Wiedereinstieg nicht völlig überrollt werde.

Zum Abendessen servierte Herr Kaltmamsell Mexikanisches: Tomaten-Salsa, darin verlorene Eier, außerdem Guacamole, frische Paprika, Tomaten, Koriander, Weizentortillas. Dazu wollten wir Tequila trinken, doch das Norgerl in der Flasche gab gerade mal zwei Stamperl her.

§

Sehr ausführliches Interview in The Atlantic mit Barack Obama über seine Memoiren, u.a. wie er die Spaltung der USA erklärt und warum ihn überrascht hat, auf welchen Populisten die Rechte schließlich reingefallen ist:
“Why Obama Fears for Our Democracy”.

Zum Beispiel skizziert Obama die heute fehlende Funktion kleiner lokaler Medien:

What happens is that they see you through the dominant filters and news sources, and those news sources have changed. Even as late as 2008, typically when I went into a small town, there’s a small-town newspaper, and the owner or editor is a conservative guy with a crew cut, maybe, and a bow tie, and he’s been a Republican for years. He doesn’t have a lot of patience for tax-and-spend liberals, but he’ll take a meeting with me, and he’ll write an editorial that says, “He’s a liberal Chicago lawyer, but he seems like a decent enough guy, had some good ideas”; and the local TV station will cover me straight. But you go into those communities today and the newspapers are gone. If Fox News isn’t on every television in every barbershop and VFW hall, then it might be a Sinclair-owned station, and the presuppositions that exist there, about who I am and what I believe, are so fundamentally different, have changed so much, that it’s difficult to break through.

I come out of this book very worried about the degree to which we do not have a common baseline of fact and a common story.

die Kaltmamsell

Journal Montag, 16. November 2020 – Grabkunst im Nordfriedhof

Dienstag, 17. November 2020 um 7:36

Früh aufgestandenn für Reha-Sport vor der großen Welle – klappte nicht, der Geräteraum war gut besetzt. Eigentlich hatte ich überhaupt keine Lust auf Reha-Sport, doch im Gegensatz zu meinem Spaß-Sport ist Abblasen halt keine Option. Er schmerze und strengte an.

Das Wetter hatte wie angekündigt umgeschlagen, es war grau und regnerisch.

Daheim Zeitung gelesen und IT-Dinge beendet: Ich musste meinen Rechnern (sechs Jahre alt) umorganisieren, um das neueste Betriebssystem-Update aufspielen zu können. Schon bei dem davor hatte ich auf der Festplatte aufräumen und löschen müssen, das reichte jetzt nicht mehr; ich schob 55 GB Fotos ins heimische NAS. Ist ja immer wieder Stoff für Erheiterung: Als ich diesen aktuellen Rechner bekam, hatte er so unendlich viel Speicher, dass ich mein bis dahin auf externen Festplatten ausgelagertes Fotoarchiv LOCKER wieder draufnehmen konnte. Speicherplatz wird immer zu wenig.

Frühstück: Apfel, Gewürzkuchen in Milchsee.

Zur Putzmann-Flucht wollte ich den Neuen Israelitischen Friedhof ansehen – doch am Eingang entnahm ich einem laminierten Aushang, dass er derzeit wegen Corona nur für angemeldete Besucher geöffnet wird. Wechselte ich halt zum großen christlichen Nordfriedhof schräg gegenüber und schlenderte durch die Reihen. Nach ein paar Regentropfen zu Beginn blieb es trocken.

Grablichter aus dem Automaten.

Unter anderem sah ich Grabsteine mit kyrillischer Aufschrift, drei Grabsteine mit vietnamesischen Namen (ein wichtiger Schritt in Migrationsgeschichte: wenn die Toten nicht mehr “heim” gebracht werden, sondern die Zukunftsplanung so stark in der neuen Heimat verwurzelt ist, dass Grabpflege eingeplant werden kann).

Viele interessante Namen, Berufe, Schriftarten, anders als auf dem Ostfriedhof allerdings nur wenige wirklich gelungen kreativ gestaltete Grabsteine.

Ich stieß auch auf das eigentümliche Mauergrab von Johannes Heesters:

Hier eine Liste prominenter Persönlichkeiten, die auf dem Nordfriedhof bestattet sind.

Auf dem Heimweg kurzer Einkaufsabstecher am Marienplatz.

Zu Hause versteckte ich mich in meinem Schlafzimmer, weil Herr Kaltmamsell die Presse empfing (Corona-adäquat kamen Fotograf und Redakteur einzeln). Auf dem Bett die Beine auszustrecken, war ohnehin genau das Richtige, denn Sie werden’s nicht glauben: Elf Kilometer zu Fuß, wie der Schrittzähler angab, waren dann doch zu viel, neben dem operierten Gelenk und Bein schmerzten jetzt auch alle Knochen im nicht operierten Bein. Ich werde es dann doch mal mit einem Tag Ruhe versuchen, auch wenn sich das immer falsch anfühlt.

Nachmittagssnack: Quark und Joghurt mit Lemon Curd. Beim Lesen im Bett schlief ich wieder für eine halbe Stunde tief ein. Gute Meldung aus dem Krankenhaus: Die Papa-OP war ohne Komplikationen verlaufen.

Zum Abendessen brauchte Herr Kaltmamsell den Ernteanteil auf: Es gab Rosenkohl aus dem Ofen mit Maroni (zugekauft), außerdem Bratkartoffeln. Als Nachtisch Schokolade.

die Kaltmamsell

Journal Sonntag, 15. November 2020 – Start Projekt Ablage

Montag, 16. November 2020 um 6:41

Bessere Nacht, lang geschlafen. Der Tag wurde nochmal hell und sonnig.

Sportfrei bis auf die Übungshausaufgabe von Frau Physio.

Ich kochte Meyer Lemon Curd und holte Semmeln zum Frühstück. In der Sonne war es sehr warm.

Jetzt war der innere Moment gekommen, mein Krankenstands-Projekt Neue Ablage zu starten. Wie jedes Projekt mit Vorlauf hatte ich es erst mal im Hinterkopf geparkt, von wo dann Ideen für eine Herangehensweise aufploppten. Zum Beispiel: Nicht etwa, wie der Vorderkopf angefangen hätte, an einem Tag alle vorhandenen Ordner aus dem Regal zerren und deren Inhalte auf dem Wohnzimmerboden neu in Stapeln sortieren. Sondern erst mal einen neuen Ordner mit einem aktuellen Thema eröffnen, unterkategorisieren, die seit Monaten herumfliegenden Unterlagen und die aus bereits vorhandenen Ordnern zuordnen. Bei dieser Gelegenheit formierten sich weitere Themenbereiche, die künftige Ordner ergeben werden und die ich einem Dokument auflistete. Ich werde Ordner und Aufkleber für Orderrücken besorgen müssen.

Allerdings stieß ich schon jetzt auf Ordnerinhalte, auf ganze Kategorien, an die ich keinerlei Erinnerung hatte. Zum Beispiel scheine ich irgendwann mal systematisch englische Rezepte ins Deutsche übersetzt, layoutet und als Broschüre ausdruckbar formatiert zu haben. Warum nur, das sieht nach einem Haufen Arbeit aus? Vorerst werde ich diese vergessenen Inhalte nicht gleich wegwerfen, sondern im Keller auslagern und vergessen. Wenn ich dann nochmal darauf stoße, sind sie bereit für die Mülltonne.

Nachmittags zog es mich nochmal raus in die Sonne, bevor laut Vorhersage über Nacht das Wetter umschlägt. Ich spazierte zur Theresienwiese, die viele Menschen zum Sporteln (inklusive Cricket!), Drachensteigenlassen und Spazieren nutzten. Leider fiel mir das Gehen sehr schwer und war anstrengend, den geplanten Rundgang durch den Bavariapark ließ ich bleiben.

Zurück daheim schlachtete ich einen Granatapfel, teilte mir die Kerne mit Herrn Kaltmamsell, außerdem gab es Gewürzkuchen. Ich legte die Beine im Bett hoch und las, vor Erschöpfung schlief ich sogar ein (eine ganz andere Art Müdigkeit als Bettschwere für Siesta).

In Gedanken bei meinem Vater, der am Montag die nächste OP hat.

Das Nachtmahl bereitete und servierte Herr Kaltmamsell: Es gab ein Hühner-Curry. Dazu ließen wir im Fernsehen Ready Player One laufen, dessen Trailer mich seinerzeit interessiert hatte und den ich gar nicht schlecht fand. Wie erwartet war ich aber zu müde, ihn mit all den Werbepausen zu Ende zu sehen.

die Kaltmamsell

Journal Samstag, 14. November 2020 – Leuchtender Englischer Garten

Sonntag, 15. November 2020 um 8:23

Unruhige Nacht, aber zumindest hatte ich Herrn Kaltmamsell neben mir, über dessen Anwesenheit ich mich bei jedem Aufwachen freute.

Gemütliches Bloggen – ich genieße es sehr, wenn ich dabei Zeit für Recherchen habe, die mich von Hölzchen auf Stöckchen führen.

Eine kleine Runde Sport, nur 45 Minuten und ohne große Anstrengung.

Für die Chronik: Die letzten beiden Bäume in Sichtweite der Wohnung, die sich dem Herbst ergeben – Heckenbuche und Lärche.

Zur mittäglichen Frühstück gab es Reste des Nachtmahls vom Freitag und Gewürzkuchen.

Die Sonne strahlte weiter warm, ich fuhr zu einem Spaziergang an den Odeonsplatz. Der Englische Garten war fast so voll wie an einem sonnigen Juni-Samstag, jede Parkbank besetzt – klar: Straßencafés sind ja zu, viele hatten in Plastikbechern Drinks in der Hand.

Hier gab es Liegestühle zu mieten und Getränke, eine Band machte Musik. Auch sonst spielten an vielen Ecken des Parks Musiker und Musikerinnen.

Menschen sonnten sich mit nacktem Oberkörper, Kinder spielten leicht bekleidet im Wasser – November halt. Ich musste langsam gehen, fühlte mich nicht sehr sicher auf der neuen Hüfte. Auf Höhe Münchner Freiheit verließ ich den Park, nahm eine U-Bahn zurück nach Hause.

Im sonnenbeschienenen Wohnzimmer machte ich es mir im Sessel bequem, las die Wochenendzeitung, dann Internet. Nachmittagssnack war ein halber Granatapfel, Birne, Kuchen.

Zum Abendessen briet Herr Kaltmamsell ein Flanksteak und föhnte Kartoffelschnitze dazu, ich bereitete den Fenchel aus Ernteanteil mit einer Orange zu Salat. Der Fenchel stellte sich als so frisch, saftig und würzig heraus, die Orange als so aromatisch, dass Herr Kaltmamsell nur wenig von dem Teller abbekam.

Im Bett begann ich meine nächste Lektüre, den Klassiker von John le Carré, Tinker Tailor Soldier Spy.

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Anlässlich der Nerzschlachtungen in Dänemark (man hatte eine Mutation von Sars-CoV-2 bei ihnen entdeckt) gestanden einander ein paar Twitterinnen, darunter ich, zwar total gegen Pelztierzucht zu sein, aber die sensationelle Weichheit eines Nerzmantels nie vergessen zu können.

Woraufhin eine meinte:

Jetzt hat sie die Geschichte aufgeschrieben.

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Für starke Sehnerven und Netzhäute: @IrgendwieJuna und andere twittern auch 2020 wieder #chanukkakitsch.

die Kaltmamsell

Journal Freitag, 13. November 2020 – Kulturtag mit dem einen Fleißer-Roman und In den Gängen

Samstag, 14. November 2020 um 9:34

Unruhige Nacht, in der ich mehrfach knallwach war – zum Glück aber immer wieder einschlief.

Mein gestriger Physiotermin war schon um halb acht, so früh war die U-Bahn nach Norden entspannend leer. Frau Physio tat mir wieder weh, ließ mich Kräftigungsübungen fürs operierte Gelenk machen (im Liegen auf der Seite mit Gewichtsmanschette um den Knöchel) – sie wird schon wissen.

Anschließend erledigte ich mein Reha-Programm im Übungsraum, einige Wackelübungen gehen jetzt schon besser. Einkäufe im Supermarkt des Rehasport-Gebäudes.

Anfall von Corona-AAAAAAAAHHRGHHH! Auslöser war der Anblick der (zum Glück spärlichen) U-Bahn-Passagiere mit Mund-Nasen-Schutz. Wenn mir jemand vor einem Jahr dieses Szenario erzählt hätte und dass Museen, Gastronomie, Sportstätten zur Infektionsvermeidung geschlossen sein würden – hätte ich mir das vorstellen können? (Der hiesige Katastrophenschutz ja auch nicht, im lustigen Schuldzuweisungsspiel taucht eigenartigerweise gar nicht mehr auf, dass die Empfehlungen der letzten länder-übergreifenden Pandemie-Übung von 2007 nie umgesetzt worden waren.)

Daheim kurzes Abladen, dann im Süpermarket Verdi Einkäufe fürs Abendessen (ich freute mich vor allem über den dicken Bund superfrischen Koriander). Unterwegs ein weges Gebäude an der Ecke Pettenkofer-Goethestraße fotografiert, das mich die 20 Jahre meines Wohnens in diesem Viertel begleitet hatte.

Zurück daheim buk ich Gewürzkuchen, jetzt im Spätherbst und vor Advent ist dafür die perfekte Zeit. Als ich ihn in den Ofen schob, war’s noch nicht mal zwölf.

Zum Frühstück aß ich zwei weiche Eier und von dem Fladenbrot, das ich beim Verdi mitgenommen hatte. Zeitungs- und Internetlektüre, bis ich den Kuchen aus dem Ofen und nach einer Stunde aus seiner Form nehmen konnte.

Draußen schien weiter herrliche und auch wärmende Sonne; ich machte einen kurzen Abstecher in die Sendlinger Straße, um Körpercreme nachzukaufen. Damit meldete die operierte Hüfte allerdings, dass sie für einen Tag definitv genug bewegt worden war: Ich war wieder bei Trippeln und Hinken.

Daheim herzte ich einen von der Arbeitswoche erschöpften Herrn Kaltmamsell, ließ mich dann im Sessel nieder, um Marieluise Fleißer, Eine Zierde für den Verein, auszulesen.

Die erste Fassung von Fleißers einzigem Roman erschien 1931, er spielt sehr erkennbar und örtlich verwurzelt in meiner Geburtsstadt Ingolstadt.

Die Geschichte des jungen Gustl Gillich, aus dessen Perspektive meist erzählt wird, stadtberühmter Schwimmer, der gerade seinen eigenen Tabakladen eröffnet hat. Der Frieda Geier kennenlernt, eine selbständige junge Frau, die als Handelsvertreterin nicht nur für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgt, sondern auch die Schulbildung ihrer jüngeren Schwester finanziert. Die karge und wortarme Romanze zwischen den beiden geht nicht gut.

Sperrig und eigentümlich erzählt Fleißer ihre Geschichte und ihre Figuren, unrund und überhaupt nicht gefällig – doch gehört das genau so. Die Bilder, die Fleißer mit Wörtern erzeugt (deren Schreibung sie oft wider orthografische Regeln verändert), erinnerten mich immer wieder an expressionistische Malerei (nicht an expressionistische Literatur): Die zugefrorene Donau, über deren tauende Schollen ein Bub springt / wie ein paar Schwimmvereinsburschen nachts den Pionieren am Künettegraben Balken vom Brückenbau stehlen / der Tabakhändler, der an einem Wintermorgen hinter den Eisblumen seines Schaufensters verschwindet.
Wie viel sie immer miterzählt! Bücher aus lang vergangenen Zeiten transportieren ja immer sehr viel Hintergrundinfo, weil sie aus einer anderen Welt kommen, doch das ist meist eine unbeabsichtigte Nebenwirkung. Fleißer aber will ganz viel miterzählen: Straßen, Häuser, Landschaft, wie es auf dem Wochenmarkt zugeht, wo der Zug nach Passau entlang fährt. Scharfsichtig wie eine Magnum-Fotografin hält sie bedeutsame Momente fest, die für eine Zeit und eine Gesellschaft stehen.

Kurzer Anfall von Erwachsensein: Ein Deckenfluter im Wohnzimmer wurde immer funzliger, ich schraubte die Fluterfläche auf, um die zwei Drittel sichtlich erloschene Lämpchen zu ersetzen – und stieß auf sowas:

Das sieht ganz danach aus, als müsste ich die komplette LED-Scheibe ersetzen – wissen Sie, wo man sowas bekommt oder auch nur, unter welchem Stichwort ich danach recherchieren kann? Ich fürchte, ich werde den Lampenhersteller Honsel anschreiben müssen.

Fürs Abendessen durfte wieder ich sorgen: Ich hatte mir mit Lammhack gefüllte Quitten vorgenommen nach einem Rezept aus Jerusalem von Yotam Ottolenghi und Sami Tamimi. Kleine Quitten hatte ich aus Eigenanbau bekommen, beim Schälen war schnell klar, dass ich zu viel wegschneiden musste, als dass sie sich zum Füllen geeignet hätten. Doch das Rezept gibt ohnehin eine Variante mit gewürfelten Quitten und der Füllung als Klopsen an – die setzte ich um.

Schmeckte mir sehr gut, doch vielleicht lasse ich beim nächsten Mal die Chilli im Hackfleisch weg – die Schärfe wollte nicht so recht passen.

Abendunterhaltung: arte zeigte einen Film, den ich seit Erscheinen 2018 hatte sehen wollen, In den Gängen mit Sandra Hüller und Franz Rogowski. Großartiger Schauplatz fast ausschließlich in einem Großmarkt mit seinen weiten Gängen, mit seinen Gabelstaplerfahrten, wundervolle Darsteller, ausgezeichnetes Drehbuch ohne viel Dialog – hin und wieder kann deutscher Film halt doch auch was. Hier in der arte-Mediathek noch bis Februar zu sehen, Empfehlung.

die Kaltmamsell

Journal Donnerstag, 12. November 2020 – Neuer Haarschnitt

Freitag, 13. November 2020 um 6:13

Gestriger Programmpunkt war Friseur.

Ich schlief ein halbes Stündchen länger, weil Herr Kaltmamsell donnerstags nicht zur ersten Schulstunde antreten muss. (Vor zwei Wochen unkte ich noch, dass die Schulen nicht auf einen Schlag geschlossen werden, weil sie bei der derzeitigen Infektionsentwicklung dort ohnehin Klasse für Klasse und dann Schule für Schule dicht machen müssen bis zur De-facto-Komplettschließung – aber sich so niemand in der Politik dafür Ohrfeigen einfängt. Jetzt spricht der Deutsche Lehrerverband von “Salami-Lockdown”.)

Sportrunde am Morgen mit Crosstrainer (auf dem ich die Dauer ganz langsam erhöhe) und Übungen, bevor ich um elf beim Haareschneiden war. Diesmal hatte ich mir als Wunsch eine Kante zwischen sehr kurzem Unten und längerem Oben ausgedacht (also ein Undercut, diagnostizierte Herr Haarschneider).

Haarschnitt vor Klospiegel – den meine Mutter vor Jahrzehnten in ihrer Töpferphase gemacht hat und den ich sehr liebe.

Auf dem Heimweg kaufte ich im Basitsch für die nächsten Tage Lebensmittel ein.

Daheim gab’s den Rest Pilz-Quiche und noch einen Milchkaffee.

Auch wenn nachmittags die Sonne rauskam, ließ ich das mit dem Spazieren bleiben – vielleicht geht Heilen ja wirklich auch mit ein bisschen Ruhe. Die neuen Physio-Übungen machte ich natürlich trotzdem, erinnerte mich auch an den Rat der Anfasserin, anschließend den Narbenbereich zu kühlen.

Snack am Nachmittag:

Ich kann nämlich AUCH Bowl.

Herr Kaltmamsell hatte den Ernteanteil abgeholt, daraus gab es zum Abendessen Asiasalat mit Zitronensaft-Olivenöl-Dressing, Chinakohl mit Joghurt-Sesamöl-Dressing und ohne Ernteanteilanteil Tsatsiki.

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Wie überall in der Landwirtschaft stehen auch im Weinbau Anbaubedingungen und die Arbeitsumstände der Arbeitskräfte in der Diskussion. Anlässlich eines aktuellen Skandals um einen Hersteller in Apulien berichtet Jem Macey, seit vielen Jahren Beraterin im Weinbau, über ihre Erfahrungen mit Saisonarbeit in der Toskana, über konkrete Menschen, Bürokratie, Schutzmechanismen und wie sie oft umgangen werden – ein spannender Einblick in eine Seite des Weingenusses, über den wohl die meisten nicht nachdenken:
“Working for Wine: A Tuscan View of Immigrant Labor”.

via @vinoroma

die Kaltmamsell