Alles über orthopädische Reha heutzutage

Donnerstag, 25. Juli 2019 um 6:29

Ein echtes Fazit der drei Reha-Wochen ist ja erst in einigen weiteren Wochen sinnvoll. Hier aber ein paar Dinge, die ich dort gelernt habe:

  • Medizinisches Personal trägt keine Birkenstocks mehr, sondern Croqus.
  • Die Patienten und Patientinnen in solch einer Reha sind sehr divers: In Alter (natürlich tendenziell eher ältere), in Körperform, in Herkunft. Sie verbindet wirklich nur, dass sie Mitglieder der Deutschen Rentenversicherung sind.
  • Ob und wie sportlich fit sie sind, sieht man an keinem der obigen Faktoren, sondern erst, wenn sie sporteln (wie halt im sonstigen Leben auch).
  • Rehas sind auf einen angenommenen Durchschnittpatienten ausgerichtet, der zum ersten Mal im Leben mit sportlicher Bewegung Bekanntschaft macht und Hintergründe zu Ernährung erfährt. Wer nicht diesem Profil entspricht, geht unter.
  • Reha-Verpflegung mag zwar nicht lukullisch sein, ist aber wunderbar gemüselastig.
  • Bayern 1 klingt heute wie Bayern 3 vor 15 Jahren – inklusive teilweise interessanter Wortbeiträge, Bayern 3 klingt wie Antenne Bayern vor zehn Jahren – inklusive tödlich launiger Mehrfachmoderation. (In fast allen Räumen außer den Einzelzimmern dudelte einer dieser beiden Sender.)

Was ich gerne vorher gewusst hätte: Als Reha-Patientin oder -Patient braucht man eine kleine Tasche, in der man Therapieplan, Handtuch, Zimmerschlüssel, Wasserflasche, Telefon bei sich führt und von Termin zu Termin trägt. Da ich mir nicht eigens eine zulegen wollten (bitte nicht mehr Zeug!), war ich mit meiner riesigen Standardtasche unterwegs, die auch ein paar Kilo Einkäufe fasst.

die Kaltmamsell

Journal Dienstag, 23. Juli 2019 – Längere Reha-Rückfahrt

Mittwoch, 24. Juli 2019 um 6:53

Gestern fuhr ich einmal quer durchs Ingolstädter Audi-Werk. Im ICE. Kennerinnen wissen: Das ist keine gute Nachricht.

Dabei war bis Nürnberg alles gut gegangen: Früh zu einem Hochsommertag aufgestanden, gepackt in “brauche ich gleich bis bald” (Koffer, den ich selbst mitnahm) und “würde mir bei Verlust nicht das Herz brechen” (Koffer, der vom Transportdienst mitgenommen wurde). Unterlagen und Schlüssel gab ich im Stationszimmer ab, im Speisesaal trank ich Tee und frühstückte Muesli, plauderte nochmal mit einer besonders interessanten Mitpatientin aus Erfurt.

Wie schon bei der Ankunft verzichtete ich auch jetzt für den Weg zum Bahnhof auf den Shuttle-Service, ich ging lieber zu Fuß, bevor ich einige Stunden sitzen würde. Dass es dann so viele Stunden würden, war nicht geplant. Beim Umstieg in Hof hatte ich sogar noch Zeit für einen Cappuccino, in Nürnberg kam ich pünktlich an.

Während ich mir im Nürnberger Bahnhof ein Mittagessen holte (Stück Fladenbrot mit Grillgemüse und eine Nussschnecke), bekam ich mit, dass andere Züge nach München Verspätung hatten. Meine Verbindung war sogar noch als pünktlich angezeigt, als ich vespernd am Bahnsteig wartete. Doch dann hieß es fünf Minuten Verspätung, als die verstrichen waren zehn, tatsächlich kam der Zug mit 20 Minuten Verspätung an, wegen technischer Probleme. Die präzisierte im Zug die Schaffnerin: “Wir müssen einen Umweg fahren, weil unser Triebwagen nicht mehr genügend Leistung hat.” (Ich nehme an, dass die extra gebaute ICE-Strecke Nürnberg-München über Ingolstadt nur unter bestimmten Bedingungen befahren werden darf.)

Und so sah ich Schwabach und Weißenburg, ab Treuchtlingen kannte ich mich sogar wieder aus, weil ich hier mal gearbeitet hatte. Wir bummelten durchs Altmühltal, ich sah viele, viele Paddlerinnen und Padler in gleißendem Licht auf dem Flüsschen, wir fuhren hinüber ins Donautal. Jetzt war der ICE endlich die 60 Minuten verspätet, die das Verteilen von Fahrgastrechte-Formularen und Freigetränken auslöste. Und wir fuhren einmal quer durchs Audiwerk, das mit seinem enormem Wachstum in den vergangenen 20 Jahren die Bahntrasse verschlungen hat – ebenso wie zahlreiche kleinere Straßen, auf denen ich noch als Kind und Jugendliche geradelt bin, die allerdings im Gegensatz zu den Gleisen nicht mehr für Durchgangsverkehr frei sind. Jetzt sah ich sie wieder.

Die Stimmung im wenig besetzten Großraumabteil war gelassen, das alte Paar vor mir amüsierte sich von Herzen über die Unbillen: “Solange er nicht steht, simmer ja schon ganz zufrieden.” Lautes Kichern, als auch noch die Schließung des Speisewagens durchgesagt wurde. (Aber hey: Klo, WLAN und Klimaanlage funktionierten.) Ich fragte die freundliche und gelassene Zugchefin, ob das jetzt ein elend langer Arbeitstag für sie würde? Wohl erst mal nicht: “Ist ja erst die Hinfahrt.”

München empfing mich mit Hitze, aber noch erträglicher. Daheim schloss ich Herrn Kaltmamsell in die Arme. Kofferauspacken, Waschmaschine füllen und einschalten, dann ging ich auf eine Einkaufsrunde: Vor allem brauchte ich eine neue externe Festplatte, die bisherige fürs Back-up erkannte mein Rechner nicht mehr – und nun hatte ich seit über drei Wochen kein Back-up mehr gemacht.

Daheim gab’s Wäschaufhängen, während das Back-up lief, bald Pink Gin & Tonic und dann ließ ich mich feierlich von Herrn Kaltmamsell bekochen: Ich hatte mir Shakshuka gewünscht.

die Kaltmamsell

Journal Montag, 22. Juli 2019 – Letzte Reha-Male

Dienstag, 23. Juli 2019 um 6:57

Sehr schlecht eingeschlafen, beim frühen Aufwachen fühlte ich mich dann eigentlich fit.

Doch schon während des ersten Reha-Termins Rotlicht (das wieder gut tat), sah ich ein, dass ich an diesem Tag eher langsam tun sollte. Eigentlich hatte ich vormittags zwischen zwei Terminen eine letzte Laufrunde geplant – sonst würde ich bis zum Wochenende nicht zu Sport kommen -, doch ich musste einsehen, dass es mir dafür zu schwächlich war. Am Frühstückstisch hatte ich nur Lust auf süßen Schwarztee, mochte nicht mal das sonstige Glas Hafermilch.

Also folgte ich nur dem Tagesplan. Es sah bald eine Runde im Maschinenraum vor; wenn ich schon die Laufrunde wegließ, verbrachte ich zumindest auf dem Crosstrainer mehr Zeit als nur das Warmstrampeln. Die Geräteübungen waren kein Problem.

Fast gleich im Anschluss letzte Wirbelsäulengymnastik: Faszienrolle. Wie schon durch Ihre Kommentare von Patienten- und Patientinnenseite verstärkte sich hier der Eindruck, dass auch auf Therapieseite keine Einigkeit über das ob und wie der Fazienlockerung besteht: Die einen sagen so, die anderen so. Gemeinsame Basis scheint die Erkenntnis, dass den Faszien sehr viel mehr Bedeutung zukommt, als man bis vor Kurzem wusste. Doch die genauen Auswirkungen welchen Umgangs damit sind wohl noch nicht systematisch erforscht. Diese Frau Physio zeigte uns Übungen mit einer verhältnismäßig dünnen, dafür besonders langen glatten Faszienrolle. Ihr Rat zur Einsatzhäufigkeit: Zweimal die Woche, und zwar überall dort, wo sie schmerzt. Stoße man dabei auf eine Partie, die besonders schmerze, konstanten Druck darauf ausüben, bis sich die Verhärtung löst. Besonders spannend fand ich ihre Anleitung für den Einsatz der Rolle im Nacken – ich kann mir durchaus vorstellen, dass man damit Kopfweh-induzierende Verspannungen lindern kann. Ich habe den festen Vorsatz, damit zu arbeiten, parallel meine Anfasserin zu fragen, ob sie auch Faszienmassagen kann.

Nach einem letzten Cappuccino in der Cafeteria duschte und pflegte ich mich. Letztes Mittagessen (Bohneneintopf mit getrockneten und frischen Bohnen, dazu Salat vom Buffet), letzte Kurzsiesta, letztes Mal Massagesessel.

Vor dem letzten Vortragstermin ging ich meinem Verdacht nach, dass es im Eissalon, in dem ich am Samstag den Bombenbecher gegessen hatte, handgemachten Cappuccino geben könnte. Ich spazierte hinüber – und tatsächlich, gibt es. Er schmeckte auch noch.

“Leistungen der Sozialversicherungen” lautete der Vortragstitel, es ging tatsächlich um das Bundesdeutsche System an Kranken-, Pflege, Renten- und sonstigen Sozialversicherungen. Ich nahm die Infos als politische Bildung mit.

Die eigentlich geplante Joggingstrecke spazierte ich jetzt. Es war schwülwarm und diesig-sonnig, Spazieren tat mir deutlich besser als es ein Lauf gewesen wäre. Snack zwischendurch: Waldhimbeeren.

Sonst kenne ich auf Wanderungen Erdbeerchen und im Spätsommer Brombeeren (die jetzt noch lange nicht reif sind), aber hier im Frankenwald ist alles voll kleiner, köstlicher Himbeeren. Ich bekam Lust, demnächst eine Himbeertorte zuzubereiten.

Letztes Abendessen, ich aß mit Hunger und Appetit. Zwei Stunden später hatte ich schon wieder Hunger, genau dafür hatte ich einen Becher Hüttenkäse, eine Nektarine und Schokolade in der Schublade.

Letztes Mal Abendrot über den Hügeln des Frankenwalds.

Neues Buch begonnen: Min Jin Lee, Susanne Höbel (Übers.), Ein einfaches Leben. Nach sehr Langem mal wieder die deutsche Übersetzung eines englischsprachigen Orignals – noch lenkt mich ab, dass ich mich bei Formulierungen immer wieder frage, wie wohl die englische Ausgangsformulierung lautete.

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Ich finde das nicht nur in zwanzig Jahren nicht langweilig, sondern schon jetzt:
“Ohne Fleisch kein Preis – Bahnreisen, Europa 2019”.

Oder: Warum es nichts nützt, die klimafreundliche Verringerung von Flugreisen (die übrigens bis zum Moment stetig mehr werden) innerhalb nationaler Grenzen zu denken.

§

Die verehrte Carolin Emcke hat lange gebraucht, bis sie ihre Gedanken zu #metoo formuliert hat. Dadurch hatte sie dafür bereits einen Überblick, der eine sachliche Analyse der Debatte möglich macht. Teresa Buecker hat sie für Edition F zum resultierenden Buch Ja heißt ja und… interviewt:
“Carolin Emcke: ‘Ich denke die ganze Zeit darüber nach, ob etwas, das ich tue, falsch verstanden werden kann oder übergriffig wirkt'”.

Der Fokus lag zunächst auf einzelnen Fällen und dem Versuch des Nachweisens, dass eine bestimmte Person die eigene Macht missbraucht hat, Frauen missbraucht hat, genötigt hat. Darüber wurden dann zum einen die Personen und ihre Verhaltensweisen genauer angeschaut, zum anderen auch der direkte Kontext, diese komplizitäre Kultur in bestimmten Branchen. Ich habe diese Einzelfälle auch verfolgt und manche erscheinen einem dann noch widerlicher als andere. Aber diese einzelnen Fälle haben mich nicht so umgetrieben. Was ich wirklich interessant fand, war die Abwehr des Diskurses durch Frauen, die suggerierten haben, es ginge bei dieser Debatte um eine Einschränkung von Lust und eine Einschränkung von Sexualität. Da habe ich dann gedacht: Jetzt lohnt es sich doch, noch etwas dazu zu schreiben.

(…)

… da gab es mitunter auch so eine Härte im Diskurs. Da gab es Auftritte von Frauen, die mit erstaunlicher Selbstzufriedenheit herumposaunten, sie verstünden gar nicht, was das Problem wäre. Wenn irgendjemand sie belästigen würde, dann könnten sie sich doch einfach wehren, einfach ,nein‘ sagen. Da wurden Machtfragen komplett ausgeblendet, denn es gibt eben Hierarchien, es gibt unterschiedliche Privilegien, es gibt unterschiedliche Statusformen, die eben auch drohen und bedrohen können. Aber es gibt auch unterschiedliche soziale, kulturelle, übrigens auch physische Kompetenzen, die es der einen leichter und der anderen schwerer machen, sich zu wehren. Die rücksichtslose Härte, mit der da unterstellt wurde, alle müssten gleich angstfrei, gleich wortgewandt, gleich kraftvoll genug sein – die hat mich wirklich befremdet.

die Kaltmamsell

Journal Sonntag, 21. Juli 2019 – Ein Tag in Hof

Montag, 22. Juli 2019 um 7:05

Für den gestrigen Sonntag hatte mein Bruder seinen Besuch angekündigt, ich wünschte mir einen Ausflug nach Hof.

Da da die Fahrt damit fast doppelt so schnell ging, kam er mit seinem Auto statt mit dem Zug und holte mich von der Klinik ab. Ich zeigte meinem Bruder ein wenig Kurpark und Kuranlagen, dann fuhr er uns nach Hof.

Erster Stopp in der dortigen Fußgängerzone: Neumodisches Café mit selbst abzuholendem Getränk – endlich ordentlicher Cappuccino!

Wir spazierten durch die Innenstadt, guckten hier und da, ich freute mich über Typografie aus verschiedenen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts.

Am eigentlich nicht zu übersehenden Rathaus waren wir unbemerkt vorbeigelaufen weil auf der falschen Straßenseite. Dann spazierten wir die schönen Wege entlang der Saale entlang.

Bitte beachten, wie wörtlich ein Vogel das Bauen im O genommen hat (Entdeckung des Herrn Bruder).

Zu Mittag nochmal Schäufele, dieses deutlich saftiger und zarter als das Exemplar eine Woche zuvor. Mein Bruder, soll ich (aus Gründen) betonen, hatte einen Salatteller mit gebratenem Ziegenkäse.

Dann nahmen wir uns den Bürgerpark Theresienstein vor und spazierten darin fast zwei Stunden.

Wir sahen uns im Botanischen Garten um, folgten einem Pfad mit weiten Aussichten, mäanderten an künstlichen Ruinen und Seen vorbei – es ist wirklich eine sehr schöne Parkanlage.

Zurück zum Auto guckten wir uns ein ehemaliges Fabrikhaus an der Saale nochmal genauer an, gleich bei St. Michaelis, das zu einem sehr interessanten Wohnhaus umgebaut wurden war. Und dann fuhr mich das Brüderchen zurück nach Bad Steben. Das war dann doch eine ganze Menge Rumlaufen und Sonne gewesen, ich verbrachte den Rest des Abends im Sitzen.

Dummer- und eigenartigerweise wurde mir nach der Tagesschau schlecht, so heftig und so viele Stunden nach der letzten Mahlzeit, dass ich einen Infekt befürchtete. Als das nicht aufhörte, legte ich mich ins Bett, schlief unruhig ein – und wachte zwei Stunden später ohne Übelkeit auf. Appetit auf Abendessen welcher Art auch immer hatte ich dennoch nicht.

§

Der Observer fragt:
“Why do some people develop the lost camera films of total strangers?”

via @goncourt

Denn anscheinend tun das nicht nur Leute, die zufällig in alten Fotoapparaten unentwickelte Filme finden: Auf Ebay scheint es einen regen Markt für unentwickelte Filme unbekannter Menschen zu geben.

die Kaltmamsell

Journal Samstag, 20. Juli 2019 – Schwimmen und verworfener Eisbecher

Sonntag, 21. Juli 2019 um 7:50

Noch zwei Wochen hier, und ich spräche Fränkisch – große Affinität zu diesem Zungenschlag.

Eigentlich hatte ich diesen Samstag für einen Ausflug nach Karlsbad oder Marienbad eingeplant, wie sie von Bad Steben aus an Wochenenden per Bus angeboten werden. Nur halt nicht an diesem Wochenende.

Also schwenkte ich um auf einen weiteren Schwimmausflug nach Naila. Am Freitagabend hatte es noch kräftig geregnet, ich hätte auch eine Regenschwimmrunde akzeptiert. Doch Samstag wachte ich früh zu Sonnenschein und schnell steigenden Temperturen auf.

Nach einer Tasse Tee und einem Glas Hafermilch spazierte ich zum Bahnhof und nahm wieder den Zug nach Naila. Unterwegs:

Für die Freunde und Freundinnen des missbrauchten Apostrophs – diese Verwendung kannte ich noch nicht.

Das Freibad war wieder recht leer, wieder hatte ich für den größten Teil meiner 3000 Meter die Bahn allein. Bei einer Wende sah ich aus dem Augenwinkel einen sehr großen Vogel überm Becken. Ich stoppte und sah nach: ein Rotmilan, er flog tief genug, dass ich ihn identifizieren konnte.

Diesmal schien die Sonne durchgehend, ich schwamm über glitzerndem Boden; da ich wieder niemanden zum Sonnencremen hatte, machte ich mich auf einen roten Rücken gefasst. Doch der Check beim Heimkommen ergab: Nicht mal die Spur eines Sonnenbrands. Ich verstehe meine Haut nicht.

Nach der Schwimmrunde wechselte ich in einen trockenen Bikini und cremte mich ein; so legte ich mich mit Musik auf den Ohren auf die spärlich belegte Wiese. Als Brotzeit gab es zwei große Bananen, als der Kiosk öffnete, bekam ich einen passablen Cappuccino.

Um zwei nahm ich den Zug zurück nach Bad Steben. Kurz vor Ankunft begann mein Magen zu knurren, schnell fiel ihm ein, worauf er Lust hatte: einen Eisbecher. Ich ließ mich im Eiscafé Tropea nieder, in der Eiskarte erschien mir der Becher Babá am verwegensten:

Ja, das sind kleine Stücke Babá au Rum. Er war köstlich. (Und dann war mir ein kleines Bisschen schlecht.)

Zurück in der Klinik ausgiebiges Duschen und Cremen. SZ-Magazin und Wochenend-Süddeutsche auf dem Smartphone gelesen.

Zum Abendessen hatte ich schon wieder Hunger, danach noch ein mittelausgedehnter Spaziergang durch den Kurpark.

§

Die iranische Fotografin Gohar Dashti zeigt, was aus Wohnungen und Häusern wurde, die ihre Bewohner aufgeben mussten.
“Nature Thrives in Tehran’s Abandoned Courtyards, Staircases, and Bedrooms in a Photo Series by Gohar Dashti”.

via @Hystri_cidae

die Kaltmamsell

Journal Freitag, 19. Juli 2019 – Reha jetzt auch mit Anfassen

Samstag, 20. Juli 2019 um 6:46

Vorletzter Therapie-Tag – der erste, an dem mich jemand professionell anfasste.

Um 7.35 Uhr hatte ich endlich meinen Termin Einzel-Physiotherapie. Ich erklärte und zeigte Frau Physio, was ich mit Bewegungseinschränkung der rechte Hüfte meinte. Sie legte mich auf die Liege im Behandlungszimmer, nahm meine Beine von verschiedenen Seiten, bat mich um die Ausführung verschiedener Bewegungen.

Dann wurde es sehr, sehr schmerzhaft. Ich lag anweisungsgemäß bäuchlings auf der Liege, Frau Physio strich mit aller Kraft erst mehrfach die rechte Wade zum Knie, dann den rechten hinteren Oberschenkel zum Po, die rechte Hüfte, das schmale Muskelband seitlich von der Wirbelsäule. Dann drehte ich mich um, jetzt waren die Schienbeinmuskeln und der vordere Oberschenkel dran. Ich musste immer wieder um Atempausen bitten – buchstäblich, denn ich bekam vor lauter Schmerz keine Luft. (Frau Physio launig: “Brauchen’S an Beißring?” Und später: “Da komm’ma beide ins Schwitzen, gell?”)

Ein wenig Atem nutzte ich dazu zu fragen, was sie da eigentlich tat: Faszien lockern. In ihnen vermutete sie die Ursache meines Beweglichkeitsproblems – und bekam in der Gegenprobe recht. Schon beim Umdrehen auf den Rücken hatte sie mich gebeten, die Bewegung zu wiederholen, mit der ich ihr die Einschränkung vorgeführt hatte: Ich kam deutlich weiter. Und als sie die Faszien der Vorderseite malträtiertausgestrichen hatte, war ich rechts so beweglich wie links – das hatte ich zuletzt vor etwa zwei Jahren.

Ihre Ratschläge für daheim: Faszienrolle (zefix, wo die doch so weh tut) und regelmäßig gründliches Dehnen. Ich wünschte, diese Behandlung hätte ich schon vor zwei Wochen gehabt, dann hätte ich um Wiederholen zur Übung bitten können.

Bis zum nächsten Programmpunkt des Tages war reichtlich Zeit. Ich holte den Frühstückstee und ein Glas Hafermilch nach, zog mich um für eine Laufrunde. Der Tag hatte bewölkt begonnen, jetzt tröpfelte es. Egal, ich setzte eine Schirmmütze auf und lief los. Die am Mittwoch erkundete Strecke war wunderbar, ich begegnete keiner Menschenseele. Dafür zwei Hasen!

Meine Laufrunde dauerte eine gute Stunde, in der es immer dichter regnete, aber bis zuletzt nicht wirklich heftig. Zudem war es ja mild. Brav dehnte ich Beinrückseiten und Po anschließend doppelt so lang wie sonst.

Nach dem Duschen Wirbelsäulengymnastik. Passend zum Thema des Tages war Dehnen der Muskulatur rund um die Hüfte dran, und zwar Dehnen um der Flexibilität willen, nicht das Dehnen nach Muskelaktivität. Diese Frau Physio teilte Seile aus, mit deren Hilfe auch wenig gelenkige Patientinnen und Patienten die Bewegungen ausführen konnten. (Nebenbei: Erster konstruktiver Einsatz der Männlein-Weiblein-Geschichte; weil Frauen ein schwächeres Bindegewebe haben als Männer, sind ihre Bänder meist flexibler, sie sind meist gelenkiger.) Die Beweglichkeit nach der Einzel-Physio war nicht mehr da – klar, bis ich die dauerhaft bekomme, ist ein weiterer Weg. Ich werde meine Feierabende häufiger mit Blackroll und Seil verbringen müssen.

Zu Mittag aß ich mich gezielt nicht satt: Ich wollte mir für den Nachmittag Appetit aufheben. (Ja, bitter, ich weiß – aber ich kann mich im Moment nicht ganz auf meine Gefräßigkeit verlassen.) Erst mal war aber der vorletzte Vortrag meines Reha-Aufenthalts dran, “Stress und seine Auswirkungen”. Nichts Neues, aber gar nicht schlecht, das mal in Zusammenfassung zu hören.

Jetzt war ich bleiern müde, ich legte mich eine halbe Stunde hin. Und erinnerte mich, dass bis zum Eintauchen in die Freie Wirtschaft mit 30 Mittagsschlafmüdigkeit zu meinem Naturell gehörte. In der Zeitungsredaktion und auch im Unibüro kämpfte ich zum Teil extrem hart mit der Müdigkeit direkt nach Mittag. Das war ab dem Wechsel in die Hochleistungswelt von Agenturen und Unternehmen weg. Heute ist es ganz selten, dass ich zumindest am Wochenende die Bettschwere für eine Siesta habe.

Nun aber mein Nachmittagsplan: Kaffeeundkuchen im Glas-Café.

Die Mohn-Preiselbeer-Torte schmeckte mir sehr gut (kam gleich auf die Nachbau-Liste), der Vollautomat-Cappuccino ließ mich meine Heimkehr noch mehr herbeisehnen als eh schon.

Twitter hat das Layout komplett geändert. Und belästigt mich wieder mit Werbung sowie den Likes anderer Twitterer in der Timeline, das werde ich ihm erst wieder mühsam abgewöhnen müssen – bislang klappte das bei Werbung mit Blockieren (sensationell, wie viele Werbekanäle SAP unterhält), bei Likes mit (neue Formulierung) “Show me less often”. Mal sehen, wie lange das diesmal dauert.

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Familie Bruellen macht gerade Kanada-Urlaub. Und Blog-Chefin Frau Bruellen hat ausführlich ihren Kayak-Trip um Vancouver Island beschrieben und bebildert.
“130719-160719: Wie war das mit dem Kayaken?”

§

Nun aber doch mal zur Mondlandung vor 50 Jahren. Hier ein schöner und informativer Twitter-Faden:
“Let’s talk about peeing in space.”

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Ich werfe dem Universum, darin besonders dem Internet, darin besonders Ihnen allen heftig vor, dass sie bis vor kurzem Maren Kroymann an mir haben vorbeigehen lassen. Die Frau ist ja wohl durch und durch großartig! Und da sie eben gerade 70 Jahre alt geworden ist und auf eine lange Karriere als Kabarettistin und Schauspielerin zurückblickt, kann ich dahinter nur Absicht, wenn nicht sogar ein abgekartetes Spiel vermuten.

Für die Süddeutsche hat Christine Dössel einen Geburtstagsartikel verfasst:
“Eine klassische Spätzünderin.”

Dem Artikel habe ich den Hinweis auf diese Show in der Mediathek der ARD entnommen:
“Kroymann – Der Geburtstag.”

Dickste Empfehlung, ich kam gestern aus dem Begeisterungsquietschen schier nicht mehr raus.

die Kaltmamsell

Journal Donnerstag, 18. Juli 2019 – Reha-Entlassungsprogramm

Freitag, 19. Juli 2019 um 7:02

Früh aufgewacht nach einer Nacht mit wilden Träumen. Zumindest, glaube ich, habe ich niemanden darin umgebracht.

Der erste Termin war um 7 Uhr Rotlicht. Der Apparat war so schlampig an die Liege beschoben, dass ich 20 Zentimeter nach oben rutschen musste, bis ich die Wärme in der Lendenwirbelsäule spürte. Auch schon egal.

Um 7.30 Uhr trank ich im Speisesaal nur schnell ein Gläschen Hafermilch, um meine Aufgestandensein zu belegen. Ich beeilte mich, damit bis zum nächsten Termin genug Zeit für Crosstrainer war. Zu meiner Erleichterung war der Ausdauerraum offen und unbelegt, ich konnte eine Dreiviertelstunde strampeln.

Noch verschwitzt hatte ich um 8.30 Uhr die Abschlussuntersuchung im Stationszimmer (Schwesternzimmer). Eine andere Krankenpflegerin als bei der Eingangsuntersuchung wog mich, genauer: Sie wies mich an, mich auf die Waage zu stellen und ihr das Ergebnis durchzugeben. Wie schon in der Eingangsuntersuchung bat ich darum, das Ergebnis nicht kennen zu müssen. Die Pflegerin guckte verdutzt, las dann aber selbst ab und notierte. (Mein Gewicht und all die tausend Zwänge, die sich für mein verbeultes Gemüt daraus oder gar aus seiner Veränderung ergeben, tue ich mir in diesem Leben nur noch bei zwingender Notwendigkeit an.)

Immer noch schwitzend vom Crosstraining hatte ich einen Termin im Maschinenraum; ich spielte mein Programm durch.

Danach blieb gerade genug Zeit zum Wechsel in Badeanzug und Bademantel, damit schlappte ich zum Termin Bewegungsbad: Diesmal Wassergymnastik mit zwei Styroporscheiben (Durchmesser wie Ein-Kilo-Scheiben für Langhanteln), wieder nur mittellustig.

Nach dem Mittagessen Abschlusstermin bei der Stationsärztin. Sie konnte sich an keine meiner Erklärungen vor zwei Wochen erinnern, auch schon egal. Entsprechend spulte sie ihr Standardprogramm für das Ende der Reha ab, ermahnte mich, die hier begonnenen körperlichen Aktivitäten auch daheim weiterzuführen, außerdem sei die hier gelernte richtige Ernährung wichtig. Ich nickte einfach. Den Abschlussbogen hatte ich wahrheitsgemäß ausgefüllt. Die Ärztin stolperte über das Kreuzel “nicht erreicht” beim Reha-Ziel “Flexibilität rechte Hüfte steigern” und erkundigte sich nach dem Grund: Na, weil ich keine Anwendung dafür bekommen hatte. (Allerdings gibt es einen Physio-Einzeltermin am Freitag.) Und nein: Die mitgebrachten Schmerzen sind nicht besser geworden, dafür habe ich durch den Schlingentisch nach Langem mal wieder Rückenschmerzen.

Konstruktiv war der Hinweis der Ärztin auf die Nach-Reha. Ich rief beim nahe zur Arbeit gelegenen Reha-Zentrum an (10 Minuten zu Fuß) und versicherte mich, dass es dort in den nächsten drei Monaten Kapazitäten gibt. Die Adresse reichte ich anweisungsgemäß an die Klinikverwaltung hier weiter, damit die entsprechenden Unterlagen zusammengestellt werden können.

Blieb noch ein Termin für den Nachmittag: “Rückengerechtes Arbeiten/PC”. Wir übten Heben von Lasten, z.B. Biertragl aus Autokofferraum.

Zurück im Zimmer wurde ich über meiner Buchlektüre sehr müde und legte mich ein Stündchen hin. Nach dem Abendessen Spaziergang zum Supermarkt, Obst und Hüttenkäse für die kommenden Tage.

The Bonfire of the Vanities ausgelesen.

§

Jutta Pivecka, nur wenig älter als ich, hat über die Generation unserer Mütter nachgedacht:
“FRIEDENSMÜTTER. Ein Danke an ‘unsere Mütter'”.

Vieles davon passt auch auf meine Mutter. Was mich immer am meisten beeindruckt hat: Sie und viele ihrer Altersgenossinnen, die neue Wege beschritten haben, hatten ja keine Rollenvorbilder: Sie schufen diese neuen Wege ganz selbst.

Als ich über die Frauen aus der Generation meiner Mutter nachdachte, erkannte ich, wie unglaublich der Fortschritt ist, den sie „uns“, den Mädchen, die sie großzogen, ermöglichten. Ich benutze bewusst das Wort „Fortschritt“, wohlwissend, dass es ambivalent ist und dass jeder „Fortschritt“ in der Geschichte auch einen Preis hat (…). Die meisten Mütter meiner Freundinnen waren keine „68er“, auch wenn sie dieser Alterskohorte angehörten. Sie studierten nicht, sondern machten – im besten Fall – eine Lehre, viele blieben Ungelernte. Das Elternhaus verließen sie, wenn sie heirateten. Trotzdem kam der Kulturwandel, der Ende der 60er Jahre einsetzte, auch bei den meisten von ihnen an: nicht nur die Röcke wurden kürzer, sondern auch Autofahren gelernt, Volkshochschulen besucht, oft eine Teilzeiterwerbstätigkeit aufgenommen, wenn die Kinder „aus dem Gröbsten“ raus waren. Die Emanzipation unserer Mütter vollzog sich häufig nicht laut, nicht revolutionär, sondern im Kleinen, im Alltag. Meine Mutter schaute sich bei einer amerikanischen Freundin ab, dass auch einmal die Frau sitzen bleiben kann, wenn der Tisch abgeräumt werden muss, dass Männer durchaus Abtrocknen und Staubsaugen können. Sie lernte Fremdsprachen, weil sie mehr von der Welt verstehen und reisen wollte. Die Volkshochschulen, die in jenen Jahren in vielen Städten ihr Programm erweiterten, machten Bildung auch in der Provinz für breite Schichten zugänglich. Es waren überwiegend Frauen, „unsere“ Mütter, die diese Kurse besuchten. In den evangelischen und katholischen Frauengruppen wurden in jenen Jahren über neue Erziehungsstile und -theorien, Feminismus und Matriarchat diskutiert. Meine Mutter las Alice Miller und Alice Schwarzer. Sie knüpfte Freundschaften mit Frauen außerhalb des dörflichen Zirkels, sie lebte mir vor, wie ich erst heute erkennen kann, dass Beziehungen zwischen Frauen frei gewählte sein können, jenseits von Verwandtschaft und Nachbarschaft. Das war neu. Das hatte ihr niemand vorgelebt.

die Kaltmamsell