Endlich mal wieder recht gut geschlafen, dennoch morgens bleischwer müde.
Über Nacht hatte es nicht weiter geschneit, war aber deutlich frostig geworden. Das Ergebnis: Sehr glatte Wege. Ich war also etwas langsamer und vorsichtiger unterwegs.
Müde und knatisch wendete ich einen bewährten Trick an, mit dem ich meine Umgebung dazu bringe, mich anzulächeln: Ich setzte meine bescheuerte Mütze auf.

Der Trick funktionierte – live und als Foto auf instagram.
Nach Hause machte ich einen Umweg, um die Zeit an der frischen Luft zu verlängern – und um im Hertie nach Jahren mal wieder ein Parfum zu kaufen: Ein Pröbchen Simply von Jil Sander hatte mir in der Anwendung der vergangenen Wochen richtig gut als Winterduft gefallen.
Daheim wartete Herr Kaltmamsell mit dem freitäglichen Stück Fleisch: Wir teilten uns ein Kuhkotelett und aßen dazu Püree aus gemischten Ernteanteilrüben (Pastinake, Sellerie, Kartoffel) sowie einen Rest Zuckerhut.
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Emran Feroz kommentiert für Übermedien Mechanismen der Berichterstattung für westliche Medien, die in bestimmte Narrative passen muss und in der die Sicht weißer Männer dominiert.
“30 Euro für eine Reportage aus Kabul”.
Feroz schildert das am Beispiel der “Mär der westlichen Frauenbefreiung am Hindukusch”.
Im Grunde genommen kann ich kaum in Worte fassen, wie sehr mich mittlerweile derartige Charaktere nerven, auch in Afghanistan. Es gibt dafür viele Gründe. Sie beuten oftmals lokale Journalisten aus, um am Ende mit deren Arbeit und „Exklusivstories“ in ihren westlichen Heimatländern zu brillieren. Fast in allen Fällen sind es Afghanen, die ihr Leben riskieren, Drähte zu Taliban und Regierung haben und sich in Gefahr begeben. In der Autorenzeile steht ihr Name nur selten. „Mohammad X has contributed to this piece“, liest man oft auch in der „New York Times“ oder in der „Washington Post“. Als kritischer Leser sollte man in den Hinterkopf behalten, dass es meistens Mohammad ist, der den Kern der Arbeit leistet und dafür mit wenigen hundert Dollar entlohnt wird.
Der Alltag vieler dieser einheimischen Journalisten ist deprimierend. Als ich einmal naiverweise einen Kollegen fragte, warum er sich von einem berühmten amerikanischen Medium derart ausbeuten lasse, antwortete er, dass er das Geld brauche, um seine Familie zu ernähren. So ergeht es den meisten.
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Teilweise wurde der Ausbeutungsversuch nicht einmal mehr verschleiert. Ein Redakteur eines bekannten deutschen Mediums bot mir einmal 30 Euro für eine Reportage aus Kabul an. Der angebliche Grund: Eine solche Bezahlung sei „für Afghanen“ üblich.
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Die Brigitte-Diät wird 50. Seit 50 Jahren also sorgt die Brigitte dafür, dass Menschen, meist Frauen, wochenlang an nichts anderes denken als an ihren falschen Körper und wie sie ihn mit aller Energie reparieren können. Manche monatelang, andere Jahre, andere ein ganzes Leben.
Nicola Hinz erzählt in ihrem Blog, welchen Schaden das System in ihrem Leben angerichtet hat und wie die Brigitte-Diät die etwa zeitgleich gestartete zweite Welle der Frauenbewegung aktiv behindert hat, Kurzfassung: Frauen, die mit aufwändigen und anstrengenden Diäten beschäftigt sind, haben keine Zeit für Revolution.
“Wie wir wurden, was wir waren: Die letzte Brigitte-Diät”.
via @journelle
Die Brigitte-Diät hat Frauen selbstverständlich niemals die Kontrolle über ihre Körper “zurückgegeben”, sondern sie im Gegenteil seit Jahrzehnten erfolgreich weiterhin davon überzeugt, dass ihre Körper kontrolliert werden müssen, und die Markteinführung der Brigitte-Diät vor 50 Jahren wäre damit eigentlich eher als ein Backlash-Symptom zu bewerten (was sie bis heute geblieben ist) in einer Zeit, in der einige Frauen in der Tat um Gleichstellung kämpften (Alice Schwarzer) und andere leider eher nicht (Brigitte).
Selbst habe ich ja ebenfalls eine lange und schmerzhafte Geschichte mit der Brigitte-Diät, anhand der erst meine Brigitte lesende Mutter, dann ich selbst mich korrigieren wollte. Die bunten Kalorientabellen zum Raustrennen waren konstantes Feature in den Küchen meiner Kindheit. Das Brigitte-Diät-Kochbuch, mit dem ich mich eigeninitiativ mit 16 auf Kleidergröße 36 hungerte, habe auch ich noch rumstehen – allerdings weil ich immer noch vorhabe, einige Rezepte daraus mal zu pimpen und als Wolllust-Version zu veröffentlichen.
Mit 18 schrieb ich sogar mal an die Redaktion und fragte, wie denn der sonstige Anspruch der Frauenbefreiung mit der Fesselung durch Diät zusammenpasste – und bekam ausführlich Antwort. Wenn ich mich richtig erinnere, war die Rechtfertigung der mehrheitliche gesellschaftliche Wunsch nach Schlankheit.
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Im Freitag ein lesenswerter Essay von Christian Baron über den absurden Stellenwert, den Erwerbsarbeit in unserer Gesellschaft hat.
“Du musst dein Leben ändern”.
via @Wondergirl
Würden die Arbeitenden ihren Job wirklich so sehr lieben, wie es beim Smalltalk oft den Eindruck erweckt, dann wäre Erwerbsarbeit so erfüllend, wie es in Unternehmenswerbespots wirkt, und so ermächtigend, wie es die alten Lieder der Arbeiterbewegung behaupten. Wer aber an einem Freitagmorgen das Radio einschaltet, den müssen die Moderatoren erst einmal motivieren: „Haltet durch. Nur noch ein Tag, dann ist endlich Wochenende!“
Auf dem Weg zur Arbeit präsentieren sich dann Trauerlandschaften – ob beim Blick in Nachbarautos, in die Gesichter der Passanten auf der Straße oder jene der Mitreisenden in Bus und Bahn. Psychologen berichten seit Langem von Sonntagsdepressionen. Manche Leute können sich demnach an diesem Tag nicht entspannen, weil sie ständig daran denken müssen, dass ab morgen wieder eine neue, womöglich anstrengende Arbeitswoche bevorsteht.
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Die gegenwärtige Gesellschaft verteilt Anerkennung vor allem nach dem Erwerbsstatus.
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Dabei macht zu viel Erwerbsarbeit dumm. Lange Arbeitszeiten schädigen das Kurzzeitgedächtnis, sie beeinträchtigen die Fähigkeit zu logischem Denken, und sie hemmen den Sprachfluss. Zu diesem Ergebnis kam vor einigen Jahren eine Langzeitstudie unter der Leitung des finnischen Instituts für Arbeitsmedizin. Über sieben Jahre hinweg wurden 2.214 Angestellte des öffentlichen Dienstes in London beobachtet und befragt. Wer mehr als 55 Stunden pro Woche arbeitete, schnitt im Vergleich zu Kollegen mit 40 Wochenstunden und weniger bei entsprechenden Tests deutlich schlechter ab. Das galt auch dann noch, wenn Faktoren wie Alter, Einkommen oder Bildung berücksichtigt wurden. Da in den meisten Jobs ein gewisser Grad an Kompetenz eine wichtige Einstellungsvoraussetzung ist, gehen die Forscher davon aus, dass Karrieristen und Workaholics ungesünder leben und an Geisteskraft verlieren.
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Je weiter unten jemand in der Einkommenspyramide steht, umso weniger frei kann er entscheiden, auf Teilzeit umzuschalten. Gemeinsam ist den Selbstoptimierern der Mittelklasse und den Neosklaven der Unterklasse jedoch, dass abhängige Beschäftigung die totale Unterwerfung verlangt. Damit sich dem möglichst wenige verweigern, haben Wirtschaft und Politik die Erwerbslosigkeit systematisch unbequemer gemacht. Umfragen zeigen, dass in Deutschland die Bevölkerungsmehrheit nichts an der Arbeitspflicht ändern will.
die Kaltmamsell