Journal Sonntag, 30. September 2018 – Westerwaldsteig 3: Breitscheid-Rennerod
Montag, 1. Oktober 2018 um 9:05Die nächsten beiden Etappen hatte ich zusammengelegt – ich bitte Sie: Elf Kilometer sind keine Wanderetappe, so viel gehe ich schon an einem Arbeitstag, an dem ich nach Feierabend noch eine Einkaufsrunde drehe – elf schreibt man noch nicht mal in Ziffern! Also machte ich die nächsten beiden Elf-Kilometer-Etappen zu 22 Kilometern – das ist eine Wanderung. Noch dazu bei dem herrlichen Wetter gestern: Sonnig und wolkenlos.
Herrlich wäre sie auch gewesen, hätten mich nicht nach der Hälfte böse Kopfschmerzen erwischt. Und hätte ich nicht anderthalb Stunden auf die Öffnung des Hotels warten müssen – und damit auf die Ibu in meinem Koffer.
Dabei war die Wanderung selbst schön. Ich war ausgeruht aufgewacht, hatte vom bereitgestellten Frühstück mit echtem Hunger zwei Aufbacksemmeln gegessen und eine Tasse Tee dazu getrunken. Draußen war es wieder frostig, doch bei diesem Sonnenschein wanderte ich nach einer Plauderei mit dem B&B-Zimmervermieter wirklich fröhlich los.
Gleich am Anfang sah ich Fallschirme mit Menschen dran vom Himmel fallen: Am Flugplatz bei Breitscheid wurde wohl das schöne Wetter genutzt. Am Rand des Flugplatzes sah ich einen riesigen Greifvogel auf einem Zaunpfosten landen. Flughafen-Verbotsschilder hinderten mich am Näherkommen, doch einige Minuten später hob er wieder ab und zeigte die größten und gelbsten Beine, die ich je an einem Greifvogel gesehen habe. Vielleicht war das mein erster Seeadler (Weiher und Stausee in der Nähe) oder ein Rotmilan – das sind die beiden Tipps meiner Nabu-Vogelführer-App. Sonst sah ich noch auffallend viele Rotschwänze.
Auf der Hälfte des Wegs erreichte ich den höchsten Punkt des Westerwalds, die Fuchskaute. Darauf ein elegantes Ausflugslokal; ich setzte mich für einen Cappuccino an den Kamin, um mich herum wurden mächtige Teller mit Braten und Spätzle an die vollbesetzten Tische getragen. Schon hier plagten mich Kopfschmerzen, ein wenig hatte ich auf heilende Wirkung des Koffeins gehofft – vergeblich.
Ich kam an vielen Windrädern vorbei, Pferdekoppeln, einem Stausee, Spaziergängern – und musste mich gestern mit zahlreichen Mountainbikern, Radausflüglern, Elektroradelnden arrangieren. Am Samstag war ich keinem und keiner einzigen begegnet.
Hinter dem Ort Rehe (hübsch) machte ich Rast und stillte meinen Hunger mit Nüssen und Apfel. Mit diesen zwei Pausen war ich nach gemessenen 25 Kilometern in sechs Stunden in Rennerod an dem Hotel-Restaurant, das in der Gegend wohl als “Soldatenheim” bekannt ist und in dem ich ein Zimmer reserviert hatte. Nur dass die Türen des Hauses verschlossen waren, auch auf Klingeln niemand öffnete und ein Gang um das freistehende Gebäude keine Kontaktmöglichkeit erbrachte. Ich schloss daraus, dass die Rezeptionszeiten sich mit den Öffnungszeiten des Restaurants deckten: Anderthalb Stunden würde ich noch warten müssen. Das tat ich unmutig, denn auf die Ibu in meinem Koffer hatte ich mich schon sehr gefreut, mittlerweile überlagerten die Kopfschmerzen alles andere.
Mal in der Sonne (zu warm), mal im Schatten sitzend (zu kühl) las ich auf meinem Telefon Internet, spazierte ein wenig in Rennerod, bis sich Schlag fünf die Tür öffnete. Ich schien der einzige Übernachtungsgast zu sein und bekam ein eiskaltes, aber sehr sauberes und ordentliches Einzelzimmer mit Bad und WLAN, mein Koffer war eingetroffen (da ich das dieses Mal selbst organisiert habe, bin ich etwas angespannt).
Die Ibu half schnell gegen das Kopfweh: Von ihrer Wirkung völlig enthusiasmiert bekam ich sogar Hunger. Das Restaurant war lebhaft besucht, ich bestellte etwas von der Balkankarte.
Den Abend verbrachte ich mit dem Zusammenstellen von Lieblingstweets, während im Fernsehen Berlin Babylon lief – tatsächlich überdurchschnittliche Qualität. Dabei saß ich im Bett und nutzte die Decke zum Wärmen: Die Heizung war zwar warm, kam aber gegen das durchgekühlte Zimmer nicht an.
Was ein Soldatenheim ist, fand ich auf die Schnelle nicht heraus. (Der Wanderführer nannte es “Soldatenfreizeitheim” – Soldatengenesungswerk?)
Start hinter Breitscheid.
Halbzeit auf der Fuchskaute.
Rathaus von Rehe (berühmt).
Zimmeraussicht.
Abendessen: Mit Schafskäse gefülltes Hacksteack (gut!), Pommes, deren Form Kindheitserinnerungen wachriefen (und die ich nicht mal zur Hälfte schaffte), wunderbar gemüsehaltiger Reis. Davor gab’s einen Salat, dazu eine Halbe Guiness.