Journal Mittwoch/Donnerstag, 11./12. Januar 2017 – Erinnerung an mein schönstes Kinoerlebnis
Freitag, 13. Januar 2017 um 6:24Mittwoch Schneeregenniesel auf dem Weg in die Arbeit.
Regen auf dem Heimweg.
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Donnerstag Matsch auf dem Hinweg.
Regen auf dem Rückweg.
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Mein schönstes Kinoerlebnis. Dieses Foto erinnerte mich daran.
Ich werde wohl 13 oder 14 gewesen sein. Es war Hochsommer, das Schuljahr fast zu Ende. Kurz vor den Sommerferien gab es den SMV-Tag, das Reuchlin-Gymnasium wurde für Vergnügen genutzt: In einem Klassenzimmer las eine Schülerin in einem reich geschmückten Zelt aus der Hand, in den Musikräumen wurden Volkstänze getanzt, Physiklehrer hatten lustige Experimente aufgebaut, wahrscheinlich stand irgendwo ein Kuchenverkauf. Zu den Angeboten gehörte auch ein Film, den der junge Kunstlehrer Rother* nachmittags im Zeichensaal unterm Dach des alten Schulgebäudes zeigte. Der Raum war schlecht isoliert, an die Fenster unter der Dachschräge prallte die Sonne – die Hitze stand, die abdunkelnden Jalousien konnten das nicht verhindern. Ich bin mir sicher, dass Herr Rother als Leinwand ein Leintuch aufgehängt hatte, nicht sicher bin ich, dass der Film von einem rasselnden Projektor ausgestrahlt wurde – doch woher hätte er 1981/1982 sonst kommen sollen? Der Titel des Films sagte mir nichts, es waren auch nur wenige Schülerinnen und Schüler den handgeschriebenen Plakaten ins oberste Stockwerk gefolgt. Der Film war alt und schwarz-weiß – und er verschluckte mich vom ersten Moment an: La Strada. Eine perfektere Umgebung und einen perfekteren Moment hätte es für genau diesen Film gar nicht geben können. (Das wurde mir natürlich erst viele Jahre später klar.)
Ich hatte sowas noch nie gesehen (mag damit zu tun gehabt haben, dass ich fast nicht fernsehen durfte), und ich glaube, dass ich viel weinte. Sicherer erinnere ich mich daran, dass mir die Handlung das Herz brach, dass ich die Musik bis heute im Kopf habe – und dass ich recht genau wusste, dass meine Mutter mich den Film nicht hätte ansehen lassen. Details der Handlung weiß ich nicht mehr, doch jedesmal, wenn ich danach ein Foto von Giulietta Masina sah, dachte ich “Gelsomina!” und mein Herz tat weh.
*In dessen Stunden wir beim Malen nicht still sein mussten, sondern der uns nach Belieben ratschen ließ, wenn wir halt nur dabei malten. Und dann einmal recht überraschend hinter mir stand, die strafend erhobene Augenbraue durch Feixen konterkariert: “Du könntest wenigstens zur Tarnung den Pinsel in die Hand nehmen.” Auch damals war beiden Seiten klar, dass Malen und Zeichnen sehr nicht zu meinen Begabungen zählte, doch er zollte mir immer für meine Ideen Anerkennung (die dann oft andere umsetzten, was ich völlig in Ordnung fand). Der Rennradler war und morgens vom weit entlegenen Hauptbahnhof kommend mit elegantem Schwung in den Schulhof einbog. Der Italien liebte (ich weiß nicht, ob die Toscana damals schon erfunden war), von Urlauben mit seinen beiden Kindern dort erzählte – dem ich folglich mal von einem eigenen Familienurlaub bei der italienischen Tante eine Flasche der von Tante eingekochten Passata di pomodoro mitbrachte und der sich darüber, glaube ich, sehr freute. Wo Herr Rother wohl heute steckt? Ich hatte wirklich eine Menge bemerkenswerte Lehrer, die mich auf die verschiedenste Art und Weise weiterbrachten.
(Ich meine, dass man Kinder ein wenig überfordern darf. Zu meinen beeindruckendsten Literaturerlebnissen gehörte ja auch, wie Deutschlehrer Willi Plankl uns 6.-Klässlerinnen und -Klässlern Kafkas Die Verwandlung vorlas, stückchenweise am Ende der Stunden.)
























