Journal Montag, 3. Oktober 2016 – Faulenzendspurt

Dienstag, 4. Oktober 2016 um 6:43

Tag der deutschen Einheit – und ich habe Deutschland noch nie so uneins erlebt. Gäste und Gastgeber der Nationaltagsfeier in Dresden werden von Protestierenden angepöbelt.

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Nach dem morgentlichen Bloggen entschied ich mich gegen den geplanten Sport (Schwimmen) und für einen Tag daheim.

Ich spazierte zum Bahnhof und holte mir die Fahrgastrechterückzahlung für die zwei Stunden Verspätung am Samstag (17,95 Euro), kaufte Frühstück ein. Nach dessen Verzehr und einer ausführlichen Siesta bügelte ich und hörte Podcast (Holgi interviewt Schneider Weiße, siehe unten). Wochenend-Süddeutsche gelesen, zum Abendbrot Reste des Sonntagsbratens, Wochenende und Urlaub vorbei.

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Holger Klein hat sich mit einem weiteren Brauer unterhalten: Georg VI Schneider, der von der Schneider Weißen. Wieder ein hochinteressantes Gespräch mit einem ausgesprochen vielseitigen und leidenschaftlichen Brauereibesitzer.
“Georg VI Schneider – Weißbier”.

Wer nur einen Ausschnitt hören möchte, dem empfehle ich ab Minute 17:30 die Ausführungen des Herrn Schneider zum Pairing von Biersorten und Speisen: Bier gewinnt nach seiner Erfahrung bei Fisch jedesmal gegen Weine, weil Bier basisch ist. Verliere aber immer zu Wild – Schneider arbeitet jetzt seit sieben Jahren an einem Bier, das dafür genug Säure mitbringt (derzeit durch Lagerung im Barrique).

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Wer Last Chance to See liebt (Douglas Adams oder die Fortsetzung von Stephen Fry), kennt den neuseeländischen Kakapo (“the least able to fly bird”). Und wird sich über die gute Nachricht freuen, dass der Bestand derzeit auf 123 Exemplare angewachsen ist. (Mit Filmchen!)
“We’re Sequencing Every Member Of The Weirdest Bird Species On Earth”.

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Interessante Portraits von muslimischen Einwanderern und Flüchtlingen nach Europa in Ton und Bild bei National Geographic, von begeisterten Neu-Schweden über entschiedene Franko-Algerierinnen bis zu Türken, die sich auch nach 30 Jahren in Kreuzberg nur als Türken sehen.
“The new Europeans”.

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Früher (TM) reisten Spioninnen mit fünf verschiedenen Pässen – heute mit fünf Facebook-Accounts.
“The spy who liked me: Britain’s changing secret service”.

“The days in which intelligence officers could plausibly adopt different identities and personas are pretty much coming to an end,” said Nigel Inkster, the former director of operations at MI6 and now director of transnational threats and political risk at IISS, the think-tank. “Forensic capabilities, facial recognition, biometrics, DNA — all these things make moving around in foreign environments much more of a challenge.”

The days in which a week of “dry-cleaning” — evading tails and thwarting counter-intelligence efforts — was sufficient to safeguard a crucial meeting are over, he added.

It is not simply a question of keeping details offline, either, but the opposite: individuals or identities without deep, broad online presences are precisely those likely to raise suspicion.

“The challenge of having a credible digital footprint is significant,” Mr Inkster said. Fake Twitter or Facebook accounts alone do not make the grade. “Wherever we go in today’s world we leave a digital footprint — a digital exhaust.” This too — a long, false trail of location services on a mobile phone that adds up with an individual’s fake back-story, for example — needs to be taken into account.

Datenanalyse hat allerdings auch die Rekrutierung von Spionen einfacher gemacht.

via @kscheib

die Kaltmamsell

Journal Sonntag, 2. Oktober 2016 – Sonntagsbraten und Dudelsäcke

Montag, 3. Oktober 2016 um 8:40

Eine liebe Freundin aus Berlin war samt ihren Kindern in der Stadt und hatte sich Sonntagsbraten gewünscht. Also bereiteten Herr Kaltmamsell und ich Sonntagsbraten zum Mittagessen und machten dann die Bekanntschaft zweier sehr sympathischer, sehr junger Menschen.

Das Wetter war zu sehr greislich umgeschlagen, dennoch verließen wir das Haus: Wir hatte schon zum letzten Weihnachtsfest Karten für ein Dudelsackkonzert geschenkt bekommen – die Münchner Claymore Pipes and Drums spielten nach sieben Jahren mal wieder konzertant.

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Solche Aufführungen sind deshalb so rar, weil Dudelsackmusik eigentlich nicht für Konzerte gedacht ist, sondern für Umzüge und competitions.

Das Programm war sehr abwechslungsreich.

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Erst mal standen alle, alle auf der Bühne.

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Gespielt wurde aber auch in kleinen Formationen…

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…zum Beispiel zum bayerischen Schuhplatteln.

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Neben dem Great Highland Bagpipe sahen und hörten wir auch Scottish smallpipes (mit Blasebalg statt zum Reinpusten).

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Solos gab es auch und ein drum salute.

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Human-centered design vs. Umerziehung:

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/yY96hTb8WgI

via @dasnuf

die Kaltmamsell

Twitterlieblinge September 2016

Sonntag, 2. Oktober 2016 um 18:08

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Anderer Leute Lieblingstweets hat wieder Anne Schüssler gesammelt.

die Kaltmamsell

Journal Freitag/Samstag, 30. September/1. Oktober 2016 – Trier, Luxemburg, München

Sonntag, 2. Oktober 2016 um 9:18

Am Freitag wachte ich zu Regenprasseln auf. Zwar hatte ich ohnehin einen Museumsbesuch geplant, doch ein Spaziergang durch Trier hätte mich auch gefreut.

Nach einem Frühstück rollkofferte ich durch den Regen zu dem Innenstadthotel, in dem ich die Nacht auf Samstag verbringen wollte – das Hotel im Wanderpaket hatte kein Zimmer frei gehabt. Auch dieses zweite Hotel in Trier empfing mich mit Moselfreundlichkeit: “Sie sind aber sehr früh da.” Bevor ich auch nur eine Chance hatte, lediglich um Unterstellen meines Koffers zu bitten.

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Weiter im Regen zum Rheinischen Landesmuseum: Diesen zentralen Teil der Nero-Ausstellung wollte ich sehr gerne sehen.

Da ich als Jugendliche die BBC-Verfilmung von Ich, Claudius – Kaiser und Gott gesehen habe, später die Romanvorlagen gelesen und erst kürzlich Mary Beards SPQR, halte ich mich natürlich für eine Expertin der frühen römischen Kaiserzeit. Entsprechend kritisch ging ich an die Ausstellung heran. Und war – überwältigt. Es ist sensationell, was hier an Exponaten aus Museen und Sammlungen ganz Europas zusammengetragen wurde. Die Ausstellung dokumentiert mit Inschriften, Statuen, Teilen von Bauwerken, Münzen, Zitaten, Faksimiles von ganzen Räumen unter anderem Neros Kindheit und Jugend, das politische Geschick seiner Mutter Agrippina, das ihn zum Kaiser machte, die Konstruktivität seiner ersten Herrschaftsjahre, den entsetzlichen Brand Roms (mit einer hochinteressanten Computergrafik, die die Ausbreitung des Feuers in diesen acht Tagen nachvollzieht, und mit Originalexponaten aus diesem Feuer und der daraufhin gegründeten Feuerwehr), Neros Kunstinteresse und seine Griechenlandreise, den Bau der villa aurea (wieder unterstützt mit Simulationen), Neros politischen Fall. Am Ende der Ausstellung wird der Bogen zum Ausstellungsort geschlagen.

Die Ausstellung zieht alle Register heutiger multimedialer Möglichkeiten; das macht sie nahbar und emotional, droht allerdings an der einen oder anderen Stelle ein wenig in Disneyland zu kippen. Misstrauisch machten mich die vielen bildlichen Darstellungen des beteiligten römischen Personals; aufgestachelt von Mary Beards Forschung hätte ich bei vielen Büsten und Statuen gerne gewusst, was die Quellenbasis für die Zuschreibung zum Beispiel als Agrippina, Octavia, Claudius oder eben Nero war. Am einfachsten ist das natürlich bei bildlicher Darstellung auf Münzen: Hier steht der Name dabei. Doch im vorletzten Ausstellungsraum stieß ich auf eine Vitrine mit einem bronzenen Fußfragment, von dem es hieß, es sei der Rest einer Nerostatue: Echt?

Ich empfehle die Besprechung der Ausstellung auf faz.net von Tilman Spreckelsen, da sie reich bebildert ist und alle relevanten Stationen enthält:
“Langweilig war er nie”.

Die Cambridger Professorin für Altphilologie Mary Beard weist in ihrer Besprechung im TLS, “Unholy Roman Emperor” auf diese Details hin:

…some very well chosen loans and the imaginative choice of themes beyond straight biography (from financial crises and Nero’s relations with Greece to his role as artist and artistic patron) make this a striking and absorbing show. Sometimes it is a question of simply being able to see the objects far better here than in their home locations. Anyone who wants a chance to get up close to the famous fresco from Pompeii depicting the deadly riot that broke out in the amphitheatre in the middle of Nero’s reign would do better to go to see it in Trier than in the National Museum in Naples. And on display, too, is a nice fragment – showing one of Nero’s new buildings – of the vast, detailed plan of the city of Rome that was inscribed on marble in the early third century AD; one of the most intriguing survivals from the ancient world, this is usually locked up in storage, well away from public view.

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Und dann bekam ich doch noch Luxemburg zu sehen. Zu den Bloggern der anderthalbten Stunde (also wie ich) gehört der Luxemburger Joël, und mit dem war ich in Trier verabredet (wir hatten uns im Mai auf der re:publica endlich mal von Gesicht zu Gesicht kennengelernt). Das Wetter schmuddelte immer noch, Joël meinte auch, in Trier könne er mir gar nicht so viel erklären, anders als in Luxemburg – ob wir nicht einfach hinfahren wollten? Das taten wir.

Joël fuhr mich mit seinem schicken Auto an den zentralen Verwaltungsgebäuden der Europäischen Union vorbei (Europäischer Gerichtshof!) und zeigte mir dann den trockenen Nachmittag über sein Luxemburg, oben und unten. Ich bekam sogar Luxemburgerisch zu hören.

Zum Kaffeetrinken saßen wir am Flüsschen PetrussAlzette in einem irischen Pub, das mit Wimpeln “Oktoberfest” geschmückt war und dessen Bedienungen über ihren Jeans Kniebundhosen aus grünem Samt mit Samthosenträgern trugen – Gratulation, das war die bislang absurdeste Variante des Themas. Ich hörte viele Geschichten und viel Geschichte; ich schiebe es auf meine bayerische Herkunft, dass ich bis dahin Luxemburg weder historisch noch aktuell auf dem Schirm hatte und peinlich wenig darüber wusste. Unter anderem lernte ich, dass der Großherzogpalast in der Fußgängerzone und gegenüber dem wirklich beeindruckenden Schokoladenladen Chocolate House leider nicht der Wohnort des Großherzogs ist, sah das ehemalige Gefängnis, bekam umwerfende Madelaines nach Rezept Léa Linster in ihrem kleinen Lädchen zu probieren.

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Ein hervorragendes Nachtmahl gab es im Restaurant Annexe, bevor Joël mich zurück nach Trier fuhr (Superservice, jederzeit wieder!). Was mich bis ins tiefste Herz wärmte: Die zugewandte Nähe zu jemandem, den ich ja seit über zehn Jahren kenne – auch wenn wir erst zum zweiten Mal die Atemluft teilten. Doch ich habe mich damit abgefunden, dass das niemandem zu vermitteln ist, der das Internet nur so kennt, wie man es heute antrifft.

Einige Leserinnen hatten mir ja bereits Luxemburg als Entschädigung für die Moselmuffeligkeit und die dortige Rückständigkeit der Kulinarik empfohlen: Ich freute mich sehr, dass ich dank Joël diese Empfehlung so schnell nachvollziehen konnte (für weitere Bar- und Restaurantempfehlungen müssen Sie einfach nur durch sein Blog scrollen). Da will ich sehr bald wieder hin. Dann aber per Direktflug MUC-LUX, weil siehe unten.

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Samstagmorgen schüttete es in Trier. Zum Glück hatte ich nur 15 Fußminuten zum Bahnhof, jetzt nutzte ich meine Wanderregenjacke. Und ich würde den Tag ja ohnehin in Zügen verbringen.

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Dass daraus der ganze Tag wurde, war allerdings nicht vorgesehen: Aus den ohnehin planmäßigen sechs Stunden Bahnfahrt nach München wurden durch verpasste Anschlusszüge acht. Gleich die erste Regionalverbindung kam fast eine halbe Stunde zu spät nach Saarbrücken (technische Probleme, Zugüberholung). Ich hatte jetzt genug Zeit, am Fahrkartenschalter die Zugbindung meines Tickets aufheben zu lassen und die Platzreservierung des übernächsten Zuges umzubuchen. Den ich in Mannheim allerdings auch nicht erwischte, weil die Regionalbahn dorthin mit 45 Minuten Verspätung ankam (Fußballfans hatten die Komplettreinigung eines Zugteils nötig gemacht). Aber der ICE nach München war dann pünktlich. Diesmal stürze ich mich ins Abenteuer Fahrgastrechtformular.

München empfing mich mit vollem Oktoberfestwahnsinn (Hindernisrollkoffern nach Hause) und überraschender Wärme.

die Kaltmamsell

Journal Donnerstag, 29. September 2016 – Moselsteig Konz-Trier

Freitag, 30. September 2016 um 7:39

Der Sonnenschein kam zurück und wärmte – schon nach wenigen Minuten Wanderung packte ich auf dieser letzten Etappe meine Jacke weg.

Nach einem Frühstück (ich hatte Appetit – UND es gab selbst gemachte Weinbergpfirsichmarmelade) zog ich erstmals über die Mosel. Zur Feier des Augenblicks präsentierte sie mir Schiffsverkehr (Gruß bayerischer Seeleute: “Hoi, a Schiff!”), und der Steuermann oder Kapitän – der Mann halt, der seinen sonnenbebrillten Kopf aus dem Häuschen am Ende des Containerkahns streckte, erwiderte mein Winken.

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Die Etappe bot nicht so viel Abwechslung wie die vergangenen Tage, unter anderem ging ich anderthalb Stunden auf einem breiten Forstweg durch wenig spektakulären Wald. Doch auch gestern genoss ich das Gehen, reizarme Umgebung hatte fast meditative Wirkung (als wenn ich wüsste, was das ist). Und obwohl sich der eine oder andere Muskel in Wade und hinterem Oberschenkel durch Ziehen bemerkbar machte, hätte ich nichts gegen einen weiteren Wandertag gehabt.

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Der Autobahnlärm begleitete mich ein großes Stück dieser Wanderung. Doch es gab auch wieder malerische Tiere.

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Das hier war der lange Forstweg. Ich begegnete auch zwei Trupps Waldarbeiter mit schwerem Gerät, die riesige Stämme stapelten (und freundlich grüßten).

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Zum ersten Mal auf dieser Tour kehrte ich richtig ein. Das Wanderbüchlein hatte das Café Mohrenkopf und seine Kuchen empfohlen.

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Der Garten mit Aussicht ist wunderschön, der Apfelkuchen schmeckte – ich kann gut verstehen, dass dies hier für Trierer der Klassiker an Ausflugslokal ist. Als Cappuccino wurde mir Filterkaffee mit Sahnehaube serviert.
Im Grunde könnte ich hier meinen Nifften meine Jugend vorführen. Mich erinnert die Moselgastronomie bislang nämlich keineswegs an Heinz Erhard und die 50er, sondern an die späten 80er, frühen 90er: Die Speisenkarten voller Ratsherrnpfännchen, Schnitzel, Hackbraten, der Cappuccino bereits als Phänomen bekannt, aber noch aus vorhandenen Zutaten gebastelt. Die Vorhangmuster fiffig, die Stickbilder an der Wand noch ernst gemeint (“Omma hat die so geliebt.”) und nicht ironisch retro.

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In Trier lief ich noch ein halbes Stündchen zu meiner Unterkunft in der Altstadt. Mein Koffer wartete wieder bereits auf mich (Gepäcktransport klappte völlig problemlos, und da ich den Koffer jeweils spätestens um 9 Uhr bereitstellen musste, kam ich auch immer früh los), WLAN vorhanden, hurra.

Abends ging ich durch die Fußgängerzone zum Weinhaus. Ich hoffte dort auf Interessantes zu lokalen Weinen und fragte nach dem Neuesten, Interessantesten, Abgefahrensten – an Methoden, Sorten, was auch immer. Vielleicht etwas Spontanvergorenes? Hm, beschied man mir, es gebe da einen, der mache Weißwein aus eigentlich Rotweintrauben, Blanc de noir. Ich sah ein, dass es abgfahrener an der Mosel nicht werden würde.

Heimweg durch eine laue Sommernacht.

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Für die Statistik: Sechseinhalb Stunden mit einer großen und ein paar kleinen Pausen, 24 Kilometer.

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Andrea Diener macht mir Lust aufs Oktoberfest. Nämlich auf das in Kanazawa.
“Oktoberfest interkulturell: Egal, es gibt Bier!”

die Kaltmamsell

Journal Mittwoch, 28. September 2016 – Moselsteig Nittel-Konz

Donnerstag, 29. September 2016 um 8:01

Der gestrige Wandertag startete mit der gewohnten Sonne, bewölkte sich aber bald. Solange es trocken bleibt, macht mir das nichts aus.

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Das Hotel in Nittel war auf jeden Fall schon mal Sieger in Zimmerausblick.

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Nittel kann schon was.
Mein erstes Ziel dieser Etappe waren die Nitteler Felsen.

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Dass mir hier unvermittelt von rechts ein Reh in den Weg sprang, müssen Sie mir einfach glauben – ich guckte lieber, als ein Foto zu versuchen.

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Ab hier führte der Weg weg vom Moseltal – was sich deutlich in der Geräuschkulissen zeigte: Auf beiden Seiten der Mosel tost lauter Verkehr. Jetzt wurde es stiller.

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Nachdem ich mich schon am Vortag ein wenig verlaufen hatte und ein Stück zurückgehen musste (und selbst dann dem Hinweisschild schier nicht glauben wollte, weil es in einen Bauernhof zu zeigen schien – das Wanderbüchel noch dazu “scharf rechts” schrieb, wo es doch hier erst mal nach links ging), verpasste ich auch gestern eine Abzweigung. Diesmal ging ich den langweiligen Feldweg nicht zurück, um die Abzweigung doch noch zu finden, sondern schlug mich querfeldein zu der Landstraße durch, die ich laut Plan in einem Wald überqueren musste. Das klappte.

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Mittagspause mit Ausblick auf Fellerich. Als ich mich wieder startklar machte, kam das Wandererpaar von gestern ums Eck – meine einzige Begegnung mit anderen Wanderern heute.

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Der Albach.

Die letzte Stunde der Wanderung nach Konz war gar nicht schön: Mehrspurige Kreisverkehre, Kieswerk, Kläranlage, auf dem vermüllten Weg entlang den Bahngleisen haben mich Jahrzehnte Tatort-Gucken gelehrt, jederzeit einen Leichenfund zu erwarten.

Zum Übernachten landete ich in einem “Park Hotel” direkt an der Route, das ich mir aufgrund seiner Website erheblich großartiger vorgestellt hatte (Sauna- und Wellnessbereich!) als das versteckte Ausfallstraßenhäuschen, als das es sich entpuppte. Aber: Ich wurde schon an der Rezeption gefragt, ob ich WLAN-Zugang brauche. UND! Die Rezeptionistin erklärte mir ungefragt Frühstücks- sowie sonstige Essensmodalitäten sowie Saunazugang, begleitete mich sogar zum Zimmer. Sie sprach mit einem Hauch von thüringischem Akzent – natürlich.

Ich habe mir nämlich inzwischen einen kleinen Stapel Vorurteile zur heimischen Bevölkerung zurechtgelegt: Bislang habe ich sie als ausgesprochen mufflig erlebt. Grüße oder auch nur Anlächeln auf der Straße bleiben unerwidert. Beispielsituation: Ich wandere durch ein Dorf, in einem Vorgarten wird gegärtnert, Gärtnerin sieht mich an, ich lächle und sage “Guten Tag” (ich spreche nämlich Außerbayerisch) – keine Reaktion in Wort oder Mimik. Zurückgegrüßt wurde ich bislang nur von Touristinnen. In den Unterkünften bekam ich nur die allernötigsten Auskünfte, bislang nicht mal die Standardinfo bei Schlüsselübergabe zu Zeit und Ort des Frühstücks. Smalltalk bot mir Hotelpersonal bislang dreimal an: 1. “Sind Sie mit Rad oder zu Fuß da?” 2. “Sie machen den Moselsteig?” 3. “Wandern Sie heute nach Palzem oder nach Konz?” Mit meiner Antwort endete das Gespräch jeweils.
Das hat nichts von der Einsilbigkeit, die ich aus Westfalen oder Hamburg kenne – die ich nie als unfreundlich wahrgenommen habe, sondern lediglich als effizient. Hier empfinde ich das als aktives Desinteresse.
Wenn sich hier bislang jemand um mich kümmerte, mich auch nur mit offenem Blick ansah, klang sie deutlich von wo anders.

Auf Twitter wies mich @Marqueee auf einen FAZ-Artikel von 2013 hin, der eine Erklärung für das anbietet, was ich als Muffligkeit empfinde:
“Der Schönheit wohnt der Schrecken inne”.
Für Hinweise auf wirklich interessante Weine hoffe ich in Trier auf Das Weinhaus.
(Allein schon dass ich nirgends in der Gastronomie Spuren all der Obstbäume sah, an denen ich vorbeiwandere. Statt dessen wird Marmelade vom Discounter serviert. Und Brot oder Brötchen in auch nur ansatzweise akzeptabler Qualität sind mir auch noch nicht begegnet. Genauso wenig wie eine Bäckerei, fällt mir gerade auf.)

Das Hotelzimmer machte sich mir sofort sympathisch mit Teekochmöglichkeit (für mich so britisch, dass ich sofort “tea and coffee making facilities” denke) und einem Bademantel. Ich war wieder so verschwitzt, dass ich dringend erst mal duschen wollte – danach waren ein Bademantel und eine Tasse Tee paradiesisch.

In der Folge ging’s mir richtig gut und ich wurde schon wieder abenteuerlustig: Zum Abendessen ging ich fünf Minuten in den Ratskeller. Ich bekam freundliche Ansprache (“Was lesen Sie denn da?”) und Rahmpfifferlinge mit Spätzle. Dazu einen Grauburgunder aus Ayl, ok. Auf dem Rückweg flippte ich völlig aus und holte mir bei einer Eisdiele Dolomiti (a name you can trust) ein großes Eis MIT Sahne. Damit setzte ich mich ans Ufer der SaaleSaar, die in Konz in die Mosel mündet.

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Gewandert in 6,5 Stunden mit zwei Pausen: 26 Kilometer.

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Ein wunderschönes Beispiel, wie Wissenschaft funktioniert. Da war dieser Artikel “Better Identification of Viking Corpses Reveals: Half of the Warriors were Female”. Der mal wieder nachwies, dass es unnütz ist, jetzige Normen für geschichtliche Interpretationen zu verwenden. Doch dann kommt jemand auf tumblr daher und nimmt das wiederum auseinander, und zwar durch das Hinterfragen der dort verwendeten Begriffe (z.B. “Viking”) und Einordnungen (z.B. Identifikation des Geschlechts eines Skelletts). Vom Hölzchen aufs Stöckchen bis zum höchstwissenschaftlichen

Who fucking knows.

Hier geht’s zum Text (mit viel Inhalt aber unbetitelt).
via @journelle

die Kaltmamsell

Journal Dienstag, 27. September 2016 – Moselsteig Palzem-Nittel

Mittwoch, 28. September 2016 um 7:46

Viiiel besser: In Nittel (das ich immer mit einem englischen silent k am Anfang schreiben möchte) gibt es nicht nur WLAN, sondern auch ganz unkompliziert offen.

Am Morgen traf ich in Schloss Thorn auf eine Zimmerwirtin, die mir nicht nur ein ausgesprochen liebevolles Frühstück in die Küche stellte, sondern auch jovial und kommunikativ war. Von ihr erfuhr ich unter anderem, dass die Weinlese im Moment erst beginnt – ich hatte mich schon gewundert, dass ich niemanden in den Weinbergen gesehen hatte.

Frühstücksappetit brachte ich dennoch nicht auf, ich belegte mir zwei Semmeln und nahm sie mit einem Ei zur Brotzeit für unterwegs mit. Den Tee aber genoss ich sehr.

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Diesmal nahm ich den Weg an der Mosel, um zurück zur Wanderroute Moselsteig zu gelangen.

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Das Wandern war bei allerschönstem Wetter wundervoll. Allein zu gehen heißt auch, dass ich noch mehr in Gedanken versinke als zu zweit – und wenn ich meine Umgebung dann wieder richtig wahrnehme, befürchte, etwas Aufregendes an Aussicht, Landschaftsdetail oder gar ein wildes Tier übersehen zu haben.

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Blick auf die Helfanter Mühle.
Beim Wandern auf Helfant zu fiel mir die für den Ort doch etwas überdimensionierte Kirche auf – die wollte ich genauer sehen. Tatsächlich ist dieser Helfanter Dom gar nicht so alt.

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Neben einem Birnbaum machte ich in der Wiese Pause und frühstückte. Hinter mir hörte ich Greifvögel schreien, hin und wieder sah ich einen losfliegen (Bussard? Habicht?).

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Das erinnerte mich an ein ganz bestimmtes Gemälde – aber welches nur?

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Am ersten Tag war ich fast allein auf der Strecke gewesen, wurde nur von einem Wanderer überholt, auf den ich später nochmal traf, und von einem Mountainbiker; entgegen kam mir nur eine Dreiergruppe. Gestern überholte ich zwei Wanderer, die zusammen gingen, die nach meiner längeren Pause wieder aufgeholt hatten. Sonst niemand. Ich genieße das sehr und merke, wie mir allein schon ein anderer Wanderer im Sichtfeld lästig ist.

Weitere Tiersichtungen: Drei Graureiher auf einer Wiese, die von Krähen vertrieben aufflogen. Im Zielort Nittel eine Schafstelze im Bächlein (klar musste ich die erst nachsehen, aber “Bachstelze, bloß mit gelbem Bauch” reichte).

Ich wohnte in einem Weingut mit Restaurant und Hotel (diesmal zum Glück nur 10 Minuten vom Moselsteig); auf deren Terrasse aß ich zu Abend.

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Es wurde eine als lokal angepriesene Elblingsülze, zu der ich natürlich dann auch die alte Rebsorte Elbling trank.

Wieder als Nachtrag: In sechs Stunden mit zwei Pausen ging ich 24 Kilometer.

die Kaltmamsell