Journal Montag, 26. September 2016 – Moselsteig Perl-Palzem

Dienstag, 27. September 2016 um 15:06

Dieser Blogpost wird mit Verspätung veröffentlicht, da sich die zweite Unterkunft am Moselsteig (ich hatte ein Paket gebucht) als nicht nur wenig Wanderer-geeignet erwies (2 Kilometer entfernt vom Endpunkt der Etappe an der Bundesstraße gelegen), sondern auch kein WLAN hatte. Ich wäre über mein iPhone online gegangen, doch die sonst so flotte Bluetooth-Verbindung wurde nicht erkannt, und ich hatte keinen Internetzugang, um nach möglichen Ursachen zu recherchieren. (Die arme Angestellte, die an mich geriet: Ich nervte sie mit Bitten um ein WLAN-Passwort, die Fritzbox hatte mein Rechner gefunden. Sie wusste von nichts.)

Die Wanderung aber war schön. Ich brach in Perl um 9 Uhr bei wunderbarem Sonnenschein auf – ich hatte mich sogar zu Frühstück gezwungen, weil es unterwegs keine Einkehrmöglichkeiten geben würde und ich nur Äpfel und Nüsse dabei hatte.

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So marschierte ich los.
Zum Glück hatte ich mir am Vortag den Beginn des Wegs angesehen: Die mannshohen Schilder „Wanderung Moselsteig“ zeigten nämlich zum Bahnhof, nicht zum Wanderweg.

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Dreiländereck.
Der Wanderweg Moselsteig selbst ist hervorragend ausgeschildert. In mein Wanderbüchlein sah ich nur für Hinweise zur Umgebung.

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Ich kam an ein eingezäuntes Grundstück, an dem eine Stelle kahlgetrampelt war: Da gab es offensichtlich etwas zu sehen.

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Damwild. Aus der Herde löste sich ein Tier und kam langsam näher. Irgendwann merkte ich, dass es sich nicht um ein zweibeiniges Jungreh handelte, sondern um ein Emu.

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Es kam zu mir an den Zaun und wir sahen einander eine Weile erwartungsvoll an. Als nichts passierte, gingen wir unserer Wege.

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Ich kam durch viele, viele Obstgärten, die meisten davon Streuobstwiesen, manche Spalier (vor allem Äpfel, aber auch Birnen und ganz wenige Zwetschgen).

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Am Eingang meines Zielorts Palzem sah ich auch eine Ernte: Die Äpfel waren offensichtlich vom Baum geschüttelt worden, hinten sieht man den Ernter mit einer Einsammelschaufelschnecke (für Saft, nehme ich an).

In Palzem suchte ich auf Google Maps nach dem Weg zu meiner Unterkunft – und staunte nicht schlecht über das Resultat: Zwei Kilometer auf der Bundesstraße raus aus dem Ort.

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Das war sehr unangenehm; wenn Lastwagen entgegen kamen, wurde es eng. Am nächsten Tag muss ich das ja wieder zurück, um zum Moselsteig zu kommen, da nehme ich lieber den Umweg am Moselufer entlang.

Auch dass es in oder auch nur bei der Unterkunft nichts zu essen geben würde, stand nicht in den Unterlagen; da aber lediglich ein Weinladen als Teil der Anlage genannt wurde, schloss ich das rück. Erwähnt war aber eine Küche, die man benutzen könne: Ich hatte eine Dose Linseneintopf eingepackt, die ich mir in dieser Küche warm machte. Eingepackt hatte ich vorsorglich auch ein Taschenmesser mit Dosenöffner, ging aber davon aus, dass es in der Küche einen handelsüblichen Dosenöffner geben würde.

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Gab es nicht. Und ich kann jetzt Konservendosen mit dem Taschenmesserdingsi öffnen. Dauerte nur eine knappe halbe Stunde, und ich blutete nicht mal.

Während ich noch aß, kamen ein paar Männer in Arbeitskleidung in die Küche, Tüten mit Lebensmitteln in der Hand: Es stellte sich heraus, dass sie in den anderen Zimmern des B&B-Häuschens wohnten und den Tag mit Arbeit im Steinbruch verbracht hatten. (Ich war so neugierig, dass ich sie sogar ansprach, um das herauszufinden: „Sie sehen nach Arbeit aus?“)

Insgesamt bin ich wohl einfach verwöhnt von der Fürsorglichkeit unserer Englandwanderung. Der dortige Anbieter hatte die Wege zur Unterkunft genau erklärt, auch dazugeschrieben, ob und wo es vor Ort Einkehr- oder Einkaufsmöglichkeiten gab. Und die B&B-Wirtsleute waren allesamt jovial und kommunikativ.
Nachtrag für die eigene Chronik: Das waren sieben Stunden Wandern mit zwei Pausen, ca. 30 Kilometer.

die Kaltmamsell

Journal Samstag/Sonntag, 24./25. September 2016 – Augsburg, München, Mosel

Montag, 26. September 2016 um 7:56

Zu Herrn Kaltmamsells Geburtstag hatten seine Eltern nachträglich zu sich zum Mittagessen eingeladen (wir hatten versucht, sie in München bei uns zu bekochen, doch das nebenan tobende Oktoberfest schreckte sie ab). Also fuhren wir zu zweit im Zug zwischen den leeren Bierflaschen der Oktoberfestbesucher nach Augsburg.

Es gab sehr gutes Essen, von Vitello tonnato über Rehrücken mit Spätzle und madeiranische Passionsfruchtcreme bis Pfirsichkuchen.

Zu unserer Überraschung war der Zug zurück nach München am späten Nachmittag leer – ich machte mir bereits Sorgen, ob nicht ein Unglück auf dem Oktoberfest passiert sein könnte.

§

Sonntag trat ich meinen Wanderurlaub an (allein, weil ein Lehrer halt nicht einfach Urlaub nehmen kann) (mit den Jahren machen immer mehr Sachen mehr Spaß, wenn Herr Kaltmamsell dabei ist) (sollte das nicht eigentlich umgekehrt sein?) und nahm in der berühmten Herrgottsfrüh einen Zug ins Saarland: Ich werde ein Stück Moselsteig gehen. Dass das angemessen weit weg vom Münchner saisonalem Krawall ist, sah ich schon an der Reisezeit: Mit zweimal Umsteigen brauchte ich ins schöne Perl gut sieben Stunden. Unterwegs sah ich untern anderem Nebelfetzen über sonnenbeschienenen Wiesen und einen Graureiher unter einem Apfelbaum.

Der Ankunftsbahnhof Perl überraschte mich doppelt.

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Zum einen mit einer wunderschönen Schriftart, die ich vor allem mit Romanen von P.G. Wodehouse verbinde. Zum anderen mit einem Grad von Heruntergekommenheit, den ich der Deutschen Bahn gar nicht zugetraut hätte.

Ich stieg eine halbe Stunde in praller Sonnenhitze hoch zum Hotel (eher gesichtslos), ich schwitzte in Strömen. Nach einem kurzen Snack sah ich mich im und um den Ort um; unter anderem wollte ich mich orientieren, wo genau ich am nächsten Morgen den Moselsteigweg beginnen würde – die Angaben im Wanderbuch waren eher vage.

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Die Nähe zum Luxemburg und Frankreich ist unübersehbar.

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Abendessen im Restaurant, zu dem die Hotelzimmer gehören, neben einer Festgesellschaft (ist wohl das feine Restaurant am Ort).

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Und Verwunderung, welcher Gedankengang nur immer wieder zu solchen Hotelzimmervorhängen führt.

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die Kaltmamsell

Journal Freitag, 23. September 2016 – Flucht ins Buch

Samstag, 24. September 2016 um 8:14

Kein guter Tag. Es schien zwar immer wieder die Sonne, ich hatte ausgeschlafen, doch ich bekam einfach die Schatten nicht vom Gemüt.

Vormittags kochte ich Lammragout mit karamellisiertem Knoblauch, um es zum Abendessen aufwärmen zu können. Funktionierte alles gut bis auf das Ausdrücken der gebackenen Knoblauchzehen aus der Haut: eine ausgesprochen klebrige Sauerei, überall Fitzelchen von Knoblauchhaut.

Ich hatte einfach keinen Appetit, gegen die Hungerbauchschmerzen aß ich mittags eine Tasse Haferflocken mit süßer Milch.

Friseurtermin. Meinen Plan, auf einen 80er-Popperhaarschnitt hinzuarbeiten, habe ich mittlerweile aufgegeben: Mein Haar legt sich immer nach vorne, ich müsste es durch eine ganze Reihe von Schäumen und Wachsen in die Gegenrichtung pappen. Der tägliche Aufwand ist mir zu viel. Also lieber wieder zurück zum Judie Dench-Pixie, bloß kürzer.

Nachmittags hätte ich endlich Gelegenheit gehabt, an der Führung durch die Hofbräumühle teilzunehmen; Herr Kaltmamsell hatte mich rechtzeitig daran erinnert. Doch mir war zu trübe, ich wollte heim und lesen. Zumindest hatte ich jetzt Appetit auf den Spinat aus Ernteanteil, den ich kurz gedünstet mit einer Kugel Büffelmozzarella aß.

Über den Nachmittag las ich Fred Vargas, Tobias Scheffel (Übers.), Flieghe weit und schnell aus; nach dem Komplettreinfall von Der vierzehnte Stein, den ich 2015 gelesen hatte, hatte ich diesmal wieder mein Vergnügen an einer gut konstruierten Geschichten und den gewohnten Parisskurrilitäten.

§

Das Modeblog Advanced Style ist ja ohnehin ein einziges Plädoyer dafür, Menschen in jedem Alten bitteschön anziehen zu lassen, was sie wollen. (Und Massel tov an Ari und Eric zur kürzlichen Eheschließung!)

Doch selbst hier gibt offensichtlich Geläster darüber, welche Teile ihres Körpers nicht normschöne Frauen bittesehr mal besser bedecken sollten: Alte Arme zum Beispiel (ich kenne da jemanden, die Frauen über 70 das Ausziehen des Strickjäckchens am liebsten sogar bei privaten Freundinnentreffen verböte).
“Right to Bare Arms”.

Schaun Sie ruhig genau hin: So sehen die Arme alter Frauen aus.

die Kaltmamsell

Journal Donnerstag, 22. September 2016 – Lenbachhaus und renovierte Sessel

Freitag, 23. September 2016 um 8:07

Im Projekt “Für jeden Urlaubstag ein Vorhaben” plante ich gestern einen Besuch des Lenbachhauses. Darin war ich nämlich peinlicherweise noch nie, auch nicht vor dem großen Umbau – da ich auf vielen Alltagswegen vorbeiradle, hatte ich diesen aber mitverfolgt.

Gestern war absolutes Kaiserwetter. Blauen Himmel und Sonnenschein merkte man den Temperaturen aber nicht an, ich brauchte eine Jacke, und meine nackten Beine froren.

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Ich sah die Sammlung 19. Jahrhundert an, das Obergeschoß, das der Gruppe Blauer Reiter gewidmet ist, und die Kunst nach 1945 (viel Beuys). Die Präsentation gefiel mir. Wieder hatte ich mir einen Audio-Guide geben lassen (der mir im Bayerischen Nationalmuseum oft wichtige Hintergrundinformationen und Querbezüge zwischen den Exponaten vermittelt hatte), mochte ihm aber bald nicht mehr zuhören: Die Bildbeschreibungen enthielten zu oft steile Interpretationen, die ich nicht nachvollziehen konnte – gerne mit Behauptung einer Künstlerabsicht.

Besonders fasziniert war ich vom Gebäude: Der Neubau ist über die alte Villa geschoben, die ehemalige Rückseite sieht man original innen. Und dann die vielen schönen Details!

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Der Garten ist ganz 19. Jahrhundert geblieben, inklusive Hausfasade.

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Ich schlenderte durch die Sonne zurück nach Hause, wich Teilnehmern und Teilnehmerinnen der größten Mottoparty der Welt aus, erledigte im Verdi Einkäufe.

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Morgens hatte der Polsterer zwei unserer Sessel zurückgebracht, frisch renoviert. Herr Kaltmamsell hatte sie vor fast 20 Jahren von einer Freundin übernommen, die die Wohnung ihrer Großmutter auflöste. Der gefederte Boden war völlig ausgeleiert, es bröselte unten raus. Seit zehn Jahren hatten wir uns vorgenommen, sie neu beziehen und aufpolstern zu lassen. Als Herr Kaltmamsell in seinen Ferien dann endlich den Polsterer kommen ließ, riet der von neuem Bezug ab: Der Fachmann war völlig begeistert vom originalen Zustand der 50er-Möbel und riet dazu, den Bezug lediglich reinigen zu lassen, die Kordeln und die Polsterung zu erneuern. So machten wird das dann auch.

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“Die halten Ihnen die nächsten hundert Jahre”, versicherte Herr Polsterer. Das hoffen wir sehr, die Renovierung kostete so viel wie zwei neue Designersessel.

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(Bild: Herr Kaltmamsell)

§

Zum Nachtmahl probierte Herr Kaltmamsell Short Ribs aus dem Römertopf aus – er kennt Römertopf aus seiner Kindheit von daheim.

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Die Rinderrippchen, die ich sonst als Suppenfleisch kenne, schmeckten so ganz großartig.

die Kaltmamsell

Journal Mittwoch, 21. September 2016 – Bayerisches Nationalmuseum, Der große Glander

Donnerstag, 22. September 2016 um 8:52

Wer schon wieder um halb sechs Uhr aufwacht, hat dann zumindest bis zum Mittagsläuten
– gebloggt
– einen rosenfingrigen Sonnenaufgang gesehen
– Morgenkaffee getrunken
– den restlichen Bügelberg gebügelt und verräumt
– Schuhe geputzt und die Wanderstiefel gründlich eingefettet
– ein ausgiebiges Vollbad genommen – mir war so kalt
– sich gecremt und gekleidet
– gefrühstückt und dabei die Tageszeitung gelesen
– drei paar Schuhe zur Schusterin gebracht und mit dieser ausgiebig geratscht
– ein wenig Lebensmittel eingekauft

Und steht kurz nach Mittag vorm Bayerischen Nationalmuseum.

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Der Spitzname, den die Münchner diesem Museum geben, “Bayerische Rumpelkammer”, passt heute wirklich nicht mehr: Der riesige Ausstellungsteil Barock, der 2015 wiedereröffnet wurde, ist ebenso sorgfältig luftig, schön ausgeleuchtet und informativ präsentiert wie die Sammlungen aus Romanik und Renaissance.

Ich ging chronologisch vor (nachdem mir ein freundlicher Angestellter auf meine Frage Ort und Funktionsweise der Schließfächer von Grund auf erklärt hatte – die Museumsräume waren gut geheizt) und hatte bereits so viel Zeit mit Romanik bis Renaissance verbracht, dass ich durch den Barockteil lediglich schlenderte und nur vereinzelte Exponate genauer besah. Lange hielt ich mich nach dem ersten “Holy Shit!”-Moment in der Zunftstube der Augsburger Weber auf, für die das Museum seinerzeit einen eigenen Raum gebaut hatte. Ich kenne das Weberhaus in Augsburg und habe während meines Studiums ein Seminar über Augsburg im Späten Mittelalter besucht, konnte also einiges ein wenig einordnen. Es gab ohnehin viele solche Vertrautheitsmomente in der Romanik- und Gotikausstellung: Ortsnamen, Bezüge zu ebenfalls vertrauten Werken – schließlich bin ich in der Stadt aufgewachsen, die unter anderem die erste bayerische Hochschule beheimatete.

Viel Zeit verbrachte ich auch im Raum mit den Sandtner-Modellen bayerischer Residenzstädte (nur schwach beleuchtet, vermutlich wegen der Tapisserien an den Wänden), auch wegen der Druckplatten für die zeitgenössische Landkarte.

Auffallend: Die fast schon als Stolpersteine aufgestellten Erklärtäfelchen vor Vitrinen und Exponaten, die auf die Provenienz von Objekten aus der Sammlung Hermann Görings hinwiesen. Mit einem Forschungsprojekt der Provenienzforscherin Dr. Ilse von zur Mühlen geht das Museum seit 2014 der genauen Herkunft von 430 Ausstellungsstücken nach, die zwischen 1961 und 2004 aus der Sammlung Görings in den Bestand kamen. (Dachte man davor: “Sammlung Görings? Ach, der hat’s vermutlich am Flohmarkt gekauft, wo er am Sonntag immer war.”?)

Im Untergeschoß mit seinen Ausstellungen zu Möbeln und Geschirr war ich erst gar nicht, ich nahm mir dringend mindestens einen weiteren Besuch des Museums vor. Überhaupt begegnete ich während der etwa zweieinhalb Stunden meines Aufenthalts (für mehr reicht meine Aufmerksamkeit nicht) nur einem halben Dutzend anderer Besucherinnen und Besuchern – da sah ich ja mehr Museumspersonal. Gerade der neu gestaltete Barockteil ist doch eigentlich ausgesprochen attraktiv für Touristen, gerade aus dem Ausland – wo sie doch eh alle zur Eisbachwelle nebenan pilgern. Hat das Museum vielleicht zu wenig Budget für Öffentlichkeitsarbeit? Oder ist nicht zu viel Aufsehen gewünscht? (Die meisten sensationellen Exponate stehen frei und sind nicht durch Glasvitrinen geschützt.)

Exponat des Monats ist “ein seltenes Frauenwams aus dem 17. Jahrhundert”, heute um 18 Uhr gibt’s eine Führung dazu – falls Sie zufällig Zeit haben.

(Meine Fotos traue ich mich nicht hier einzustellen, weil es keinerlei Angaben zu Fotografier- und Veröffentlichungsregelung auf der Website gibt.)

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Der Vormittag war hochneblig gewesen, auf meinem Heimweg durchs Lehel schien die Sonne.

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Daheim las ich Der große Glander von Stevan Paul aus und fühlte mich sehr gut unterhalten. Da es in diesem Roman so viel um Speisen und Getränke, deren Zubereitung, ihr Aussehen, ihren Duft, ihre Geschmacksnuancen geht, ist die Versuchung stark, auch den Roman so zu beschreiben: Süffig ist er, durch und durch, würzig ohne zu überfordern, rund abgeschmeckt, handwerklich sorgfältig zubereitet.

Die Geschichte des Malers und Kochs Glander wird nicht linear erzählt: Während die Haupthandlung (Kunstzeitschriftenredakteur recherchiert den Verbleib eines vor elf Jahren verschwundenen Künstlers) voranschreitet, springen dazwischen Kapitel in die Vergangenheit, indem sie die Vorgeschichten einzelner Romanfiguren beleuchten. Das ist sehr gut gemacht. Eingeflochten sind auch, immer an passender Stelle, Plädoyers für gutes Essen und Trinken, für deren Bedeutung. Die Figuren sind glaubwürdig, Landschaften und gesellschaftlicher Hintergrund werden lebendig und nachvollziehbar beschrieben, Robert de Niro ist ein witziger roter Faden.

Herummäkeln möchte ich lediglich am einen oder anderen Sprachklischee; hier hätte ein härterer Streichstift der Lektoren gut getan.

Völlig rausgefallen aus dem so abgerundeten Werk ist allerdings ausgerechnet das zweiseitige Eingangskapitel: Beschrieben wird die (Haus-)Geburt des Protagonisten, und nicht nur muss der einzige Geburtshelfer, der Kindsvater, “noch mehr heißes Wasser” bringen, ein Rätsel seit Westernfilmen aus den 50ern (auf Twitter ließ ich mir von Expertinnen erklären, dass mit heißem Wasser bei der Geburt Tücher befeuchtet werden, die den Damm weich halten sollen – im konkreten Zusammenhang des Romans unwahrscheinlich). Zudem wird die Mutter des Protagonisten als einzige Hebamme am Ort eingeführt – das ist dann aber auch das letzte Mal, dass ihr Beruf oder auch nur das Thema auftaucht.

§

Zum Abendessen kochte ich Tomatensuppe. Nach dem Ernteanteilpacken durften wir Helferinnen angedotztes Gemüse mitnehmen, unter anderem Tomaten. Selbige versauten mir wegen Angedotztheit zwar die Tasche, wurden aber zu einer sensationellen Suppe. Olivenöl, Salz, Pfeffer, ein wenig gekörnte Brühe – zerkocht, zerstört, fertig. Und spektakulär köstlich.

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Farbe original, es waren einige gelbe Eiertomaten dabei.

§

Ich bekomme ja selten Werbeanfragen, die meisten lassen sich nach kurzem Überfliegen als Spam löschen. Diese aber hat mich so sehr zum Lachen gebracht, dass ich sie unbedingt mit Ihnen teilen muss:

E: HI,
D: Guten Tag,

E: We are an Onlineshop (www.mariakommunion.de), and we sell Communion Dresses on our website. We found your website and would like you to write a Post for us and/or put our Banner on your Website. We will pay you through Paypal.
D: Wir sind einen Onlineshop (www.mariakommunion.de), und verkaufen maßgeschneiderte Kommunionkleider auf unserer Webseite. Wir haben Ihre Webseite gefunden, und wir hätten gern wenn Sie einen Post für uns schreiben könnten oder/und unser Banner auf Ihrer Webseite machen können. Wir werden Ihnen durch Paypal bezahlen.

E: Please read our proposal:
D: Bitte schauen Sie unserer Vorschlag an:

E: INSTRUCTIONS TO WRITE THE POST:
D: Anweisungen um der Post zu schreiben:

1.

E: Write a Blogpost for 20 US $ (post should be in german)
D: Schreiben Sie einen Blogpost für 20 US $ (Post soll auf Deutsch):

E: Instructions to write the Post:
D:Anweisungen, um den Beitrag zu schreiben:

A.

E: The design of the Post you can do as you please.
D: Design können Sie tun wie Sie möchten.

B.

E: Use all the following words in the list to write your Post and add a hyperlink on the word to their corresponding URL.
D: Benützen Sie alle die folgende Wörter im Post und machen Sie einen Hyperlink auf dem Wort der schickt zum spezifischen URL:

Kommunionkleider

www.mariakommunion.de
Kommunionkleider 2016

http: //www.mariakommunion.de/kommunionkleider-2016-c-1_6/

Kommunionkleider Schlicht

http: //www.mariakommunion.de/kommunionkleider-schlicht-c-1_7/

C.

E: In addition put a few Dress Pictures from our Website with a link to the product page
D: Außerdem setzen Sie bitte ein paar Kleider Bilder mit Links zur Produkt Seite

D.

E: Share the post on your social medias (facebook, twitter, instagram, Pinterest)
D: Teile Sine den Post auf Die Social Medias dass Sie haben (facebook, twitter, instagram, Pinterest)

2.

E: Set our Banner for 10 US $ (für 3 Monate)
D: Setzen Sie Banner für 10 US $ (für 3 Monate), in der Seitenliste.

E: Just copy the Banner-Code:
D: Sie brauchen nur der Banner-Code zu kopieren:

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E: If you agree with the terms, send us the Url of the Post and your paypal Adress, once we checked the Post we will transfer the money. If you have any questions do not hesitate to contact us. Please tell us the social Medias you can share the Post on.
D: Wenn Sie mit den Vorschlägen in Ordnung sind, schicken Sie mir bitte die Link von dem Post und Ihrem Paypal-Konto, nachdem wir den Post gecheckt haben werden wir bezahlen. Hätten Sie Fragen, wenden Sie sich bitte an mich. Danke für Ihre Zeit. Bitte sagen Sie uns welche social media Sie haben wo Sie den Pot teilen können.

E: We look forward to hearing from you. Sincerely
D: Ich freue mich von Ihnen zu hören. Viele Grüsse

Sagen Sie selbst: Ist das nicht ein Juwel? Und 30 US-Dollar für geschätzte drei bis vier Stunden Arbeit (die erst gezahlt werden, wenn die Arbeit auch gefällt) passen ja fast ins deutsche Mindestlohngesetz.

die Kaltmamsell

Journal Dienstag, 20. September 2016 – Ernteanteile packen

Mittwoch, 21. September 2016 um 7:08

Wenn ich keinen Wecker stelle, wache ich um fünf auf. Doch wenn ich wie gestern den Wecker auf 5:40 Uhr stelle, um zum Langhanteltraining zu gehen, reißt er mich auf tiefstem Schlaf. Weck-Slapstick?

Es hatte endlich aufgehört zu regnen, ich kam trocken ins Sportstudio. Anstrengendes Langhanteltraining, den vierten Tag intensiven Sport in Folge stecke ich nicht einfach so weg.

Fast im Anschluss hatte ich einen Termin bei der Kosmetikerin, ich spazierte einmal quer durch die Innenstadt hin.

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Zu Hause bügelte ich die Hälfte des Bergs Bügelwäsche, bis ich Frühstückshunger bekam.

Den Nachmittag verbracht ich in der Gärtnerei Schönbrunn, dem derzeitigen Hauptsitz unseres Kartoffelkombinats. Die Kisten mit Ernteanteilen müssen ja auch gepackt werden, und dafür werden immer Freiwillige gesucht. Schon seit einer Zeit wird das Packen zwar von einer Kartoffelkombinat-Angestellten betreut und es hat sich ein kleiner, fester Stamm an helfenden Händen gebildet (die sich damit zum Teil den Ernteanteil verdienen) – anders könnte die Versorgung von 900 Haushalten nicht gesichert werden. Doch im Idealfall beteiligt sich auch jeder Haushalt einmal im Jahr am Packen. Ich hatte das bislang nie geschafft, weil der Einsatz mit meinen Arbeitszeiten kollidiert; der derzeitige Urlaub war die Gelegenheit, das nachzuholen.

Gestern bestand der Ernteanteil aus Kartoffeln, Salat, Ruccola, Gurke, Fenchel, Tomaten, Spinat. Kartoffeln und Tomaten waren zum Großteil bereits von den Mitarbeitenden des Franziskuswerks in Schönbrunn vorgewogen, doch der Spinat musste noch portioniert und verpackt werden. Damit beschäftigte ich mich ein paar Stunden lang – und bekam von den tropfenden Spinatkisten (es hatte schließlich drei Tage geregnet) nasse Schuhe und Füsse. (Merken: Nächster Einsatz in Gummistiefeln.) Die geübten Genossenschaftlerinnen um mich herum platzierten routiniert Kisten, bestückten sie in der für den Transport idealen Reihenfolge, sortierten sie nach Lieferrouten (im Kartoffelkombinat werden nicht die einzelnen Haushalte beliefert, sondern Verteilerpunkte), brachten die fertigen Kisten in die Kühlung. In einem anderen Eck der kleinen Halle wurde ebenfalls Spinat abgewogen.

Hin und zurück kam ich im Auto einer Mitgenossenschaftlerin, zum ersten Mal sah ich den Weg nach Schönbrunn von der Straße aus statt aus der S-Bahn.

Bei meiner Heimkehr war es deutlich nach acht, Herr Kaltmamsell hatte uns Sushi kommen lassen.

die Kaltmamsell

Journal Montag, 19. September 2016 – Verregnetes Gemüt

Dienstag, 20. September 2016 um 6:30

Dritter Tag Dauerregen in wechselnder Stärke. Macht keinen Spaß.

Auch ins Olympiabad nahm ich also nicht das Rad, sondern die U-Bahn.

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Ich wunderte mich über die vielen Menschen im Eingangsbereich, die anscheinend am Durchgang anstanden, aber nicht durchgingen. Endlich fiel mein Blick auf einen bereits eselsohrigen Zettel: Dass das Olympiabad renoviert und umgebaut wurde, wusste ich noch, nicht mehr aber, dass das Bad deshalb bis 10 Uhr Vereinen und Schulklassen vorbehalten war. Und es war erst ein paar Minuten vor 10.

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Innen war dann einiges umorganisiert, von den Umkleiden ins Becken musste ich über eine Baustellenüberführung steigen. Leider sehr wenig munter zog ich mit verschattetem Gemüt meine Bahnen, nahezu ungestört. Ich muss gerade so viel verdrängen, dass ich befürchte, Wichtiges und Schönes mitzuverdrängen.

In Regen von Kübelstärke ging ich zur Straßenbahn und ließ mich zur Schellingstraße fahren (ideales Tempo zum Pokéstop-Abräumen, übrigens); ich freute mich auf Frühstück im Café Puck.

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Bis ich vor dieser Baustelle stand. Natürlich hatte ich nicht vorher auf die Website geguckt, warum auch. Kurzes Überlegen, Entscheidung fürs Café Altschwabing 200 Meter weiter.

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Für diese Woche Heimaturlaub hatte ich mir Ausstellungen und Museen vorgenommen, im Sprühregen lief ich zum Literaturhaus.

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Die Herrndorf-Ausstellung dort ist noch eine Woche zu sehen und gefiel mir sehr gut.
Auch wenn viele wirklich lustige Motive nicht auf seinem Mist gewachsen sind, sondern Ideen einer Redaktion waren, sieht man ja an Herrndorfs Texten, dass sein Blick unausweichlich Absurdes und Komisches sah, sein Hirn absurde und komische Ideen produzierte. Was macht man damit als Maler? Man malt’s halt. Und riskiert damit, aus dem handelsüblichen Kunstbegriff zu fallen. Mein Favorit war die Votivtafel des verunglückten Skateboarders, eine Persiflage, die nur mit höchster Sprach- und Malkunst perfekte wurde.

Einkaufsrunde, dann ins frisch geputzte Zuhause. Zum Nachtmahl durfte ich mal wieder selbst kochen, es wurde die Ricotta-Feta-Tomaten-Tarte von Küchenschabe.

§

In El País schreiben María S. Sánchez und Pablo Cantó über eine positive Entwicklung in der internationalen Werbewelt: Die Kampagnen scheinen inklusiv zu werden.
“Del anuncio de H&M al de Multiópticas: este otoño las marcas recurren a la publicidad inclusiva”.

Unter anderem feiert H&M seine Herbst-/Winterkollektion mit Bildern von Frauen (fast) jeder Form und vieler Altersstufen, der spanische Optiker mó macht damit Werbung, wie schön es ist, die Realität in ihrer ganzen Vielfalt zu sehen:

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/7qPK4qYRREU

Und der Maltesers-Werbespot ist eh der Kracher:

https://youtu.be/YgUqmKQ9Lrg

(Allerdings sehe ich in TV-Werbung in UK ohnehin seit Jahren Behinderte als unmarkierte Bestandteile der Besetzung.)
Der Axe-Spot hat es ja sogar ins deutsche Werbefernsehen geschafft.

via @Croco_dylus

§

Sie finden Roter-Teppich-Fotos vor Filmgalen langweilig? Überlegen Sie sich das nochmal.

die Kaltmamsell