Journal Sonntag, 28. Februar 2016 – Hochnebelkälte

Sonntag, 28. Februar 2016 um 21:19

Vorzeitiger Tagebucheintrag für heute, damit morgen der live geschriebene Text zur Oscarnacht online gehen kann.

Der Tag begann mit allerseligstem Auschlafen. Nach dem Bloggen ging es hinaus an die hochnebelig frostige Isar zum ersten Lauf mit Achillessehnenbandage.

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Die Bandage machte keinen Unterschied: Währen des Laufens nur wenig Schmerzen, nach dem ausgedehnten Vollbad waren jedes Aufstehen von Stuhl der Sessel und die ersten Schritte eine Slapstick-Einlage: böse Schmerzen in unterer Wade und Hüfte.

Beim Frühstücken festgestellt, dass ich vergangenes Jahr die beste Erdbeermarmelade meines Lebens gemacht habe: Sie schmeckte auch nach Monaten noch intensiv nach frischen, duftenden Erdbeeren. Da ich mich nicht an einen besonderen Kniff in der Zubereitung erinnern kann, muss es an den Früchten gelegen haben.

Zeitungen der Woche hinterhergelesen. Mich über das Interview in der Wochenend-SZ gefreut, in dem Interviewer Marten Rolff ein wenig die Luft aus Noma-Mitgründer Claus Meyer lässt.

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Zum Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell Bratkartoffeln aus Ernteanteil mit Spiegeleiern. Ich bereitete noch aus den eben gekochten Ernteanteil-Gelbe-Bete einen Salat für die morgige Brotzeit und ging nach kurzem Blick in den Fernseher früh schlafen.

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Diese Geschichte hatte Aleks in Auszügen schon im Techniktagebuch-Redaktionschat erzählt, vor allem der letzte Absatz über die vorelektronische Navigation von Feuerwehren hatte mich um ein Aufschreiben betteln lassen:
“Ca. 1993 – Professionell von A nach B finden”.

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Welche Auswirkung auf die Kunstrezeption es haben kann, wenn Künstler und Künstlerinnen Abbildungen ihrer Werke untersagen:
“Abbildungsverbote”.

via @ankegroener

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Hier eine Erklärung von Gravitationswellen, die mir endlich zu der Illusion verhilft, ich hätte das auch nur ansatzweise kapiert.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/ajZojAwfEbs

via @journelle

die Kaltmamsell

Journal Freitag/Samstag, 26./27. Februar – #rgmuc

Sonntag, 28. Februar 2016 um 9:56

Sonniger Freitag, ohne Frühsport zu Fuß in die Arbeit.

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Zu Fuß auch wieder nach Hause, nach kurzer Tätigkeit in der Küche spazierte ich zu einer lange geplanten Verabredung mit Bloggerinnen aus der ganzen Republik samt Anrainerstaaten (Zeugnisse sind zu finden unter #rgmuc für Reisegruppe München) im Spatenhaus: Nathalie von Cucina Casalinga hatte fertiggebracht, dass dieses immer wieder mal diskutierte Treffen in München tatsächlich stattfand und war so nett gewesen, auch mich anzusprechen. So kam ich zum ersten Mal ins Spatenhaus, sah einige seit Jahren gelesene Blogerinnen und Twitterinnen zum ersten Mal persönlich, traf schon länger bekannte wieder. Diese Gesellschaft, das gute Essen (mein ersten Mal Kalbskopf!), die überaus herzliche Bedienung und die Kuschligkeit des winzigen Hinterstüberls machten den Abend zu einem großen Genuss.

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Am Samstag ließ ich mich früh wecken, um noch Zeit für haushaltliches Kruschen und Wäschewaschen zu finden. Nathalie hatte die Bloggerinnenrunde zum Frühstück eingeladen, die Radlstrecke hinaus zu ihr machte mir klar, dass München sich an manchen Enden dann doch weiter ausdehnt, als ich snobbistische Innenstadtbewohnerin so im Gefühl habe – ich kam ordentlich zu spät.
Tatsächlich gab es zwei Frühstücke: Das erste am Morgen mit frischem Brot, Wurst, Käse, Marmeladen war meinem Organismus noch deutlich zu früh, umso mehr genoss ich das zweite um die Mittagszeit mit Weißwürscht und Leberkäs – sogar einer Halben Weizen dazu.

Der Rückweg nachmittags durch den Englischen Garten war gebremst: In der Sonne gingen viele Leute spazieren. Ich bog für ein paar Einkäufe ab Richtung Schrannenhalle – könnte mich bitte jemand vor dem nächsten Versuch davon abhalten, am Samstag Nachmittag die Frauenstraße entlangzuradeln? Ich hatte den starken Autoverkehr nicht einkalkuliert, und die heutigen Autobreiten lassen Radlern keinerlei Platz: Da ich nicht auf dem Fußweg fahren wollte, musste ich mich in den Autostau einreihen.

Daheim holte ich ein wenig Schlaf nach und las dann Stoner von John Williams aus:
Eine amerikanische university novel von 1965, die mir von Blogkommentatorinnen empfohlen worden war – zu Recht. Die Hauptfigur, der Literaturwissenschaftler William Stoner, wird ganz am Anfang mit einem kurzen Abriss seiner akademischen Karriere eingeführt: Studienbeginn an der Universität von Missouri, Promotion, als Dozent nie Karriere gemacht, kaum Spuren bei den Studierenden hinterlassen. Die ausführliche Version erzählt dann von einem doch recht besonderen Menschen aus sehr einfachen Verhältnissen, der sein Leben nie richtig in die Hand genommen hat, nur in der Forschung und in einer Freundschaft ganz aufging. Formal unauffällig schildert der Roman Stoners Wahl einer Partnerin, die ihm bald mit vielen Mitteln das Leben zur Hölle macht, die ruhige, tiefe Liebe zu seiner Tochter, die Lebensfeindschaft mit dem Leiter des Lehrstuhls, an dem er arbeitet – alles vor dem zeithistorischen Hintergrund zweier Weltkriege. Sehr schnell schafft die Geschichte eine Identifikation mit dieser einsamen Figur, vor allem wenn man Stoners Loyalität und die Anziehungskraft einer akademischen Umgebung nachvollziehen kann. Und wie Stoner frage ich mich seit der Lektüre, wie sein Leben verlaufen wäre, hätte er energisch Ansprüche erhoben – oder auch nur für seine Tochter gekämpft.

Eine weitere Radfahrt wieder hinaus an den Stadtrand, Nathalie und Partner hatten noch einmal eingeladen, diesmal zu einem köstlichen Abendessen:

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Zur Vorspeise eine Terrine und eine Pastete, dazu sardisches Brot.

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Als Hauptgericht ein Kalbsgulasch.

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Und zum Nachtisch Crème Caramel mit den ersten aromatischen Erdbeeren aus Italien.

Da die Gesellschaft aus lauter Geschichtenerzählerinnen bestand, war das Menü natürlich begleitet von weiterer lebhaftester Unterhaltung um Anekdoten aus diversen Ländern, Bundesländern, beruflichen Umständen und Freizeitverstrickungen.

Beim Heimradeln bewies München, dass es manchmal, ganz manchmal auch grüne Welle kann – großer Genuss.

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Nebenbei: Ich bin ganz begeistert, wie gut mein Organismus den Alkohol der vergangenen drei Abende vertragen hat. Keinerlei Nebenwirkungen, nicht mal in Form von Migräneangst. Verstehe einer diesen Körper.

die Kaltmamsell

Journal Montag, 22. Februar 2016 – Laue Lüfte

Dienstag, 23. Februar 2016 um 6:31

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In wundervoller Frühlingssonne baren Hauptes in die Arbeit marschiert.

Da mir auch diesmal die Bewegungsapp riesige Umwege unterstellte, fasste ich ihren Irrwitz fürs Techniktagebuch zusammen:
“Bewegungstracker – you’re drunk”.

Nach Feierabend erfrischender Spaziergang in lauer Luft nach Hause. Abend vor Internet und Fernseher, im Bett noch ein Stündchen herzergreifenden Stoner gelesen.

die Kaltmamsell

Journal Sonntag, 21. Februar 2016 – Mode der 30er / Bücher zu verschenken

Montag, 22. Februar 2016 um 6:50

Jetzt waren sie da, die spürbar gestiegenen Temperaturen. Beim Radeln an den Ostbahnhof hätte ich eigentlich weder Mütze noch Handschuhe benötigt.

Ich turnte nach einer halben Stunde Crosstrainer lediglich die Stepstunde mit; meine schmerzenden Knochen nahmen mir die Lust auf die anschließende Rückengymnastik.

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Zu Hause duftete es bereits wundervoll: Herr Kaltmamsell hatte die zwei Kilo Schweineschulter, die ich am Samstag auf dem Weg zum Schwimmen in der Metzgerei Burr besorgt hatte, in einen Schweinsbraten verwandelt.

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Wie ich es von gutem Schweinefleisch aus Hausschlachtung kenne, war der Braten beim Garen aufgegangen, mit sensationell saftigem Fleisch. Da wir keine Knödel oder sonstige Stärkebeilage dazu hatten, gab’s auch keine Soße. Als Beilage hatte ich den Krautsalat fertiggestellt.

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Hier habe ich das sehr simple Rezept notiert – ich finde sogar eine gehackte Zwiebel eher verschlechternd. Für ein Salatbuffet würde ich aber gebratene Speckwürfel dazugeben.

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Nach dem Essen machte ich ein paar Einheiten auf meinem Kulturtracker gut: Ich ging ins Museum, und zwar in die Ausstellung “Gretchen mag’s mondän – Damenmode der 1930er Jahre” im Stadtmuseum. Herr Kaltmamsell hatte mich darauf hingewiesen, weil ich ein Faible für die Mode dieser Zeit habe – wohl wegen damaligen US-Filme und UFA-Filme, die mich schon als Kind faszinierten.

Ich sah hochinteressante Exponate aus vielen damaligen Lebenslagen, viele Zeitschriftentitel aus den 30ern – sehr gerne hätte ich eine Grafikerin dabei gehabt. An den Printexponaten fand ich mal wieder frappierend, wie viel Inhalt allein schon Typografie transportiert.

Roter Faden der Erklärtexte: Wie die Parteiproganda versuchte, Einfluss auf die Mode in Deutschland zu nehmen (wenig erfolgreich), wie politische Verhältnisse sich auswirkten (Arisierung erschreckend erfolgreich).

Überraschendes Exponat:

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An Kleidern und Oberteilen fiel mir auf, dass es damals praktisch keine Ausschnitte gab, das weibliche Dekolleté war fast immer bis zum Hals bedeckt. Wunderschöne Handschuhe und Hüte – in einem Raum gab es sogar Nachbildungen zum Anprobieren (mir wie erwartet alle zu klein).

Schuhe: Gerade setzte ich zum Seufzer an “genau sowas suche ich” (elegante Schnürschuhe mit ein wenig Absatz, damals Trotteur genannt und ideal für längere Fußwege, ohne gleich rustikal zu wirken), als eine Dame neben mir bereits sagte: “Die würde ich sofort nehmen.” Am wenigsten scheint sich bis heute der elegante Pumps verändert zu haben.

Sehr begrüßen würde ich eine Wiederkehr des Konzepts “Festlicher Abendpyjama”:

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Ich dachte sofort an den undress, den ich aus englischen Romanen des 18. Jahrhunderts kenne: Bequeme, aber edle Hauskleidung, in der man nicht auf die Straße gehen würde, in der man aber sehr wohl Besuch empfangen kann.

Ich hatte schon eine ganze Reihe Fotos gemacht, als mich eine der Angestellten darauf hinwies, dass in der Ausstellung Fotografieren nicht erlaubt sei. Ich poste also mal lieber keins meiner Bilder.

Angesichts von Vertippern, Komma- und Rechtschreibfehlern in den sorgfältig getexteten und gesetzten (so schöne Schriften!) Beschreibungen fragte ich mich mal wieder, ob ein paar Stunden Endkorrektorat das Budget der Ausstellung wirklich überzogen hätten. Nach meiner Schätzung hätte das nicht mehr als 800 Euro gekostet.
(Ich weiß ja durch meine eigenen Vertipper hier im Blog, wie unzuverlässig eigenes Drüberlesen ist.)

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Draußen hatte sich der Himmel angemessen zum Sonntag entwickelt.

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Schon am Samstagabend hatte ich Bücher ausgemistet – es liegen bereits wieder viel zu viele quer in den Regalen. Mag jemand zwölf Krimis von Elizabeth Georg bei mir abholen? (Alle oder keinen.)

  • Deception on his mind
  • In pursuit of the proper sinner
  • Missing Joseph
  • Playing for the ashes
  • In the presence of the enemy
  • Well-schooled in murder
  • A great deliverance
  • Payment in blood
  • A suitable vengance
  • For the sake of Elena
  • A traitor to memory
  • I, Richard

Und jemand die ersten acht Donna Leons? Alle oder keinen.

  • Death at La Venice
  • Acqua alta
  • Fatal remedies
  • A noble radiance
  • The death of faith
  • A Venetian reckoning
  • Death in a strange country
  • The anonymous Venetian

Verpacken und versenden ist mir zu mühsam. Interesse gerne in den Kommentaren oder an die E-Mail-Adresse links anmelden.

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Schon lange nichts mehr von einem meiner Lieblingstiere gehört, dem Ameisenbären. Bis ich diesen Science Slam-Beitrag mit aktueller Forschung über ihn fand:
“Ameisenbären: Erbsenhirnparalleluniversumsforschung”.

Sind nicht so wirklich schlau, die Viecher. Aber halt herrlich abgefahren.

die Kaltmamsell

Journal Samstag, 20. Februar 2016 – Schneeregen und Energieschub

Sonntag, 21. Februar 2016 um 8:30

So ziemlich als Erstes nach dem morgendlichen Bloggen erfahren, dass Umberto Eco gestorben ist. Herr Kaltmamsell hatte eh vor, nach langem mal wieder Der Name der Rose mit einer Schulklasse zu lesen (zwar kann ein Deutschlehrer daran eine Menge lehren, von Erzählhaltung über Rahmengeschichte bis Mittelalter, doch ist das halt ein sehr dickes Buch). Zudem hatte ich wieder ein Bild vor Augen, das ich eigentlich schon immer mit dem Roman verbinde:

Die untere Turnhalle meines Gymnasiums ca. 1985. Auf der Turnbank an der Umkleidenseite sitzen die vom Sport befreiten Schülerinnen, darunter die Bieringer Jutta1. Sie ist völlig vertieft in die Taschenbuchausgabe von Der Name der Rose, die sie von mir ausgeliehen hat. Sie hält das Buch mit einer Hand und hat das bereits gelesene Drittel hinter den Rest UMGEKLAPPT – für mich damals ein Sakrileg größter Verdammnis. Ich kam aus einem nahezu buchlosen Haus, hatte mich von Kindesaugen an durch Büchereien gelesen, die wenigen Bücher, die ich selbst besaß, waren mir überaus kostbar. Das mag der Moment gewesen sein, in dem ich beschloss, meine Bücher nicht mehr zu verleihen.

Vor allem aber erinnert mich dieses Bild daran, dass Der Name der Rose unter uns als Schmöker gehandelt wurde, als Lesegenuss wie die kurz davor herumgereichten Dornenvögel. Bei der Übergabe wurde durchaus mal erwähnt, dass sie ersten hundert Seiten sich etwas ziehen könnten, aber wir Vielleserinnen, die ohne Unterscheidung alles an guten Geschichten verschlangen, wären eh nicht auf die Idee gekommen, ein einmal begonnenes Buch nicht zu Ende zu lesen, bloß weil nicht schon die ersten Seiten packend waren.

§

Ich radelte durch den kalten, grauen Tag zum Schwimmen ins Olympiabad. Meine Bahnen schwammen sich angenehm, doch als mich der Rückenschwimmer auf der Nebenbahn mit seinen gelben Plastikhandflossen zum dritten Mal schmerzhaft kratzte (1. Mal Hand, 2. Mal Oberschenkel, 3. Mal Schulter), schrie ich anscheinend selbst für ihn hörbar auf. Der Blick, den er sich anschließend einfing, war wohl selbst hinter meiner Schwimmbrille eindeutig: Er legte dieses Spielzeug ab. (Ich hatte in diesem Moment ernsthaft vor, ihn beim nächsten Kratzer zu hauen.)

Die Wettervorhersage hatte “deutlich steigende Temperaturen” angekündigt. Umso erstaunter und wütender war ich, dass mich beim Heimradeln Schneeregen und Schnee ziemlich durchnässten.

Zu meiner nachmittäglichen Verabredung in der Maxvorstadt nahm ich also die U-Bahn – ab Marienplatz eingepfercht zwischen Fußballfans.

Doch die Verabredung war glorios: Ich hatte schon befürchtet, dass ich den Kontakt zu dieser Frau aus einem früheren Berufsleben verschusselt haben könnte (sie hat kein Internetleben). Doch nun erfuhr ich von Überraschungshochzeit (die Gäste ahnten nichts), beruflichen Erfolgen, einem Leben in Fülle, mit Zielen und Leidenschaft – ein echter Energieschub.

Eine Runde Lebensmitteleinkäufe, Krautsalat zum sonntäglichen Schweinsbraten angesetzt (und damit ich ihn als weiteres bayrisches Grundgericht verbloggen kann). Zum Abendessen servierte Herr Kaltmamsell ein Graupotto mit Tomatensugo und Feta (Graupen und Sugo aus Ernteanteil).

Ich ließ beim Internetlesen den Fernseher laufen: Die Reifeprüfung hatte ich erst einmal gesehen und das vor vielen Jahren. Den Soundtrack kannte ich in jeder Note, doch erst diesmal fiel mir auf, dass der damals 30jährige Dustin Hoffman als Typ eigentlich eine komplette Fehlbesetzung war: Highschool-Sportskanone und verwöhnten Müßiggänger nehme ich ihm nicht ab.

§

Ein Grund, das Techniktagebuch (und den Redaktionschat) zu lieben: Während man vordergründig über Technik liest, liest man hintergründig über Leben und Alltag.
“Ich bin ein Idiot, werde aber eventuell nicht daran sterben”.

§

Eine weitere ruhige, kluge Stimme gegen das derzeitige Gebrüll da draußen: Margarete Stokowski (die auf Twitter immer wieder weitergibt, welche Reaktionen sie allein schon wegen ihrer polnischen Vorfahren erntet).
“Oben und unten: Pöbeln, aber präzise
Plädoyer für eine differenzierte Schmähkritik”.

Nun ist es aber gar nicht dumm, die Ruinen von Palmyra wegzusprengen, Mexikaner pauschal als drogenhandelnde Vergewaltiger zu bezeichnen oder Flüchtlingen zu wünschen, sie sollten im Meer ertrinken oder an der Grenze erschossen werden. Es ist falsch und böse und hässlich, aber nicht dumm: Wer das tut, ist kein Idiot, sondern ein schlechter Mensch.

(…)

Warum finden viele Dunja Hayali und Anja Reschke so cool, wenn sie sich über Hass äußern oder über Lügenpressevorwürfe? Weil die sich selbst und ihre Arbeit ernst nehmen – aber andere Menschen eben auch. Sie machen es sich nicht einfach. Sie geben zu, dass Dinge kompliziert sind, und machen trotzdem weiter.

  1. In Bayern werden Namen in der Reihenfolge Familienname Taufname genannt. []
die Kaltmamsell

Journal Montag, 15. Februar 2016 – Meyer Lemons inkognito

Dienstag, 16. Februar 2016 um 6:33

Auf dem Heimweg von Arbeit bog ich bei Vollcorner im Westend ein, ich wollte noch ein wenig Obst kaufen. Und stoppte abrupt vor einem Korb mit Früchten, die eindeutig Meyer Lemons waren – die ersten, die ich je in einem Münchner Verkauf sah. Sofort griff ich mir zwei und hielt sie mir unter die Nase: Himmlisch, wie hatten die es nur hierher geschafft? Wahrscheinlich war es sogar ein Versehen, denn der Laden selbst hatten sie es nicht erkannt.

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Jetzt habe ich zwei Meyer Zitronen daheim und weiß gar nicht, wo ich auf Katharina Seisers Rezeptliste beginnen soll.

Aus dem Ernteanteil von letzter Woche waren noch Chicoree und Kartoffeln da – das rief geradezu nach dem Klassiker aus meiner Studentinnenzeit: Annes Chicoreekartoffeln. Diesmal notierte ich das schlichte Rezept, das eigentlich kein Rezept ist.

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§

Der Guardian widmet sich ausführlich der Frage
“‘Big books by blokes about battles’: Why is history still written mainly by men?”,
indem er zahlreiche preisgekrönte Autorinnen und Autoren historischer Werke um eine Antwort bittet.

§

Zeitgeschichtlich festzuhalten ist dieses Bild aus dem gestrigen Streiflicht der Süddeutschen Zeitung:

Die Ruhr-Nachrichten hatten der eleganten Wienerin seinerzeit unterstellt, diese unterhalte ihr Publikum weniger “mittels ihrer Stimme als mittels ihrer attraktiven Beine”. Für eine derartige kulturjournalistische Einordnung würde einem heute völlig zu Recht ein dickes Bündel Hashtags um die Ohren fliegen.

§

Kate Bowler ist mit Mitte 30 sehr schwer an Krebs erkrankt. Die Autorin hat sich zehn Jahre mit der Erscheinung des American prosperity gospel beschäftigt:

Put simply, the prosperity gospel is the belief that God grants health and wealth to those with the right kind of faith.

Vor dem Hintergrund ihrer Erkrankung sieht sie sich einzelne Aspekte nochmal an:
“Death, the Prosperity Gospel and Me”.

I learned that the prosperity gospel sprang, in part, from the American metaphysical tradition of New Thought, a late-19th-century ripening of ideas about the power of the mind: Positive thoughts yielded positive circumstances, and negative thoughts negative circumstances.

(…)

It says: “I totally get it. I am down-to-earth enough to know that this is crazy.” But it also says: “God gave this to me. [Adorable shrug.] Don’t blame me, I’m blessed.”

(…)

Blessed is a loaded term because it blurs the distinction between two very different categories: gift and reward. It can be a term of pure gratitude. “Thank you, God. I could not have secured this for myself.” But it can also imply that it was deserved. “Thank you, me. For being the kind of person who gets it right.” It is a perfect word for an American society that says it believes the American dream is based on hard work, not luck.

(…)

The prosperity gospel holds to this illusion of control until the very end. If a believer gets sick and dies, shame compounds the grief. Those who are loved and lost are just that — those who have lost the test of faith. In my work, I have heard countless stories of refusing to acknowledge that the end had finally come. An emaciated man was pushed about a megachurch in a wheelchair as churchgoers declared that he was already healed. A woman danced around her sister’s deathbed shouting to horrified family members that the body can yet live. There is no graceful death, no ars moriendi, in the prosperity gospel. There are only jarring disappointments after fevered attempts to deny its inevitability.

die Kaltmamsell

Journal Sonntag, 14. Februar 2016 – Bücherpanorama

Montag, 15. Februar 2016 um 7:13

Endlich mal wieder gut, tief und ausgeschlafen, das Bett ausgekostet. Zu Kaffee rumgebloggt.

Für mein Morgentraining hatte ich ein für mich neues Halbstundenprogramm ausgesucht – ganz schön anstrengend, die dritte Runde walk-out push-ups hielt ich nicht durch.

Bei trockenem, grauen Wetter spazierte ich zu einer Frühstücksverabredung im Café Forum, genoss das Frühstück bei anregender Unterhaltung. Mein Frischluftbedürfnis stillte ich bei einem Schaufensterbummel, stellte allerdings fest, dass es für eine Suche nach roten Sandalen noch zu früh im Jahr war.

Zu Hause las ich die zweite Hälfte von Patricia Highsmiths The Price of Salt; Details dazu notiere ich nach der Leserunde, in der wir den Roman besprechen werden, empfehle ihn aber schon jetzt. Wenn ich beim Lesen aufblickte, genoss ich auch die innere Aussicht (mit einem Blick nach rechts sah ich die Kastanien, darauf hin und wieder Eichhörnchen und Vögel). Also wandte ich zum ersten Mal die Panoramafunktion der iphone-Kamera an (Raum wie er zu diesem Zeitpunkt war, also ungeschönt).

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Oder: Warum wir im Wohnzimmer keine Bilder hängen haben.

Ich bügelte und ließ dabei das Buch ein wenig nachhallen, bevor ich vor dem Abendessen Green Monkeys zubereitet.

Zum Nachtmahl hatte Herr Kaltmamsell Waldorf Salad aus Ernteanteil gemacht, außerdem Pferderouladen nach italienischer Art.

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Ob mein Blogpost über Pferdemetzger von 2003 heute dieselben Reaktionen voller Ausrufezeichen und Großbuchstaben hervorrufen würde? Kann es sein, dass sich die Fronten inzwischen verschoben haben zum Streit über Fleischverzehr generell?

die Kaltmamsell