Gut und lang geschlafen, aber mit Kater-Gefühl und Kopfweh aufgewacht – so viel Alkohol war das doch gar nicht?
Draußen schien wie angekündigt die Sonne, es war aber auch wie angekündigt viel zu frisch für Balkonkaffee.
Plan war eine Schwimmrunde im Dantebad. Im Sonnenschein, aber mit Pulli radelte ich dorthin – und wurde vom schlimmsten LALÜ! vom Rad geworfen, nämlich von einem, das direkt neben mir an einer Ampel volle Kanne losplärrte. Es dauerte eine Weile, bis ich mich gefangen hatte und weiterfahren konnte.
Das Dantebad war in dieser kühlen Luft nur licht besucht, dennoch kam ich nicht recht in den Fluss. Meine 3.000 Meter absolviert ich eher als ich sie genoss, obwohl der Beckenboden mit abwechselndem Glitzern, dann wieder einfarbig silbern unter einer Wolke Abwechslung bot.
Bei der anschließenden Körperpflege in der Sammelumkleide entglitt mir das Deo-Fläschchen und zerbrach, fluchend kroch ich mit Papiertaschentüchern unter die Bank am Spind und beseitigte die Sauerei – das war mir noch nie passiert, ich hatte das dicke Glas der seit vielen Jahren benutzten Deo-Marke für recht bruchsicher gehalten.
Ein Stündchen mit Musik auf den Ohren auf der Liegewiese, die nach dem Regen der Vorwoche deutlich grüner aussah als zuvor.

Dabei freute ich mich über den Anblick meiner am Vorabend lackierten Zehennägel: Ich hatte die beiden Farbschichten (nach Unterlack, vor Überlack – der vor Jahren von professioneller Pediküre übernommene Aufwand lohnt sich wirklich in Aussehen und Beständigkeit der Lackierung) aus zwei verschiedenen Lacken kombiniert, Lila und Discoglitzer, damit genau den erwünschten Effekt erzielt.
Auf dem Heimweg sah ich an der Dachauer Straße von einer Seitenstraße rechts langsam zwei Feuerwehr-Löschfahrzeuge nahen – mir wurde gleichmal schlecht. Ich war kurz davor, prophylaktisch vom Rad zu springen und mir die Ohren zuzuhalten, doch die Wagen blieben langsam und hielten an der roten Ampel. Mal sehen, wann das Gesamtphänomen mich zur Folgerung bringt, dass ich im Radverkehr nichts zu suchen habe.
Frühstück kurz vor drei: Eine unterwegs besorgte Semmel mit Butter/Tomate, eine mit Erdnussmus/Marmelade, dann Kiwi, Aprikosen, Nektarine. Herr Kaltmamsell war aushäusig auf einer Geburtstags-Gartenparty.
Körperpflege, eine Draußenrunde (milde Luft) für Einkäufe, eine Draußenrunde, um ein ungebetenes Päckchen zu retournieren. Abends war ich mit Herrn Kaltmamsell zu einem schon lang vereinbarten fränkischen Essen eingeladen, bis dahin las ich Internet und Zeitung – im Wohnzimmer, weil für ein Zeitunglesen auf dem Balkon zu starker Wind ging.
U-Bahn nach Fürstenried zur Einladung, Herr Kaltmamsell reiste einzeln an. Ich freute mich sehr über das Wiedersehen mit den Gastgebern und über einen köstlichen Abend mit schönen Gesprächen und spannenden Informationen.
Kulinarische Bekanntschaft mit einem wunderbaren Gin: Shadows Franconian Dry Gin – kräutrig fruchtig. Machte sich mit Tonic Water und Mini-Orangen vom eigenen Blumentopf ausgezeichnet.
Zum Einstieg ein kaltes Gurkensüppchen mit Walnuss-Karottenbrot, sehr super. Und auch der Wein des Abends war ein Knaller:

Zotz Grauburgunder Alte Reben aus dem Markgräferland – und aus der Magnumflasche.
Center Piece des Abendessens: Schäuferla aus familiärem Direktimport.


Tja, und wieder wurde ich aufs neue verdorben für alle Schäuferla – ich habe nirgends besseres bekommen.
Nachtisch Träubleskuchen – und eine weitere Entdeckung im Glas: Rucolino amaro aus Ischia, ein herrlich frischer Kräuterlikör auf Rucola-Basis.

Beseelte U-Bahnfahrt nach Hause zusammen mit den anderen beiden Gästen, was für ein schöner Abend. Im Bett noch knapp vor eins, beschienen vom nicht mehr vollen Mond.
§
Srebrenica hat mir damals den Pazifismus ausgetrieben.
Vor 30 Jahren kam es zu dem Massaker von Srebrenica, der Jahrestag wird in meinen Medien viel erzählt, kommentiert, analysiert. Es passierte zu einer Zeit, als ich bereits regelmäßig die Titelseite der Süddeutschen ungelesen umblätterte, weil mich das Entsetzen über den Bosienkrieg überforderte: Das war nicht irgendwo, sondern gleich ums Eck – wo ich erst kurz zuvor mit Freundinnen Urlaub gemacht hatte, von wo ich Leute kannte (die man bis dahin noch als “Jugos” zusammenfasste), und beim Stichwort Sarajewo dachte ich bis dahin zuerst an den bescheuerten gleichnamigen Ruf zu den Olympischen Winterspielen 1984.
Jetzt verfolgte ich Schritt für Schritt mit, wie sich diese Grausamkeiten entwickelten, begleitet von der Hilflosigkeit der Blaumhelm-Truppen. Und warf einige meiner Prämissen über den Haufen: Für mich wurde klar, dass es immer unfassbar böse Menschen geben würde, die jeden Versuch einer friedlichen Lösung und von Kompromissen lediglich als auszunutzende Schwäche auffassen würden. Vor ihnen mussten potenzielle Opfer geschützt werden, mit vereinten Kräften – und das ging, sah ich jetzt, nur mit brachialer Gewalt. Aus meinem vorherigen Credo “Gewalt erzeugt nur wieder Gewalt” wurde “Manchmal kann nur Gewalt Gewalt beenden”. Auf Gräueltaten wie das Massaker von Srebrenica musste man sich vorbereiten, um sie zu verhindern, und zwar mit Waffen und Soldat*innen.
Das veränderte meine Haltung zu Militär grundsätzlich, ich begann mich dafür immer differenzierter zu interessieren, statt es als grundsätzlich falsch abzulehnen und angewidert die Augen vor Details zu verschließen. 
die Kaltmamsell