Journal Montag, 25. September 2023 – Zwischen den Oktoberfestfluchten

Dienstag, 26. September 2023 um 7:43

Recht gute Nacht. Ich stand früh mit Herrn Kaltmamsell auf, um uns vor seinem Abschied in die Arbeit Milchkaffee zu machen. Draußen wurde es hell zu einem wolkenlos sonnigen Tag.

Ich machte mich früh fertig zum Aufbruch, weil der Putzmann sich für früher als sonst am Montag angekündigt hatte – die Kunden, bei denen er am Montag vor uns putzt, fliehen das Oktoberfest gesamt. Er kam dann allerdings noch früher als erwartet, ich hatte Gelegenheit zu einem Plausch, verließ das Haus kurz nach neun.

Mein Ziel war das Dantebad, ich nahm die U-Bahn. Unterwegs rief mich jemand auf dem Handy an, ich ging ganz erwachsen und normal ran: Der Wahlvorsteher des Wahllokals, in dem ich bei der Landtagswahl am 8. Oktober helfen werde, meldete sich zur Absprache. Ich verließ die U-Bahn am nächsten Halt, um halbwegs in Ruhe telefonieren zu können. Als ich auflegte (sagt man das noch? oder was stattdessen?), wandte sich eine Frau an mich, die mich das ganze Telefonat über angeschaut hatte: Sie bat um Hilfe, denn sie hatte ihre Tasche auf einer Bank in diesem U-Bahnhof vergessen, war nach einer Station Fahrt mit der U-Bahn umgekehrt – doch da war diese Tasche mit Handy, Geldbeutel, Wohnungsschlüssel schon weg.

Ich rief für sie beim Fundbüro der Münchner Verkehrgesellschaft an, und als ich endlich aus der Warteschlange durchkam, konnte man ihr nur raten, sich bei der Polizei zu melden und den Verlust anzugeben: Dieses Fundbüro ist nur zuständig für Gegenstände, die in den Fahrzeugen selbst gefunden werden. Also und wegen weiterer Details, die mir die Taschenverliererin berichtete, recherchierte ich und beschrieb der Frau den Weg zur nächsten Polizeistation, schickte sie mit vielen Mitgefühlsbekundungen in die entsprechende Richtung (nur ein Halt weit mit der U-Bahn).

Welche Aufregung, und auf der weiteren Fahrt haderte ich dann mit dem schlechten Gewissen, ob ich die Frau nicht hätte begleiten sollen – sie war ziemlich durch den Wind und sprach nicht gut Deutsch. (Doch die Polizeistation war leicht zu finden, und ich konnte doch wirklich nichts weiter beisteuern?)

Bis ich im (winterbetrieblich sehr warmen) Wasser des Dantebads war, hatte ich den Vorfall genug verdrängt, um mich zu beruhigen. Es wurde ein herrlicher Schwumm meiner gewohnten 3.000 Meter auf mal kaum, mal wenig besetzer Bahn in durchgehendem Sonnenschein. Als ich das Bad verließ, war es noch nicht mal zwölf.

Seit vielen Jahren fahren ich mit der Tram (derzeit Linie 16) und meist zum Isarlauf an einem kleinen Frauenbekleidungsladen in der Thierschstraße vorbei, Nähe Isartor, und fast jedes Mal denke ich beim Blick auf die Schaufensterauslage: “Das sind aber schöne Sachen!” Nachdem ich gestern so früh mit meinem Sportprogramm durch war, dass Frühstücksappetit noch weit entfernt lag, fuhr ich endlich mal hin.

Ich sichtete das gesamte Sortiment, ließ mich zu einem Rock und einem Kleid beraten, die mir besonders gefielen, probierte – und verließ den Laden mit drei besonders erfreulichen neuen Stücken für Herbst und Winter. (Ich setze darauf, dass mit öffentlichen Geldern finanzierte Büros heuer besser geheizt werden dürfen als im Frier-Winter 2022/2023 und meine Bürokleidung nicht wieder in erster Linie wärmen muss.)

Durch herrliche und mittlerweile auch wärmende Sonne spazierte ich zum Viktualienmarkt, kaufte unterwegs Frühstückssemmeln – und erlebte den bislang rätselhaftesten Einsatz künstlichen Raumdufts: In einer Bäckerei. Beim Betreten roch es nicht nach Brot und Gebäck, sondern durchdringend nach Zimmerparfum.

Auf dem Viktualienmarkt ließ ich mir seit vielen Jahren zum ersten Mal wieder frisch gemachten Saft einschenken. Ich hatte an meinen Liebling Karotte-Apfel-Rote Bete gedacht, doch beim Anstehen fiel mein Blick auf diesen Krug.

Spinat-Avocado-Gurke-Limette-Orange. Abgefahren, das probierte ich. (Hmja, schmeckte eigentlich nur nach Limette und Orange.)

Frühstück daheim kurz nach zwei mit Semmeln.

Verbummelter Nachmittag mit Lesen (Zeitung, Internet, Roman) auf dem Balkon und dem Sofa, einer Runde Yoga-Gymnastik.

Auch wenn aus dem Ernteanteil noch Zucchini übrig waren, konnte ich Herrn Kaltmamsell zu Auswärtsessen überreden: Wir gingen ums Eck zu Servus Habibi und aßen Mezze kalt und warm.

Daheim noch Schokolade zum Nachtisch.

Für die fünf Tage Berlinurlaub galt es Kleidungsentscheidungen zu treffen (Wetter, Ausgehen, Familienfeier – evtl. kalte Wohnung!) – hach, wie herrlich einfach war da das Packen fürs Wandern.

die Kaltmamsell

Journal Sonntag, 24. September 2023 – Zurück in München, Sigrid Nunez, A Feather on the Breath of God

Montag, 25. September 2023 um 7:40

Eher gute Nacht, diesmal hatte ich vor dem Lichtaus (nach Anti-Brumm-Einsprühen) nach der Quelle des Mosquito-Summens gesucht und mindestens eine erschlagen. Nur einmal von einem weiteren Summen direkt an meinem Ohr wach geworden.

Gepackt hatte ich schon am Abend davor, jetzt brachte ich die Ferienwohnung auf Ankunftszustand zurück, hinterließ im Küchenschrank Salz, Zucker, Roibuschtee.

Als ich in der Morgensonne vor die Tür trat, war es noch sehr frisch, ich genoss die strahlenden zehn Minuten Weg zum Bahnhof.

Abschied vom Wanderurlaub.

Die Zugfahrt (Umsteigen nur in Hof) verlief komplett reibungslos, ab Regensburg stiegen wie erwartet junge Bayern-Cosplayer*innen mit Bierflaschen in der Hand zu. Wir erreichten München pünktlich kurz vor halb zwei. Am Bahnhof besorgte ich Frühstück.

Herzen und Küssen des vermissten Herrn Kaltmamsell, Kofferauspacken, Wäschewaschen. Um halb drei gab es Frühstück.

Butterbreze, die Oktoberfest-Version. Zu meiner Überraschung passte sogar noch eine Zwetschgennudel dahinter, die Herr Kaltmamsell von einem Besuch bei seinen Eltern mitgebracht hatte.

Ruhiger Nachmittag mit Räumen und Lektüre. Unter anderem las ich meine Oktoberfestflucht vor fünf Jahren nach, beginnend mit der Anreise in den Westerwald. Bei einigen Posts erinnerte ich mich deutlich daran, was ich alles nicht geschrieben hatte – vor allem Menschliches, weil das zwar echt gute Geschichten waren, die Beteiligten aber erkennbar.

Heikles Thema Ferienwohnungbewertungen: Ich versuche ja für andere Interessenten hilfreiche Informationen einzubauen, ohne negativ zu klingen (gelernt beim Schreiben von Arbeitszeugnissen). Zum Beispiel 2022 über das Frieren in der Wohnung in San Sebastián: “Vermieterin stellte reichlich Decken für niedrige Temperaturen zur Verfügung” (Fingerzeig: die Heizung ließ sich nicht anschalten). Und jetzt über die Wanderwohnung: “Alle Räume der Wohnung supersauber bis in den letzten Winkel und mit Raumdüften versehen”. Ich hoffe, so nachfolgenden Mieter*innen die Möglichkeit zu geben, um Entfernung der Düfte zu bitten.

Abends eine Einheit Yoga-Gymnastik, sehr ruhig.

Herr Kaltmamsell sorgte für Abendessen: Gegrillte Maiskolben – hatten wir schon ewig nicht mehr gehabt. Und ein Stück Entrecôte. Ich mixte davor als Aperitif Negroni spagliato, aber mit mehr Prosecco – schmeckte mir besser.

Zum Essen machte ich einen spanischen Wein aus Navarra auf, Domaine Lupier, El Terroir 2017 – der schlecht geworden sein musste. Was auch immer damit passiert war (ich zog einen einwandfreien Naturkorken): Er schmeckte durchdringend nach Plastik, konnte man nicht wirklich trinken.

Nachtisch gab es auch: Herr Kaltmamsell hatte ein vor Monaten eingefrorenes Pastinaken-Püree in einen Parsnip Pie verwandelt.

Serviert mit Clotted Cream und Golden Sirup, schmeckte sehr nach Pastinake.

§

Sigrid Nunez, A Feather on the Breath of God behauptet nicht mal, “a novel” zu sein, ein Roman. Wieder eine autobiografische Geschichte, aber erzählt auf literarisch sehr hohem Niveau und mit einer ganz besonderen Stimme, zudem einer besonders präsenten Erzählstimme. Das brachte mich auf neue Gedanken über autofiktionales Erzählen: Es heißt ja, dass gute Geschichten nur denen passieren, die sie erzählen können; das bedeutet aber auch zu erkennen, was überhaupt eine gute Geschichte ist. Und wenn jemand Autorin ist, Schreiberin, Erzählerin – sieht sie es natürlich, wenn ihre eigene Biografie oder ihr eigener familiärer Hintergrund eine gute Geschichte ist. Wie im Fall eines Vaters mit chinesisch-panamaischen Wurzeln, als Kind mit der chinesischen Familienseite in die Vereinigten Staaten eingewandert, der als GI und Teil der Besatzungsmacht in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg an eine deutsche Frau geriet, mit ihr Kinder hatte und sie mit in die Vereinigten Staaten nahm.

Nunez erzählt diese Geschichte ihrer Familie in vier inhaltlich miteinander verwobenen Kapiteln, die jeweils als eigene Geschichten tragen; die ersten beiden, “Chang” über ihren Vater (der nie richtig Englisch lernte, mit zwei Jobs nie zu Hause war, dessen Hintergrund sie erst nach seinem frühen Tod erfragte), “Christa” über ihre Mutter (die sich sehr über ihr Deutschtum definierte, kreuzunglücklich in den USA und in ihrer Ehe war), erschienen zunächst auch als eigenständige Werke. Das dritte Kapitel “A Feather on the Breath of God” dreht sich dann um die Kindheit der Erzählerin, darin im Mittelpunkt ihre Zeit mit Ballettleidenschaft. Im vierten Kapitel “Immigrant Love” beschreibt Nunez ihr Verhältnis zu Männern am Beispiel der Affäre mit einem ihrer erwachsenen Englischschüler, einem verheirateten Russen, sehr weit weg von ihren sonstigen Lebensumständen.

Meine Ausgabe beginnt mit einer “Introduction” von Susan Choi, die ich wohlweislich erst nach der restlichen Lektüre las – eine gute Idee, denn sie ist auch erst danach sinnvoll. Choi schreibt unter anderem über ihr Leseerlebnis und wie wichtig es für sie war, jemanden mit ähnlicher Herkunft literarisch zu erleben.

Womit ich mich wiederum indentifizierte, war die Freiheit des Nirgends-dazugehören-müssens, die aus der Erzählstimme spricht: Eine vielfältig bunte Herkunft, in Nunez’ Fall beim Vater sogar ein wenig unklar, bietet die Möglichkeit, alle Community-Angebote abzulehnen. Während sonst das Gefühl, nirgends richtig dazuzugehören, fast immer als Schmerz, Mangel, Sehnsucht beschrieben wird, kenne ich es seit meiner Kindheit als etwas Positives, als Erleichterung – die ich hier bei Nunez zum ersten Mal auch literarisch reflektiert lese.

die Kaltmamsell

Journal Samstag, 23. September 2023 – Oktoberfestflucht mit Jungbrunnen-Weg und Folgen unterlaufener Urlaubsgegenden

Sonntag, 24. September 2023 um 7:18

Gestern musste ich mich mehrfach daran erinnern, dass Samstag war – diesen Grad der Verurlaubung hatte ich seit vielen Jahren nicht mehr erreicht, ich weiß IMMER, welcher Wochentag ist.

Nacht wieder mit Mosquito-Unruhe, obwohl ich mich diesmal bereits vor dem Zu-Bett-Gehen flächendeckend mit Anti Brumm eingesprüht hatte. Und gestochen hat mich mindestens ein Vieh auch!

Ab sechs Angst und Sorgen (all die Details, die ich noch für den Berlin-Aufenthalt regeln musste!) (in Wirklichkeit genau ein Kontakt zur Ferienwohnungs-Vermieterin), ich stand lieber auf.

Für den Tag war trockenes Wetter angekündigt, allerdings ein paar Grad niedrigere Temperatur (einstellig) als in der mittelfristigen Vorhersage. Ich zog lieber zwei Shirts unter meine Wanderjacke, startete kurz vor zehn eine wieder längere Tour, nämlich den Jungbrunnen-Weg.

Er führte vor allem baumlose Höhen entlang, was immer wieder weite Ausblicke ermöglichte, allerings pfiff mir dabei auch ein unangenehm schneidender Wind um die Ohren. Die Wege waren schön und abwechslungsreich, ich kam durch Ortschaften mit samstäglicher Umtriebigkeit, wurde herzlich gegrüßt.

Überraschung: Schon zu meiner ersten geplanten Pause um zwölf hatte ich derart Hunger, dass ich mein erstes Pumpernickelbrot mit Frischkäse aß – gestern hatte ich zum Glück zwei dabei. Mein Körper spielte hervorragend mit, nicht mal der Nagel des linken kleinen Zehs, der am Vorabend vor Schmerzen getobt hatte (Ursache rätselhaft, in den Wanderschuhen hat er doch sogar besonders viel Platz), muckte auf.

Nach Pausen musste ich mich jeweils durch eine Weile zackiges Marschieren aufwärmen, erst gegen Ende des Wegs hatte die Sonne wirkliche Wärmkraft. Wirkung des kalten Winds: Zurück in der Wohnung glühte mein Gesicht noch Stunden nach. Na gut, ein bisschen bin ich bereit für Herbst.
(AUF DEM FELD
DIE KÜRBEN)

Viele Greifvögel gestern am Himmel, ich sah immer wieder Falken, einmal sogar drei gleichzeitig. Und ein paar Krähen auf einem kahlen Baum gegen den Himmel als Scherenschnitte – so gehört sich das. Außerdem wie schon in den Tagen davor: Schmetterlinge, ganz viele! (Vielleicht sogar ein Trauermantel.)

Aufbruch im Düsteren, Blick zurück auf Bad Steben.

Doch die ersten blauen Flecken zwischen den Wolken zeigten sich bald.

Auch gestern viel toter Wald. Wir können halt Romantik.

Im Hintergrund vor den Windrädern ein dominanter Solarpark.

Auf der Frankenwarte war ich ebenfalls schon vor vier Jahren gewesen.

Ich passierte aber auch lebendigen Fichtenwald.

Auf diesem Bankerl über Bobengrün (wenn die Grüns auch noch mit dir verwandt sind, Sabine, solltest du unbedingt mal vorbeischaun) machte ich um halb drei richtig Brotzeit mit Apfel und Pumpernickel. Auch hier schnitt der Wind unangenehm, ich zog zum Schutz die Kapuze hoch.

Brotzeitblick.

Auch gestern: SO VIELE ÄPFEL!

Herrlich federndes Moos unter den Stiefeln. Nach 21 Kilometern in gut sechs Stunden mit zwei Pausen war ich zurück in der Ferienwohnung – und kam zum ersten Mal nicht ins Kalte: Die Heizung hatte ich nur auf niedrigster Stufe angelassen, möglicherweise wärmten die umliegenden, ebenfalls geheizten Wohnungen? Diesmal hätte ich eine weitere Stunde Wandern gut geschafft – war dennoch froh ums Hinsetzen und Schuhe-Ausziehen.

Zum Abendessen brauchte ich Reste auf. Und lernte unter anderem, dass in Rührei mit Käse gar nicht beliebig viel Käse passt. Schwedenspeise freestyle erledigte restliche Milch, Joghurt, Frischkäse – na gut, Puddingpulver musste ich extra kaufen, irgendwas ist ja immer.

Abendunterhaltung: Sigrid Nunez, A Feather on the Breath of God ausgelesen (wunderbar geschrieben und etwas ganz Besonderes, dass ich unwillig über schon wieder unerwartet Autofiktion statt wirklich Erfundenes war, ist nun wirklich kein fachlicher Kritikpunkt), eine weitere Folge This is going to hurt (and hurt it did – ich identifiziere mich ungenehm mit Adams autodestruktivem Beziehungsverhalten). Im Bett begann ich neue Lektüre: Für Patrick deWitt, The Librarianist hatte ich mich in der Stadtbibliothek auf die Warteliste eingetragen, jetzt stand es zur Verfügung. Und jetzt aber wirklich völlig Ausgedachtes.

Fazit von vier Tagen Wandern um Bad Steben: Das hier ist eine wirklich schöne Gegend und für Wanderfreudige großartig. Auch am gestrigen Samstag (Wochenende!) begegnete ich keinen anderen Wandersleuten – wenn ich mal die kleine und die große Gruppe ganz am Anfang ausnehme, die aber andere Routen liefen. Das ist ein deutlicher Gegensatz zu den Wandergegenden südlich von München oder zum Bayerischen Wald, in denen ich zudem ständige Radler*innen ausweichen muss. Große Empfehlung für Menschen, die von überlaufenen Wandergebieten genervt sind. Zumal der gute Bahn-Anschluss weitere verlockende Gegenden in der Nähe auch ohne Autofahrten erschließt.

Allerdings haben diese Ruhe und dieses Für-sich-sein einen Preis (wie ich ihn auch vor fünf Jahren auf dem herrlich einsamen und wunderschönen Westerwaldsteig zahlte): Abwesenheit von Gastronomie, vor allem unterwegs. Am Wochenende mag man noch Glück haben, dass Gaststätten in durchwanderten Orten geöffnet sind, wenn überhaupt vorhanden. Doch an Werktagen keine Chance: Ausflugslokale lohnen sich halt erst ab einem gewissen Grad der Überlaufenheit. Wenn man in einem Kurort wie Bad Steben unterkommt, ist zumindest abends für anständiges Essen gesorgt, kulinarische Offenbarungen (oder auch nur saisonale, lokale Zutaten) sollte man aber nicht erwarten.

die Kaltmamsell

Journal Freitag, 22. September 2023 – Oktoberfestflucht mit Bergknappenweg und Nachdenken über Frisurzwänge nach Altersgruppen

Samstag, 23. September 2023 um 8:00

Etwas zerstückelte Nacht, weil mich immer wieder Stechmücken-Surren wach hielt: Das Vieh / die Viecher ließen sich auch nicht durch nachträgliche Ganzkörper-Besprühung mit Anti-Brumm fernhalten. (So bekam ich auch nächtliches Regentröpfeln mit.) Doch ich bin ja im Urlaub, nach Aufwachen um sechs schlief ich nochmal anderthalb Stunden tief.

Ich hatte endlich ein Normalnull an Wohnungsgeruch hergestellt: Als ich aus dem Flur ins Wohnzimmer kam, roch ich lediglich meinen Morgenkaffee – ahhhh!

Für diesen als kühl und regnerisch angekündigten Tag hatte ich die kürzeste der vier recherchierten Touren geplant, den Bergknappen-Weg. Ich ließ mir Zeit mit dem Fertigmachen, turnte eine Runde Yoga-Gymnastik (Vorwärmen des Wohnzimmers mit Heizlüfter ermöglichte mir das sogar ohne Socken und Sweatshirt).

In voller Wandermontour ging ich auch erstmal auf einen Cappuccino; von meinem Aufenthalt vor vier Jahren erinnerte ich mich, dass der in der örtlichen Eisdiele gut gewesen war.

Eine kurze Wanderung war genau das Richtige für gestern, ich spürte die lange Strecke vom Vortag. Anfangs wurde ich ein wenig angetröpfelt, dagegen klappte ich die Kapuze über den Kopf. Richtig vergnügt machte mich, dass es auf halber Strecke kurz so richtig regnete: Ich war gerade im Wander-Flow und freute mich, dass meine Superduper-Wanderjacke die Tropfen so zuverlässig von mir abhielt, dass mir der Regen überhaupt nichts ausmachte.

Wieder hatte ich die gesamte Wanderung über die Wege für mich, begegnete nur um (Hundegassi) und in Siedlungen anderen Menschen.

Düsterer Himmel.

Thierbach mit der derzeit dominierenden Straßenlaternen-Deko.

Übrigens sehen die Apfelbäume hier wirklich ganz anders aus als bei uns in Oberbayern, sie sind voll der herrlichsten Früchte – hier vor der Thierbacher Mühle.

Über Naila. Wäre Donnerstag der Schlechtwettertag gewesen, hätte ich den Wochenmarkt in Naila mitgenommen: Das Städtchen ist größer und hat deutlich mehr Leben und Infrastruktur als Bad Steben. Inklusive einem Freibad, in dessen 50-Meter-Becken ich vor vier Jahren zweimal ausgiebig schwamm.

Der Bergknappen-Weg führte einmal quer durch Naila. Erstmal natürlich durch das neueste Einfamilienhaus-Gebiet, jedes Haus versehen mit einem weiteren halb so großen Haus – für die Autos.

Mein Blick blieb am Friedhof an einem Denkmal hängen.

“Den Opfern der Kriege”. Wie nah das durch den russischen Überfall auf die Ukraine wieder ist. Auch weil ich morgens diesen Theaterbericht von @Herzbruch gelesen hatte, der mich mitnahm: “CN-Krieg”. (Kurze Erinnerung, dass ich diese Nähe nur durch die geografische Nähe fühle, weltweit waren diese Kriege nie weg.)

Jetzt war es kurz nach eins, die Straßen und Bushaltestellen Nailas voller Schüler*innen. Und wieder fiel mir etwas an der aktuellen, aber schon seit Jahren bestehenden Mode auf. Es wird ja regelmäßig behauptet, das Styling von älteren und alten Frauen sei besonderen gesellschaftlichen Zwängen unterworfen.1 Zum Beispiel würden an alten Frauen lange Haare als unangemessen angesehen. (Wann ist eigentlich der Oma-Dutt aus den Stereotypen verschwunden?) Meine Beobachtungen, unter anderem dieses Jahr in Brighton hingegen ergeben: Es sind junge Mädchen und Frauen, die einem viel größeren Druck ausgesetzt sind, nämlich ihr Haar unbedingt lang zu tragen. Seit vielen Jahren sehe ich einen erheblich höheren Variantenreichtum in der Haartracht junger Burschen und Männer: Die tragen ihr Haar mal lang, mal kurz, mal halblang, mal teilrasiert, mal lustig ins Gesicht frisiert. Mädchen und junge Frauen hingegen: Langes Haar, stufenlos lang, egal welches Haar, und fast immer in der Mitte gescheitelt. Die seltenen Abweichungen, zum Beispiel auf Schulfotos, die Herr Kaltmamsell heimbringt, fallen extrem auf.

Regen im Froschgrüner Park von Naila.

Solche Räuberhöhlen-Unterführungen liebe ich.

Kurz vor zwei, der Regen hatte aufgehört, machte ich im Selbitz-Tal auf dieser Bank Brotzeit: Apfel, Pumpernickel mit Frischkäse, der Keks, der mit dem Cappuccino serviert worden war. Untermalt vom geliebten Rauschen der Silberpappeln am Bach.

Hinter Marxgrün bei der Modelsmühle mehr prächtig tragende Apfelbäume.

In Hölle folgte ich der Empfehlung des Wanderführers, einen Abstecher zum Mineralbrunnen der Höllenquelle zu machen.

Ich kostete auch brav: Yep, schmeckte genau so greislich metallisch, wie ich auch das Heilwasser in Bad Steben in Erinnerung hatte.

Der letzte Abschnitt folgte der Alten Bad Stebener Straße, die für den Autoverkehr gesperrt wurde.

Der lag auf der Straße, echt ehrlich! Und schmeckte so sensationell, dass ich umkehrte und versuchte, den Baum durch Astschütteln dazu zu bringen, weitere von sich zu werfen – vergebens.

Nach 16 Kilometern in gut vier Stunden war ich zurück am Startpunkt, das reichte aber auch für gestern. Kurzer Einkauf im Edeka.

Zurück in der Ferienwohnung stellte ich fest, dass die Heizung in Betrieb genommen worden war, hurra.

Als Abendessen gab’s Linsen (aus der Dose) mit angebratenem Knoblauch und mitgebratener roter Paprika. Schmeckte leider bei Weitem nicht so gut wie die kalte Version (ich hatte mir bei dieser Kälte was Warmes gewünscht). Wie gut, dass ich im Supermarkt heimische Elisenlebkuchen gekauft hatte, mit den haselnussigen aß ich mich satt.

Abendunterhaltung Lesen, Sigrid Nunez, A Feather on the Breath of God fast fertig.

§

Never gets old: Die Aufregung, wenn ich herausfinde, dass eines meiner Internet-Idole weiß, dass es mich gibt.

§

Wie ein Tierfilmer einen rennenden Hamster filmt, und das Ergebnis in Zeitlupe. Doch, das wollen Sie sehen.

  1. Manchmal halte ich es für möglich, dass ich persönlich so furchterregend wirke, dass sich niemand mir gegenüber blöde Bemerkungen zu Alkoholfreiheit/Kinderlosigkeit/Altern-ohne-Würde erlaubt. Oder ich gehe einfach wenig genug unter Leute? []
die Kaltmamsell

Journal Donnerstag, 21. September 2023 – Oktoberfestflucht mit den fränkischen Attraktionen Humboldtweg und Schäufele

Freitag, 22. September 2023 um 8:55

Lang geschlafen, auch ohne Ohrstöpsel und obwohl nachts erst Sirenen heulten, außerdem das Regionalbähnla in jeder Kurve mit Pfiff vor sich warnte.

Kunstduftquellen in der Ferienwohnung so weit wie möglich reduziert. Und so dachte ich: Wenn ich jetzt noch die Badtür konsequent schließe und so oft wie möglich Fenster öffne, könnte es allmählich einfach sauber riechen und nicht mehr wie eine Drogerieabteilung.

Die Vermieterin, die gleich nebenan wohnt, brachte einen Heizlüfter vorbei, weil doch am Freitag das Wetter kalt werden soll – und scheuchte mich mit ihrem Klingeln gerade vom Duschen abgetrocknet in die nächstbeste Kleidung zum Türöffnen. Ich hoffe, die Heizkraft macht das wett.

Ich kam ein wenig später los zu meiner Wanderung, weil Kleidungsverunsicherung. Erst war ich in kurzen Ärmeln startklar, doch in der Wohnung fror ich damit so, dass ich dann doch in meine Jacke schlüpfte. Gleich vor der Haustür lag die Außentemperatur aber deutlich über Wohnungskälte, durchaus T-Shirt-geeignet, also zog ich die Jacke wieder aus und verstaute sie im Rucksack.

Für gestern, den Tag mit dem schönsten Wetter, hatte ich als Wanderung die längste meiner Oktoberfestflucht ausgesucht: den Humboldtweg. Wieder war der GPS-Track besonders hilfreich, zumal ich allen Empfehlungen für Extra-Abstecher folgte. Einmal verlief ich mich trotzdem, weil ich eine Wegmarkierung falsch interpretiert hatte. Ein Routine-Check zehn Minuten nach der Abzweigung erwies meinen Irrtum, ich kehrte um.

Das Wetter superherrlich, die Strecke abwechslungsreich (wenn auch für meinen Geschmack zu viele Straßenabschnitte drin waren). Eine erste Pause machte ich recht früh, da meine Wanderschuhe reichlich Pflanzenfragmente eingesammelt hatten und ich eine Bank für Schuhe-Ausleeren und ein wenig Ausruhen nutzte.

Gestern hatte ich sogar Gesellschaft und begegnete einer anderen Wanderin, außerdem ein paar Radler*innen (einem ausgerechnet beim ein Mal Pinkeln – nicht weit ab vom Weg, weil ich davor anderthalb Stunden lang überhaupt niemanden gesehen hatte).

Ich fühlte mich munter und fit, genoss die Bewegung und die Ausblicke sehr, kam bei Steigungen ins Schwitzen und freute mich über meine Körpertüchtigkeit, die sie mir ermöglichte, sah interessante Gesteine (u.a. Diabas – Geolog*innen haben einfach die besten Wörter), außerdem wieder viele Eichelhäher, aber auch Bussarde, Falken, einen Rotmilan, ein Eichhörnchen mitten im Wald. Und einmal erschreckte ich ein Reheinen Hirschen – und dieser mich, als gefühlt nur einen Meter links von mir im Unterholz ein sehr großes Tier Fluchtgeräusche machte.

Vom Bad Stebener Bahnhof aus Richtung Hölle – ich bin mir sicher, dass jeder, wirklich jeder Witz mit diesem Ortsnamen bereits gemacht ist.

Wetterchen!

Ich verlottere im Alleinurlaub völlig und schminke mich nicht mal.

Abstecher 1: Rundweg zur Schutzhütte Wolfsbauer.

Oben Aussicht.

Unten Hölle. Dann ging’s fast eine Dreiviertel-Stunde auf einem Rad- und Fußweg eine Laster-befahrene Straße entlang.

Und zwar nach Issigau, berühmt für den Typografie-Unfall am Ortseingang (vielleicht) und eine ganz besondere Dorfkirche (sicher).

Abstecher 2: Die Kassettendecke von St. Simon und Judas aus dem 17. Jahrhundert zeigt 66 Bibelszenen.

Blick über Kemlas hinweg wieder auf viel toten Wald.

Abstecher 3: Wiedeturm, leider wegen Vandalismus geschlossen.

Hier machte ich um halb zwei Brotzeit: Ein Apfel, eine Nektarine, wenig Pumpernickel mit Frischkäse – das war gerade recht.

Manche toten Fichten können nicht ganz gefällt werden, weil sie eine Zusatzfunktion als Halterung für Wegmarkierung erfüllen.

Blankenstein, ich befand mich in einer historischen Bergbaugegend.

Den Lohbach entlang nach Lichtenberg hinauf.

Bitteschön: Diabas (es stand ein Schild davor). Ich schmeiß mich immer weg bei den Geologie-Erklärungen auf Wikipedia, die aus lauter Begriffen bestehen, die ich auch erstmal erklärt bräuchte.

Oben: Lichtenberg.

Mit Aussicht.

Der Ort Lichtenberg selbst ist auch sehr schmuck.

Die letzte Stunde der Wanderung ging ich direkt gegen die herbstlich tiefe Sonne und guckte eher auf den Meter Boden vor mir.

Nach Bad Steben kam ich aus einem ungewohnten Winkel zurück.

Wenn schon, denn schon: Abschließender Abstecher zum Humboldthaus.

Das waren dann 25 Kilometer in sechseinhalb Stunden mit einer kleinen und einer großen Pause. Dann doch anstrengend, zumal die Strecke einige knackige Auf- und Abstiege verlangt hatte. Wenn man am Ende einer Wanderung aus Sicherheitsgründen noch fit genug für eine weitere Stunde sein soll – hätte ich das gestern nur mit ordentlichem Zusammennehmen hinbekommen.

Die Haustür öffnete ich wieder in einen Kühlschrank, schlüpfte umgehend in mein Sweatshirt. Und jetzt entfernte ich auch die Duftbombe aus der Kloschüssel, die mittlerweile den Gesamtgeruch dominierte, und sicherte sie in einer Tüte auf der Terrasse (muss ich ja vor Auszug alles re-installieren). Ich kalkuliere durchaus die Möglichkeit ein, dass ich mich lediglich anstelle und eine Prinzessin-auf-der-Erbse-Nase habe, denn schließlich sehe ich doch an der Fernsehwerbung, dass künstliche Wohnungsbeduftung Mainstream ist.

Als Abendessen wünschte ich mir Schäufele, wenn schon Franken (auch wenn ich weiterhin verdorben bin durch das selbst gemachte Schäufele aus fränkischer Freundeshand). Was sich bei der Recherche als gar nicht so einfach herausstellte, das Lokal sollte ja fußläufig sein: Die seriöse Gastronomie hier ist vor allem italienisch, das Wirtshaus, in dem ich vor vier Jahren Schäufele gegessen hatte (so lala), gibt es nicht mehr, viele Gasthäuser öffnen unter Woche nicht. Laut deren Website servierte aber das Restaurant des Hotels Panorama das Gericht, nach einer Stunde Ausruhen spazierte ich dort hin.

Das Schäufele war sogar besonders gut: Zartes, saftiges Fleisch, resch-leichte Kruste (über Beilagen und Sauce reden wir einfach nicht). Dazu gab es ein besonders gutes alkoholfreies Weißbier. Um mich herum wenig Gäste, fast durchwegs Halbpension des Hotels.

Zurück in der Ferienwohnung passte nur noch wenig Schokolade zum Nachtisch rein.

Respekt: Der Heizlüfter tat seinen Job wirklich gut, ich schaltete ihn nur zweimal für wenige Minuten an, das reichte und ich brauchte keine Flauschdecke um die Schultern.

§

Auf instagram gesehen, dass es Rachel Roddys A to Z of Pasta jetzt auch auf Deutsch gibt:
Pasta von Alfabeto bis Ziti.
(Wenn Ulrike Becker die Übersetzung nicht verkackt hat: Empfehlung.)

die Kaltmamsell

Journal Mittwoch, 20. September 2023 – Oktoberfestflucht: Frankenwald-Steigla Grenzer-Weg mit verschwindendem Frankenwald

Donnerstag, 21. September 2023 um 8:37

Nachtschlaf ganz ok, ich verstopfte irgendwann dann doch meine Ohren, weil mich bei aller Draußen-Ruhe die Hausgeräusche nervten und sich in meine Träume schlichen (vermutlich müsste ich mir Schlaf ohne Ohropax erst wieder mühsam antrainieren). Irritierend beim Einschlafen ein weiterer künstlicher Duft, wahrscheinlich ein weiterer Weichspüler in den Bettüberzügen, ich imaginierte sogar eine Minz-Note.

Nach gemütlichem Morgen mit Bloggen, Milchkaffee, Internetlesen war ich um zehn startklar. Wetter wie angekündigt sonnig und immer wärmer.

Externe Wasserflasche, weil ich diesmal ja allein unterwegs war und niemanden regelmäßig bitten konnte, mir die Flasche in der Seitentasche des Rucksacks zu reichen. Und nicht ständig den Rucksack abnehmen wollte.

Vertrauter Anblick in Bad Steben.

Ich hatte mir für gestern den Frankenwald-Steigla Grenzer-Weg ausgesucht, stellte unterwegs fest, dass ich zumindest Teile davon vor vier Jahren schonmal gegangen sein musste. (Check ergab: Richtig, genau den war ich mit Herrn Kaltmamsell bei seinem Besuch gewandert.) Das Wetter war wundervoll, schon bald legte ich meine Wanderjacke ab und ging in kurzen Ärmeln.

Der Start der Strecke lag im Bad Stebener Ortsteil Carlsgrün, zu dem ich eine halbe Stunde spazierte. Schon jetzt zeigte mir der Ausblick auf die Gegend, in der ich wandern würde, dass auch der Frankenwald heftig unter Borkenkäfer und Trockenheit gelitten hatte – nicht ganz bis zur Mondlandschaft, die ich im Harz gesehen hatte, aber die reinen Nadelwaldabschnitte sahen schlimm aus.

Auf der gesamten Strecke begegnete ich weder Wanders- noch Radelleuten (nur einmal sah ich zwei Wanderer weit hinter mir, doch die folgten wohl einem anderen Weg), die einzigen Menschen waren Waldarbeiter, die tote Bäume fällten, schnitten, stapelten, transportierten – das allerdings an vielen Stellen.

Am Anfang der Route sah ich oft Vögel auffliegen, an deren markanten Farben ich zumindest festmachen konnte, dass ich sie nicht kannte. Später hörte ich ein paar Mal Mäusebussarde und sah sie auch am Himmel kreisen. Viele Eichelhäher waren unterwegs.

Eine Nacht in der Garderobe mit Kunstpfirsich-Beduftung hatten gereicht, um meine Wanderkleidung durchzuriechen: Zwischen dem Geruch des Springkrauts, der Sonne auf dem Weg oder der Rinde frisch gefällter Bäume stieg mir immer wieder eine Pfirsichnote in die Nase. Ich musste dringend alle Kunstduftquellen in der Wohnung wegbringen.

Gerade am Anfang der Strecke war ich dankbar für den GPS-Track, den ich mir aufs Smartphone geladen hatte, denn die Wegmarken der Beschreibung (Sportplatz, Bächlein) hatten nichts mit dem ausgeschilderten Weg zu tun. Außerdem war der Wald oft nicht mehr da, von dem in den Beschreibungen die Rede war. Die Ausschilderung war den größten Teil der Strecke sehr hilfreich, doch eben bei den Zweifelsfällen konnte ich den GPS-Track zu Hilfe nehmen.

Hinunter an die Muschwitz.

Nach zwei Stunden die erste Pause. Ich hatte in meiner Wander-Thermoskanne Milchkaffee dabei – und stellte fest, dass der mich nicht freute.

Im Wald kurz vor Schlegel – mit zeitgenössischem Hinweis.

Der Baum hat das Schild weitergefressen, siehe vor vier Jahren.

Im Ort Schlegel fiel mir diese ChrysanthemenDahlien-Pracht auf. Dahinter saß ein Mann, der meinen Blick auffing und mit dem ich ins Gespräch kam (spätestens an seinem Dialekt wurde mir bewusst, dass ich jetzt in Thüringen war).

Auf den Marienberg.

Blick auf Seibis – und weiteren Ex-Wald.

Zurück entlang der Muschwitz.

Kurz nach zwei machte ich in diesem Häusl an der Krötenmühle Brotzeit: eine Nektarine, Pumpernickel mit Frischkäse. War wohl zu viel, ich fühlte mich überfressen und sehr müde.

Von dort war es aber nicht mal mehr eine Stunde Wanderung. Insgesamt gemessene 19 Kilometer in fünfeinhalb Stunden mit zwei Pausen. Abschließend machte ich einen Abstecher in den Edeka, Roibuschteekauf.

Bei der Rückkehr in die kalte Wohnung gleich mal in dicke Socken und Sweatshirt geschlüpft, um leicht schweißfeucht nicht zu frieren. Doch ich konnte mich sogar noch ein halbes Stündchen auf die kleine Terrasse der Ferienwohnung in die wärmende Sonne setzen. Auf die Terrasse stellte ich auch die Kunstpfirsich-Geruchsbombe aus der Garderobe.

Als die Sonne von der Terrasse verschwand, nutzte ich meine Wander-Thermoskanne für heißen Tee, Wärmen funktionierte damit hervorragend.

Eine Runde Yoga-Gymnastik. Zum Nachtmahl gab’s Tomaten, Gurke, Paprika, Knoblauch mit Joghurt, frisch gekochte Nudeln untergemischt.

Was auf keinen Fall Nudelsalat war, denn Nudelsalat mag ich ja nicht. Nachtisch Schokolade.

Abendunterhaltung waren zwei weitere Folgen This is going to hurt, Freude über das Wiedersehen mit Harriet Walter, die sich mir als Fanny Ferrars Dashwood in der Sense and Sensibility-Verfilmung von 1995 unvergesslich gemacht hatte. Hier spielt sie die Mutter der Hauptfigur.

die Kaltmamsell

Journal Dienstag, 19. September 2023 – Oktoberfestflucht, aber aus Ferienwohnungen nichts gelernt

Mittwoch, 20. September 2023 um 7:43

Früh aufgestanden trotz Urlaub, um Herrn Kaltmamsell vor der Arbeit noch Milchkaffee machen zu können. Mein Schlaf war gegen Ende unruhig gewesen, die Sache mit der Hausarztpraxis belastete mich: Würde sie morgens vor meiner Abreise offen sein? Würde das Krankenkassenkartenlesegerät funktionieren? (Tat es nämlich schon mal bei einem Besuch nicht, ich musste mit meiner Krankenkasse telefonieren und eine Bestätigung meiner Versichertheit faxen – !! – lassen.) Würde man mir das Rezept einfach geben? Würde ich es in der Apotheke gleich einlösen können?

Ja, ja, ja, ja, stellte sich bei meinem Besuch kurz nach acht heraus, man habe zudem meine schriftlichen Anfragen durchaus erhalten und auch beantwortet. Warum diese Antworten nicht in meinem Postfach eingegangen waren, wusste niemand zu erklären.

Die Erleichterung über diesen guten Ausgang führte zu geradezu enthusiastischem Kofferpacken, für einen reinen Wanderurlaub beim vorhergesagten eher milden und eher trockenen Wetter war das übersichtlich wenig.

Problemlose und pünktliche Bahnreise, locker besetzte Wagen (ich ließ meine FFP2-Maske eingesteckt), bequemes Umsteigen, jetzt bin ich halt auch mal von München nach Nürnberg mit einer Ostbayern-Schleife über Landshut und Regensburg gefahren (?). Die fünfeinhalb Stunden Anreise gingen überraschend schnell rum, bislang sieht die Rückreise am Sonntag in einer Stunde weniger und mit einem Umsteigen weniger auch noch verfügbar aus.

Im fränkischen Zielort Bad Steben spazierte ich in nicht mal zehn Minuten zu meiner Ferienwohnung, ein ebenerdiges Appartment in einem recht neuen Mehr-Parteien-Haus am Ortsrand.

Noch beim Ausräumen meines Koffers begann ich zu frieren und bemerkte meinen Denkfehler: Ich hatte bei der Auswahl meiner Kleidung nur die Draußentemperatur beim Wandern einkalkuliert, nicht aber eine ungeheizte, schattig-kalte Ferienwohnung, hatte also nichts aus den unangenehmen Frier-Erfahrungen vor einem Jahr in San Sebastián gelernt.

Nach Lebensmitteleinkäufen im großen Edeka beim Bahnhof, den ich von meiner Reha vor vier Jahren gut kannte (die Küchenschränke der Ferienwohnung enthielten nicht mal Salz oder Zucker), zog ich über mein langärmliges Shirt ein Sweatshirt und wickelte mich in eine zum Glück bereitliegende Decke. WLAN funktionierte, also konnte ich eine Folge Yoga-Gymnastik turnen, machte aber bald eine Pause, um zwischen meine Reise-Yogamatte und den eiskalten Laminatboden das einzige Stück Teppich der Wohnung zu legen.

Fürs Abendessen hatte ich grünen Salat, Tomaten, Gurken, Paprika besorgt, machte dies mit einem daheim zusammengerührten und im Schraubglas mitgebrachten Dressing sowie gekochten Eiern an. Für den Nachtisch hatte ich Schokolade eingekauft. Dass ich keinen Tee besorgt hatte, bereute ich frierend bald (wird nachgeholt).

Neben der Kälte markant an der Ferienwohnung: Künstliche Raumdüfte, so zahlreich (in der Gardeobe z.B. Kunstpfirsich, Erinnerungen an die aromatisierten Tees meiner Jugend) und gut versteckt, dass ich ganz schön lang brauchte, bis ich als Quelle eines besonders aufdringlichen Geruchs die wärmende Decke um meine Schultern identifizierte, wahrscheinlich Weichspüler-penetriert.

Es hat hier einen riesigen Fernsehbildschirm, auf dem ich die Tagesschau guckte, dann wechselte ich aber zu meinem Laptop, denn: Fernsehserien kann ich ja eigentlich nicht, aber Emergency Room hielt ich seinerzeit fast bis zuletzt durch, weil ich Ärzteserien mag. Dachte ich, bis ich herausfand, dass ich nur diese Hardcore-realistische einzige wirklich mochte und mir bei allen anderen viel zu viel Privatleben der Ärzt*innen drin war, das mich nicht interessierte. Doch dann las ich von der britischen Serie This is going to hurt, dass sie auf den Memoiren eines Arztes basiert und das britische NHS erbarmungslos zeigt, las außerdem, dass die Hauptrolle vom großartigen Ben Wishaw gespielt wird. In der ZDF-Mediathek kann man außerdem die Originalversion einstellen. Davon guckte ich die ersten beiden Folgen, war sehr angetan.

Noch was Neues (Urlaub ist ja dazu da, aus dem Alltag und aus Gewohnheiten auszuscheren, was ich beim Alleinreisen am besten kann): Im Bett guckte ich zum ersten Mal im Leben eine ganze Weile Tiktok-Filmchen, inklusive Empfehlungen, und freute mich vor allem an beeindruckenden Tanzeinlagen.

die Kaltmamsell

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