Journal Samstag, 27. Februar 2021 – Sonnendurchflutete leere Räume
Sonntag, 28. Februar 2021 um 8:36Nachts zwar ein paar Mal aufgewacht, aber gleich wieder eingeschlafen.
Meine Schlafzimmer-Stores abgenommen und gewaschen. Katzenwäsche und Umziehen in Sportkleidung. Als der erste Store gewaschen war (wird feucht aufgehängt), nahm ich auch die Vorhangschals im Wohnzimmer ab und zog mit Leiter und Vorhängen in die neue Wohnung. Plan war kurzes Werkeln, dann eine Runde Crosstrainer.
Es zeigte sich: Ich verfüge über keinerlei Umzugsfertigkeiten mehr. So konnte es mich überraschen, dass das Mal-kurz-Aufhängen von ein paar Vorhängen (zweimal Stores im Schlafzimmer, viermal Schals im Wohnzimmer) zwei Stunden verschlang – weil die Schienen dafür so breit waren, dass die Aufhänger („Faltengleiter“) sich verkanteten, und die Maler so brutal drübergepinselt hatten, dass sie sich auch ohne Verkantung nicht bewegten. Ich kam ins Schwitzen. Dass meinem eingeklemmten Nackennerv das Hochschauen gar nicht bekam, verlangsamte die Aktion zusätzlich, weil ich immer wieder die Nackenmuskulatur durch Runterschauen beruhigen musste. Und das mir, die ich zu Studienzeiten im Freundeskreis eine gesuchte, weil ausdauernde Über-Kopf-Renoviererin und -Malerin gewesen war! Aber ich sah erstmals aus den neuen Fenstern ein Eichhörnchen im Park.
Dann brachte ich mit Herrn Kaltmamsell Glühbirnen mit Lüsterklemmen in fünf Räumen der Wohnung an (mein Bruder hatte von meinem Vater eine Box mit Material aller Art mitbebracht, wohlsortierte Dübel, Schrauben, Nägel, Klemmen – und noch so einiges, dessen Funktion ich nicht kenne), putzte und werkelte noch an verschiedenen Stellen – es wurde früher Nachmittag.
Immer wieder brach die Sonne durch den wolkigen Himmel und flutete die Räume. Eine so schöne, große, leere Wohnung! Und dann verschandeln wir sie mit Möbeln.
Zum Beispiel diese minimalistisch-ästhetische Kammer, unser künftiger Fitnessraum.
Jetzt noch mit meditativer Ausstrahlung, bald schon voller Crosstrainer und Schweiß.
(Spass. Es steht noch nicht fest, was wir damit tun. Vielleicht finden wir einen Weg, ihn zu einer begehbaren Garderobe zu machen? Ginge das? Mit zusätzlichem Stauraum für selten genutztes Koch- und Backgerät?)
Ein wenig Kopfzerbrechen bereitet mir das Bad: Außer dem Unterschrank des Waschbeckens gibt es keinerlei Staumöglichkeit (der Platz, den wir im jetzigen Bad für zwei Stehregale haben, ist von einem zusätzlichen Klo belegt). Zwar besitzen wir unterdurchschnittlich viele Körperflegeprodukte, doch für Schminkzeug und Parfüm hätte ich doch gern ein eigenes Regal.
Crosstrainer ließ ich bleiben. Ich duschte mich gleich und holte Semmeln zum Frühstück. Bevor ich es mir damit gemütlich machen konnte, zerbrach ich im Wohnzimmer einen Glasteller in putz-aufwendige winzige Stücke und musste erst mal weiterräumen und -putzen.
Nach dem Frühstück der nächste Arbeitsgang: Herr Kaltmamsell hatte erste Buchregale in seinem neuen Schlafzimmer und unserem (irgendwann) gemeinsamen Arbeitszimmer aufgebaut, sie mussten mit Schrauben an der Wand stabilisiert werden. Fürs Bohren war bislang immer ich zuständig, ich mache das auch gern. Herr Bruder hatte eine von Papas vier Bohrmaschinen mitgebracht (Aufschrift „BOHRHAMMER“), ich bohrte damit nach und nach fünf Löcher nach Anweisungen von Herrn Kaltmamsell, dazwischen saugte ich ein wenig in den etwas staubigen Räumen.
Nur kurzes Ausruhen in der alten Wohnung, eine Runde Yoga, dann drängte es mich, vor dem Abendessen noch die ersten Kisten voll Küchenmaterial nach oben zu bringen und zu verstauen.
Herr Kaltmamsell bereitete derweil das Nachtmahl: Ein Rest Fisch-Curry vom Vorabend mit frisch gekochtem Reis, zudem ein wenig Wirsinggemüse aus Ernteanteil. Wir wurden wohlig satt (keine Lust auf Alkohol).
Abendunterhaltung: Auf 3sat lief Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm, den ich seinerzeit im Kino verpasst hatte. Ich mochte den Film (nachdem ich meine Irritation überwunden hatte, dass der besonders groß gewachsene Lars Eidinger den besonders klein gewachsenen Brecht spielte – V-Effekt) – und war überrascht, dass ich einige eher unbedeutende Teile der Dreigroschenoper auswendig konnte (z.B. den Morgenchoral des Peachum). Ich scheine eine vergessene Vergangenheit zumindest mit den Songs zu haben.