Journal Sonntag, 3. Dezember 2023 – Wenigstens sind sie in der Sonne echt schön, die Schneemassen

Montag, 4. Dezember 2023 um 6:27

Gut, aber nicht lang genug geschlafen.

Der Morgen bemühte ein Gelbrosa.

Ich buk die Frühstücksbrötchen nach @melaniegywer, den Teig hatte ich am Vorabend angerührt.

Gelangen gut, werde ich wiederholen.

Die Nachrichten (ich las vor allem BR24) meldeten, dass der Münchner Hauptbahnhof weiterhin nicht anfahrbar war (wir wären, nur mal spekuliert, also auch nicht heimgekommen aus der Schweiz), Zugverkehr der Südostbayernbahn bis mindestens nachmittags ausgefallen.

Bäume auf den Gleisen und durch den Schneefall belastete Oberleitungen. Eingefrorene Signale und Weichen müssten geprüft werden, bis die Strecken wieder freigegeben werden könnten.

Während ich noch überlegte, ob ich den Schneetag zu einem Lauf im Weißen oder einem Freibadschwumm im Dantebad nutzte, hatten andere beides bereits verbunden.

Es wurde dann eine Laufrunde: Mit der U-Bahn zum Odeonsplatz, von dort über Hofgarten, Chinesischer Turm an die Isar – die allerdings nur ein kurzes Stück entlang, weil der Weg nicht geräumt war und nur aus einem schmalen, vereisten Trampelpfad im Halbmeter hohen Schnee bestand, sehr anstrengend zu laufen. Ab Kennedybrücke hielt ich mich an geräumte Wege im nördlichen Englischen Garten, mit Respekt und Dankbarkeit für die Winterdienst-Leute, die das erledigt hatten. Und sie hatten wohl getan: Es waren reichlich Spaziergänger*innen unterwegs, München guckte Schnee.

Hier hatte ich nur vage Orientierung: Sind ja selbst bekannte Gegenden verwirrend, wenn Wege und Wegmarken unterm Schnee verschwinden, und hier laufe ich sonst nie. Ich merkte mir so viele Details wie möglich, um denselben Weg zurück nehmen zu können.

Das klappte hervorragend: Die Sonne schien, der Schnee glitzerte, ich hatte an eine Sonnenbrille gedacht, es war auch nicht so schlimm kalt wie angekündigt (ab zweistelligen Minusgraden protestiert meine Lunge), die Luft atmete sich herrlich, mein Körper spielte problemlos mit.

Postkartenmotive auf Jahre hinaus:

Zur Orientierung: Ganz hinten sieht man die Kenneybrücke, rechts nicht die Isar.

Dabei war das Rausgehen gestern für nicht so Trittsichere wirklich noch gefährlich und nicht empfehlenswert: Gleich vor meiner Haustür stand ein greiser Herr neben seinem Auto und bat Passanten um Anschieben – seine Reifen drehten auf dem ungeräumten, ungestreuten Eis durch, auf das er in unserer Straße geraten war. Er schaffte es gerade mal vorsichtig rutschelnd und mit Festhalten am Dach in die Fahrertür seines Autos (zu Fuß hätte er wirklich nicht unterwegs sein sollen), mit zwei anderen Passanten schob ich ihn frei. Und mitten im Englischen Garten stand ein Krankenwagen, dessen Besatzung gerade einen böse gefallenen Spaziergänger versorgte.

Meine Runde endete wieder am Odeonsplatz und der U-Bahn, denn meine übliche Tram vom Tivoli fuhr genausowenig wie die meisten Busse. Es wird noch eine Weile dauern, bis die Verkehrsbehinderungen weggeräumt sind.

Frühstück schon kurz nach eins: Semmeln und Orange.

Auch wenn ich dadurch wertvolle rare Sonnenzeit verpasste, legte ich mich zu einem halben Stündchen Siesta hin. Danach nutzte ich das Tageslicht für Wegbügeln der Wäsche der letzten Wochen.

Dabei hörte ich ein Interview, das Holger Klein mit Tassilo und Florian Lex geführt hat: “Chiemseefischer über die Fischereitradition auf der Fraueninsel”.

Ich erfuhr über die Ausbildung, den Alltag, die Fische im Chiemsee und wie ihr Bestand gesichert wird, außerdem Verarbeitungs- und Vertriebswege – und ich lernte zwei sehr sympathische “Insulaner” kennen, wie sie sich selbst nannten.

Herr Kaltmamsell telefonierte und recherchierte derweil herum, wie er am Montag in die Arbeit kommen könnte, an seiner Schule fiel der Unterricht nicht wegen des Wetters aus.

Vorgezogenes Nachtmahl aus Ernteanteil: Wirsinggemüse und Kartoffelbrei mit samstags besorgten Grützwurst und Pinkel – wunderbar herzhaft und wärmend. Nachtisch Panettone, war schließlich erster Advent.

Draußen sanken die Temperaturen.

§

Eine bezaubernde Zusammenstellung in der New York Times:
“Dancing With the Stairs”.

§

“Majestätische fliegende Scheunentore” und andere Vögel zeigt @giardino in seinem Adventskalender auf Mastodon.

die Kaltmamsell

Journal Samstag, 2. Dezember 2023 – Wie ich NICHT zu einer Geburtstagsfeier in die Schweiz fuhr, oder: Eingeschneit

Sonntag, 3. Dezember 2023 um 7:34

Ich fasse es immer noch nicht, aber wir kamen gestern tatsächlich nicht raus aus München zur Geburtstagsfeier in die Schweiz. München war eingeschneit, die Polizei riet offiziell dazu, das Haus nicht zu verlassen.

Aber erstmal: Guten Schlaf ausgeschlafen, draußen fast ein halber Meter Neuschnee bei weiterhin leisem Schneefall.

Wegen der geplanten Bahnfahrt in die Schweiz galt der erste Check bahn.de:

Wintereinbruch

Der Bahnverkehr in Süddeutschland ist aktuell stark beeinträchtigt. München Hauptbahnhof aktuell nicht anfahrbar.

In den Medien wurde die Bahn mit “voraussichtlich bis 12 Uhr” zitiert, unser Zug wäre um 11:02 Uhr abgefahren. Also angespannter Vormittag mit kontinuierlichem Check möglicher Verbindungen, zunächst war ich noch zuversichtlich, dass wir irgendenen Weg zur Freundin finden würden, die wegen Pandemie drei Jahre lang ihren Geburtstag nicht gefeiert hatte.

Immer wieder Check auf bahn.de, doch wie wir es auch drehten und wendeten: Kurz vor zwölf mussten wir uns eingestehen, dass wir nicht aus München rauskamen.

Die Meldungsreihenfolge:

– Kein Fernverkehr ab München Hbf bis mindestens gestern Betriebsschluss.
– Fahrtmöglichkeiten zwischen München und Basel wechselten alle Viertstunde, verschwanden dann wieder, mal nannte die Website eine Verbindung über Lindau, Feldkirch, Zürich. Zack, dann schon nicht mehr, jetzt über Kufstein, Wörgl. Es sah alles danach aus, dass das Programm sich verzweifelt irgendwas zusammensuchte, was in einem Moment möglich war.
– Die SBB kannte die Sperrung des Münchner Hauptbahnhofs für den Fernverkehr gar nicht, schickte munter eine Nachricht zu unserer gebuchten Verbindung mit einer Gleisänderung in Karlsruhe.
– Und dann interne Widersprüche: Angezeigt wurde eine Verbindung über Lindau-Reutin, in den Details hieß es aber “Schnee und Eis: Zwischen München Hbf und Lindau-Reutin wurde der Bahnbetrieb vorübergehend eingestellt.”
– Irgendwann dann insgesamt und offiziell: “Am Hauptbahnhof in München ist der Zugverkehr den ganzen Samstag über eingestellt.”

Dazu eben die offizielle Empfehlung der Polizei, das Haus gar nicht zu verlassen, schon überhaupt nicht Auto zu fahren. Fassungslos musste ich mir eingestehen: Wir waren eingeschneit. Ich musste die so sehr befreute Geburtstagseinladung absagen, mit tiefer Enttäuschung. Dazu die nagenden Schuldgefühle, mich vielleicht doch einfach nur nicht genug angestrengt zu haben.

Ich benachrichtigte die Gastgeberin, packte mit hängenden Flügeln den Übernachtungsrucksack wieder aus.

Gegen eins las ich, dass das Heimfußballspiel des FC Bayern abgesagt wurde. Da begann ich, die Dimensionen der Einschränkungen durch die Schneemassen ein wenig klarer zu sehen. Kurz darauf die Meldungen: Tierpark Hellabrunn geschlossen, Messe Heim&Handwerk geschlossen. Im Großraum München ging tatsächlich nichts mehr.

Wir würden also das Wochenende daheim verbringen, ich fand meine Fassung so schnell nicht wieder – obwohl meiner Vernunft doch klar sein musste, dass sowas nunmal im Winter passieren kann. Herr Kaltmamsell meldete Einkaufspläne an, auch um sich das dickweiße Draußen näher anzusehen. Na gut, dann begleitete ich ihn halt, langsam beruhigte ich mich.

Es schneite weiter, ziemlich nass.

Vorm Haus war eine mächtige Eibe unter der Last aus den Wurzeln gekippt und über die Altglas-Container gestürzt.

(Kann man die nicht einfach wieder aufstellen und unten festdrücken, *schluchz*?)

Im Nußbaumpark sahen wir zahlreiche abgebrochene Äste. Auf den Straßen herrschte fast gespenstische Ruhe, nur hin und wieder schlürfte ein Auto durch den Matsch – die so rührige Münchner Schneeräumung kam schon lang nicht mehr hinterher.

Herr Kaltmamsell kaufte Weihnachtskarten, Grützwurst und Pinkel für den vorgezogenen Wirsing-Eintopf am Sonntag. Auf dem Christkindlmarkt vorm Rathaus entdeckte er echten türkischen Honig – und in seiner Kampagne “Rettet den türkischen Honig!” musste er dann auch einen kaufen.

Für die Mengen an Schnee war in der Innenstadt gar nicht wenig los – aber die U-Bahnen fuhren ja (keine Trambahnen und Busse).

Alle Bäume bogen sich unter der Schneelast, ich hätte sie gern befreit.

Panettonekauf bei Eataly. Über Jakobsplatz nach Hause ins Warme.

Frühstück um drei: Selbst angesetztes Kimchi, Semmeln, Orange. Jetzt las ich die Meldung: Der regionale Bahnverkehr war jetzt auch offiziell Bayern-weit gesperrt.

Der Zwangs-Daheimtag sollte unbedingt zu etwas gut sein: Ich wollte mit Herrn Kaltmamsell nach vielen Jahren mal wieder auf dem Sofa einen Film anschauen. (In den vergangenen Jahren rede ich immer nur davon, dass ich diesen oder jenen Film endlich mal sehen oder wiedersehen möchte, schaffe nie die Zeit dafür.) Es wurde Bill & Ted’s Excellent Adventure von 1989, hatte ich nie gesehen, und eine Inhaltsangabe hatte mich vor Kurzem mit einer Handlung überrascht, die interessant klang.

War dann… ein Erlebnis, das ich keineswegs missen möchte. Starke Erzähl-Ökonomie, es wird erstaunlich wenig erklärt oder gezeigt, dazu ein Baby-Keanu und 90er Jugend-Humor.

Eine Runde Yoga-Gymnastik, draußen hatte der Schneefall mittlerweile aufgehört.

Herr Kaltmamsell servierte als Nachtmahl den für Sonntagabend geplanten Flammkuchen (der Ernteanteil hatte rote Zwiebeln enthalten und mich auf den Wunsch gebracht), dazu die zweite Flasche Wein aus Sussex, die wir aus unserem Englandurlaub mitgebracht hatten, weil er uns vor Ort so gut geschmeckt hatte: Stopham Pinot Blanc.

Der Wein hatte nicht ganz genug Säure als Begleiter zum Flammkuchen mit viel Zwiebel, passte dennoch überraschend gut. Nachtisch Schokolade.

In der Tagesschau wurde behauptet, in München habe es “noch nie” so viel geschneit, wir Münchner*innen hatten uns auf Mastodon den Tag über immer wieder an den 5. März 2006 erinnert, als München ebenfalls eingeschneit war und gar nichts mehr fuhr und lief, als Schulunterricht ausfiel.
Nachtrag: Korrekt ist wohl, dass es in München IM DEZEMBER noch nie so viel geschneit hat.

Während auf ARD die große Advent-Schlagershow “Was der/die lebt noch?!” lief, guckte ich auf arte den Dokumentarfilm von 2017 Maria by Callas über die einzigartige Sängerin – mit vielen Interviews, eines davon nie gesendet, und mit Ausschnitten aus Briefen von ihr, sehenswert.

die Kaltmamsell

Journal Freitag, 1. Dezember 2023 – Verstehen Sie Ihren Gehaltszettel? (plus einsetzendes Winterwunderland)

Samstag, 2. Dezember 2023 um 8:54

Noch ein Monat, dann können wir ein weiteres Jahr abhaken.

Der Wecker klingelte zu Regenplatschen, das Draußen mit weißen und grauen Schneeflecken zwischem Regenpfützen sah ausgesprochen unwirtlich aus.

Kurzer innerer Gesundheits-Check: Erkältung war fast schon wieder weg.

Für meinen Weg in die Arbeit bekam ich auf den Regenschirm Full-Service-Niederschlag: Er fiel gleich als Schneematsch. (Wer schrieb einst von “Himmels-Exkrementen”?)

Als es vorm Bürofenster hell wurde, sah ich einen Falken vorbeifliegen, das war sehr schön.

Den Gehaltszettel für November runtergeladen (gibt es seit ein paar Jahren nicht mehr auf Papier): Wie immer kapiere ich nicht mal die Hälfte der aufgeführten Wörter, Abkürzungen, Geldbeträge. Wie immer sehe ich mir die Summe an, die ich überwiesen bekomme: Sie entspricht wie immer meiner Erwartung auf Basis Tarifvertrag und Steuersatz, also sehe ich keinen Anlass, mich mit den unkapierten Wörtern, Abkürzungen, Beträge zu befassen. Und wenn Sie jetzt denken, das sei nur in einer privilegierten Position möglich – haben Sie einerseits recht, handhabte ich das aber bislang bei jeden Job so, auch wenn ich davon unterhalb der Armutsgrenze lebte. (Allerdings habe ich die Gehaltszettel von der Zeitungsredaktion und später als Hiwi als schlicht und durchaus kapierbar in Erinnerung.)

Arbeit am Vormittag, gegen Mittag zwei Einkaufsgänge für die Weihnachtsfeier, auf Mittagscappuccino hatte ich keine Lust (Krankheitssymptom?).

Zu Mittag gab es ein Laugenzöpferl sowie eine riesige Mango mit Sojajoghurt.

Emsigkeit am Nachmittag, die Niederschläge hielten an und wurden immer deutlicher Schnee. Auf dem Heimweg mit kurzem Einkaufsabstecher nutzte ich meinen Schirm, der dichte Schneefall hätte mich sonst wirklich nass gemacht.

Bei Ankunft zu Hause wurde ich auf Krähen-Radau im Nußbaumpark aufmerksam: Die Wipfel waren schwarz vor Krähen, die sich wohl für die Nacht niedergelassen hatten.

Schwer zu fotografieren.

Ich turnte eine Folge Yoga-Gymnastik, zur Feier des Wochenendanfangs gab’s Tequila Sunrise auf der Basis von frisch gepresstem Crowdfarming-Orangensaft.

Nachtmahl von Herrn Kaltmamsell: Entrecôte mit Ernteanteil-Pastinaken aus dem Ofen, dazu der verlässlich wohlschmeckende südafrikanische Rotwein Owl Post. Nachtisch Schokolade.

Abendunterhaltung: Blicke aus dem Fenster auf immer dickere Schneeschichten.

Beginnende Sorgen um die fürs Wochenende gebuchte Bahnreise nach Basel: Ab einer bestimmten Schneemenge würde die unwahrscheinlich.

die Kaltmamsell

Journal Donnerstag, 30. November 2023 – WoW – Word on Wirecard in den Kammerspielen oder: Muss Kunst wehtun?

Freitag, 1. Dezember 2023 um 6:18

Ich hatte über das Stück WoW – Word on Wirecard von Anka Herbut, das ich Mittwochabend in der Therese-Giehse-Halle der Kammerspiele sah, vorher nur gewusst, dass es irgendwie um den Zusammenbruch des betrügerischen Unternehmens Wirecard ging und multimedial gearbeitet würde (letzteres ist allerdings schon lang Inszenierungs-Standard). So brauchte ich eine Weile, bis ich erkannte, dass die Handlungen mit verschiedenen Wirklichkeitsebenen arbeitet, dass es um Wirklichkeitssimulationen und ihre Erkennbarkeit geht.

Das ist schon länger ein Topos in der Fiktion, der die Fragen nach freiem Willen und Erkenntnisphilosophie durchspielt, ob der Mensch überhaupt die Fertigkeiten hat herauszufinden, was wirklich wirklich ist, was ein Vorspiegeln, Manipulation, Simulation – und ob die Antwort überhaupt relevant ist. (Das Konzept Multiverse, unter anderem in aktuellen Superheldengeschichten Standard, hat diese Fragen aufgegeben und setzt verschiedene, gleichberechtigte parallele Wirklichkeiten voraus.)

Verschiedene Wirklichkeitsebenen sind beliebtes Szenario in der Literatur, angefangen mit God games, in denen sich irgendwann der Protagonist als Spielfigur einer höheren Macht herausstellt, bis hin zur Science Fiction, die das Thema von Anfang an gerne aus vielerlei Perspektiven und mit vielerlei Erzähltechniken durchgespielt hat. Im Film kennt man das Setting zum Beispiel aus Total Recall, Matrix, Inception.

Jetzt ist es also auch in der Gattung Drama angekommen. Die Wirklichkeitsebenen in WoW – Word on Wirecard sind unter anderem:
– Ein Forschungslabor der frühen 1970er, in dem Wirklichkeitssimulationen programmiert wurden.
– Die Verfilmung einer Geschichte mit verschiedenen Wirklichkeits- und Simulationsebenen inklusive der Dreharbeiten.
– Der Wirecard-Skandal als schief gegangene Wirklichkeitssimulation – was ich besonders genial und witzig fand, weil das die erfundenen Wirklichkeiten des Geschäftsmodells und seiner Finanzierung ebenso erklären würde wie das Verschwinden des Protagonisten.

Die Erzähl- und Inszenierungstechniken für die Vermittlung unterschiedlicher Wirklichkeitsebenen:
– Dieselben Schauspieler*innen/Rollen in verschiedenen Kostümen/Maske,
– Film – auf der Bühne waren ständig zwei Kameras in Aktion, ihre Bilder und anderes Filmmaterial übertragen auf drei riesige, zusammenhängende Bildschirme über der Bühne,
– Räume auf der und hinter der Bühne, in denen mal die eine, mal die andere Wirklichkeit gespielt wurde,
– in der Pause die Einladung ans Publikum, auf die Bühne zu kommen und ein Glas Sekt zu trinken, mit den Darsteller*innen zu sprechen – Vermischung zweier weiterer Wirklichkeitsebenen.

Pausenbühne.

Das fand ich ungemein kreativ und hervorragend gemacht.

Zwei weitere Techniken aber führten mich zu der gestern bereits angerissenen Überlegung, wie viel körperlicher Schmerz am Publikum erzählerisch gerechtfertigt ist. Auf der Website zum Stück ist angekündigt “Stroboskop-Effekte, laute Musik”, am Einlass standen Ohrstöpsel bereit, an den Türen weitere Warnschilder.

Vor der Pause konnte ich mir meist rechtzeitig die Ohren zuhalten, wenn die Lautstärke der Musik über Lärm-Level anstieg und schmerzhaft wurde. Lichteffekte gab es in gewohntem Theater-Maß.

Doch direkt nach der Pause wurde das Stück mit über 20 Minuten Dauerbeschuss durch Höllenlärm und Lichtblitze ins Publikum fortgesetzt, die ich irgendwann nur noch in Flugzeugabsturz-Schutzhaltung durchstehen konnte, Finger fest in die eingeschobenen Ohrstöpsel gepresst. Stehen Licht- und Lärmfolter nicht auf Verbotslisten? Ist das mit “Überwältigungskunst” gemeint? Soll ganz, ganz sichergestellt werden, dass das Publikum irgendwas fühlt? Denn ich bin sicher: Auch ein paar Umdrehungen weniger und ohne Schmerz hätten Lichtgeflacker und Musik ihre erzählerische Wirkung erzielt.

Muss ich als nächstes mit Stromstößen im Sitz rechnen? Selbstverständlich mit Ankündigung und Warnung, am Eingang werden Gummimatten bereitgestellt, die man zum Schutz auf die Sitze legen kann?

Zumal solche Inszenierungen auch alles andere als inklusiv sind und beträchtliche Bevölkerungsgruppen vom Theaterbesuch ausschließen. An die Schauspieler*innen möchte ich gar nicht denken, ich verstehe jetzt besser, warum deutsche Bühnendarsteller*innen international den Ruf haben, die ließen alles mit sich machen.

Der Applaus war Mittwochabend groß, ich hörte Begeisterung – beobachtete aber, dass nicht nur ich völlig entkräftet von der Licht- und Lärmfolter lediglich zu mechanischem Klatschen in der Lage war und nur noch heim wollte.

Empfohlene Besprechung und Rezensionssammlung von Martin Jost bei Nachtkritik:
“Ein irrealer Betrugsfall”.

§

Nach dem späten Vorabend bekam ich weniger Schlaf als sonst auf einen Arbeitsmorgen, doch der war gut.

Emsiger und konzentrierter Vormittag im Büro, vorm Fenster Leiserieselter, der auf dem Boden allerdings eher Matsch war. Schneller Mittagscappuccion bei Nachbars, erster Einsatz der Kapuze der neuen Winterjacke, funktionierte hervorragend.

Mittagessen eingeweichtes Muesli mit Joghurt, einen Orange.

Auch der Nachmittag emsig und konzentriert, ich musste mich nicht mit meinen inneren Schatten befassen.

Beim Verlassen des Büros zu Feierabend versuchte sich die Jahreszeit anzuwanzen.

Heimweg durch Schneefall, war ganz ok. Daheim Yoga-Gymnastik, Brotzeitvorbereitung, zum Nachtmahl den Ernteanteil-Zuckerhut mit Orangensaft-Erdnussbutter-Dressing (gut!) angemacht. Dann gab’s noch reichlich Käse und Süßigkeiten.

§

Ach, Shane MacGowan… Jetzt können die beiden wieder Duett singen.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/qSkN4EXhBR8?si=8olf8tm9ndKzgOwk

die Kaltmamsell

Lieblings-Microblog-Posts Oktober/November 2023

Donnerstag, 30. November 2023 um 18:17

(Den Vertipper “Libelings” hätte ich fast gelassen wegen Nidelichkeit.)
Oktober hole ich nach wegen Vergesslichkeit am 31.10.

Mittlerweile bin ich wirklich fast ausschließlich auf Mastodon unterwegs, fange ich damit an.

Auf X habe ich gar nichts eingemerkt in diesen beiden Monaten.
Und hier die Ernte von Bluesky (bitte weiter wie polnischen Nachnamen aussprechen):

Bei dieser Gelegenheit empfehle ich ohnehin Foxes in love, egal wo sie die erwischen – genau das richtige Maß an Romantik für mich.

die Kaltmamsell

Journal Mittwoch, 29. November 2023 – Sich nicht aussuchen können, worüber man sich aufregt

Donnerstag, 30. November 2023 um 6:34

Wieder sehr gut geschlafen, hätte gern mehr sein dürfen als bis Weckerklingeln.

Das Draußen wirkte beim Blick aus dem Wohnzimmerfenster trocken, der Himmel nur wenig bewölkt. Weg in die Arbeit mit kompletter hoher Körperspannung, denn die Wege waren Schnee- und Eis-glatt. Dazu höllische Stirnhöhlenschmerzen links, ich hatte die Ibu am Morgen vergessen.

Im Büro gleich die Ibu nachgeholt, Wirkung wunderbar. Auch mein Frier-Gemecker zeigte Wirkung: Gestern herrschte Zimmertemperatur.

Kurz vor Mittag “Dienstgang”: Besorgungen für Weihnachtsfeier. Die Deko wird sogar halbwegs geschmackvoll: Geschmacklos wirkt meiner Meinung nach nur in großer Menge, unter einer bestimmten Opulenzgrenze sieht es lediglich erbärmlich aus. Bei geschmackvoll kann man auf minimalistisch reduzieren.

(Nachtrag: Mittagessen der letzte Granatapfel mit Orange, ein Laugenzöpferl.)

Sehr früher Feierabend mit Unterstunden: Ich wollte abends mein Theaterabo wahrnehmen, dafür habe ich nur nach gekürzten Arbeitstagen genug Energie. Erstmal fuhr ich zu Geburtstagsgeschenkbesorgung.

Daheim Yoga-Gymnastik und Häuslichkeiten, fürs frühe Nachtmahl ging ich mit Herrn Kaltmamsell auf den Christkindlmarkt am Sendlinger Tor: BRATWURSCHT!

Erster Gang Rengschburger spezial. Die hat ja praktisch Gemüsebeilage.

Zweiter Gang eine weiße Bratwurscht – auch die endlich richtig gut, geschmacklich (Thymian, Majoran) und weil sie frisch, knusprig und durchgebraten war, das hatte ich schon sehr lang nicht mehr.

Auch die Temperatur fand ich perfekt: Kalt genug für dampfende Bratwurst, für Mütze und Handschuhe – aber auch nicht kälter. Nachtisch gebrannte Mandeln.

Daheim ruhte ich mich nur kurz aus, dann Abmarsch zur Therese-Giehse-Halle der Kammerspiele, dort WoW – Word on Wirecard.

Auf dem Weg Rathaus mit diesigem Gerade-mal-nicht-mehr-Vollmond.

Über den Theaterabend morgen mehr, der interessante Inhalt und die Erzähltechnik überschattet von der über die fast drei Stunden Stück immer dominantere Frage, wie weit körperliche Folter das Publikums bei Inszenierungen gehen darf.

Völlig erledigte Heimkehr kurz vor elf.

§

Eine Freundin erzählte kürzlich von ihrem mittelkleinen Sohn, den sie von klein auf nicht so leicht verstanden habe wie seinen älteren Bruder: Er kommuniziere viel weniger, ziehe sich immer wieder in sich zurück, wirke oft gereizt und schlecht gelaunt. Sie macht ihm das keineswegs zum Vorwurf (wenigstens mir gegenüber nicht), versucht ihn zu sehen, hat dafür auch schon professionelle Hilfe in Anspruch genommen. Als Beispiel für die inneren Vorgänge des Buben erzählte sie von einem Morgen vor der Schule, an dem dieser Sohn beim Frühstück besonders gereizt und unleidlich gewirkt habe. In einer ruhigen Minute habe sie versucht, mit ihm den Anlass herauszufinden. Und es erwies sich: Sie hatte versehentlich seine Lieblingstasse dem älteren Bruder vorgesetzt. Doch der Kleine hatte nicht protestiert, weil ihm klar gewesen sei, dass sein Unwille völlig übertrieben war, der Auslöser komplett lächerlich.

Und ich verstand den Buben zu hundert Prozent, mir wurde schlagartig klar: IT ME! Seit ich denken kann, störe und ärgere ich mich ständig an komplett Irrelevantem, muss mir von dieser Störung die Laune und die Situation verhageln lassen. Doch ich bitte nicht um Änderung oder Rücksicht darauf, weil ich doch selbst weiß, DASS DAS WIRKLICH IRRELEVANT UND KOMPLETT LÄCHERLICH IST! Das hat zwei existenzielle Folgen: Erstens trainierte ich mich schon früh darauf, die meisten meiner Impulse und Bedürfnisse zu ignorieren, denn es wäre viel zu aufwändig und zeitraubend, sie erstmal auf echte Relevanz zu checken, objektiv und subjektiv, dafür bin ich ein viel zu schnell getakteter Mensch. Zweitens erleichterte ich mir das Leben über die Jahre, indem ich mich immer weniger in die knifflichsten solchen Situationen brachte, nämlich die mit anderen Menschen, die mich mit diesem lächerlichen Ärger ertragen müssen. Daher auch mein Neid auf Menschen, die sich offensichtlich frei entscheiden können, was sie aufregt/ärgert und was nicht (“lohnt sich doch eh nicht”), ich hatte noch nie die Wahl.

Das erzähle ich zum einen, weil ich hier erzählen kann, was ich will, und mich das beschäfigt. Zum anderen um zu demonstrieren, in welchen inneren anstrengenden Zwickmühlen schon Neuronormale leben können – das lässt mich ahnen, wie viel schlimmer Neurodiverse kämpfen müssen, ein Beispiel bei Donnerhall(en).

die Kaltmamsell

Journal Dienstag, 28. November 2023 – Richtig greisliches Winterwetter

Mittwoch, 29. November 2023 um 6:32

Gut geschlafen, mittelverrotzt aufgewacht.

Das Draußen zeigte sich düster und nass, auf dem Weg in die Arbeit wurde ich sanft feuchtgeregnet, das war ein wenig erfreulicher Marsch.

Das Wetter blieb sehr regnerisch, ich hatte überhaupt keine Lust auf Wege zu meinem Mittagscappuccino. Gleichzeitig war gestern mal wieder ein Kühltag im Büro, selbst mit Thermo-Unterzieher, Blazer, Wolljacke hatte ich kalte Hände, wärmte sie immer wieder unter den Achseln. Ohne Sonnenschein sah ich aber auch auf der gegenüberliegenden Gebäudeseite die Kolleg*innen im Anorak am Schreibtisch. Sehnsüchtige Gedanken an die vorhergehende Woche mit wirklich geheizten Räume.

Um die Mittagszeit verwandelte sich der Regen in nassen Schneefall, das machte die Lage auch nicht besser.

Mittagessen Granatapfel, Orange, Hüttenkäse.

Das Wetter wurde konsequent ekliger, am Nachmittag trieb auch noch Wind den inzwischen Graupel und Schnee vor sich her. Ich hielt mich am Gedanken an all die Menschen fest, die den dunklen, kalten Winter lieben.

Zu Feierabend schneite es nur noch wenig. Auf dem Heimweg in vorsichtigen Schritten auf schneematschglattem Untergrund kurzer Einkaufsabstecher. Mehrfaches blitzschnelles Ohrenzuhalten wegen zu naher Martinshörner, einmal so schlimm nah und laut, dass ich neben Ohrenzuhalten gegensummen musste (irgendwann habe ich herausgefunden, dass ich gar nicht gegenschreien muss, Hauptsache ich erzeuge ein Gegengeräusch im Kopf) (das hilft allerdings nicht, wenn ein Martinshorn direkt neben mir loslegt, dann kann ich den Schrei nicht unterdrücken).

Zu Hause Yoga-Gymnastik und Brotzeitvorbereitung. Als Nachtmahl gab’s den restlichen Grünkohleintopf, Herr Kaltmamsell hatte dazu Bremer Pinkel gekauft (gibt’s in der legendären Metzgerei Clasen auf der Ostseite des Rathauses). Diese Wurst stellte sich bei Aufschneiden als eine lockere Fett-Graupen-Mischung heraus, geräuchert, und schmeckte hervorragend.

Mit dem Aufwärmen des Eintopfs testeten wir die externen Heizplatten, die ich für die Weihnachtsfeier gekauft hatte: Funktionierten tadellos.

Aus Anlass von 1. eine kurze Bestandsaufnahme meiner Ausgaben für Journalismus:
1. Auf eine Bettel-Mail hin erhöhte ich gestern den Monatsbeitrag für mein Guardian-Abo, auf immer noch problemlos zu verkraftende 10 Euro pro Monat.
2. Bei der New York Times zahle ich das Basis-Abo für 7 Euro im Monat. Dabei gibt es sogar Monate, in denen ich garnicht dort lese, doch die Förderung unabhängigen Journalismus’ ist mir die paar Euro wert.
3. Für netzpolitik.org läuft eine Spenden-Dauerauftrag über 10 Euro im Monat.
4. Krautreporter zahle ich 84 Euro jährlich.
5. Und dann ist da seit Beginn meines Studiums die Süddeutsche Zeitung. Für die zahle ich sehr gerne und schätze sie hoch – finde allerdings grenzwertig unverschämt, dass in den jährlich über 900 Euro fürs Print-Abo der Zugriff auf die Online-Version nicht enthalten ist.

die Kaltmamsell

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