Journal Donnerstag, 25. Juli 2024 – Schon wieder nix passiert

Freitag, 26. Juli 2024 um 6:18

Eine mehrfach unterbrochene Nacht, mal von lauten Stimmen draußen, mal von einfach so Aufwachen. Beim Aufstehen fühlte ich mich nicht wirklich erholt.

Die Wolken am Morgenhimmel verschwanden bald, auf meinem Weg in die Arbeit ging ich unter hellem und ungestörtem Blau.

Der Vormittag bestand aus viel organisatorischem Recherchieren und Wirbeln. Den Mittagscappuccino trank ich bei Nachbars und ging dann auf den Markt am Georg-Freundorfer-Platz (kühle Luft, wärmender Sonnenschein). Ich hatte auf Mirabellen und Renekloden gehofft, doch es wurden keine angeboten. Also kaufte ich nur Käse fürs Abendessen.

Zurück im Büro gab es nach ein wenig Weiterwirbeln Mittagessen: Mehlige Frühäpfel und Pumpernickel mit Butter (ich war sehr stolz, dass ich die Hälfte zurück in den Kühlschrank stellte, weil ich sehr satt war, und nicht alles aß, bloß weil es da war – warum schaffe ich das nicht immer und überfresse mich statt dessen unangenehm?).

Mühsamer Nachmittag, leider wieder Schatten überm Gemüt. Draußen hingegen meist Sonne, das ohne Hitze. Immer wieder hörte ich die benachbarten Turmfalken, manchmal sah ich bis zu drei auf einmal fliegen.

Wieder fiel mir das Abholen des Ernteanteils zu, Herr Kaltmamsell ließ sich gestern feiern. Damit war ich zu Hause eine ganze Weile beschäftigt, denn das Gemüse war sensationell dreckig. Ich hatte ja keine Ahnung, wie viel Erde in einen Kopf Stangensellerie passt, ganze Brocken. Oder an und in junge Rote Bete mit Grün. Auch die Zucchini, die Gurke und die Tomaten (erste Tomaten!) waren rundum erdig. Nach einem Durchwaschen des Gemüses musste ich zudem die Küche von den Spuren der Reinigung säubern.

Dann aber erstmal eine Einheit Yoga-Gymnastik, schöne Flows, geordnetes Schnaufen.

Zum Abendessen sollte es den Kopfsalat aus Ernteanteil geben, ich machte mich nochmal ans Waschen. Zwei Vollbäder plus Einzelblattwaschen unter fließenem Wasser später hoffte ich, dass ich eventuelles Knirschen beim Kauen auf Pfeffer schieben können würde. Als Dressing Zitronensaft-Knoblauch-Vinagrette, die Gurke aus Ernteanteil schnippelte ich dazu.

Gedeckter Tisch mit einer großen Schüssel Blattsalat, rechts ein Teller mit zerteilten Tomaten, links ein Teller mit zwei großen Stücken Käse

Außerdem gab’s die Tomaten mit Salz, Pfeffer, Olivenöl (köstlich!) und Käse vom Markt. Nachtisch Pralinen, die Herr Kaltmamsell geschenkt bekommen hatte (rechts auf dem Foto sieht man den Fuß des Bergs von Geschenken, mit denen er aus seiner alten Schule verabschiedet wurde), weitere Schokoladen.

Früh ins Bett zum Lesen: Scott Alexander Howard, The other valley fesselt mich und hat eine solch subtil zwielichtig unzuverlässige Ich-Erzählerin, dass aus dieser Wackeligkeit die größte Spannung entsteht.

die Kaltmamsell

Journal Mittwoch, 24. Juli 2024 – Lerchenlauf, so lange es geht

Donnerstag, 25. Juli 2024 um 6:19

Zu früh aufgewacht, selbst für den Plan eines Isarlaufs vor der Arbeit. Aber mei, wenn ich schon wach und aufgestanden war. Derzeit wieder Hamsterradgefühle, ich kann mir nicht vorstellen, wie ein Leben ohne wäre. Und was ich dann täte den ganzen Tag.

Unter düsterem Himmel lief ich los, sah aber am Horizont das Versprechen von Wolkenlöchern ins Blau. Es war bereits hell genug, dass ich mir Hoffnung auf mindestens eine weitere Woche mit Isarlauf vor der Arbeit machte.

Wenige andere Läufer*innen unterwegs; der erste, der mir noch zwischen Häusern entgegen kam, zog eine deutliche und meterlange Rasierwasserfahne nach sich, das amüsierte mich.

Fluss in Morgensämmerung, gesäumt von Bäumen

Buntes Graffiti auf dem Steinpfeiler einer Eisenbahnbrücke

Flusslandschaft mit Pfaden und Bäumen

Körperlich war die gute Stunde mittel, weder Schnaufen noch Bewegung fielen mir so richtig leicht. Und mein Hirn beschäftigte sich mit den beruflichen Bewegungen und meinen Erledigungsplänen nach Feierabend, auch nicht gerade beflügelnd.

Im Büro hielt mich erstmal die Nachtarbeit anderer Leute auf Trab, zwei Stunden nach Start konnte ich geradeaus schauen und mich sortieren.

Meinen Mittagscappuccino verband ich mit einer Erledigung: Abholen der neuen Einlagen (so bunt!). Inklusive Atem- und Geduldsübung an der Kasse mit jemandem, die diesen konkreten Prozess wohl zum allerersten Mal durchspielte. Geduld ihr gegenüber hatte ich schon (ein Herz für Anfängerinnen!), doch ich musste Geduld mit mir haben, die die ganze Zeit vorsagen wollte, weil ich alle Schritte viel schneller begriff, die gesuchte Auftragsnummer längst auf dem Bestellzettel erspäht hatte etc. – aber mit Vorsagen hätte sie ja nichts gelernt. Und mir pressierte es doch auch nicht.

Mittagessen war Pumpernickel mit (niederländischer) Butter, zudem gab’s die restlich unreifen Pfirsiche minus faulen und schimmligen Stellen. Das waren sehr schlimme Pfirsiche, aber nicht schlimm genug, sie ganz wegzuwerfen.

Am Nachmittag war ich erledigt, brauchte aber noch ein paar Infos, um Dinge weiterbringen oder abschließen zu können. Als ich diese hatte, erledigte ich die Arbeit von einer Stunde in zehn Minuten.

Auf dem Heimweg (kühle Luft, die Sonne wärmte angenehm) Drogeriemarkt-Einkäufe. Daheim die nächste Einheit Yoga-Gymnastik: Ich hatte schon wieder vergessen, wie anstrengend das lange Halten bestimmter Positionen sein kann, z.B. warrior.

Herr Kaltmamsell hatte extra eingekauft und war zwischen zwei Arbeitseinsätzen heimgekommen, um uns mal wieder das Nachtmahl zu kochen. Ich hatte mir Linsen und Gemüse gewünscht, es gab Auberginenstücke aus der Pfanne, Linsen – und aus Kichererbsenmehl eine Art Socca, dazu frische Gremolata. Ein ganz wundervolles Abendessen, auch wenn es wirklich nicht fotogen war.

Aufsicht auf einen Glasteller mit dem beschriebenen Speisen

Romanlesen auf dem Balkon, nach Zahnseideln und Zähneputzen weiter im Bett.

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Heute mal was Französisches (das hatten Sie nicht erwartet, gell?): arte erklärt die ur-deutsche Leckerei Spaghettieis – und ich find’s zum Quietschen niedlich.

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https://youtu.be/MEgjJTIO20w?si=MO5eEOmfjSF8-gXR

via @jochenschwarzer

die Kaltmamsell

Journal Dienstag, 23. Jui 2024 – Arbeits-Dienstag mit wenig Variation

Mittwoch, 24. Juli 2024 um 5:47

Eigentlich guter Schlaf, der aber kurz vor halb drei durch einen Rumrufer draußen unterbrochen wurde. Es war kein Brüllen, sondern sehr lautes Bühnensprechen, deutlich formuliert, wenn auch aufgebracht. Der Herr rief ausgesprochen ausdauernd, unterhielt sich mit einem unhörbaren Gegenüber, trotz geschlossenem Fenster hielt er mich lange wach, schien dem Vernehmen nach auch mit Dingen zu werfen, andere zu treten.

Düsterer Morgen, aber ich kam nahezu trocken in die Arbeit (leichter Nieselregen auf dem letzten Abschnitt).

Den Vormittag über Emsigkeit, weitere Details zu den beruflichen Veränderungen. Ich fühlte mich gefasst und nur ein wenig müde. Mittagscappuccino bei Nachbars, draußen war es trocken und kühl. Zu Mittag gab es Frühäpfel (wunderbarer Duft, aber leider mehlig) und eingeweichtes Muesli mit Joghurt.

Arbeitsnachmittag mit Noten von Turbulenz, ich bin zusätzlich Urlaubsvertretung.

Zu Feierabend war es sonnig und angenehm warm. Ich ging auf eine Erledigungsrunde: Süßkramkauf, Bargeld holen, Restaurant zur Ferienfeier des Herrn Kaltmamsell am Freitagabend reservieren (vielleicht sogar draußen!), Abendessenzutaten beim Verdi besorgen.

Zu Hause Häuslichkeiten, dann eine Runde Yoga-Gymnastik. Fürs Abendessen war ich zuständig, da Herr Kaltmamsell beruflich eingespannt war. Es gab aus Ernteanteil-Frühkartoffeln Kräuterkartoffeln mit viel Petersilie, Dill, Schnittlauch. Allerdings kann ich anders als Herr Kaltmamsell nicht pünktliche auf eine Uhrzeit kochen: Es wurde recht spät, bis ich servierte.

Zum Nachtisch gab es umständehalber harte Pfirsiche: Ich hatte am Montagabend schlecht eingekauft, die unreifen Pfirsiche bekamen ohne Zwischenstadium faule Stellen (obwohl ich sie zum Schutz vor Druckstellen in einer eigenen Stofftasche transportiert hatte). Danach passte nur noch wenig Schokolade.

Während der Himmel zuzog, gewitterte und ein paar Regentropfen warf, tönte vom Nußbaumpark Blasmusik herüber, ganz gemütliches und schwungvolles Umtatata, meist im Dreivierteltakt.

Der nachgeholten Tagesschau (zur Sendezeit stand ich noch in der Küche) entnahm ich, dass ein weiteres Zuguck-Sport-Ereignis ansteht: Olympische Spiele. Zumindest sind keine Autohupereien vor meinem Schlafzimmer zu befürchten. (Oder? ODER?)

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Ganz herzlichen Dank für Ihre Essen-in-Essen-Tipps (es war stärker als ich), welch Überraschung, dass so viele von dort hier mitlesen! Nach Abgleich mit den Sommerferien der Lokale (deutlich andere als in München) sehe ich uns gut gefüttert!

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In der Zeit ein Artikel über den Verwalter des Nachlasses von Erich Kästner, Peter Beisler:
“Werk von Erich Kästner:
Die kleine Tür in der Wand”.

die Kaltmamsell

Journal Montag, 22. Juli 2024 – Veränderungen, veränderliches Wetter

Dienstag, 23. Juli 2024 um 6:25

Etwas unruhige Nacht, doch ich wachte vor Weckerklingeln ausgeschlafen auf. Eingeschlafen war ich zu Regenrauschen: Das zumindest hörte ich draußen nicht, doch der Himmel sah düster aus.

Beim Eincremen nach dem Duschen musste ich endgültig zugeben: Ich hatte mir am Sonntag einen leichten Sonnenbrand im Gesicht eingefangen, mich wohl nicht sorgfältig genug eingecremt – oder doch zu viel Zeit in der Sonne verbracht. So bewusst ich das erhöhte Risiko Hautkrebs beim (wirklich nur gelegentlichen) Sonnenbaden in Kauf nehme: Bei Sonnenbrand fühle ich mich so verantwortungslos, als hätte ich geraucht.

Für den Weg in die Arbeit steckte ich einen Regenschirm ein, den ich schon nach dem ersten Kilometer benötigte – aber nur kurz.

Im Büro stellte sich nach Hochfahren des Rechners heraus, dass andere das Wochenende durchgearbeitet hatten. Ich wuselte eine Stunde lang hektisch, um das halbwegs abzuarbeiten, doch mir wurde klar, dass ich mit dieser Erscheinung einen anderen Umgang würde finden müssen: Aus einer Info-Runde ergab sich, dass meine Montagmorgen künftig eher regelmäßig so beginnen werden. Und dass es weitere grundlegende Veränderungen gibt, die sich auf mein Arbeitsprofil auswirken und mich erneut in Unruhe versetzen.

Dennoch oder deswegen schoss ich raus auf einen Mittagscappuccino im Westend; ich brauchte dringend Bewegung, und es war gerade trocken, man erahnte sogar ein wenig Sonne. Ich freute mich an gutem Cappuccino und an dem Anblick zweier (für diese Gegend) ungewöhlich eleganter Herren; ich hätte die Details ihrer eigentlich schlichten, aber sorgfältig gewählten Bekleidung gerne genauer gesehen, wollte aber nicht starren. Sie waren aber ohnehin die Sorte Mensch, die mutmaßlich auch in Mülltüten elegant wirken.

Zurück im Büro mehr Wirbeln, Mittagessen war eher spät ein Laugenzöpferl, außerdem Joghurt mit Quark.

Kurz darauf kehrte der Regen zurück, er brachte Gewitter mit. Weiter ging’s mit geradezu britischem Wetter, mal blauer Himmel, dann wieder Wolken in allen Grautönen.

Anstrengender Arbeitsnachmittag, gegen Ende immer zäher. Auf dem Heimweg blieb ich trocken. Ich brachte ein Kleid zur Änderungsschneiderin, kaufte Lebensmittel beim Vollcorner – auch mein Abendessen, denn der Ernteanteil war so gut wie weg (nur Kartoffeln übrig), Herr Kaltmamsell aushäusig.

Zu Hause nun wieder Gymnastik in Form von Yoga mit Adriene – aaahhhh, das tat sehr gut. Manchmal kommt ein “be kind to yourself” genau richtig.

Aufsicht auf einen großen Glasteller mit Caprese

Gutes Abendessen. Nachtisch Schokolade. Recherchiert, wo wir in Essen Anfang August fein und gut Essen gehen könnten. Ich fand durchaus interessante Restaurants, allerdings ist es zu allen von unserer Unterkunft aus ganz schön weit. Kann hier jemand etwas empfehlen, das fußläufig von Zeche Zollverein liegt?

Herr Kaltmamsell kam von seiner Verabredung heim und erzählte, ich ging früh ins Bett und begann dort eine neue Lektüre aus der Münchner Stadtbibliothek: Scott Alexander Howard, The other valley.

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Was ich Sonntagabend noch gemacht hatte: Die aktuelle Folge Die Anstalt geguckt. Sie dreht sich um den Stand der Klimaziele und ist reichlich deprimierend. Dass CO2-Kompensationsprojekte ihren Zweck nicht erfüllen, also Bäumepflanzen o.ä., ist doch seit Jahren belegt (siehe auch Faktencheck zur Sendung, Stichwort “Schein-Lösung”). Ich vergesse allerdings immer wieder, dass es den Leuten, vor allem den Unternehmen, gar nicht um tatsächlichen Klimaschutz geht, sondern lediglich um das, was sie gut aussehen lässt – da mögen sie in absehbarer Zeit noch so sehr selbst unter den Folgen der Klimakatastrophe leiden.

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Joël verlinkte neue Musik der Pet Shop Boys – und es berührte mich unverhältnismäßig und irrtional, Neil Tennant als alten Herrn zu sehen. Einen weiterhin hübschen alten Herrn, aber halt den freundlichen Rentner von nebenan.

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https://youtu.be/dHzEdsh9trQ?si=YbZxM40owH04qnrL

I wish I lived my life free and easier.

die Kaltmamsell

Journal Sonntag, 21. Juli 2024 – Geschenkter dreiviertel Tag Hochsommer

Montag, 22. Juli 2024 um 6:20

Gut und sehr lang geschlafen, bis fast sieben! Jetzt fühlte ich mich komplett wiederhergestellt, stand zu einem Hochsommermorgen auf, hängte erstmal die eben durchgelaufene Wäsche zum Trocknen, wässerte dann die Blumentöpfe, setzte mich mit Milchkaffee auf den Balkon.

Balkon mit Tisch und Pflanzen, auf dem Boden grüner Teppich, dahinter draußen Bäume, im Hintergrund spiegelt sich im Fenster eines Gebäudes die Sonne

Sportplan für den Tag war Schwimmen, das stand schon lange fest. Bis Samstag waren dafür allerdings eher niedrige Sommertemperaturen, Bewölkung, sogar Regen angekündigt gewesen. Ich freute mich über den unvermuteten Sonnentag.

Eine Frau fotografiert sich ganz im Spiegel; sie trägt ein buntes Kleid, Sonnenbrille, Sandalen, im Arm hat sie ein zusammengefaltetes gestreiftes Handtuch

Gestern radelte ich die hübsche Strecke über die Nymphenburger Straße und Gern zum Dantebad, sonntags lässt sich auch die chaotische Verkehrsführung am Rot-Kreuz-Platz ohne Nervenzerrüttung meistern.

Der Fahrradparkplatz vorm Dantebad füllte sich gerade, ich stellte mich in die kurze Schlange an der Kasse, weil ich meine Bäderkarte neu beladen musste. Die Schwimmbahnen waren gut frequentiert, aber wir kamen problemlos miteinander aus. Ich schwamm leicht und mit Genuss über sonnenglitzerndem Metallboden, allerdings nur 3.100 Meter statt der angepeilten 3.300, weil ein neu eingetroffener Schwimm-Rowdie mir sonst die Laune vermiest hätte.

Nach kurzer Dusche und Sonnencremen meiner Vorderseite (Rückseite war bereits vor Schwimmen gecremt), legte ich mich mit Musik auf den Ohren in die Sonne. Es wurde nicht zu heiß, weil ein angenehmer Wind ging, ich genoss Musik und Sonnenbad.

Auch zurück nahm ich die Villen-Strecke in jetzt doch brennender Sonne. Frühstück daheim gegen halb drei: Okroschka-Rest vom Vorabend. Dann erst duschte und köperpflegte ich ausführlich.

Ebenfalls lang geplant: Bügeln, damit nicht wieder ein Nachmittags-verschlingend hoher Berg zusammenkam.

In der Abendplanung waren wir unentschlossen: Biergarten oder Mangold-Zucchini-Quiche daheim? Herr Kaltmamsell machte auf jeden Fall mal die Quiche, konnte man ja auch noch am Montag essen, doch dann zog der Himmel eh düster zu, ein Gewitter bahnte sich an.

Nachtmahl war also Quiche, sehr gut geraten und wohlschmecken. So richtig ausgebrochen war das Gewitter immer noch nicht, also huschten wir für Nachtisch mit vorgekühlten Dessertschälchen raus zum Nachbarschafts-Eisdieler und holten uns je drei Kugeln mit Sahne. Jetzt erwischten uns die ersten Tropfen, zur Tagesschau (mit der frischen Meldung, dass Joe Biden nun doch nicht als Präsidentschaftskandidat zur US-Wahl im Herbst antritt) blitzte und donnerte es.

Im Bett Vicki Baum, Es war alles ganz anders. Erinnerungen ausgelesen. Erst durch das Nachwort von ihrem Sohn erfuhr ich, dass die Memoiren in dieser Form posthum von ihrer Schwiegertochter Ruth Lert aus Fragmenten zusammengesetzt wurden. Das erklärte die Bruchstückhaftigkeit und die Lücken der letzten Lebensphase, als Baum wohl viel reiste. Doch auch so war ihre Erzählkunst deutlich, Baums Beobachtungsgabe, die sie mit sprachlicher Treffsicherheit transportierte – von ihrer Kindheit und Jugend in Wien über die Schilderung ihrer jungen Erwachsenenjahre in Darmstadt, Berlin, Hannover, Kiel, Mannheim durch den Ersten Weltkrieg (dessen Grauen für die Zivilbevölkerung hinter den näheren Grauen des Zweiten Weltkriegs heute nicht so präsent sind) bis zu ihrer eher zufälligen Auswanderung in die USA. Als Beispiel mag dienen, wie sie ihr Leiden unter dem Ruhm des Romans Menschen im Hotel beschreibt, in dessen Licht sie und ihr gesamtes restliches Werk bis zum Lebensende standen:

"Ich kam mir vor wie eine Katze, der man eine Blechbüchse an den Schwanz gebunden hat."

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Architektur-Feuilleton mal anders: Gerhard Matzig schreibt über das neue Obdachlosenzentrum in München (€):
“Das schönste Haus am Platz”.

die Kaltmamsell

Journal Samstag, 20. Juli 2024 – Drei-Städte-Tag Augsburg, Ingolstadt, München

Sonntag, 21. Juli 2024 um 8:45

Eine schlechte Nacht: Im Zimmer war es zu warm, die Fenster mussten gegen Weckendem von der Straße geschlossen bleiben, ich hatte meine Ohrstöpsel vergessen, im Zimmer war Schnarchen, und dann hatte das zweite Glas Rotwein so schlimmes Kopfweh enthalten, dass es morgens einige Migräne-Symptome mitbrachte.

Der Cappuccino des Hotelfrühstücks machte mich ein wenig munterer, doch es ging mir wirklich nicht gut. In bereits deutlicher Hitze spazierten wir zu den Schwiegers, bei denen wir auch auf Übernachtungsbesuch aus Berlin trafen. Herr Kaltmamsell fand in Alt-Haunstetten wieder Auslöser von Kindheitserinnerungen, ich entdeckte aber auch selbst Bemerkenswertes.

Altes, eingeschoßiges Haus mit hellbaluer Fassade, über dem ebenerdigen Ladenfenster steht "Konditorei Bäckerei G.Gesswein"

Das ist laut Schwieger noch eine echte kleine Bäckerei mit eigener Backstube, das Angebot sah überzeugend aus.

Zweigeschoßiges Haus mit Spitzgiebel von der Seite, in der hellgelben Fassade mittig mit Steinen die Silhouette eines Minaretts

Die türkisch-islamische Gemeinde Haunstettens hat sich ihr Minarett einfach in die Fassade gemauert.

Bei Schwiegers angenehmes Plaudern, ich bekam auch eine Kopfweh-Tablette. Herr Schwieger fuhr mich zum Bahnhof: Ich wollte in Ingolstadt nach meinen Eltern sehen.

Während meines Studiums in Augsburg war ich diese Strecke regelmäßig gefahren, doch jetzt rief sie keinerlei Erinnerungen hervor. Dennoch freute ich mich über die Bussarde vorm Fenster, die die Thermiken des heißen Sommertags nutzten. Und über das friedlich und herzlich verbundene Gespann kleiner Sohn / Vater neben mir, die beide auf ihren Smartphones Dinge taten und einander immer wieder vergnügt den Bildschirm zeigten, dazwischen väterlich fürsorgliche Handgriffe an Kleidung und Ausrüstung des Sohns.

Selbst wollte ich unterwegs eigentlich nur schlafen (siehe Migräne-Symptome – es wäre sehr sehr Scheiße, wenn die zurückkommt, ich hatte die zwei Jahre ohne genossen). In Ingolstadt musste ich diesmal am Hauptbahnhof aussteigen, gelangte von dort mit einmal Umsteigen per Bus zu meinen Eltern.

Auf einem Grünstreifen eine schwarze Dampflokomotive im Sonnenschein, links davon ein alter, schön restaurierter mehrgeschoßiger Backsteinbau

Beim Warten auf den Bus (von einer Seite Ingolstadts auf die andere zu kommen, dauert so lange wie von einer Seite Münchens auf die andere) Blick auf die historische Lokomotive, die mich schon als Kind fasziniert hatte.

Große Freude über das Wiedersehen mit meinen Eltern, Gesundheitszustände aber nicht so wirklich beruhigend. Wir blieben im kühlen Haus (im Toskana-Stil gebaut, der hier in den 1980ern gerade angesagt war – und sich jetzt mit seinen kleinen Fenstern und dicken Mauern als sehr nützlicher Vorgriff auf den Klimawandel erweist), draußen war es unangenehm heiß geworden. Ich ließ mir von ihrer kürzlichen Baltikum-Gruppenreise erzählen und Fotos zeigen, alles klang und wirkte sehr attraktiv.

Mittagessen bekam ich auch: Meine Mutter hatte eine Zucchini aus dem Garten für spanisches Pisto verwendet.

Glasteller auf Stroh-Set, darauf links zwei Spiegeleier, rechts ein rot-grünes Gemüse-Ragout, oben eine Scheibe Weißbrot

Bald darauf spazierte ich zum Bahnhof Ingolstadt Nord und setzte mich in einen Zug nach München. Auf der Fahrt wurde es immer düsterer, und in München regnete es. Auf dem Weg nach Hause wurde ich so zwar ein wenig feucht, doch jetzt konnte ich draußen auf dem Balkon sitzen: Es hatte deutlich abgekühlt.

Jetzt endlich schrieb ich den Blogpost über den Vortag. Zeitung war wieder gar keine gekommen (oder unauffindbar abgelegt), ich reklamierte und bekam wieder Zugriff auf die Online-Version. Langsam verschwanden die Migräne-Symptome und ich fühlte mich wiederhergestellt. Und bekam mords Hunger: Ausgesprochen ungewöhnlich schmierte ich mir eine Scheibe Pumpernickel, weil ich ihn nicht bis zum Nachtmahl aushielt.

Nach Langem turnte ich mal wieder Yoga: Ich bemerkte die Pause an geringerer Dehnbarkeit allein schon im Schneidersitz. Vermutlich sollte ich Pilates und Yoga abwechseln, ich versuche das mal wochenweise.

Zum Abendessen mochte ich zu meinem großen Bedauern wirklich keinen Alkohol, dabei war zum Abendessen Rosé geplant. So werden unsere Weinbestände ja nie kleiner (und ich erlaube mir keine Neu-Anschaffungen). Herr Kaltmamsell hatte auf meinen Wunsch (und weil der Ernteanteil Gurke, Dill und Kartoffeln enthalten hatte) Okroschka gemacht, wieder aufgegossen mit Kwas.

Gedeckter Tisch, im Vordergrund ein weißer Teller mit einer hellen Suppe, dahinter ein Edelstahl-Topf, rechts davon eine Flasche aus braunem Glas

Schmeckte hervorragend – und wir haben vermutlich die (für unseren Geschmack) perfekte Einlage gefunden: Lyoner war völlig verschwunden, Kochschinken ebenso, ohne alles fehlte uns aber etwas, diesmal hatten wir Räuchertofu verwendet. Hat eine eigene Note, bringt eine weitere Textur mit, das behalten wir bei. Nachtisch Schokolade.

Ich setzte mich mit Buch auf den Balkon, recht früh ging ich damit ins Bett.

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Ich hatte ja keine Ahnung! Die taz berichtet, dass Juli in der spanischsprachigen Welt ist, wenn Julio Iglesias das Internet übernimmt – in Form von Memes (weil Julio nicht nur sein Vorname ist, sondern auch der Monat so heißt).
“Alle Jahre wieder Julio”.

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Mehr Vergnügliches: Dieser Dressurreit-Wettbewerb würde nicht mal von @aurelmertz kritisiert.

die Kaltmamsell

Journal Freitag, 19. Juli 2024 – Diamantene Hochzeit

Samstag, 20. Juli 2024 um 16:57

Deutlich vor Wecker aufgewacht, da bei Liegenbleiben Angstgedanken drohten, stand ich lieber auf.

Bett abgezogen und Bettwäsche in die Waschmaschine gestopft: Herr Kaltmamsell sollte das Aufhängen übernehmen, bei übernächtiger Abwesenheit war genug Zeit zum Trocknen (und dabei Wohnungkühlen, es war ein heißer Tag vorhergesagt). Draußen war es mild genug für Balkonkaffee.

Durch die Metallstäbe eines Tors fotografiert; Auf dem Gehweg vor der Straße liegt eine Zeitung

Die Zeitung musste ich diesmal vom Gehweg vor dem Hoftor klauben.

Ich kleidete mich bereits Fest-fein, warf ein Stoffjäckchen über die nackten Schultern. Und ich hatte meine edle Weekender-Ledertasche gepackt statt des Arbeitsrucksacks – um den Preis, dass ich ihn eher unbequem auf dem Weg in die Arbeit über der Schulter tragen musste. Schweres Tragen außer mit Rucksack gibt es in meinem Leben sonst nicht mehr.

Keinerlei Freitagsruhe, ich war knackig beschäftigt. Dazwischen erreichte mich eine WhatsApp-Nachricht zur Familienfeier, die als Dresscode “legere Sommerkleidung, nix feierlich” ausgab. Tja, zu spät. Allerdings halte ich das Konzept “overdressed” sowieso für albern. Anders formuliert:

Auf meinen Mittagscappuccino ging ich raus in die heißer werdende Sonne. Weil „heiß“ und „Eis“ lautlich so nah beieinander liegen, wurde mir mein erster kalter Mittagscappuccino serviert.

Auf einem Holztisch vorm Fenster steht ein kleines Tablett mit einem Glas Cappuccino, darin Eiswürfel, und einem Gläschen Wasser. Vor dem Fenster sonniges Straßenleben

Schmeckte aber gut!

Seitlicher Blick auf eine Hausfassade mit Balkonen, auf denen bunte Sonnenschirme stehen, daneben blauer Himmel

Es war heiß geworden.

Eher spätes Mittagessen am Schreibtisch: Eingeweichtes Muesli mit Sojajoghurt, eine große, perfekte Nektarine (fest, saftig, so süß, dass ich danach innerlich verklebt war).

Überpünktlicher Feierabend, ich hatte einen Zug zu erwischen. Am Bahnsteig traf ich mich mit Herrn Kaltmamsell, gemeinsam setzten wir uns in einen Zug nach Augsburg Haunstetterstraße. Von dort mit der Tram weiter nach Haunstetten und in unser Hotel, das wir von früheren Aufenthalten kannten. Wir verräumten nur kurz unsere Sachen und machten uns frisch, dann spazierten wir durch Alt-Haunstetten und in nicht mehr zu großer Hitze zur Feier einer Diamantenen Hochzeit.

Anstoßen im Innenhof des Lokals, Freude über das Wiedersehen mit Schwieger-Familie – meine Eltern hatten leider kurzfristig wegen großer Vaterschmerzen absagen müssen, ich plante schon mal meinen Samstag um für einen Besuch bei ihnen. Für uns war ein kleiner Nebenraum gedeckt, ich aß Salat, Rumpsteak mit Rösti, dazu gab es zwei Gläser Beaujolais, zum Nachtisch frische Apfelküchl. Und herzwärmende sowie spannende Gespräche, wie bei jeder solchen Gelegenheit erfuhr ich neues aus der Familiengeschichte. Meine Schwiegermutter, ihre Schwestern und Schwägerin hatten definitiv eine wildere Jugend als meine je auch nur in Sichtweite kam: Ich kenne niemanden in meinem Alter, der als warnendes Beispiel einer katholischen Sonntagspredigt diente!

In einer wundervoll milden Sommernacht spazierte ich mit Herrn Kaltmamsell in unser Hotel – wo uns ein sehr warmes Zimmer erwartete.

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Dokumentarische Fotografie fasziniert mich weiterhin, unter anderem wie selbst das schlichteste “einfach draufhalten” nicht Kontext-frei ist. Die Fotografie, die wir als Ergebnis sehen, erwecken erst wir als Betrachtende zu Inhalt wie jede andere Wahrnehmung auch. Im Magazin Monopol schreibt Kunsthistoriker Michael Diers über ein berühmt gewordenes Foto des brennenden World Trade Centers am 11. September 2001, aufgenommen von Magnum-Fotograf Thomas Hoepker.
“Wie Thomas Hoepkers berühmtes 9/11-Bild entstanden ist – und was es bedeutet”.

via @kutter

Unter anderem zitiert der Artikel Hoepkers Aussage über Bildbearbeitung:

Praktisch jeder scan, den man von einem Stück Film macht, wird digital bearbeitet, d.h. man versucht Belichtungsfehler auszugleichen, Farbstiche zu eliminieren, den Kontrast zu verändern. Mein Prinzip dabei ist: Ich mache alles, was ich früher auch in der Dunkelkammer gemacht habe, um einen guten Print zu bekommen, das geschieht in der scan-software oder in Photoshop. Was ich nicht mache, sind Fälschungen, also Personen austauschen, Kleidung “umfärben”, Elemente entfernen oder hinzufügen. Da fängt dann die Lüge an. Aber so etwas wie exakte Objektivität gibt es in der Fotografie nicht, weder im analogen, noch im voll digitalen Bereich. Jedes Ergebnis ist eine Interpretation.

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Über die westliche Konstruktion des Orients in der Kunst habe ich schon das eine oder andere gelesen oder gehört, umso spannender fand ich:
“Techno-Orientalism: Decoding Japan’s Misrepresentation as a Cyberpunk Utopia”.

via @kid37

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Google taugt nicht mehr dazu, das Web zu durchsuchen. Will es halt auch gar nicht mehr – ich bin ehrlich verzweifelt. Vincent Schmalbach fasst den Hauptgrund zusammen:
“Google Now Defaults to Not Indexing Your Content”.

die Kaltmamsell