Dritter Morgen, an dem ich mich von einer Schlaf-App wecken ließ (irgendwann schreibe ich im Techniktagebuch darüber): Ich hatte am Vorabend das Smartphone neben mein Kopfkissen gelegt, die späteste Weckzeit eingestellt (5:50 Uhr), und die App sollte anhand meines Schlafablaufs berechnen, wann in den 30 Minuten davor der ideale Weckzeitpunkt war. Die App entschied sich für 5:20 Uhr und riss mich aus tiefen Träumen. Am Morgen davor war ich einige Zeit vor der frühesten Weckzeit wach gewesen, doch die App hatte beschlossen, dass ich noch weiterzuschlafen hatte. Mal sehen, wie lange ich dieses Spiel aus reiner Neugier mitspiele.
Na, wenn ich schon wach war, konnte ich ja Kaffeetrinken UND eine Runde an der Isar laufen vor der Arbeit. Der Morgenlauf dauerte dann etwas länger als geplant, weil er an diesem strahlenden Frühlingsmorgen so wundervoll war und es so viel zu fotografieren gab.
Dass ich danach mit einem ziemlich dämlich entspannten Lächeln heim kam, lag aber sicher hieran:
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Mittwoch ist unser Ernteanteiltag des Kartoffelkombinats, es waren diverse Salate angekündigt. Nachmittags erinnerte ich mich, dass mir eine Kommilitonin vor 20 Jahren erzählt hatte, bei ihnen in Norddeutschland fülle man Pfannkuchen gerne mit süß angemachtem Kopfsalat. Ich probierte eine Abwandlung: Den Salat aus dem Ernteanteil (kein Kopfsalat) machte ich mit Dosenmilchdressing (wegen Norddeutschland) und Schnittlauch an, füllte frische Pfannkuchen damit. Es stellte sich heraus: Eine großartige Sache, und deutlich sättigender, als ich gedacht hätte.
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Kluges von Antje Schrupp zum Unterschied zwischen Schuld und Verantwortung:
“Verantwortlichkeiten”.
Es ist meines Erachtens ein echtes Problem bei vielen deutschen politischen Debatten, dass alles quasi innerhalb von Nanosekunden auf die Schuldfrage zugespitzt wird. Über Politik, so scheint es mir manchmal, können wir gar nicht anders als moralisch sprechen, also immer vor dem Hintergrund der Frage, wo Gut und Böse jeweils liegen und wer in den Himmel kommt und wer in die Hölle.
Es geht aber bei politischen Debatten nicht um moralische Schuld, sondern um Verantwortung. Gerade in Deutschland sollten wir angesichts der Notwendigkeit, den Nationalsozialismus aufzuarbeiten, eigentlich inzwischen gelernt haben, zwischen beidem einen Unterschied zu machen. Nicht persönlich an etwas „schuld“ zu sein, enthebt niemanden der Verantwortung.
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Frauen, die ihren Töchtern beibringen, sie müssten erstmal „Nein“ sagen, um sich bei Männer interessanter zu machen; Frauen, die sich sexualisiert aufbretzeln, nicht weil es ihnen so gefällt, sondern weil sie meinen, sie müssten das tun, um anerkannt zu sein; Frauen, die schweigend zuschauen, wie andere Frauen von Männern belästigt werden; Frauen, die als Mitarbeiterinnen von Werbeagenturen Kampagnen mit objektivizierten Frauenkörpern mittragen und so weiter und so weiter – sie alle [tragen] aktiv zur Stabilisierung von Vergewaltigungskultur bei. Die Beispiele ließen sich natürlich vervielfachen.
Aber auch das festzustellen bedeutet nicht, dass alle Frauen, die sich so verhalten, auch in einem moralischen Sinne schuldig sind. Möglicherweise haben sie ja gute Gründe, die ihr Verhalten rechtfertigen. Oder sie befinden sich in einer Situation, in der sie keine andere Möglichkeiten haben. Oder sie haben noch nie über das Thema nachgedacht. Es gibt hundert Gründe, die ihr Verhalten erklären, viele davon sind struktureller Natur und damit in der Logik individueller Schuld nicht hinreichend zu erfassen.
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Feminismus ist jedenfalls umso wirkungsvoller und interessanter, je mehr wir uns nicht in einer Politik der Forderungen verlaufen, sondern uns selbst und andere Frauen dazu anregen, etwas Sinnvolles zu tun. Wenn wir Praktiken erfinden, die uns (und vielleicht auch anderen) dabei helfen, angesichts der Verhältnisse verantwortlich zu handeln und uns für das einsetzen, was wir für richtig halten. Zum Beispiel indem wir uns darüber austauschen, welches Handeln Erfolg hat und was nicht und so weiter. Indem wir also gerade nicht moralische Anforderungen an uns selbst oder gar an andere Frauen stellen, sondern durch eine realistische Betrachtungsweise die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass jede im Rahmen ihrer Möglichkeiten tut, was sie kann. Dafür ist es ja gerade nötig, dass wir ernst nehmen, was Frauen daran hindert. Und es ist unabdingbar, nicht ständig in jedem Vorschlag zum politischen Handeln gleich einen moralischen Druck zu sehen, was natürlich nur zu reflexhafter Ablehnung führt (in der Regel eine Begleiterscheinung von schlechtem Gewissen). Es geht im Feminismus darum, Wege zu finden, wie wir die Möglichkeiten und Handlungsoptionen von Frauen erweitern können. Moral hilft uns dabei nicht, aber Realismus.
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Für die Sprachnerds unter der geschätzten Leserschaft: Katrin Scheib über die armenische Schrift (sie war gerade eine Zeit lang in Armenien).
“Ceci n’est pas un U”.
Im Gegensatz zum Georgischen, das aussieht wie eine ausgeschüttete Tüte Erdnussflips, besteht das Armenische in großen Teilen aus Us, Us mit kleinen Schwänzchen und U-Bögen, die jemand gekippt, gedreht oder vervielfacht hat. Was kein U ist, erinnert gerne mal an lateinische Schrift oder auch ans Kyrillische, aber das heißt nichts.
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Wie geht’s eigentlich einer Dicken, nachdem sie dünn geworden ist?
Traurig und ein wenig gruslig: Dünnsein macht nicht glücklich.
“The ‘After’ Myth”.
Truthfully, I have no idea who I am without “needs to lose weight” being one of the primary parts of my identity.
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Losing weight does not mean you no longer struggle with your weight; I wish I had truly understood that. I still struggle with food. I still struggle with me.
via @midoridu