Archiv für Oktober 2018

Journal Donnerstag, 18. Oktober 2018 – Leberknödelpremiere

Freitag, 19. Oktober 2018

Noch vor dem Weckerklingeln um 5:15 Uhr aufgewacht1, Milchkaffe und dann eine großartige Runde Krafttraining mit Hanteln. Ich bin fast wieder fit genug für Liegestütz auf Füßen (statt Knien).

Mit dem Fahrrad in die Arbeit, weil ich eventuell den Ernteanteil abholen sollte. Es stellte sich aber heraus, dass Herr Kaltmamsell Zeit fand.

Die drei reifen Kaki, die ich mir zur Brotzeit mitgenommen hatte (zwei für gestern mit Schafskäse, eine für Freitag), waren selbst bei vorsichtigstem Transport Mus geworden. Es gab also eine große Schüssel Kakimatsch mit Schafskäse-Topping.

Nach Feierabend Einkaufen bei Basitsch. Nachdem Supermarktbetreiber auf die spätsommerlichen Temperaturen keine Rücksicht nehmen können, stand überall schon Adventsware; ich nahm verschiedene Dominosteine mit.

Zum Abendessen gab es neben Ernteanteilsalat zum ersten Mal in diesen Haushalt Leberknödel, nämlich die, die uns am Samstag die Metzgerin am Konradhofstand zu unseren Einkäufen geschenkt hatte – in einer Rinderbrühe vom Herrmannsdorfer, die ich im Kühlregal gefunden hatte und die so gehaltvoll war, dass ich sie aus dem Glas löffeln musste – sie war selbst bei Zimmertemperatur geliert. Die Leberknödel schmeckten hervorragend, waren uns aber deutlich zu fest (deutet auf geringen Brotanteil hin).

§

Vielleicht wundert sich die eine oder der andere, warum ich die Produkte, Firmen, Dienstleistungen, die ich hier erwähne, nicht als “Werbung, unbezahlt” oder ähnlich markiere, wie es viele Blogs seit Monaten zur Sicherheit tun. Erklärung: Hier findet nie, nie etwas Bezahltes (ob in Geld oder Ware) statt, es gibt auch keine Affiliate Links, dies ist ein komplett nicht-gewerbliches Blog. Selbst das (reichlich absurde) Urteil des Landgerichts Berlin, das dieses Sicherheitsbedürfnis in Blogs ausgelöst hat, besagt, “dass die Kennzeichnung auch bei selbstgekauften Produkten notwendig ist, wenn ein Account bereits für Werbezwecke verwendet wurde”. Wurde dieser nie, wie praktisch.

Auf Basic Thinking erklärt Anwalt Boris Burow im Interview
“Kennzeichnung von Werbung im Social Web: So sieht die Rechtslage aus”.

via Newsletter von @franziskript

§

Lassen Sie uns über Literatur sprechen. Selim Özdoğan beschreibt
“Sieben Schwierigkeiten und einer der immer schmaler werdenden Pfade”.

2.5

Wir beanspruchen die Deutungshoheit darüber, wer die Sprache beherrscht. Alle anderen Sprachformen neben der Normsprache werden herabgestuft.
Sprache dient als Herrschaftsinstrument.

Wir bejammern die Verrohung der Sprache, die Anglizismen, die fehlenden Artikel, die Verkürzungen, die Auslassungen, die Vulgarität, die Unfähigkeit, einen geraden Satz zu bilden, der womöglich auch noch mehrere Nebensätze hat.

Wir übersehen dabei, dass Texte über literarische Qualitäten verfügen können, auch wenn sie von Menschen geschrieben wurden, deren Sprache nicht Normdeutsch ist.

(…)

2.7

Ohne die Eintrittskarte Normdeutsch kommst du nicht rein. Egal, wie viel du von Dramaturgie verstehst, von Dramatisierung, von Metaphern, vom glaubhaften Abbilden von Innenwelten, von Spannung, von Tragik, von Komik, von Psychologie, von Figurenführung, von Aufbau, von Komposition, von Mehrdimensionalität von Texten.

Doch nicht nur über Sprache, auch über Pförtner, Institutionen, Personal macht sich Selim Özdoğan Gedanken, auch über Authentizität:

6.4

Ich haue gerne jedem aufs Maul, der nochmal was von authentisch faselt, wenn er einen Roman bespricht, in dem Menschen vorkommen, mit denen er nie redet.

via @vonhorst

§

Das Vereinigte Königreich möchte bitte gerne auch aus der Europäischen Menschenrechtskonvention austreten. Aus der Perspektive der Briten verständlich, denn
“What has the ECHR ever done for us?”

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/ptfmAY6M6aA

  1. Hätte das ein Trigger Warning gebraucht? Ach was, Sie kennen mich lang genug. []

Journal Mittwoch, 17. Oktober 2018 – Neue Pokémon, Schneiderin, Pizza

Donnerstag, 18. Oktober 2018

Gestern wiederum wäre die Möglichkeit zum Ausschlafen recht gewesen: Der Wecker riss mich aus tiefsten Tiefen, ich war erstmal desorientiert.

Auf dem Weg in die Arbeit gab es neue Pokémon zu fangen, das war nett.

Goldenes Leuchten während des Arbeitstags.

Auf dem Heimweg brachte ich eine neue Manomama-Jeans zur Änderungsschneiderin, damit sie diese in mein Hohlkreuz schneidert.

Zum Abendessen hatten wir frei: Der Ernteanteil ist restlos aufgebraucht. Es gab Pizza bei Viva Maria. Offensichtlich hat der Pächter gewechselt (neue Karte, neue Musik, neues Personal), doch auch die neue Käsepizza schmeckte mir gut.

§

Margarete Stokowski beim Spiegel:
“Männliche Paranoia
Gruselige Zeiten – für wen?”

Es ist zynisch. Ich bekomme die meisten Gewalt- oder Morddrohungen, wenn ich über Gewalt gegen Frauen schreibe. Es reicht, die Kriminalstatistik zu zitieren, laut der in Deutschland jeden dritten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet wird, oder darauf hinzuweisen, dass auch deutsche Männer gelegentlich Frauen belästigen, und schon schreibt irgendeine verlorene Seele: “Ihr Zecken werdet bald brennen. Du Hure. Du verdammtes Stück Dreck bist bald fällig”, und: “Du Schlampe gehörst erschossen. Kriegst du nicht genug Schwänze oder was ist los?”

(…)

Es sitzen so viele inkompetente Männer auf irgendwelchen Posten – wenn es ein wirksames Mittel wäre, ihnen wahllos Belästigung vorzuwerfen, um sie loszuwerden, hätte sich das unter Frauen längst rumgesprochen. Trotzdem hält sich der Mythos der Bedrohung für Männer beharrlich – egal, wie viele Statistiken dagegensprechen. Die “Süddeutsche” hat gerade wieder erklärt, “dass es für Männer wahrscheinlicher ist, selbst Opfer einer Vergewaltigung zu werden als fälschlicherweise einer Vergewaltigung beschuldigt zu werden”.

§

Es soll ja Ausbilderinnen geben, die ihre Auszubildenden darauf hinweisen, in Wirklichkeit seien sie dazu da, damit die Ausbilderin etwas lernt. Und ich bitte Herrn Kaltmamsell hin und wieder, sich zu bestimmten Themen etwas von seinen Schülerinnen und Schülern beibringen zu lassen. Deshalb las ich besonders interessiert:
“Dozenten und Professoren erzählen, was sie von ihren Studierenden gelernt haben”.

§

Seyda Kurt schreibt über
“Vertragsarbeiter*innen in der DDR: ‘Heute können sie keine Kinder mehr kriegen, weil sie kaputt sind'”.

Isolation, rassistische Gewalt, Abtreibungszwang − das erlebten Vertragsarbeiter*innen in der DDR. Rund 60.000 von ihnen kamen aus Vietnam. Drei Zeitzeug*innen erzählen uns ihre Geschichte.

(…)

Am Tag nach der Maueröffnung sei Tuans Mutter zur Arbeit gegangen, am Eingang der Fabrik habe ihr ein Schild mitgeteilt: geschlossen. „Wir Vietnamesen wurden nie aufgeklärt, was überhaupt passiert war. Wir haben die Wende nicht mitbekommen“, sagt er. Die meisten Verträge waren nun ungültig, knapp 80 Prozent der Vertragsarbeiter*innen standen ohne Arbeit auf der Straße. Bis zur Klärung des Aufenthaltes 1997 war Berlin für sie noch eine geteilte Stadt, im Pass stand: „Gewerbe und Erwerbstätigkeit nicht gestattet, außer im Beitrittsgebiet.“

§

Den Anthropologie-Professor David Graeber habe ich schon mal mit seiner Beobachtung zitiert, dass der Kapitalismus immer mehr überflüssige Jobs produziert. Das hat er mittlerweile in einem Buch ausgeführt, hier ein Interview darüber:
“Imagining a world with no bullshit jobs”.

You make a distinction between bullshit jobs and shit jobs in your book. Can you talk a little bit about the distinction between the two?

Well it’s fairly straightforward: shit jobs are just bad jobs. Ones you’d never want to have. Back-breaking, underpaid, unappreciated, people who are treated without dignity and respect… The thing is for the most part, shit jobs aren’t bullshit, in the sense of pointless, nonsensical, because actually they usually involve doing something that genuinely needs to be done: driving people around, building things, taking care of people, cleaning up after them…

Bullshit jobs are most often paid quite well, involve nice benefit packages, you’re treated like you’re important and actually are doing something that needs to be done — but in fact, you know you’re not. So in that way they’re typically opposites.

How many of these bullshit jobs do you think could be eliminated and what kind of impact could that have on society?

Well pretty much all of them — that’s kind of the whole point. Bullshit jobs are ones where the person doing them secretly believes that if the job (or even sometimes the entire industry) were to disappear, it would make no difference — or perhaps, as in the case of say telemarketers, lobbyists, or many corporate law firms, the world would be a better place.

And that’s not all: think of all the people doing real work in support of bullshit jobs, cleaning their office buildings, doing security or pest control for them, looking after the psychological and social damage done to human beings by people all working too hard on nothing. I’m sure we could easily eliminate half the work we’re doing and that would have major positive effects on everything from art and culture to climate change.

(…)

Nowadays the vast majority of corporate profits don’t come from making or selling things but from “finance”, which is a euphemism for other peoples’ debts — charging rents and fees and interest and whatnot. It’s feudalism in the classic definition, “direct juro-political extraction” as they sometimes put it.

This also means the role of government is very different: in classic capitalism it just protects your property and maybe polices the labor force so they don’t get too difficult, but in financial capitalism, you’re extracting your profits through the legal system, so the rules and regulations are absolutely crucial, you basically need the government to back you up as you shake people down for their debts.

1000 Fragen 321-340

Mittwoch, 17. Oktober 2018

321. Was gibt dem Leben Sinn?
Was auch immer man sich zu diesem Zweck hindefiniert.

322. Was hättest du gern frühzeitiger gewusst?
Dass es Journalistikschulen gibt.

323. Wie alt fühlst du dich?
Ende 50.

324. Was siehst du, wenn du in den Spiegel schaust?
Mich.
(Das ist nicht g’schnappig gemeint: Ich höre von vielen alternden Frauen, dass sie sich im Spiegel nicht mehr erkennen, weil sie sich nicht so alt fühlen, wie sie darin aussehen. Ich hingegen habe Probleme, mich auf alten Fotos zu erkennen: SO jung habe ich mal ausgesehen?!)

325. Kannst du gut zuhören?
Wahrscheinlich nicht. Mir fällt jedesmal hinterher ein, wie ich besser hätte zuhören können.

326. Welche Frage wurde dir schon zu häufig gestellt?
“Und woher kommen Sie?”

327. Ist alles möglich?
Nein.

328. Hängst du an Traditionen?
Ja – aber was ich darunter verstehe, ist sehr persönlich.

329. Kennt jemand deine finstersten Gedanken?
Viele davon kennt Herr Kaltmamsell. Daher fürchte ich mich vor dem Moment, in dem er meine Selbstsicht doch übernimmt.

330. Wie sieht für dich der ideale Partner aus?
Das wusste ich erst, als ich ihn kennenlernte.

331. Wonach sehnst du dich?
MEI RUAH!

332. Bist du mutig?
Nein. Meine Impulsivität und meine Gehässigkeit werden gerne mal damit verwechselt, aber ich weiß es besser.

333. Gibt es für alles einen richtigen Ort und eine richtige Zeit?
Nein. Für manches ist nie der richtige Ort und die richtige Zeit.

334. Wofür bist du dir zu schade?
Mich wie ein Dienstmädchen behandeln zu lassen. (Es ist das Wie, nicht das Was.)

335. Könntest du ein Jahr ohne andere Menschen aushalten?
Wenn mir nichts anderes übrig bliebe, ja.

336. Wann warst du zuletzt stolz auf dich?
Als ich auf “London? Mindestens dreimal im Jahr für ein paar Tage! Da ist man ja schnell hingeflogen!” nicht auf Klimawandel und CO2-Bilanz hinwies, weil der sich wieder anbahnende Kontakt wichtiger war.

337. Bist du noch die Gleiche wie früher?
Leider zu sehr.

338. Warum hast du dich für die Arbeit entschieden, die du jetzt machst?
Weil sie mir ein materiell angenehmes Leben zahlt und mich mit interessanten Einblicken versorgt, ohne dass ich zu viel von mir hergeben muss.

339. Welche schlechte Angewohnheit hast du?
Ich fiesle Nagelhaut, bohre Nase, verwende Süßstoff, belehre andere ungefragt, spreche zu laut, mache unpassende Witze, achte zu wenig auf die Befindlichkeiten von anderen, rege mich unangemessen auf, nehme in der Arbeit oft Abkürzungen, repariere Kaputtes nicht… das sind nur die, die mir in 30 Sekunden einfallen.

340. Verfolgst du deinen eigenen Weg?
Ich kenne niemanden mit genau demselben, also vermutlich schon.

Quelle: Flow-Magazin.

Zu den Fragen 301-320.
Zu den Fragen 341-360.

Journal Dienstag, 16. Oktober 2018 – Spontan frei

Mittwoch, 17. Oktober 2018

Ausschlafen klappte so lala, aber ich blieb bis sieben liegen.

Bloggen und Wahlanalysen lesen zum Morgenkaffee. Auch die Kommentare der Süddeutschen kamen zu dem Schluss, dass sich trotz der großen Stimmenverschiebungen wohl nichts ändern wird. Die CSU hatte sich ja gleich am Montag hinter Seehofer und Söder gestellt und damit geschlossen gestanden, dass ihr nichts Besseres einfällt. Hängen blieb mir in der SZ-Einordnung die Kurzcharakterisierung der Freien Wähler: CSU ohne die Gaudi.

Schlimme Nachrichten über eine langjährige Blogbekanntschaft. Im Hintergrund formierte sich umgehend Unterstützung, auch wenn sie im Moment nur in sehr kleinem Maß möglich ist. (DAS ist nämlich mein Internet.)

Draußen startete ein weiterer Oktobersommertag. Ich wusch Bettwäsche und Handtücher, nachdem die zweiten Maschine im Trockner steckte oder über dem Wäscheständer hängte, radelte ich nach Thalkirchen zu einem sensationell wunderschönen Isarlauf. Auf der Hinfahrt stieg ich mehrfach ab, um Ansichten zu fotografieren.

Laufen ging gut und unangestrengt – beruhigend, da mich nächtliches Wadenzwicken Krämpfe befürchten hatte lassen. Ich schoss viele Fotos als Wintervorrat.

Angler auf der Suche nach der Isar – ich kann mich nicht erinnern, die Isar je mit so wenig Wasser gesehen zu haben.

Auf dem Heimweg Frühstückssemmeln geholt, daheim gefrühstückt, Zeitung gelesen.

Nachmittags war ich zum Eisessen verabredet, im legendären Sarcletti in Neuhausen. An der Eistheke standen Schlangen, die Außenplätze des Cafés waren voll belegt. Ich aß gemischtes Eis mit Sahne und ließ mir einen Nordspanien- und Portugalurlaub erzählen.

Wenn ich schon mal in der Gegend war, kaufte ich gleich noch ein bisschen Wein im Broeding: Gut Oggau Atanasius, Grassl St. Laurent Reserve, Tement Sauvignon Blanc. Mit schwerem Rucksack radelte ich in beginnender Dämmerung heim. Kurzärmlig.

Zum Abendessen hatte Herr Kaltmamsell einen halben Krautkopf aus Ernteanteil mit Salsicce und Ernteanteil-Chili gebraten, sehr zufriedenstellend.

Journal Montag, 15. Oktober 2018 – Wahlnacharbeit

Dienstag, 16. Oktober 2018

Ich hätte mir durchaus ein Viertelstündchen mehr Schlaf als sonst gegönnt, wachte aber kurz vor sechs auf. Hinter den Augen die Ahnung einer angriffsbereiten Migräne, die auch meinen müden Arbeitstag über blieb (es war SO klug gewesen, Sonntagnacht auf einen alkoholischen Absacker zu verzichten).

Anke Gröner hat ausführlich über den Wahltag und die Wahlnacht gebloggt; da sie ebenfalls Schriftführerin war, decken sich viele Erlebnisse mit meinen (nur dass ich zum Glück in einem Gymnasium mit Erwachsenen-kompatiblen Stühlen eingesetzt war). Aus Ankes Wahllokal hat auch der mdr berichtet, ein sehr nettes Stück.

Den Wahlabend vom Sonntag holte ich Montag auf Twitter nach.

Wo ich wohne, Stimmkreis München-Mitte:

Quelle

In meinem Stimmbezirk 204 haben die CSU (16,2) und die AfD (3,2) laut Süddeutsche vom Dienstag den niedrigsten Anteil von ganz München geholt.
“München, die grüne Weltstadt”.

Hier kommen Bewohnerinnen und Bewohner des Glockenbachviertels zu Wort, das schon ein bissl Prenzlauer Berg von München ist. Doch mein Stimmbezirk 204 ist Ludwigvorstadt-Isarvorstadt/Schwanthalerhöhe – nicht nur die wahrscheinlich diverseste Gegend Münchens (Landwehrstraße!), sondern auch die, in der Tagelöhner aus Osteuropa an den Straßenecken stehen und in den Parks übernachten, in der nachts jede Nische der Geschäftseingänge von Obdachlosen bewohnt wird, in der es drei Flüchtlingswohnheime gibt, in der man den Sommeranfang nicht an Temperaturen erkennt, sondern an der Ankunft der Gesundheits- und sonstigen Touristen aus dem arabischen Raum. Ich habe diese Gegend, in der ich so gerne wohne, schon oft als das Glascherbenviertel der Innenstadt bezeichnet gehört und gelesen. So. Und welche Anliegen ergeben sich für uns Anwohnerinnen und Anwohner daraus? Ausländer raus, Grenzen dichtmachen, abschieben, Deutsche kauft deutsche Bananen? Nein: Wir wünschen uns eine konstruktive und menschenfreundliche Lösung der Probleme, die wir täglich sehen, und wir halten strukturelle Probleme in Bildung, Umwelt, Infrastruktur (Autos!), Umgang mit der Altersentwicklung für deutlich wichtiger.

Persönliche Diskussionen des Wahlergebnisses machten mich allerdings auch nachdenklich: Die Grünen werden aller Wahrscheinlichkeit nach ihren enormen Stimmenzuwachs von fast 9% nicht in Taten umsetzen können, weil sie nicht an der Regierung beteiligt sind. Also könnten die Grün-Wählerinnen und -Wähler in den nächsten Jahren den Eindruck bekommen, dass ihre Wahl nichts bewirkt hat, frustriert sein und sich wieder zurückziehen.

“Diese Wahl war eine der wichtigsten in der Geschichte der Bundesrepublik”, schreibt Politikchef Bernd Ulrich in der Zeit. Ich würde noch ein bisschen abwarten mit dieser Einordnung.

Von wegen nachholen: Nachholen werde ich den freien Tag/Sonntag: Gestern regelte ich alles so, dass ich Dienstag frei nehmen konnte (Ausschlafen! Isarlauf! Eisessen!).

Immer noch dumpf im Kopf spazierte ich nach Feierabend durch den nimmerendenden Oktobersommer nach Hause. Große Freude meiner inneren Achtjährigen, als aus der Feuerwache an der Heimeranstraße gerade ausgerückt wurde (FEUERWEHR!).

Versehensbild mal aus anderer Perspektive.

Zum Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell Pasta mit Salsicce-Soße, sehr gut, zum Nachtisch gab’s neues Erdnusseis, nämlich vom Berliner Hersteller Florida – gut!

§

Man muss auch mal loben: Seit Monaten wird mein Blog von PR-Agenturen und Firmen mit Kooperations-, Muster- und Werbeanfragen nahezu völlig in Ruhe gelassen. Gerade mal Angebote bezahlter Artikel kommen hin und wieder durch, aber das meist aus England – ich vermute Bots, die nicht wieder eingefangen wurden. Geht doch!

Journal Sonntag, 14. Oktober 2018 – Aufregender Wahlsonntag

Montag, 15. Oktober 2018

Früh aufgestanden, weil vor halb acht Antritt zum Wahlhelfen.

Als ich kurz vor eins meinen Platz für die Nachmittagsschicht räumte, standen Wahlwillige bis auf die Straße Schlange. Ich fand das Ganze wieder so aufregend, dass ich nicht mal mein mitgebrachtes Frühstück aß. Große Rührung darüber, wie sichtbar bunt und vielfältig mein Wahlbezirk ist.

Draußen herrlichster Oktobersommer, weiterhin Sandalenwetter

Gespräche unter den Wahlhelfenden: Außer mir gibt es durchaus noch andere wirklich freiwillige (also nicht öffentlicher Dienst und damit halb gedrängt, halb mit einem freien Tag geködert), deren Motivation lag ähnlich wie bei mir: Unsere Demokratie bewahren und schützen. München ist so gut versorgt mit Wahlhelfenden, dass die beiden Ausfälle vor ein paar Wochen für mein Einsatz-Wahllokal sofort nachbesetzt werden konnten, München ist nämlich nicht nur zu #ausgetzt so. Fei.

Herr Kaltmamsell hatte den erbetenen Sonntagsbraten zubereitet.

Fränkisches Schäuferl (in München gibt es Metzger, bei denen man diesen Schnitt bekommt), dazu seine ersten selbstgemachten Kartoffelknödel. Es war sehr gelungen und schmeckte großartig.

In einer Siesta holt ich ein wenig Schlaf nach, nach Lektüre der Sonntagszeitung und einem Stück Mohnzopf im sonnigen Wohnzimmer spazierte ich zurück ins Wahllokal zum Auszählen. Das wurde dann richtig, richtig anstrengend, vor allem für mich als Schriftführerin, und ich kam erst gegen Mitternacht ins Bett. Mein ursprünglicher Plan, den anschließenden Montag zum Ausschlafen frei zu nehmen, wäre eine gute Idee gewesen (es sprachen Arbeitsdinge dagegen, die ich immer noch automatisch priorisiere).

Journal Samstag, 13. Oktober 2018 – Oktobersommer mit Häuslichkeiten und Darmflora

Sonntag, 14. Oktober 2018

Wenn ich wie gestern erst um halb neun aufstehe, gerät mein ganzer Tag durcheinander. Die Zeitverschiebung hatte nicht nur mit spätem Zu-Bett-Gehen zu tun, sondern auch mit LWS-induzierten Beinschmerzen, die mich lange nicht einschlafen ließen.

Ich wollte Mohnrolle backen und Laufen gehen. Doch der Hefeteig zierte sich ein wenig mit dem Gehen, so wäre ich erst um 13 Uhr losgekommen – das war mir dann doch zu spät für meine Laufrunde, Spätsommersonne hin oder her, ich hatte ja auch noch Anderes vor an dem Tag (Einkaufen, Bügeln, Wahlschulungsunterlagen Durcharbeiten).

Ich stellte fest, dass der Kranzeinsatz für meine Springform weg war – in meinem Hinterkopf gibt es eine vage Erinnerung, dass ich etwas darin wohin mitgebracht und die Form mit einem “hole ich mir später” dort gelassen habe. Aber wo war das nur? Also formte ich statt einem Kranz einen Zopf, er wurde sehr gut.

Ich duschte mich ungelaufen und ging mit Herrn Kaltmamsell Einkaufen.

Die richtigen Sommerschuhe waren schon im Keller, also nur nackte Beine zum Tüftelimüftelirock. Wir gingen erst mal zum Klenzemarkt und holten Rindfleisch für den Abend. Am Stand des Konradhofs wurde ich ausführlich und freundlich beraten, so landete neben einem schönen durchwachsenen Stück Lende (mit Endstück als Dreingabe) und weißem Presssack auch ein Rehrücken in meinem Einkaufskorb (“Mögen Sie Wild? Ich hätte da was.”), eingeschweißt, weil das Wochenende schon durchgeplant war.

Über den PrinzregentenplatzGärtnerplatz zu Eataly für Schimmelkäse und Grana Padano, dann über den Jakobsplatz zum Biosupermarkt für Molkereiprodukte und ein wenig Obst.

Auf unserer Einkaufstour wurden wir so intensiv an Parteiständen angesprochen wie nie zuvor (SPD, mut, Grüne, FDP), ich wehrte mit “Zu spät” ab, denn meine Entscheidung steht.

Frühstück um drei mit Presssack, Semmeln, Mohnzopf, dazu auf Twitter die ersten Schritte auf der #unteilbar-Demo in Berlin mitverfolgt, an der letztendlich 250.000 Menschen teilnahmen – vielleicht gewinnt die Bösartigkeit doch nicht.

Bügeln zu Podcast. Ich suchte mir unter den Resonator-Podcasts der Helmholtz-Gemeinschaft was Hübsches aus: Holger Klein spricht mit Till Strowig, Leiter der Nachwuchsforschergruppe Mikrobielle Immunregulation am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, über
“Das Mikrobiom des Darms”.

Wie erwartet sehr spannend, was man alles über Bioorganismen in Darm und Restkörper weiß, was (noch) nicht, wie das Immunsystem eigentlich funktioniert, wo man die Ursachen für die Fehlfunktionen Autoimmun-Erkrankungen/Allergien vermutet. In diesem Forschungsbereich ist noch einiges zu erwarten, weil, wie Strowig erklärt, erst seit Kurzem die Technik effiziente und effektive Methoden ermöglicht.

Wie geplant die Unterlagen der Wahlhilfeschulung, zweimal 54 Seiten, gründlich durchgearbeitet (das ist diesmal doch ein wenig komplexer), Einmerkzettelchen verteilt – jetzt fühlte ich mich gerüstet für den Einsatz. In dieser Runde wird interessanterweise sehr ausführlich und praxisorientiert auf das Thema “Umgang mit Wählerinnen und Wählern mit Behinderung” eingegangen.

Abends holten wir das typische Freitagsnachtmahl nach:

Radicchio mit Balsamico-Thymian-Dressing und Schimmelkäse, Lende aus der Pfanne, im Glas ein Primitivo-Merlot, der schön passte.

Wenn Sie in Bayern wohnen und berechtigt sind: Bitte gehen Sie am heutigen Sonntag wählen.
(Mein Zweckpessimismus murkelt übrigens, dass die CSU besser als prognostiziert abschneiden wird, weil die treuen CSU-Wählerinnen und -Wähler ihrer Partei zwar in den Umfragen eines auf den Deckel geben wollten, sich tatsächlich aber ein Bayern mit weniger CSU nicht vorstellen können und ihr Kreuzel doch wieder am üblichen Ort machen.)

§

Endlich mal auch offiziell Stimmen aus dem Paparazziforum zu Wolfgang Herrndorf – bislang hatte ich das alles nur persönlich erzählt bekommen. Für mich waren die Pappen ja immer die Fortsetzung der Tante-Jolesch-Kaffeehauswelt mit anderen Mitteln. Und ich bin sehr überzeugt, dass sie einen Platz in der deutschsprachigen Literaturgeschichte haben.

“Wolfgang Herrndorf:
Die geheimnisvolle Kraft des Schwarms
GesprächMaik Novotny und Tex Rubinowitz”.

§

HAHAHAHAHA… Jaja, nicht lustig, ich weiß. Gnihihihi…
“Martin Sonneborn kommt als Stauffenberg zu Höcke-Lesung”.