Archiv für Oktober 2019

Journa Donnerstag, 3. Oktober 2019 – Sehr ruhiger Einheitstag

Freitag, 4. Oktober 2019

Ach weißt du, Körper… In der Nacht auf gestern musste er mich offensichtlich daran erinnern, dass er für Migräne nicht einen einzigen Tropfen Alkohol brauchte (der jüngste war Samstagabend ein Schluck Süßwein gewesen). Die immer übleren Kopfschmerzen der Nacht waren in den Morgenstunden dann doch eindeutig Migräne, zum Glück hatte ich rechtzeitig Medizin nachgekauft.

Entsprechend benommen war ich am Vormittag. Draußen schien die Sonne, doch beim Semmelholen stellte ich fest, dass es ganz schön kalt geworden war.

Ein ruhiger Feiertag (so entspannend für mich als Bayerin, wenn an einem Donnerstag auch der Rest der Republik Feiertag hat und ich kein schlechtes Gewissen zu haben brauche). Nachmittags ging ich ins Kino (City an der Sonnenstraße): Downton Abbey. Mei, der zu erwartende Kitsch halt. Der Versuch historischer Korrektheit der Ausstattung endete wieder viele Meter vor den Dialogen: von Vokabular über Aussprache bis Grammatik astreines 21. Jahrhundert. Dafür SO schöne Kleider und Hüte!

Damit sich der Tag ein wenig genutzt anfühlte, bügelte ich ein Stündchen, mehr brauchte es nach zwei Wochen nicht – sicheres Zeichen, dass der Sommer zu Ende ist.

Für das Abendessen sorgte ich, es gab Ofengemüse mit Bulgur (war noch da, also hatte ich kein Coucous gekauft). Harissa war keines mehr im Haus, aber da wir reichlich getrocknete Chilis hatten, machte ich selbst eines.

Abendunterhaltung war die jüngste Folge Anstalt zum Thema Klimapolitik der Bundesregierung, diemal wieder eher deprimierend als amüsant – die Komik musste schon als nahezu unabhängige Ebene mit Grimassen und Wortspielen drübergelegt werden.

Vor dem Schlafengehen wieder brav in die Wanne. Seit dem jüngsten Anfassen rumpelt es immer wieder in der Hüfte, ich nehme das selbstverständlich als positives Zeichen.

Journal Mittwoch, 2. Oktober 2019 – Regen und Schokokuchen

Donnerstag, 3. Oktober 2019

Mittelgute Nacht. Das Wetter war umgeschlagen und düster. Auf meinem Weg in die Arbeit begann es zu regnen, ich wurde feucht.

Arbeit in der Arbeit. Für die langen und oft sehr fundierten Diskussionen zur Interpretation wichtiger E-Mails konnte mich selbst mein Literaturstudium nur unzureichend schulen: Es hätte zusätzlich ein Psychologie-, Soziologie- und Marketing-Studium gebraucht.

Viele Schmerzen in der Arbeit (Hüfte runter zum Knöchel in jeder Haltung) trotz Beinaushängen, ich hatte bereits Visionen davon, mittags für ein entspannendes Vollbad heim zu fahren. Das Aua wurde erst gelindert, als ich meinem Bedürfnis nach Brustmuskeldehnung nachgab (Sie erinnern sich: Ich versuche zum ersten Mal im Leben auf meinen Körper zu hören) und die Arme angewinkelt nach hinten drückte: Da krachte es im Brustkorb und mein Bein schmerzte deutlich weniger. Ich kann mittlerweile verstehen, wenn Menschen mit orthopädischen Problemen zu Esoterik neigen: Der Schritt von “Der Arzt hat an meinem Kopf geruckelt, dann tat mein Knie nicht mehr weh” (Erlebnis meiner Mutter) zu Wasseradern unterm Bett ist kein großer.

Ich nutzte eine Regenpause, um Feierabend zu machen und zum Vollcorner zu radeln; dummerweise begann es ein paar hundert Meter vorm Laden heftig zu regnen. Mit eingepackten Einkäufen wartete ich ab, ob der Regen schwächer würde (Blick auf das Regal mit Flyern, u.a. zu den Strahlen-Gefahren von WLAN in Schulen – ich halte die Gefahren mangelnder Physik-Grundkenntnisse für gravierender), doch der Himmel sah nach allen Seiten bis zum Horizont dunkelgrau aus. Na, dann würde ich halt nass.

Slalom durch Oktoberfest-Cosplayer unter Schirmen oder Plastikmänteln. Daheim stieg ich erst mal aus der nassen Kleidung (hätte schlimmer kommen können, die Unterwäsche war trocken geblieben) und versorgte sie.

Print is nämlich keineswegs dead.

Herr Kaltmamsell war aushäusig, ich läutete das lange Wochenende (morgen Nationalfeiertag, Freitag St. Brück) in der Küche ein und buk einen seit Wochen offenen Tab weg: Saftiger Schokoladenkuchen.
Klappte problemlos, während der Backzeit (eher 35-40 Minuten, nach 30 Minuten wabbelte er noch flüssig) erledigte ich Pediküre.

Zum Abendessen machte ich mir aus gefrorenem Rahmspinat und Ernteanteil-Pak Choi eine Suppe mit zwei darin verlorenen Eiern. Nachtisch war dann der Schokoladenkuchen: Sehr gut.

Auf die Hausaufgabe Vollbad hatte ich überhaupt keine Lust und begann zu verstehen, wie sich der sprichwörtliche innere Schweinehund für Menschen anfühlt, die keine Lust auf Sport haben: Man weiß, dass es gut tut und es einem danach besser gehen wird, doch die Überwindung scheint riesig. Natürlich war ich brav und legte mich ins heiße Wasser.

Anschließende Dehnversuche wieder eher schmerzhaft als angenehm. Im Bett las ich ins nächste Buch: Friedrich Ani, Süden und das heimliche Leben.

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Schickes aus der Forschung: Woher kam die Pest?
“Alte Genome geben Einblick in die genetische Geschichte der zweiten Pestpandemie”.

Da nur wenige Daten zu frühen Ausbrüchen der Pest vorliegen und ein Mangel an veröffentlichten genetischen Daten historischer Pestgenome besteht, ist trotz der Allgegenwart des Schwarzen Todes in historischen Texten und im allgemeinen Bewusstsein nicht klar, von wo und über welche Route das Y. pestis-Bakterium zu dieser Zeit nach Europa gelangte und wie es sich über den Kontinent ausbreitete. In der aktuellen Studie rekonstruierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Pestgenom aus den Zähnen von 34 Pestopfern, darunter zwei aus Laishevo, in der Wolga-Region Russlands. Bei der Analyse dieser Pestgenome gelang es ihnen, einen Bakterienstamm zu identifizieren, von dem alle weiteren Bakterienstämme der zweiten Pandemie abstammen.

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Chinesische Küche aus ganz anderem Blickwinkel und im Gegensatz zur europäischen:
“The right way to order a Chinese meal: it’s all in the balance”.

via @vinoroma

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In der Süddeutschen anlässlich 30 Jahre Mauerfall ein Artikel über den damaligen Spiegel-Journalisten Ulrich Schwarz, der gegen viele Hindernisse und Widerstände dafür sorgte, dass der Westen von den Bürgerprotesten in der DDR erfuhr:
“Der Kronzeuge”.

Mutiger Journalismus wird immer wichtig bleiben.

Journal Dienstag, 1. Oktober 2019 – Verschiedene Wärme und Anfassen

Mittwoch, 2. Oktober 2019

Nochmal ein strahlender Tag, der fast bis zu Sommerwärme aufheizte.

Vor der Arbeit radelte ich bei der Praxis der Hausärztin vorbei, um ein Rezept für mein Migränemittel abzuholen.

Die Beschilderung ums Oktoberfest hat sich der Zeit angepasst (Foto vom Montagmorgen).

Emsiges bis gehetztes Arbeiten, denn ich hatte einen aushäusigen Nachmittagstermin. Mittags Pastareste vom Vorabend und eine weitere rote SPitzpaprika.

Der Nachmittagstermin war wieder bei Frau Physio in S-Bahn-Entfernung, beim Warten am Bahnhof Hirschgarten schwitzte ich in der Sonne auch ohne Jacke.

Eine Stunde Kneten, Drücken, Saugen, Lockern; ich bekam als Hausaufgabe abendliche Wannenbäder mit anschließendem gezielten Dehnen und Entspannung im Bett, weiterhin regelmäßges Beinaushängen an einer Stufe. Auch diese Anfasserin musste Geduld einfordern: Ein Zustand, der sich gemäß meiner Schilderung über Jahre entwickelt hatte, werde sich nicht innerhalb weniger Wochen umkehren lassen.

Im Büro nochmal Wegarbeiten von Zeitkritischem. Heimradeln in großem Bogen um die rechte belebte Theresienwiese.

Zum Abendessen ging ich mit Herrn Kaltmamsell Pizzaessen zum Italian Shot, wir konnten draußen sitzen.

Abendprogramm dann weisungsgemäß ein heißes Bad – das tatsächlich so schmerzbefreiend und entspannend war, dass ich mir wünschte, ich könnte so schlafen. Das Dehnen ging dann nicht so gut, ich werde mich wirklich sehr langsam vorarbeiten müssen.

Kent Haruf, Eventide ausgelesen, vorab schon mal große Empfehlung. Und ich freue mich auf ein Gespräch über die Erzählperspektive.

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“‘Arsenic and Old Lace’ and the Incomparable Comedic Talents of Cary Grant”.

via @Cynx

While Grant was often cast as someone who keeps cool no matter the situation, Arsenic and Old Lace takes the inverse position and reveals the chaos that can so quickly become unleashed in the right circumstances. This serves dual purposes by both showcasing Grant’s talent for absolutely bonkers comedic roles and utilizing a common conception of the Cary Grant brand to help us form an understanding of Mortimer as a character and his fears of his constructed persona failing.

Ich muss den Film unbedingt mal wieder sehen – nicht nur wegen Cary Grant, dem John Cleese hier offensichtlich seine besten Monty Python Moves abgeguckt hat, sondern auch wegen der hinreißenden Josephine Hull und Jean Adair, die die beiden tödlichen Tanten spielen.

Journal Montag, 30. September 2019 – Föhnsturm

Dienstag, 1. Oktober 2019

Beim morgendlichen Lüften brauste warme Luft durch die Fenster herein: ein Föhnsturm, der auch mein Radeln in die Arbeit sportlich machte (im nördlichen Rest der Republik war der Sturm so stark, dass er nicht nur einen Namen bekam – Mortimer -, sondern auch einigen Schaden anrichtete).

Morgens Anruf bei meiner Hausärztin, um mir ein Rezept für Nachschub Migränemedikament zurücklegen zu lassen. Emsige und sehr konzentrierte Arbeit. Mittags rote Sitzpaprika, Birne und Hefezopf. Die Arbeit hielt mich bis zu einem späten Feierabend am Schreibtisch. Meine Fußgänge dazwischen funktionierten enthusiasmierend schmerzarm.

Auf dem Heimweg Einkäufe auf der Theresienhöhe, ich kam gut am Oktoberfest vorbei.

Herr Kaltmamsell servierte zum Nachtmahl Rigatoni mit Vulkanspargel aus Ernteanteil, der diesmal sehr bitter schmeckte – ich mag das ja. Draußen dunkelpinker Föhn-Abendhimmel. Zum Nachtisch viel Schokolade.

Nach der Tagesschau schalteten wir den Fernsehen aus, ich wollte Kent Harufs Eventide weiterlesen.

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Ein weiterer Artikel über die zerstörerische Energie, die Frauen ins Ziel Dünnsein investieren, diesmal von der erfolgreichen Krimi-Autorin Laura Lippman:
“Whole 60”.

My daughter asks: “Is there a way to eat that makes a person lose weight?”

No, I tell her. Eat what you want when you want it and your body will figure out what it wants to be.

And then I leave the room and cry a little. I helped to do this. Although I never said the word “diet” in front of my daughter, never spoke about anyone’s weight, I did this to her. Kids don’t miss a trick and my daughter saw how I used to dress in the morning, how I turned to examine my profile, standing tall, sucking in my gut, smoothing the front of my pants or skirt. She noticed when I stopped eating bread the year she was 3.

via @fraeulein_tessa

Every girl remembers her first diet.

Ähm, nein. Ich war drei oder vier bei meiner ersten Diät, zu klein, als dass ich mich heute daran erinnern könnte.
Meine Mutter war knabenhaft schlank, war als Kind von ihrer feisten Mutter zum Essen gezwungen worden, schwor sich, dass sie als Mutter ihre Kinder nienienie zum Essen zwingen würde, wählte sich “Essen muss Spaß machen” als Erziehungs-Mantra – und war nun mit Mitte 20 gestraft mit einer Tochter, die nicht nur begeistert alles, sondern das auch noch begeistert in großen Mengen aß, die keineswegs anmutig und schlank geriet wie sie, sondern kräftig, rund und feist wie ihre Oma. Schon im Kindergarten begann der Kampf meiner Mutter Kampf gegen diesen Appetit, dieses Essen, diese Rundheit und diese Feistigkeit.

Diesen Kampf übernahm ich brav beim Erwachsenwerden und werde ihn sehr wahrscheinlich nicht mehr los bis in mein Grab. Weder den Endorphinschub, wenn ein schon mal enges Kleid fast schon zu locker sitzt (immer mit dem Tropfen Bitterkeit ums Wissen, wie vergänglich diese Form ist), noch die tödliche Scham, nicht mehr in das Lieblingsoberteil von vor 13 Jahren zu passen. Und er kostet so viel Kraft, dass ich wie Patricia schon lang über die Autosuggestion hinaus bin, in jeder Form schön zu sein, sondern einfach nur noch Body-Egalness ersehne.
(Was tatsächlich über die Jahrzehnte besser geworden ist: Ich esse was und so viel ich mag.)