Archiv für Juni 2022

Lieblingstweets Juni 2022

Donnerstag, 30. Juni 2022

Warum ich Twitter liebe, Folge unendlich:

Journal Mittwoch, 29. Juni 2022 – Fortgesetzte Corona-Trennung

Donnerstag, 30. Juni 2022

Recht gut geschlafen (ich erkenne eine Tendenz: die Hormonersatztherapie scheint wirklich anzuschlagen), zu einem kühlen, düsteren Morgen aufgewacht.

Herr Kaltmamsell erschien kurz darauf, Befinden weiterhin stabil.

Angenehmer Fußmarsch in die Arbeit. Honigduft der Lindenblüten um die Theresienwiese.

Spaß in der Arbeit mit Datenbanken. Und mit undurchschaubaren Arbeitsanweisungen – es sollte in jeder Abteilung jemanden geben, der oder die sich schriftlich klar ausdrücken kann. Aber so ist die Welt halt nicht.

Zu Mittag gab es Gurke, Apfelmus mit Sahnequark vermischt (sehr empfehlenswert, das weiß ich doch eigentlich), Banane – insgesamt ein bissl viel.

Über den Tag wurde das Wetter immer schöner und wärmer.

Nachmittags fühlte ich mich unfit, hatte es mich vielleicht doch schon erwischt? Eine richtige Erkältung hatte ich allerdings auch seit mindestens zweieinhalb Jahren nicht mehr.

Nach Feierabend über ein paar Lebensmitteleinkäufe nach Hause. Es war deutlich wärmer geworden. Daheim eine Runde Yoga.

Das Abendessen hatte Herr Kaltmamsell tagsüber gemacht (da er kaum unter körperlichen Symptomen leidet, hatten wir beschlossen, dass Ablenkung das Beste für ihn ist), er hatte schon länger einen meatless loaf geplant, also einen vegetarischen Hackbraten.

Hmja, eher auf der sehr klitschig-pompfigen Seite, kaum was zu beißen. Das Beißen holte ich mir durch den Ruccola-Salat, den ich dazu angemacht hatte. Auch den Nachtisch hatte Herr Kaltmamsell als Entertainment übernommen: Zitronenkuchen gebacken. Der schmeckte sehr gut. Schokonüsse gingen trotzdem noch, waren aber zu viel.
Nachtrag: Ich ließ mir von Herrn Kaltmamsell das Rezept zum Pompf geben, es ist der “Meatless meatloaf” hier unten – ich hätte nie gedacht, dass in dieser… hmmmm… homogenen Masse so viele tolle Zutaten stecken. Nicht nachmachen.

Abendunterhaltung: Einsames Lesen auf dem Balkon unter langsam dunkler werdendem Himmel.

Kommunikation mit Herrn Kaltmamsell in seinem Zimmer: Dringendstes sprechen wir mit beiderseitiger Maske durch Schlitz-weit geöffnete Tür, sonst mailen wir uns per Twitter-DM. Das ist nicht wirklich schön.

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Zusammenfassung in einem Twitter-Thread: Warum es ok ist, von der Corona-Impfung ernttäuscht zu sein. Warum sie trotzdem erheblich Schlimmeres vermieden hat.

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Wenn man zu viel Heidi-Klum-Show geguckt hat. Nachtrag: Jetzt mit Link zur Originalquelle, die ich vorgestern nicht finden konnte.

Journal Dienstag, 28. Juni 2022 – Dunkle Corona-Wolken

Mittwoch, 29. Juni 2022

Noch vor Weckerklingeln mit bedrücktem Herzen aufgewacht. Die nächtlichen Gewitter hatten die Temperaturen angenehm gesenkt.

Ich rechne fest damit, dass ich mich bei Herrn Kaltmamsell angesteckt habe. Bei einer durchschnittlichen Inkubationszeit von 5,8 Tagen müsste es ungefähr Samstag sein, bis der zweite Strich erscheint. Außer ich habe mich schon vorher im Masken-befreiten Österreich angesteckt (derzeit drei rote Risikobegegnungen in der App von den Bachmannpreistagen – was nur von erkrankten mitgereisten Deutschen verursacht worden sein kann, Österreich ist nicht an diesem Meldesystem beteiligt, anders als die Schweiz). Was insgesamt etwas vom Licht am Ende des Tunnels hat – dem eines herannahenden und unausweichlichen Zugs. Aber hey! Am Montag hatte sich für ein paar Stunden der sense of doom gelichtet, der seit zweieinhalb Jahren über mir hängt.

Als Herr Kaltmamsell aufstand, berichtete er von schlechter Nacht, Symptome sonst nur Husten und laufende Nase, leicht erhöhte Temperatur.

Im Büro hatte sich nach vier freien Tagen so viel angesammelt, dass es auch drei Wochen hätten sein können – ich weiß doch, dass eine Abwesenheit von mehr als zwei Arbeitstagen ebenso viel Vor- und Nachbereitung verursacht wie ein richtig langer Urlaub.

Erst nach neun kam ich dazu, nach Nachrichten des Covid-Patienten zu sehen (er langweilte sich).

Mittags huschte ich schnell raus in eine Apotheke, Ibu-Vorräte auffüllen: Seit ich weder Menstruation noch kaputte Hüfte habe, werden die Schmerzmittel bei uns schlecht (hurra!).

Zu Essen gab es Ernteanteil-Gurke, Pumpernickel mit Butter, Banane. Nachmittags ein großes Stück dunkle Schokolade (der das lange Rumliegen in der Schublade auch nicht gut getan hatte).

Nachmittags ackerte ich weiter, immer mit leichter Paranoia in mich und auf Corona-Symptome horchend. Beschwerliches Atmen? Knödel im Hals? Fix und Fertigkeit nach nur achteinhalb Stunden im Büro?

Zum Feierabend steckte ich meinen Arbeits-Laptop ein: Für den Fall einer Covid-Infektion ohne Beschwerden, damit ich von daheim arbeiten konnte.

Es war tagsüber bewölkt geblieben, hin und wieder gab es ein paar Regentropfen.

Ich schätze den Luxus, zu einem warmen Nachtmahl heimzukommen, ohnehin sehr. Bei krankem Koch fehlt das schmerzlich, gestern übernahm ich die Erstellung eines Ersatzes – samt Einkaufen der Zutaten, das sonst auch Herr Kaltmamsell erledigt. (Ich kann das klassische Hausfrauenmodell SO gut nachvollziehen! Also: aus Männerperspektive.)

Auf dem Heimweg also eingekauft, wie so ein Mann ohne Hausfrau daheim. Angeregnet worden – Schirm hatte ich einstecken, aber wie soll man den halten mit beiden Händen voll voller Einkaufstaschen? Wie MACHT Herr Kaltmamsell das bloß immer? (Sie sehen, ich steigere mich gerade in die Rolle des hilflosen Ehemanns rein.)

Zu Hause sah ich nach dem Patienten: Husten und laufende Nase, am meisten litt er jedoch an Langweile – ein gutes Zeichen.

Ich nahm mir erst Zeit für eine Runde Yoga (meine arthrotische Lendenwirbelsäule hakt und rumpelt derzeit wie ein defektes Mühlrad, ich möchte, dass das irgendwie aufhört), machte mich erst dann ans Kochen: Ofengemüse mit Couscous.

Nur halt mit Bulgur statt Couscous (es darf immer nur eines davon im Haus sein, sonst Muss-weg-Panik) und ohne Harissa-Dressing (ich wollte kein Harissa kaufen, weil der Rest der Tube doch bloß wieder vergammelt). Aubergine bleibt das beste am Ofengemüse, ich habe aber gelernt, dass sich das durch Erhöhung des Auberginen-Anteils keineswegs steigern lässt.

Nachtisch Kirschen und Süßigkeiten. Einsames Rumkruschen und Internetlesen.

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Fürs nächste Medientraining im Management zu empfehlen:
“Wie der britische Weselsky zum Social-Media-Star wurde”.

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Sie möchten in den nächsten Wochen (Monaten) per Flugzeug reisen? Hier unten kursiv 20 praktische Tipps von einer Profi, die ich nach den Geschichten und Bildern der vergangenen Wochen an Ihrer Stelle wirklich ernst nehmen würde.

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Dem Klang nach nehme ich an, dass der schon ziemlich alt ist – aber Pina Bausch würde vor Neid erblasst sein: iPhone-Töne als Dance Moves.

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Wenn das nicht hilft: Das hier rettete mich gestern – wie verschiedene Tiere kämpfen.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/xyv7xlCcSoU

Journal Montag, 27. Juni 2022 – Zwei Striche im Haus

Dienstag, 28. Juni 2022

Das war gestern ein recht breites Spektrum von Gefühlen.

Ich stand mit Herrn Kaltmamsell auf, setzte mich zum Morgenkaffee auf den Balkon in milde Luft und gratulierte mir zur ausgezeichneten Idee, den Montag nach Bachmannpreis frei zu nehmen.

Wie von der Gynäkologin mit Nachdruck empfohlen, messe ich seit Start der Hormonersatztherapie alle paar Tage meinen (vor ein paar Jahren als deutlich zu hoch diagnostizierten – erbliche Belastung – und medikamentös eingestellten) Blutdruck. Mit dem Ergebnis, dass er seit diesem Start zu niedrig ist. Gestern ergab die Messung den neuen Tiefstwert 90/61 – das könnte die aktuellen Schwindelphasen erklären, ich setze den Blutdrucksenker jetzt erst mal ab.

Herr Kaltmamsell verließ das Haus um acht in die Arbeit, eine Stunde später setzte ich mich an diesem herrlichen Sommermorgen aufs Rad und fuhr an die Isar zu einer Laufrunde. Wegen der weiteren Pläne für den Tag beschränkte ich mich auf 80 Minuten – und weil ich dann doch einsehen muss, dass mir deutlich längere Läufe nicht gut tun (immer Wadenschmerzen, die sich auf die Folgetage erstrecken). Keinerlei Beschwerden, nur ganz wenige andere Menschen, sommerlichstes Sommerlicht.

Beim Laufen verarbeitete ich die jüngsten Erlebnisse, fühlte mich heiter und gelassen, hatte so viele Ideen, dass ich sie als Sprachmemos aufnahm. Seltene Erfahrung, die ich umarmte und festhielt: Mir ging’s richtig und rundum gut.

Als ich beim Zurückkommen die Wohnungstür öffnete, stutzte ich: Sie war nicht verschlossen, hatte ich das vergessen? Die Erklärung: Herr Kaltmamsell war vorzeitig aus der Arbeit heimgekommen. Nachdem sein nahezu täglicher Selbsttest am Morgen daheim negativ gewesen war, hatte der in der Schule zwei Striche angezeigt. Zwei Mal.

Ich war natürlich erschrocken und besorgt, plante vernünftig mit Herrn Kaltmamsell die nächsten Schritte. Solange er noch keine Symptome hatte, würde er also zu Fuß zur nächsten PCR-Teststelle gehen, ich würde für den Putzmann einen Zettel an die dann geschlossene Tür von Herrn Kaltmamsells Zimmer hängen. Mein Tagesprogramm würde ich weiterverfolgen, da es mich ja aus der potenziell infektiösen Wohnung fern hielt. Selbst konnte ich selbst dann noch nicht infektiös sein, wenn Herr Kaltmamsell mich in der gemeinsamen Zeit seit dem Abend zuvor angesteckt hätte.

Nach einer kurzen Dusche packte ich wie geplant mein Badezeug vor, ging dann zum ersten Mammographie-Termin meines Lebens. Ich hatte ihn über Doctolib gebucht – und das System hatte mich seither insgesamt FÜNF Mal daran erinnert, davon einmal per SMS und viermal mit E-Mails des Betreffs “Wichtige Informationen zu Ihrem Termin”, die keinerlei Informationen enthielten, mich aber jedes Mal Buchstabe für Buchstabe der Mail danach suchen ließen. Das ist nicht gut gemacht.

In der Praxis gab es längere Wartezeiten (die gefasste Mitarbeiterin an der Theke entschuldigte das mit “Personalausfall” – genau die von Expert*innen prognostizierte Folge der politisch ignorierten, dennoch weiter grassierenden Corona-Pandemia), die Untersuchung selbst war ok: Ich war sehr angetan von der Angestellten, die alles daran genau erklärte und mit meinen Brüsten sowie dem dranhängenden nackten Körper sehr sorgsam umging. Wie erwartet kein Befund, ich war ja auch nur auf das Drängen meiner Gynäkologin hier, für mich gilt: Keine Beschwerden, keine Auffälligkeiten -> kein Arztbesuch. Ausnahme Dentalmedizin.

Auf dem Weg nach Hause besorgte ich endlich mal ein moderneres Fieberthermometer, in der Hoffnung, dass niemand im Hause Kaltmamsell es brauchen würde.

Draußen war es so heiß, dass sogar die Münchner*innen nur die Schattenseite der Sendlinger Straße nutzten.

Daheim gab ich das Fieberthermometer ab, schulterte meine Badesachen, dann radelte ich zum schönsten Freibad, das ich kenne: zum Naturbad Maria Einsiedel (oder laut Kindermund zum Einzelbad). Wo ich bereits deutlich länger als Corona nicht mehr gewesen war.

Zweimal ließ ich mich den Eiskanal runtertreiben (den ich deutlich kälter in Erinnerung hatte) – es war herrlich. Frühstück um halb drei: Ein Laugenzöpferl, Hüttenkäse. Dösen in der Sonne, Zeitunglesen, es war sehr schön.

Auf dem Heimweg kaufte ich im Supermarkt Lebensmittel ein, die Herr Kaltmamsell auf die Einkaufsliste geschrieben hatte – und was mir noch für eine eventuelle Doppelisolation einfiel (der Patient war immer noch symptomfrei, wir kommunizierten miteinander per Twitter-Direct Message).

Zu Hause ausgiebige Körperpflege, als Abendessen buk ich Kaiserschmarrn, servierte mit Zwetschgenkompott und mit Apfelmus. Die Portion für Herrn Kaltmamsell richtete ich auf unserem Tablett an (wir haben sogar eines!) und stellte sie ihm vors Zimmer.

Wäscheaufhängen, Kücheräumen, ich hatte sogar noch Platz für Nachtisch in Form von Kirschen.

Draußen hatte der Himmel zugezogen, als ich zu Bett ging, brach das bereits für nachmittags angekündigte Gewitter los.

Journal Sonntag, 26. Juni 2022 – Der Bachmannpreis, Heimfahrt

Montag, 27. Juni 2022

Früh aufgewacht, aber ausgeschlafen. Mir wurde bewusst, wie unglaublich ruhig die Wohnung war: Ich hörte keine Autos fahren und auch sonst nichts außer Vogelgezwitscher – in einem sehr zentral gelegenen Wohnblock.

Balkonaussicht der Ferienwohnung. Irgendjemand auf einem anderen Balkon hatte Fahrenheit aufgetragen, unverwechselbar seit 30 Jahren (ich vermisse in dieser Beschreibung die Note “Saunaaufguss”, die seinerzeit bewirkte, dass ich den Duft lange für ein medizinisches Mittel hielt). Später telefonierte eine sehr alte, weibliche Stimme weit weg so laut, dass es die Sonntagsruhe übertönte.

Die Preisverleihung begann erst um elf. Ich rollkofferte deutlich früher mit der Mitbewohnerin zum ORF-Garten, wir hatten nach Wohnungräumen und Aufteilen der Essensvorräte ja sonst nichts zu tun.

Das neue Verfahren zur Bestimmung der Preisträger*innen gefiel mir gut, auch wenn das frühere Durcheinander von Favoriten der Jury samt Begründungen etwas herrlich Klamaukiges hatte. Hier alle Gewinner und die Gewinnerin. Dass meine Favoritin Ana Marwan mit ihrem Text “Die Wechselkröte” (für mehr Tiere in Bachmannpreistexten!) den eigentlichen Bachmannpreis bekam, erfuhr ich allerdings erst im Zug: Ich hatte den ORF-Garten vorher verlassen müssen, um ihn zu erreichen. Davor noch Abschied von den Schlachtenbummler*innen, Spaziergang durch prügelndes Sonnenlicht.

Anstrengende Heimreise. Der IC-Zug Klagenfurt-Salzburg war pünktlich, aber ungekühlt (niemand außer mir trug Maske). Da mein reservierter Platz zudem auf der Sonnenseite lag, musste ich den Vorhang vors Fenster ziehen und bekam kaum Aussicht. Brotzeit um halb zwei: Äpfel, Körnersemmel mit einem Rest Liptauer, Aprikosen.
Die Regionalbahn ab Salzburg war zwar gekühlt, aber immer voller (ich war sehr froh über die Maskenpflicht, die auch durchgesetzt wurde). Eine Kontrolle der Bundespolizei hielt den Zug eine Weile in Freilassing fest, wenig später musste er nochmal anhalten wegen einer Baustelle.

Ich ließ mich von Wortspielen am Wegesrand unterhalten.

Und von Wandmalerei. Meine Reiselektüre war Colson Whitehead, The underground railroad, als E-Book besser transportabel als das Papierbuch The Drunken Botanist, das ich eigentlich gerade lese.

Den Hauptbahnhof München erreichten wir mit einer halben Stunde (in diesem Fall nenne auch ich das) Verspätung, nach sechs Stunden Fahrt war ich ziemlich durch. Herr Kaltmamsell holte mich ab, große Freude.

Während ich daheim den Koffer auspackte (gab es mal Zeiten, in denen ich das nicht sofort nach Heimkehr machte, machen wollte? ich erinnere mich nicht), bereitete Herr Kaltmamsell das Abendessen zu. Und die Drinks davor: Erdbeer-GinTonic.

Ich testete die Metall-Halme, die samt Reinigungsbürstchen zu den Geschenken für akkreditierte Bachmannpreisbeobachtende gehörten.

Herr Kaltmamsell hatte Pasta mit Fenchelbällchen (neues Rezept aus dem Guardian, Resultat ein wenig zu pomfig und zu weich) und Tomatensauce gemacht, servierte “unassembliert”.

Nachtisch Erdbeeren, Schokolade.

Der Sommertag endete in angenehmer Abendkühle, wir konnten bereits beim Zu-Bett-Gehen Fenster und Balkontüren öffnen.

Journal Samstag, 25. Juni 2022 – Bachmannpreislesen, Tag 3

Sonntag, 26. Juni 2022

Gute Nacht, in der es mit Regen sogar richtig abkühlte. Ausgeschlafen aufgewacht zu wolkenlos blauem Himmel.

Balkonkaffeesituation mit derzeit täglichem Coronatest.

Nach Fertigbloggen mit Morgenkaffee war noch reichlich Zeit für eine Runde Yoga, außerdem spazierte ich zu einem benachbarten Obst- und Gemüseladen (Ladeninhaber deutlich verschlafener als ich) und kaufte Aprikosen sowie eine rote Paprika, leider gab es keine Erdbeeren.

Dritter Lesetag mit unterhaltsamen Überraschungen.

Ich startete diesmal auf der anderen Seite der Jury, gestern war erstmals auch eine Schulklasse im Studio – allerdings nur für den ersten Text.

Leona Stahlmann las ihr “Dieses ganze vermeidbare Wunder” im Schneidersitz auf einem Podest und blieb auch den Rest der Stunde darin – deutlicher hätte sie ihre Jugend nicht betonen können (die älteren wissen, was ich meine). Erstmals dieses Jahr war die Klimakatastrophe Thema; vor diesem Hintergrund ging es ums Kinderkriegen – inklusive allen damit verbundenen Körperflüssigkeiten (überraschend dominantes Thema dieses Jahr) auch des Säuglings.

Delius ordnete den Text auch gleich als climate fiction ein, inklusive einer spekulativen Ebene, die viel Gestaltungsmöglichkeiten zulasse, sprach von einer “souveränen” Autorin. Tingler widersprach Letzterem umgehend, er habe ein “literarisches Äquivalent von fast fashion” gelesen, “Verkitschung der Natur”, “Kitsch der Körperlichkeit”. Auch sonst war sich die Jury sehr uneins: Dekorativ und ungenau (Wilke), Suche nach Stellungnahme zu Klimakrise mit ganz großem Pathos (Kastberger), starkes Motiv des Panta rhei (Kaiser), klare Struktur mit sechs Versuchen, einem Kind zu erklären, dass die Welt untergeht – das gehe nur mit Pathos (Wiederstein), Selbstkommentierung der kitschigen Passagen nicht konsequent (Schwens-Harrant), “moralistisch” (Tingler).

Der Text von Clemens Bruno Gatzmaga, “Schulze”, spielte in einer ganz anderen Welt, und zwar in der kleinen eines alten Managers, der morgens einen Tropfen Urin in seiner Unterhose entdeckt (Körperflüssigkeiten). Mir war beim Zuhören durchgehend unbehaglich, weil diese beschriebene Managerwelt pures Roman- und Fernsehklischee war ohne jedes Interesse daran, wie sie wirklich aussieht. Gleichzeitig war dieser Aspekt möglicherweise völlig unwichtig.

Wilke freute sich über das Auftauchen des Themas männlicher Wechseljahre, sah aber schon wieder eine Mutterfigur (Kaiser widersprach). Wiederstein erkannte das Motiv Kontrollverlust, hielt aber nicht allzu viel von dem Text: Er habe zwar Sympathie für das “arme Schwein”, doch der Text sei am Schluss zu stark auserzählt. Kastberger sprach von Originalität, wie so wenig Körperflüssigkeit eine ganze Welt einbrechen lassen konnte, Tingler hielt den Text dagegen für einen unoriginellen Urtyp der Parabel. Schwens-Harrant lobte den präzisen Bau des Textes, er täusche Einfachheit nur vor, Delius sah die Gegenwärtigkeit nicht genug ausgeführt. Dann ging es noch eine Weile darum, ob man für die Hauptfigur Sympathie aufbringen könne.

In der Pause spazierte ich diesmal durch die noch nicht zu heftige Sonne hinüber zum Lendhafen, wo man mir guten Cappuccino versprochen hatte – und wohin sowohl Lesungen als auch Diskussion auf Bildschirme übertragen werden.

Die Cappuccino-Seite (er war wirklich sehr gut).

Gegenüber die Zuguck-Seite.

Für die beiden letzten Texte am Nachmittag setzte ich mich wieder auf die Tribüne des ORF-Studios.

“Im Falle des Druckabfalls” von Juan S. Guse nannte gleich im ersten Satz den Namen seiner Protagonistin – der auch meiner ist, und zwar in exakt dieser in Deutschland unüblichen Aussprache. Das lenkte mich eine ganze Weile ab, bis zum Schluss zuckte ich bei jedem Auftauchen (zumal in seinem Vorstellungsfilm auch noch ganz konkret Kathrin Passig genannt worden war, fast hätte ich Angst bekommen). Die Andreas und Melanies dieser Welt kennen das vermutlich zur Genüge und haben sich daran gewöhnt, mir passierte das halt zum ersten Mal. Darf gern das letzte bleiben. (Wenn Sie das einrichten könnten, Herr Guse?)

Endlich eine gründlich nicht-realistische Geschichte, inklusive immer größeres Absurdität, ich fühlte mich trotz einiger sprachlicher Patzer sehr gut unterhalten. Originelles Detail: Guse tat so, als kommentiere er seinen eigene Text (mittendrin “hm, wäre wahrscheinlich ein besserer Titel gewesen”).

Die Jury freute sich erst Mal über den besten letzten Satz des Bewerbs, war sich weitgehend einig, dass auf solche Weise die Gegenwart wahrscheinlich am besten beschrieben werden kann (ich stimme zu und denke an diesen Aufsatz von Ursula Le Guin). Delius lobte die Kombination von Absurdem und formaler Struktur; der Text entwickle Tiefe, weil er an vielen konkreten Punkten ausweiche. Auch Tingler attestierte den Auslassungen eine Sogwirkung, auch wenn er die Sprache als ein wenig schlicht kritisierte. Wiederstein sprach sogar von einem “Heart of Darkness” im Taunus, er und Schwens-Harrant verfolgten eine Spur nach Klagenfurt.

Nochmal absurd und nicht-realistisch wurde es im letzten Text des Wettbewerbs: “Staublunge” von Elias Hirschl. Hier haben wir als Protagonistin (erst die Jury-Diskussion machte mir klar, dass es sich um eine Frau handelt) eine Text-Produzentin für Webseiten, als Welt die absurde von Internet-Start-ups, bis jenseits ihrer tatsächlichen Lächerlichkeit karikiert (nicht einfach).

Die Jury war wieder sehr angetan, auch wenn Tingler gleich mal mäkelte, der Text sei zu lang (aber das bereits selbst mit der Erklärung einleitete, dass die Länge den Vorgaben des Bachmannpreises geschuldet ist). Delius ergötzte sich an den “Kitschvokabeln der Gegenwärtigkeit” und dem lakonischen Tonfall, Kaiser am “herrlich apokalyptischen Endzeitszenario”. Wiederstein sah eine Szenerie zwischen Zombieapokalypse und Start-up-Kultur, für Schwens-Harrant führte nun dieser Text ins “Herz der Finsternis”. Joseph Conrad wurde erstaunlicherweise der am öftesten referenzierte Autor der Diskussionen, dafür tauchte kein einziges Mal Thomas Bernhard auf – vielleicht weil kein angemessen schlecht gelaunter Text dabei war, vielleicht aber ist der Bachmannpreis kaputt.

Zusammenfassende Einschätzung der Jury-Kommentare, in der Sitzreihenfolge:

  • Philipp Tingler: Meister des argumentativen Kunstgriffs strawman ad hominem, mit dem er gar nicht vorgebrachte Angriffe pariert, denen er als Motiv Ablehnung seiner Person unterstellt. Findet Konventionelles schlecht, lässt Originalität aber nicht als Qualitätskriterium gelten, setzt immer wieder zu Apodiktischem an – aber sein tatsächliches Wertsystem für die Einordnung literarischer Texte wurde mir bis zuletzt nicht klar.
  • Vea Kaiser: Argumentiert gerne auf ihrer Gefühlsebene (versucht aber durchaus, ihre emotionalen Reaktionen am Text zu rationalisieren), schreibt diese Gefühle auch Texten zu. Glanzlicht als Reaktion auf Widerspruch: “Dann haben Sie den Text nicht richtig gelesen.”
  • Michael Wiederstein: Statt Gesamteinordnung des Texts (meiner Erinnerung nach ergriff er nie das erste Wort nach dem Vorlesen) pickt er sich gerne Aspekte heraus und assoziiert zu ihnen, seine Statements klangen in ihrer Pointierung oft vorbereitet. Arbeitete aber auf diese Weise immer wieder vorher ungenannte Aspekte heraus.
  • Insa Wilke: Eine der drei Stimmen (neben Schwens-Harrant und Delius), die immer wieder gezielt Form und technische Mittel der Texte besprachen. Allerdings konnte ich ihr dabei oft nicht folgen. Ebenso wenig bei vielen ihrer Verweise auf politische und feministische Ebenen der Texte, die sie aus meiner Sicht eher extrinsisch als intrinsisch belegte. Sehr profitiert habe ich von Wilkes Einstiegen in die Diskussion nach dem Lesen, in denen sie gut nachvollziehbare Schwerpunkte setzte.
  • Brigitte Schwens-Harrant: Die zweite Stimme der Form. Ihre Technik-Analysen fand ich immer spannend, wünschte, sie hätte sich mehr Raum dafür genommen, gerade am Anfang der Diskussionen. Außerdem mochte ich ihre immer konstruktive Diskussionsweise. Verdutzt war ich aber mehrfach von ihren Verweisen auf angeblich hinter dem Text liegenden Motive wie “Bedrohung”.
  • Mara Delius: Hätte ich gerne viel ausführlicher gehört, denn alles was sie wohl formuliert zu den Texten äußerte, konnte ich nachvollziehen, sah ich angelegt in dem, was ich gehört hatte. Obwohl ich nur zu gut verstehen kann, dass man sich aus Sandförmchenwerfen auf Kindergartenebene raushalten möchte, wünschte ich, sie hätte sich mehr in den Zank geworfen, mit echten Argumenten halt.
  • Klaus Kastberger (dessen Nachnamen, wie ich gestern herausfand, tatsächlich auf der mittleren Silbe betont wird): Einer der Sandförmchenwerfer, was oft lustig, aber manchmal schade war, denn seine Lesart interessierte mich immer. Manchmal wünschte ich mir, er würde ruhiger argumentieren, denn es war klar, dass er sich beim Durcharbeiten der Texte vorher gut begründete Gedanken gemacht hatte – sie gingen in seiner Verve und seiner Streitlust leider oft unter.

Aber ja ist mir klar, dass die Jury-Diskussion auch eine Show ist, dass die Beteiligten nicht nur aufgrund ihrer Fachkenntnisse, sondern auch wegen ihrer Schlagfertigkeit und Formulierungsfreude ausgewählt werden. Doch für mich sind halt Glanzlichter, wenn sich mehr als die Summe der Einzelstimmen entwickelt, zum Beispiel in der Beobachtung in einer Diskussion: Wir sehen alle dieselben Dinge im Text, werten sie aber verschieden. Dieses Jahr häufigster Vorwurf an die Texte: Kitsch.

Weil am Samtag ein Text weniger als an den anderen beiden Tagen gelesen und diskutiert wird, kam ich eine Stunde früher in die Ferienwohnung und frühstückte schon um halb zwei: Apfel, ein Kanten Brot und! gute! Aprikosen! (Aus Italien, werde für meinen nächsten Aprikosenkauf in München zum Eataly gehen.) Wieder verschob ich die Zusammenfassung des Lesetags fürs Blog auf den Abend, sonnencremte mich und nahm ein Leihradl ins Strandbad.

Von den anderen Internet-Schlachtenbummlerinnen traf ich diesmal niemanden an (es stellte sich heraus, dass sie an der gestrigen CSD-Feier in Klagenfurt hängengeblieben waren) (Korrektur: ich hatte sie nur nicht gesehen), ich schwamm und sonnte abwechselnd.

Hin und wieder passiert von jungen Stockenten.

Zurückgeradelt in die Ferienwohnung, zum Abendessen gab es Tomaten, Käse, rote Paprika mit Liptauer, Aprikosen und weiße Mozartkugeln.

Nach Zusammenfassung des Lesetags spazierte ich nochmal raus, um ein wenig Zeit mit den Bachmannpreis-Internetmenschen zu verbinden.

Typo-Liebe Klagenfurt.

Ich traf sie im Augustin an (was mir ein vorher gepostetes Foto von einer verraten hatte); wir spazierten an den Lendhafen und saßen dort noch eine Weile in angenehm abgekühlter Sommernachtsluft über Kaltgetränken (ich schätze alkoholfreies Bier immer mehr), hin und wieder passiert von Autor*innen des Bewerbs.

§

Ein Artikel aus dem Jahr 2019 berichtet aus der Vergangenheit Rumäniens:
“What Actually Happens When a Country Bans Abortion”.

Opponents of the restrictive abortion laws currently being considered in the United States don’t need to look to fiction for admonitory examples of where these types of laws can lead. For decades, communist Romania was a real-life test case of what can happen when a country outlaws abortion entirely, and the results were devastating.

§

Und das ist nur der Anfang, in den Replies wird dann so richtig geblödelt.

Journal Freitag, 24. Juni 2022 – Bachmannpreislesen, Tag 2

Samstag, 25. Juni 2022

Tag der Akzente, Tag der Performances.

Ich ließ mir morgens mehr Zeit, und auch an diesem zweiten, schon früh heißen Lesetag war der Publikumsbereich im ORF-Studio nur locker besetzt.

Zwei meiner Fragen vom Donnerstag wurden durch die Lesungen des Vormittags beantwortet:
1. Wie lange wird es wohl dauern, bis Eingewanderte erster Generation in Klagenfurt mit anderen Themen als ihrem Eingewandertsein auftauchen?
Bis gestern, als Ana Marwan mit ihrem extremen slowenischen Akzent meinen bislangen Favoritentext vorlas: “Wechselkröte”.
2. Wird das seit zweieinhalb Jahren real dominierende Thema Corona in irgendeinem Text auftauchen?
Ja, nämlich in genau diesem Text, durch die Erwähnung einer FFP2-Maske und Nachdenken über die Frage, ob man noch ein Gesicht hat, wenn es keiner sieht.

Schon Marwans Vorstellungsfilm hatte den Ton gesetzt mit seinem wirklich witzigen Sarkasmus, jetzt hörten wir die Gedanken einer jungen Frau in einem abgelegenen Haus. Ich mochte die Beobachtungen, Reflexionen, das Changieren von Erlebtem und Ausgedachtem – auch die Sprache unter anderem wegen ihrer Austriazismen wir “Gelsen” und “Müllsackerl”. (Liebevolle Erinnerung an meinen Vater, der Bayrisch mit spanischem Akzent spricht. Wäre eine schöner Forschungsgegenstand: Der Einfluss des Lokalen auf Einwanderer- und Exilliteratur.)

Delius hatte ein feinsinniges Portrait einer Außenseiterin gelesen, sah das klassisch feministische Motiv einer Frau, die sich zurückzieht, um sich selbst denken hören zu können. Sie fand den zweiten Teil mit dem imaginierten Leben eines potenziellen Kinds allerdings weniger gut gearbeitet. Um diese verschiedenen Teile des Texts (manche sahen zwei, andere drei) und ihr Verhältnis zueinander drehte sich dann der Hauptteil der Jury-Diskussion: Für Kastberger erzeugten diese Teile Spannungen, Tingler sah sie disparat und unverbunden sowie mit Niveaugefälle, Wilke aber diagnostizierte eine “Sogwirkung”.

Als nächstes bekamen wir eine Art Text, der möglicherweise in Klagenfurt immer dabeisein muss: Einen Männertext, und zwar vom Berliner Behzad Karim Khani, “Vae victis”.

Gleich Insa Wilkes Eingangskommentar entsprach meiner Wahrnehmung: Die Geschichte aus der Perspektive eines Mannes, der seine Haft antritt, und seiner ersten Monate im Gefängnis, also eine “Knastgeschichte”, war ein Genrestück. Zwar assoziierte ich nicht wie sie TV-Serien (die kenne ich alle nicht), auch fand ich sie nicht wirklich “gut erzählt”. Aber sie verlief erwartbar, sobald man das Thema erkannte. Viele Jury-Mitglieder kritisierten, was auch mir sofort als Technikfehler aufgefallen war: Den Perspektivenwechsel (Gefängnischef, kleiner Bruder), der nicht zur sonst konsequenten Innensicht des Protagonisten passte.

Später glich ich mit der Mitbewohnerin unser Wissen über Gefängnisleben ab: Bei mir basierend auf der Besuch des Gefängnisses in Landsberg als Teil der Schöffenschulung samt Gesprächen mit dem dortigen Personal, bei ihr basierend auf Kursen, die sie eine Zeit lang für Inhaftierte gegeben hatte. Wir waren uns einig: Das tatsächliche Gefängnisleben mit seinem sozialen Geflecht hätte viel interessantere Episoden und Details geliefert als die Klischees in Khanis Text.

Die Jury hatte viel über die Glaubwürdigkeit des Texts gesprochen und hatte dabei unterschiedliche Ansichten – ich sah sie nicht.

Nochmal ein starker Akzent, der wie bei Marwan auf mich einen intensiven V-Effekt hatte: Usama Al Shahmani und sein “Porträt des Verschwindens”. Eine Kinderperspektive im Irak von 1979, dagegengeschnitten dieses Kind als Erwachsener im Exil – durchaus anregend anzuhören (mit schönen Helvitismen wie “Stube” für Wohnzimmer), aber halt nichts Neues.

Die Jury (Kastberger und Schwens-Harrant) lobte zunächst die Behandlung der Themen Heimat und Exil, auch die Kinderperspektive, doch Tingler ließ das platzen mit dem Hinweis, der Text habe “alles, was man erwarten würde”, er sei schlicht konventionell. Dem pflichteten Delius und Kaiser bei. Die Diskussion endete in Zank darüber, ob es für verschiedene Erzählkulturen verschiedene literarische Wertungssysteme geben könne – der genau in dem Moment ausbrach, als Moderator Christian Ankowitsch zum Abmoderieren ansetzte; er tat es dann halt über den Zank hinweg, ein zauberhafter Moment.

In der Mittagspause hatte ich wieder keinen Appetit, holte mir nur einen schlechten Cappuccino (bekam aber einen guten Tipp für Samstag). Im Studio war es angenehm kühl im Gegensatz zum heißen Garten, nicht nur deshalb setzte ich mich für den Nachmittag wieder hinein.

Barbara Zeman las “Sand”, der fast komplett an mir vorbei ging – das mag aber durchaus an meiner (irrationalen) Aversion gegen solche zarten Empfindlichkeitspflänzchen liegen, wie es hier im Mittelpunkt der Venedig-Geschichte (also auch Genre) steht und deren Empfindsamkeit ich als tyrannisch empfinde (ich muss an Friedrich Torbergs Begriff “Filigrantrampel” denken).

Denn im Gegensatz zu mir war die Jury ausgesprochen angetan, sah Zeichen und Symbole (Kaiser), einen Reichtum an literarischen Referenzen, dramaturgische Spannung (Kastberger), eine ganze feministische Geschichte (Wilke – die gestern nicht nur in diesem Text Feminismus aus allem und jedem konstruierte), dahinter etwas Dämonisches (Schwens-Harrant), “über- und unterspült” (Wiederstein). Nur Tingler äußerte sich erleichtert, dass diese Art von Geschichten mit ihrem “assoziativen Befindlichkeitsstil” aus der Mode gekommen sei.

Mara Genschel las ihr “Das Fenster zum Hof” mit aufgeklebtem Schnurrbart und mit einem amerikanischen Akzent, wie ihn Harald Juhnke nicht besser hinbekommen hätte, einen Text über die Erstellung eines Textes und über die anderen Bachmannpreis-Kandidat*innen. Und genau das ist für mich Klagenfurt: Ich krümmte mich zwar fast durchgehend vor Peinlichkeit, begrüßte aber sehr, dass es auch sowas im Rennen auf den Bachmannpreis gibt. Das Publikum im Garten vor der Lesebühne war begeistert und lachte sich schepps.

Die Jury tat in der Diskussion, was sie muss: Sie spielte das Spiel der Performance als Jury weiter und stritt, ob das nun gut oder schlecht war, hielt fest, dass es solche Versuche der Thematisierung des Bachmannpreisgeschehens in Texten immer wieder gebe. Erstes Mal: Die Autorin schaltete sich in die Diskussion ein. Sie betonte, dass nicht sie eine Performance behauptet habe, “ich habe mich nur schick gemacht”.

Gestern verschob ich die Zusammenfassung des Gesehenen fürs Blog, ich wollte an den See zum Baden. Auf dem Weg zur Ferienwohnung aß ich die mitgenommene Brotzeit in Form eines Apfels und eines Kantens Brot, zog mich in der Wohnung aus, sonnencremte mich, zog Badesachen an. Und schritt zum ersten Mal zum Ausleihen eines Nextbikes für die Fahrt zum Strandbad! Aber: Alles ging glatt (mit App QR-Code einscannen, aus der App vierstelligen Code am Rad eingeben, losfahren), keine Geschichte zu erzählen.

Im Bad Maria Loretto traf ich auf vertraute Bachmannpreis-Schlachtenbummlerinnen, kühlte mich im See, plauderte, schwamm, saß in der Sonne – und merkte, dass mein letzter Schwimmwasserkontakt außerhalb von künstlichen Becken viele Jahre her war. Gegen sieben radelte ich zurück, begegnete einem weiteren lieben Internetmenschen beim Entgegenradeln, stieg zu einer Umarmung und einem Austausch von Neuigkeiten ab.

Zurück in der Ferienwohnung war ich sehr hungrig. Es gab selbstgebackenes Brot mit dick Butter, rote Paprika und Käsewürfel, Joghurt mit Zucker, weiße Mozartkugeln. Jetzt machte ich mich an die Zusammenfassung des Lesetags fürs Blog.

Niederschmetternde Nachricht des Tages: Der Supreme Court der USA hat das Recht auf Abtreibung gekippt (in einem Land, das nicht mal Mutterschutz hat).