Journal Dienstag, 15. November 2022 – Schöner Gürtelkauf
Mittwoch, 16. November 2022 um 6:17Und so ging ich zum ersten Mal seit (checkt ihr Blog) 20. Juni wieder quer über die Theresienwiese in die Arbeit.
Blauer Himmel, jahreszeitlich angemessen kalte Luft, schönes Licht.
In der Arbeit gute Nachrichten. (Und dann auch noch aus dem Freundinnenkreis.)
Mittags gab es Sahnequark mit Zwetschgenröster.
Nach Feierabend wollte ich mir endlich Gürtel kaufen, die ich eigentlich seit vergangenem Winter brauche. Croco hatte dafür den Leder Baumann empfohlen: Bei einem München-Besuch hatte sie das Geschäft ganz in der Nähe meiner Wohnung entdeckt, weil meine Wege mich nie in diese Richtung führen, kannte ich es nicht. Doch da hatte ich wirklich etwas verpasst, der Einkauf war hocherfreulich.
Ich bat den Chef (allein im Laden) um einen braunen Jeansgürtel und durfte einen schönen Riemen aussuchen, zudem eine Schnalle. Einen roten Gürtel wünschte ich mir auch, der im Schaufenster hatte mir gut gefallen. Der Jeansgürtel bekam seine Schnalle, dann wurde er meinem Baumumfang Bauchumfang (Danke für die Korrektur auf Mastodon – auch wenn ich mich fühlte wie eine junge Fichte) angepasst. Diese Maße verwendete Herr Chef dann auch für den roten, etwas eleganteren Gürtel.
Dass das Traditionsgeschäft (gegründet 1862) ursprünglich Zulieferer für Sattler, Polsterer, Täschner und Schuhmacher war, sieht man bis heute: Immer noch wird Sattler-Werkzeug verkauft, Sattlerfaden, Zwirn, sonstiges Handwerksmaterial. Während ich am Klopfen aus dem Hinterzimmer hörte, wie meine Gürtel fertiggestellt wurden, sah ich mich fasziniert um. Und entdeckte, dass es hier auch eine große Auswahl an Schuhpflegemitteln und -werkzeug gibt. Das Gürtelsortiment ist ebenfalls interessant, es gibt auch sehr modische Modelle. Ich verriet dem Chef, dass ich seit über 20 Jahren 500 Meter entfernt wohne, sein Geschäft dennoch nicht kannte. Er lachte, wir plauderten über Umstände und die Zeiten.
Meine beiden Gürtel bekam ich in Stoffsäckchen und freute mich sehr darüber.
Ich sah auch gleich in die neue Papeterie an der Ecke Sendlinger/Herzog-Wilhelm-Straße: Schönes Sortiment an Karten, außerdem bekam ich hier ein dringend nötiges neues Notizbuch, das alte zerfällt bereits in Einzelteile (Tipp: Notizbücher besser nicht baden).
Daheim turnte ich eine Runde Yoga mit ordentlich Bewegung, zum Nachtmahl erfüllte mir Herr Kaltmamsell wieder einen Wunsch und servierte Shakshuka (ohne Feta, dafür mit selbstgebackenem Brot aus der Gefriere). Danach viel Schokolade.
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Clint Smith befasst sich mit dem Umgang der USA mit und Erinnerung an die Sklaverei, vergleicht dabei, wie andere Kulturen und Nationen mit den schlimmsten Kapiteln ihrer Geschichte umgehen, blickt immer wieder nach Deutschland. Auf Twitter erklärt er:
When I was writing my book, How the Word Is Passed, I was thinking a lot about what public memory looked like in the US, specifically in the context of slavery. After the book came out I began thinking more about what public memory to past crimes looked like in other countries.
I was especially interested in thinking about Germany, a place that is often lifted up as an exemplar of remembrance for their willingness to acknowledge, confront, and build memorials to the Holocaust and the role that country played in perpetuating that horrific crime.
I’d often invoke Germany myself, talking about their impressive commitment to memorialization. But then I had a moment where I realized that while I kept talking about how impressive Germany’s memorials were, I had never actually seen them for myself. I needed to change that.
In The Atlantic veröffentlichte er seine Erfahrungen bei der Reise zu verschiedenen Gedenkstätten an den Holocaust in Deutschland.
via @ankegroener
Smith findet heraus, in welchen Aspekten die Verbrechen der Deutschen im Dritten Reich und die Erinnerung daran vergleichbar sind mit den Verbrechen der Sklaverei in den USA und in welchen Aspekten sie nicht vergleichbar sind. Aus seinen Schilderungen wird klar, wie wichtig die verschiedenen Formen von Erinnerungsstätten sind. Denn: Nein, diese Untaten, diese Verbrechen dürfen niemals vergessen werden.
Auch der Artikel selbst erinnert an die Verbrechen, an die Folter und Morde, die Deutsche im Dritten Reich begingen. Keine einfache Lektüre, wappnen Sie sich vorher. (In München gibt es keine Stolpersteine auf öffentlichem Grund: Die Stadt folgt damit dem Wunsch von Charlotte Knobloch, seit 1985 Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Der Artikel geht auch darauf ein.)
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Für die Zeit schreibt Antje Schrupp über:
“Digitale Trauer:
‘Du kanntest diese Person doch gar nicht'”.
Das Digitale ist aber nicht bloß ein neues Medium, in dem alte soziale Fragestellungen verhandelt werden, sondern ein Raum, der völlig neue soziale Fragestellungen aufwirft. Auch Internetbeziehungen sind ja “richtige” Beziehungen und nicht “bloß virtuell”. Ein unerwarteter Todesfall im eigenen Netzwerk wird deutlich persönlicher empfunden als zum Beispiel der Tod eines Prominenten, den man nur aus den Medien kennt. Mit Social-Media-Kontakten hat man persönlich interagiert, hat Postings der anderen kommentiert, sich in kleine Gespräche verwickelt, womöglich hat man sich sogar mal im “Real Life” kurz getroffen: Selbstverständlich ist es ein Verlust, ein “Trauerfall”, wenn ein langjähriger “Kontakt” stirbt. Gleichzeitig fühlt es sich aber anders an als der Tod einer Angehörigen, eines Arbeitskollegen, einer Nachbarin.
(…)
Diejenigen, die als Erstes verstanden, dass Trauer in demselben Medium stattfinden muss, in der auch die Beziehungen gelebt wurden, waren Gaming-Communitys, die schon vor Jahren angefangen haben, Rituale zum Abschied von verstorbenen Spieler:innen in ihre virtuellen Settings zu integrieren. Sie waren eine Zeit lang Anlass für erstaunte Medienberichte über ein als kurios empfundenes Phänomen. Dabei ist das Nachbauen eines Trauerrituals in einer Spieleumgebung vergleichsweise naheliegend: Man trifft sich an einem Grab, es werden Reden gehalten, und für Avatare, die sich durch eine visuelle Umgebung bewegen, lässt sich einfach ein Verschnitt aus den bekannten Trauerritualen nachbauen.