Journal Sonntag, 1. Juni 2025 – Geschäftigkeit vor Arbeitsstart

Montag, 2. Juni 2025 um 6:25

Mai schon rum, dieses Jahr habe ich das Gefühl, nichts davon mitbekommen zu haben.

Der Morgen war wie angekündigt düster, aber mild genug für Balkonkaffee.

Für meinen Isarlauf setzte ich lieber eine Schirmmütze gegen potenzielle Regentropfen auf Brille auf, nahm auch statt Fahrrad die U-Bahn raus nach Thalkirchen, lief von dort Richtung Süden. Es wurde ein schöner Lauf, die wenigen Phasen Sprühregen beeinträchtigten ihn nicht. Ich bekam Blüten in vielen Farben und Formen zu sehen und zu riechen, die Pflanzenwelt barst vor Saft. Und ich begegnete Küken (bairisch Biberl) – es ist Flausch-Time! Der alte Körper spielte problemlos mit, ich achtete wieder darauf, nicht zu sehr auf dem Vorfuß zu federn; erst ganz am Ende zwickte die böse Wade ein wenig.

Blesshuhnnest im Hintergrund.

Regentropfen auf dem Hinterbrühler See.

Der Isarstand nicht ganz so elend niedrig wie auch schon.

Düsterer Himmel und Regen sorgten für Menschenarmut, herrlich.

Akelei mit Sinn für Location.

Bei Pullach.

Nach gut 100 Minuten Lauf nahm ich die U-Bahn zurück nach Hause.

Gestern kochte Herr Kaltmamsell schon mittags, denn zum Abendessen war ich anderweitig eingeladen.

Es gab die Agretti aus Ernteanteil als Pastagericht mit Pinienkernen und Parmesan, so schmeckte das Grüne so herb intensiv wie möglich.

Durchgetakteter Nachmittag bis Abendverabredung. Am Dienstag bin ich beruflich dran mit Kuchenmitbringen, da ich am Montagabend nicht zu Kuchenbacken gezwungen sein wollte, backte ich vor: Dieser klassische Nussbaiserkuchen (ein Rezept, das vermutlich auf handgeschriebenen oder Schreibmaschine-getippten Zetteln in vielen Küchen meiner Generation und der meiner Mutter herumliegt) schmeckt erfahrungsgemäß nach dem einen oder Tag sogar eh besser.

Wenn ich ein Foto vom angeschnittenen Kuchen machen kann, verblogge ich das Rezept in meiner jetzigen Version.

Nächster Programmpunkt Bügeln. Ich nutzte es für das Aufräumen eines lang offenen Podcast-Tabs:
Marina Weisband fragt in ihrem Podcast Wind und Wurzeln:
“Lohnt sich Fairness in der Politik?”
Wie erwartet mit vielen interessanten Gedanken (die zum Teil von Jeanette Hofmann in ihrem re:publica-Talk unterfüttert wurden), auch wenn ich nicht in jedem Detail mitgehe.

Während meiner Bügelstunden war es draußen wieder sonnig geworden, und sofort kam es durch die offene Balkontür sehr warm herein. Ich ließ es zu, da die kommenden Tage kühler werden sollen.

Brotzeitvorbereitung. Montagmorgen würde dem Arbeitsweg gehören, ich musste also wieder wie im Arbeitsrhythmus vorbloggen, abends war ich ja verabredet. Gleichzeitig sonntägliches Back-up. Nur ganz kurz ins Arbeitspostfach geblinzelt, keine Stinkbomben. (Nein, ich weiß auch nicht, was ich bei Auffinden von ebensolchen getan hätte.)

Dann aber aufbrezeln und ab in die Brasserie Colette. Dort gab es Cremant, Garnele Marocain (die ich in sehr guter Erinnerung hatte – zurecht), Cannelloni (die sich als ein aufrechtes Stück gefüllte Teigrolle erwies) in sehr feiner Erbsensuppe mit einem Glas Sauvignon Blanc, vor allem aber Erzählungen von einer Konferenz in Florenz samt ausgesprochen hochklassiger Unterbringung, von einem Stadtetripp nach Prag (der allerdings meine Trauer verstärkte, dass ich diese komplett überrannte Stadt niemals besuchen werde, Spuren Friedrich Torbergs würde ich ohnhin in diesen Touristenzirkus nicht finden – Prag vor 30 Jahren ist weit oben auf meiner Zeitreise-Liste). Heimweg durch eine warme und schwüle Nacht.

§

Edmund de Waal kündigt in einem instagram-Post sein neues Buch an, an archive. Und erwähnt:

‘there is an element, in any archive, of trespass. Am I allowed in? What is my responsibility to the people who have been here before? How do I respect the dead and their integrity, their individuality and separateness from me? What is excluded, suppressed, forgotten?’

Meine Übersetzung:
Jedes Archiv hat etwas von Grenzüberschreitung. Darf ich hereinkommen? Worin besteht meine Verantwortung den Menschen gegenüber, die vorher hier waren? Wie respektiere ich die Toten und ihre Integrität, ihre Individualität und ihre Unterschiedlichkeit zu mir? Was ist ausgespart, unterdrückt, vergessen?

Wieder eine sehr kluge Perspektive (oft überblättere ich Edmund de Waals Posts auf instagram, weil sie mich in dieser Situation überfordern mit ihrer Tiefe und Intensität): Selbst beim Klick auf Archiveinträge zu mutmaßlichen Verwandten fühlte ich dieses möglicherweise Unerlaubte.

die Kaltmamsell

Journal Samstag, 31. Mai 2025 – Freibadsommertag

Sonntag, 1. Juni 2025 um 8:29

Früh aufgewacht, zu meiner großen Freude war es am letzten Tag im Mai warm genug für den ersten Balkonkaffee der Saison (mit Strickjacke).

Blick über Balkonbrüstung in morgensonnigen Park, im Vordergrund auf Balkontisch aufgeklappter Laptop, gefüllte Kaffeetasse, Wasserglas

Balkonblick nach oben in sonnenbeschienenes grünes Laub und blauen Himmel

Und hoch am Himmel ganz viele Mauersegler (falsche Kamera dafür, müssen Sie mir halt glauben).

Herr Kaltmamsell verbrachte den Vormittag vor dem Fernseher: Die Sender mussten nach Pflicht-Providerwechsel neu eingestellt werden, ich bin ihm zutiefst dankbar, dass er das übernahm.

In echtem Sommerlicht mit dazu passenden Temperaturen radelte ich zum Dantebad für meine Schwimmrunde, auf die ich mich sehr freute. Noch bekam ich problemlos einen Parkplatz, die Warteschlange an der Kasse passierte ich mit meiner gut geladenen Bäderkarte.

Im Becken dann sogar überraschend wenige Schwimmer*innen, alle zivilisiert. Wie erhofft befassten sich meine Gedanken mit den Erlebnissen der vergangenen Berlin-Woche, das nahm allerdings ein wenig Konzentration beim Bahnenzählen: Laut Zeit war ich mehr als 3.000 Meter geschwommen.

Duschen, sonnencremen (Gesicht, Nacken, Rücken und Schultern hatte ich bereits daheim versorgt), Bikini-Wechsel, ich legte mich auf der Wiese ein Stündchen in die Sonne.

Jemand fotografiert sich im Liegen auf einem roten Handtuch in rosa Bikinihose, drumrum Freibad-Liegewiese und Bäume

Von Herr Kaltmamsell (echt nicht verfroren) muss die Heizung aufdrehen zu Freibadwetter mit „lange halte ich es nicht in der Sonne aus“ in 48 Stunden.

Als ich das Bad verließ, waren die Liegewiesen dicht belegt, es hatte ja auch richtiges Freibadwetter (Erinnerung an meine Schulzeit vor 40 bis 50 Jahren, als es die absolute Sensation war, wenn man schon in den Pfingstferien ins Freibad konnte).

Auf dem Rückweg noch mehr Männer in Profifußball-Shirts (zu 90 Prozent Italo-Hablantes) auf den Straßen und Wegen (denen das Konzept Radweg offensichtlich komplett fremd war). Zweimal für Ohrenzuhalten wegen LALÜ! vom Rad gesprungen.

Beim Heimkommen war es schon drei, weil mir bereits schwach war, machte ich mir noch vor Aufräumen und Selbstsäuberung Frühstück: Mango und Kiwi mit Sojajoghurt, darin auch Leinsamenschrot und Kürbiskerne.

Die Süddeutsche erinnerte mich per E-Mail daran, dass gestern der letzte Tag meiner Urlaubs-Umstellung auf Online-Abo war. Ich hatte aber keine Lust auf Wochenend-Zeitung (oder die aller Tage der Vorwoche bis auf Mittwoch – ich hatte nur eine geschafft), sondern las lieber meine Mastodon-Timeline und stellte Lieblings-Kurzposts zusammen.

Dazu setzte ich mich auf den verschatteten Balkon, wurde überrascht, dass der leichte Wind eher zusätzlich heizte statt zu kühlen.

Jetzt fühlte ich mich endlich urlaublich träge und entspannt, die Teufelchen auf der rechten Schulter flüsterten nur ganz leise, welche eingebildeten Pflichten ich gerade vernachlässigte (u.a. Bügeln).

Orange Markisenwand lässt nur einen Spalt zum Balkonsims, dadurch sieht man eine Wasserschale, in die gerade eine Amsel ihren Schnabel taucht

Amsel an der Wasserschale.

Yoga-Gymnastik mit viel eagle arms, genau das Richtige nach dem Schwimmen.

Auf einem Balkonsims steht eine hohe schlanke Flasche mit dunklem Inhalt und der Aufschrift "PALO", auf beiden Seiten Longdrinkgläser mit Eiswärfeln und dunkler Flüssigkeit, dahinter Laubbäume in Abendsonne

Als Aperitif endlich ein Gastgeschenk geöffnet, das wir mit der Spielanleitung “mit Mineralwasser aufgegossen abends auf dem Balkon trinken” bekommen hatten: Mallorquinischer Johannisbrot-Kräuter-Likör, gut! Und wenn ich die katalanische Beschriftung der Flasche richtig verstanden habe, dient er auch noch der Malaria-Prophylaxe und verhilft zu ewiger Jugend.

Als Nachtmahl erfüllte mir Herr Kaltmamsell einen weiteren Wunsch: Perfektes Paprikahendl. Unser Traditionsrezept stammt aus dem Blog einer Ungarn-stämmigen Ur-Foodbloggerindem damaligen Rezept-Blog der Zeit und wird sehr gemocht, aber Herr Kaltmamsell probiert ja gerne Neues aus.

Sehr saucenreich und klassisch mit Spätzle serviert, schmeckte gut, aber die kräftigere alte Variante mögen wir lieber. Dazu gab es den Rest Weißwein vom Vorabend.

Nachtisch Schokolade, während draußen der Himmel zuzog, es waren Gewitter angekündigt.

§

Gute verständliche Analyse von Emily Kossak bei den Krautreportern:
“Darum wollen China und die USA die Globalisierung abschaffen
Aber vor allem die Tech-Unternehmen untergraben diese Pläne.”

Der US-chinesische Handelskrieg macht nur Sinn, weil beide glauben, sie kämpfen ein Nullsummenspiel. The winner takes it all, das Techwettrennen kann nur ein Land gewinnen. Aber stimmt das überhaupt? Tim Rühlig hat eine klare Meinung dazu: „Nein, das sind geopolitische Fantasien von Politiker:innen, die keine Ahnung von Techentwicklung haben.“

die Kaltmamsell

Lieblings-Breviloquia* Mai 2025

Samstag, 31. Mai 2025 um 18:29

Erst die Ernte auf Mastodon (mit der Möglichkeit, dass die allerallerbesten fehlen, weil sie an den vier bis fünf Tagen gepostet wurden, an denen ich in Berlin wegen anderweitigen Programms nicht mitlas):

Und ein bisschen Bluesky:

*siehe

die Kaltmamsell

Journal Freitag, 30. Mai 2025 – Fahrt von Berlin nach München in die Wärme

Samstag, 31. Mai 2025 um 8:45

Vor Weckerklingeln aufgewacht, Wetter unwirtlich.

Erhöhter Blick auf eine regnerische Großstadtkreuzung, umgeben von sachlichen Gebäuden

Bis zum Aufbruch zu meinem Zug zurück nach München hatte ich lediglich Sortieren und Benamsen der Fotos vom Vortag einkalkuliert, Bloggen würde ich auf der Reise.

Nur dass mir so viele bereits ausformulierte Gedanken zum Museumsbesuch am Vortag durch den Kopf gingen, dass ich bei Morgentoilette, beim Anziehen und beim Packen immer wieder an den Rechner springen musste, um sie aufzuschreiben.

Auschecken und Fahrt zum Hauptbahnhof (S-Bahn, damit ich noch ein bisschen gucken konnte) verliefen so flugs, dass ich viel zu früh dran war. Setzte ich mich halt noch lesend an den Bahnsteig. Dort stand abfahrbereit ein ungarischer Zug nach Budapest, ich sah im Speisewagen Passagiere frühstücken, so richtig frisch zubereitetes Frühstück an gedeckten Tischen mit Tischdecken – noch ist die Zivilisation nicht überall untergegangen.

Eine Hand hält einen kurzen blauen Papierstreifen, am Handgelenk ein Band, auf dem man erkennt „blica25“, im Hintergrund unscharf ein Bahnwagon von außen

Fundstück in meiner Handtasche zum Abschied aus Berlin, ein Rest des Konfettiregens bei der Abschiedssause der re:publica (Bändel wurde erst daheim abgeschnitten, sonst sieben Jahre Online-Pech). Auf instagram DM1-Austausch mit einem langjährigen Internet-Kontakt, jetzt stehe ich auf einer Gästeliste Anfang Dezember (ICH WAR NOCH NIE AUF EINER GÄSTELISTE!!1!111).

Im ICE packte ich umgehend meinen Laptop aus und machte mich an die Blog-Arbeit. Mit mir war eine Schulklasse in den Wagen gestiegen, doch wie schon früher in solchen Situationen erwiesen sich die jungen Leute als unaffällige Reisegefährten. (Wenn nicht sogar niedliche: “Ey, kannst du mir a Gummibärli ge’m, Bro?”)

Ganz direkt hatte ich drei Sitznachbarn aus Italien. Die Dame neben mir fragte bald unterwegs, ob wir uns jetzt in der ehemaligen DDR befanden: Der Bildschirm an der Decke zeigte praktischerweise gerade eine Landkarte mit Fahrtverlauf, ich konnte daran die Lage der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze zeigen. Und ergänzte Infos zur chemischen Industrie um Bitterfeld, die man vom Zug aus sehen würde. Später fragten die Herrschaften nach den gelb blühenden Feldern – ich lernte, dass man in Italien Raps nicht kennt (sie recherchierten auf ihren Handys sofort Details). Wir tauschten uns in einer Mischung aus Deutsch und Italienisch aus, ich lernte ein wenig über die Herkunft und Familie dieser Nachbarn.

Blick durch leicht spiegelndes Zugfenster auf Gleise, Bahnleitung, dahinter Robinienwald

Verblühende Robinienwälder.

Allerdings ertappte ich mich, wie ich mich schnell zuständig (und kompetent) für die Erklärung von ALLEM fühlte, bloß weil ich die Einheimische war und sie nicht. Dabei bin ich recht stolz, dass ich meinen angeborenen Hang zum Mansplainen (ist leider nicht zwangsläufig an einen bestimmten Chromosomensatz gekoppelt) mit viel Mühe und Sorgfalt in den Griff bekommen habe (unter anderem durch Vermeiden von Menschenkontakt, aber da trafen sich wohl zwei Ziele besonders günstig). Dass ich mit Bloggen beschäftigt war, half mich zu bremsen.

Keine Lust auf Mittagscappuccino – unter anderem wegen eh Überdrehtheit (oder ich habe mir durch einen Tag nasse Füße doch was geholt?).

“Aanesibzig bis achdeachzig”: In Bamberch gab’s frische Passagiere. Die sich schon wieder als Fußballfans erwiesen, deutlich ungehobelter und alkoholisierter als auf der Hinreise, ich hätte sie gern gegen eine weitere Schulklasse getauscht. Was allerdings schnell dadurch aufgewogen wurde, dass das italienische Trio total begeistert über dieses authentische Erlebnis war (“allegri!”), den Dialekt bemerkte und offensichtlich Geschichten für daheim sammelte. Da freute ich mich für sie.

In Berlin hatte ich eine Kürbiskernbreze als Brotzeit gekauft, beim Warten am Bahnsteig meinen Apfel an eine Bettlerin verschenkt, unterwegs dann aber trotz kneifendem Magen überhaupt keinen Appetit.

Wenig verspätete Ankunft im sonnigen und überraschend warmen München, daheim Herzen und Küssen des Herrn Kaltmamsell. Jetzt musste ich kurz vor drei aber wirklich was essen, es wurde die Breze mit Butter sowie Joghurt mit Resten Zitronat/Orangeat aus der Backkiste (besser wenn länger im Joghurt eingeweicht, aber immer überraschend gut).

Verschiedene Häuslichkeiten, Kofferauspacken, auf meiner Einkaufsrunde für Lebensmittel (u.a. wegen Backplänen) war es noch wärmer geworden.

Yoga-Gymnastik endlich wieder auf einer vernünftigen Matte, die Reisematte (um die ich für die beiden Einsätze sehr froh war) ist halt doch recht glitschig.

Balkonholztisch, darauf zwei Ballongläser mit durchsichtigerEiskugel, leicht rose Drink mit Erdbeerstücken, dahinter über der Balkonbrüstung sonniger Park, vor der Brüstung eine völlig runtergeschnittene große Pflanze

Ernsthaft Balkon (die Pflanzen, Hakenlilien, sahen derart armselig aus, dass ich sie mal wieder abschnitt – braucht also noch eine Weile bis Balkongrün). Wir brauchten den restlichen Erdbeer-Gin vom Vorjahr mit Tonic Water auf.

Dunkle Weinflasche mit schlichtem Etikett vor weißer Wand, zu beiden Seiten gefüllte Weißweingläser

Zum Nachtmahl begleitete ich uns mit einem Schweizer Wein, Direktimport als Gastgeschenk vor fast zwei Jahren: Ein Marsanne Blanche Wittwer aus dem Wallis, kräftig und mit deutlicher Holznote, wenig Säure – passte gut zum Hüftsteak, das Herr Kaltmamsell servierte. (Doch beim Anrichten des Fotos oben ging nach Langem mal wieder ein Glas kaputt; zum Glück nur großer Sprung, ich musste keine Sauerei beseitigen.)

Gedeckter Tisch mit Stroh-Sets, Glasteller mit aufgeschnittenem Fleisch, Gemüse, daziwschen eine Glasschüssel Blatsalat, gegenüber sitzt ein Mann in rötlichem T-Shirt, der auf seinem Teller schneidet

Es beginnt wieder die Zeit mit sommerlichen Stroh-Tischsets und besonders unattraktiv forografierten Glastellern.

Nachtisch: Erdbeeren, Schokolade, schöner Urlaubsabschluss.

  1. Direct Message []
die Kaltmamsell

Journal Donnerstag, 29. Mai 2025 – Berlin, Tag 6: Nochmal Yoko Ono, diesmal mit “Ach so!”-Effekt

Freitag, 30. Mai 2025 um 11:09

Ausgeschlafen, Pläne für die Stunden bis Nachmittagsverabredungen nur ohne Uhrzeit-Etikett zugelassen.

Ganzkörper-Spiegelselfie einer Frau mit kurzen weißen Haaren in gelbem Pulli, darunter dunkelblau-weißes Ringel-Short, an den Füßen beige Socken

Die Bloggerin in Hotelzimmer-Schlumpf.

Erhöhter Blick auf sonnige Großstadt-Straßenkreuzung, darüber Wolken

Das Wetter deutlich freundlicher, nach spätem Abschluss des Blogposts wollte ich raus. Ich ging auf einen Mittagscappuccino in das bereits vertraute Eck-Café, nahm mir ein Sandwich für spätere Brotzeit mit, spazierte ein Stündchen durch Mitte und Prenzlauer Berg.

Während ich beim Verlassen des Hotels noch überrascht über die zapfige Frische gewesen war, wurde es in dieser Spaziergangsstunde steil wärmer, bis ich eigentlich nicht mal mehr eine Jacke brauchte, der Kreislauf sandte Fragezeichen.

Altbau-Hausfront, über dem Ladenlokal im Erdgeschoß Leuchtschrift "Are you sure about this place?"

Sonnige, gepflasterte Straßenecke, darauf ein rostiges, altertümliches Straßenschild "Granseer Straße" und "Swinemünder Straße" im Hintergrund grüner Park

Mural an einer fensterlosen Hauswand: Snoopy sieht nach oben in einen herzförmigen Silberballon, in dem er sich spiegelt

Blick in ein geöffnetes Altbaufenster, man sieht ein Küchenbuffet mit Flaschen darauf

Überlebensgroße Bronzefigur eines Bauarbeiters von der Seite, er zeigt in die Richtung eines Hochhaus-Neubauskeletts im Hintergrund

Meine Gefühlspolizei ahndet ja Trauer über Veränderungen und belehrt mich, dass nichts gleich bleibt und Veränderung Leben ist, doch mir wurde halt doch weh beim Spaziergang durch all die neuen Protzbauten und geschniegelten Renovierungen (nicht abgebildet). Berlin wird in meinen Augen von einer Stadt der Geschichte und der Möglichkeiten zu einer Ansammlung von undiskutierbaren Fakten.

Das Park Inn, in dem ich untergebracht war, bot am Spiegel überm Waschbecken einen eigenen Knopf, mit dem man die Zimmerreinigung für den Folgetag abbestellen konnte (begrüßenswerte Idee). Den hatte ich für gestern gedrückt, weil ich vormittags Ruhe wollte und keine Reinigung nötig war. Doch als ich zurück in mein Zimmer kam, stellte ich fest, dass der abbestellte Zimmerservice doch da war – wo ich doch wegen Abbestellt nicht ordentlich aufgeräumt hatte: Unter anderem trockneten mein gesamtes Milchkaffee-Equipment in Einzelteilen und das Geschirrtuch über die spärlichen Möbel verteilt. Auch die Bad-Ablage räume ich sonst auf. Das tat mir leid.

Frühstück um halb zwei waren ein Apfel und ein Ruccola-Käse-Sandwich – nicht so gut wie das Sprossen-Karotten-Tofu-Sandwich aus derselben Quelle. Ich machte mich so rechtzeitig zu meiner Verabredung auf, dass ich zu Fuß gehen konnte: Im Gropiusbau wollte ich die eigentliche Yoko-Ono-Ausstellung sehen, “Music of the Mind”, nachdem mich der Teil in der Neuen Nationalgallerie enttäuscht hatte. Dafür hatte ich mich mit einer weiteren weit zurückreichenden Blog-Freundin verabredet.

Straße mit zwei Radler*innen von hinten, links hinter einer Mauer ein großer rötlicher klassizistischer Prachtbau

Der Gropiusbau, den ich immer in zeitgenössischer Architektur im Kopf hatte (der Name weckte Assoziationen zu 60er-Beton – können Sie mir erklären, warum?), bis ich ihn Ende 2024 beim Besuch des benachbarten Dokumentationszentrums Topografie des Terrors zum ersten Mal sah.

Begrüßungsschwatz mit Freundin, ab in die Yoko-Ono-Ausstellung.

Erhöhter Blick in einen großen, prächtigen Lichthof, darin ein großes Plakat gespannt: "Peace is Power"

Um es kurz zu machen: Ich war begeistert. Onos Kunstansatz, der das Publikum vor allem in den ersten Jahrzehnten ihres Schaffens immer einschließt, mitdenkt, herausfordert, kommt meiner Grundhaltung als hardcore Rezeptionsäthetikerin entgegen: Kunst erhält durch die Betrachterin Bedeutung , wenn sie sich nicht sogar erst in der Rezeption manifestiert. Weshalb sich ein Kunstwerk auch über die Jahrhunderte verändert: Unterschiedlicher Zeithintergrund in der Rezeption erzeugt unterschiedliche Kunstwerke – da mag die Stofflichkeit durchaus dieselbe bleiben (was sie ja genau betrachtet auch nicht tut) und eine eigene Untersuchung wert sein.

Ist es noch Kunst, wenn niemand hinguckt? Und: Wenn jemand hinguckt, kann dann auch ein besonderer Stein, eine Sandformation Kunst werden?

Yoko Ono macht die Betrachterin sogar zur Kunsterzeugerin, in verschiedensten Variationen über die vielen Jahrzehnte ihres Schaffens.

Am reinsten überfiel mich diese Erkenntnis gleich im ersten Raum der Ausstellung: An den großen, leeren Wänden, auf dem Boden, an der Decke, sogar an den Fenstern stehen kurze, handschriftliche Sätze wie „This room gets as wide as the ocean on the other end.“

Weiße Wand, auf der klein in schwarzer Handschrift steht „This room gets as wide as the ocean on the other end.“

Die Umsetzung bleibt der Vorstellungskraft der Leserin überlassen.

Oder ihre Anleitungen für Kunst:

“Des kannt’ mei 4-jährige Tochter aa!”? Wahrscheinlich, aber sie wäre halt nie auf die Idee gekommen. Yoko Ono hält hier nur die Idee fest – zu einem KunstWERK kann sie jeder und jede machen, dennoch bleibt Yoko Ono die Schöpferin, Künstlerin. Brillant.

Großer Museumsraum, auf enem weißen Teppich-Rechteck auf Holzboden eine unförmige Zwei-Menschen-Große Figur in schwarzem Stoff, dahinter zwei fotografierende Menschen, rechts daneben drei weitere stehend, eine dreht sich gerade lachend zur Skulptur um

Schwarze Umhänge, in die Besucher*innen schlüpfen sollen und Skulpturen formen. (Viel Heiterkeit bei den Betrachterinnen.)

<3
Widmung des Yoko-Ono-Buchs Grapefruit von 1964.

An einer weißen Museumswand ein großes Bild mit vagen, verschiedenen Schatten und Kritzeleien, zwei Frauen fügen gerade weitere hinzu

An diesem Kunstwerk (Shadow Piece) beteiligte ich mich auch und malte wie angewiesen die Silhouette meines Schattens mit einer der bereitgestellten Wachsmalkreiden nach.

Eine Frau in blauer Jeans und hellgrünem Oberteil schlägt gerade einen Nagel in ein weißes Bild voller Nägel

Meine Begleitung wiederum trug zu diesem Nagelstück bei.

Eine Hand hält ein blaues Puzzle-Teil mit der Aufschrift "y.o. Berlin '25", im Hintergrund unscharf schwarze Objekte vor weißer Wand

Und was zum Mitnehmen: Von der Decke hingen Stahlhelme in verschiedener Höhe, alle gefüllt mit Puzzlestücken – die zusammen blauen Himmel ergeben sollen.

Ja, eine sehr textlastige Ausstellung, wie meine Begleitung zurecht mehrfach bemerkte, und eigentlich beharre ich ja bockig darauf, dass Kunst keine Erklärung benötigen müssen darf.1 Doch in diesem ganz speziellen Fall akzeptiere ich die Unerlässlichkeit.

Blick nach oben in einen Türrahmen, der prächtig mit bunter Keramik gestaltet ist, darin lesbar der Markenname "Villeroy&Broch"

Keramik-Sponsoring.

Wir ließen uns im Museumscafé nieder und stürzten uns in den eigentlichen Zweck unseres Treffens: Reden. Das setzten wir Stunden später in einer Pizzeria in Schöneberg fort (dorthin lange Autofahrt, weil meine Begleitung eigentlich ein anderes Lokal ganz woanders ansteuerte – das allerdings mittlerweile geschlossen ist): Nach langen Jahren komplett ohne bekam ich diesmal reichlich Berlin-Ansichten durch Autofenster (unter anderem auf einen fliegenden Kormoran).

Tisch mitzwei Pizzen, dahinter sitzt mit Besteck in der Hand eine demonstrativ strahlende Frau mit kruzen weißen Haaren und orangem Oberteil

Foto: @uteschirmack

Gute Pizza, mehr Reden, nach fast zwanzig gemeinsamen Jahren im Web auch Austausch von Informationen über den Verbleib gemeinsamer Online-Bekannter.

Rückweg zum Hotel nur bis Friedrichstraße mit der S-Bahn: Ich fühlte mich noch unterbewegt und wollte Abschied von Berlin nehmen können. (Nachdem allerdings exakt gestern Verwandtschaft nach Berlin zog, plane ich baldige Rückkehr.)

Es war dann meine Begleitung, die daheim merkte, dass wir es nie zu Influencerinnentum bringen werden: Wir hatten kein gemeinsames Selfie gemacht. Sie hat übrigens auch den Ausstellungsbesuch als instagram-Story gepostet.

  1. Für diese Konstruktion hat Wolf Schneider in der Hölle wahrscheinlich eine eigene Abteilung einrichten lassen. []
die Kaltmamsell

Journal Mittwoch, 28. Mai 2025 – Berlin Tag 5: Nasse Füße und re:publica bis Singen

Donnerstag, 29. Mai 2025 um 10:33

Weckerwecken weil Bloggen, trotz der Vorarbeit am Dienstag kam ich unter Zeitdruck.

Erhöhte Perspektive auf große Großstadtkreuzung im Regen

Draußen war es regnerisch und wirklich greislich, fast wäre ich eingeknickt und hätte die U-Bahn zur Station genommen. Doch dank der Berliner Freundin hatte ich ja einen Schirm, bockig bestand ich auf Fußweg zur re:publica.

Und hatte (ich bin jetzt 58 und lerne es wohl nie) auch diesmal vergessen, dass ernsthafter Regen nicht nur Nässe von oben bedeutet: In der Station (Schlange am dritten und letzten Tag vor allem vor der Kofferabgabe: all die Abend-Heimreiser*innen) trocknete ich Turnschuhe und Socken auf dem Klo notdürftig mit Papiertüchern. Doch ich bekam meine Füße bis kurz vor Ende der Veranstaltung nicht trocken und vor allem nicht wirklich warm; zwischendurch sorgte ich mich dann doch, ob ich davon krank werden könnte.

Ganzkörper-Spiegelselfie einer Frau mit Brille, kurzen weißen Haaren, schwarzer Hose, buntem T-Shirt, überm Arm hält sie eine weiße Jacke

Wie schon am Vortag postete ich ein Spiegelselfie meines Outfits, um von denen, die mit mir Kontakt aufnehmen wollten, erkannt zu werden. Nachdem die eine oder andere erwähnt hatten, sie hätten sich nicht getraut mich anzusprechen, lächelte ich gestern jede an, deren Blick meinen irgendwie streifte. (So entstehen “Alle-irre!”-Situationen.)

Einstieg in den Konferenztag:

Blick von links auf eine große Bühne, auf der entfernt zwei Personen sitzen, hinter ihnen auf einer Leinwand "re:publica25", links davon große die Übertragung des Gesichts der Referentin, vor der Bühne die Silhouette von zwei Fotograf*innen

Prof. Hedwig Richter, interviewt von Geraldine de Bastion zu “Das eherne Gehäuse der Geschlechterordnung: Hausfrauen und Krise”. Thema und Autorin (Professorin für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität der Bundeswehr München) kannte ich schon von einem ausführlichen Artikel dazu in der Süddeutschen (€), wollte sie aber mal in Echt sehen (Hedwig Richter war mir nicht nur mit diesem Artikel positiv aufgefallen) und hörte dann auch einige zusätzliche Details über manche kontra-intuitiven Aspekte, zum Beispiel dass die Nachkriegs-Hausfrau die zentrale Figur der sich neu formierenden Konsum-Gesellschaft war und dass diese Familienform kein typisch deutsches Phänomen war, sondern ein gesamt-westliches. Auffallend in dieser Session: Superspannende Zuschauerinnen-Fragen.

Blick von rechts auf eine niedrige Bühne, auf der voert Menschen sitzen, ganz links steht ein Sprecher mit Mikrofon, auf der Leinwand hinter der Bühne "True history: Was, wenn alles ganz anders war?"

Wechsel zu einer anderen Bühne: “True history: Was, wenn alles ganz anders war?” Thema waren zwei unterhaltende Geschichts-Formate: Von arte gibt es demnächst (nur im Web) das Magazin „Stimmt es, dass …?“, Autorin Madeleine Dallmeyer und Produzent Jannis Funk erklärten das Konzept, mit dem sie von scheinbar gesetztem historischen Wissen ausgehend zeigen, dass es nie so einfach ist, Vieles davon schlicht nicht stimmt oder einfach nicht zu verifizieren ist. Klingt hochspannend. An den Erklärungen von Historiker/Journalist Joachim Telgenbüscher zu seinem Podcast “Was bisher geschah” fand ich besonders die Details einer professioniellen Podcast-Produktion und -Vermarktung interessant.

Mittagscappuccino mit einigen meiner kleinen Internet-Freund*innen.

Von links Blick auf mittelgroße Bühne, darauf sitzen vier Personen, auf der Leinwand dahinter Weiß auf Rot "MONITOR"

Vom “MONITOR-Forum: Social Media regiert die Welt – Brauchen wir eine öffentlich-rechtliche Plattform?” erhoffte ich mir genau das: Reflexionen zum künftigen Anspruch der Öffentlich Rechtlichen an sich selbst. Georg Restle (Redaktionsleiter MONITOR) beleuchtete das im Gespräch mit Constanze Kurz (<3), Annika Brockschmidt und Nadia Zaboura von vielen hochspannenden Seiten und durchaus mit verschiedenen Schwerpunkten. Unter anderem wies Constanze Kurz darauf hin, dass das Fediverse (Szenenapplaus bei Erwähnung, dass die Öffentlich Rechlichen verpflichtet sein sollten, auch dort zu posten, “Ich habe schon gemerkt, dass es beim Stichwort ‘Mastodon’ immer Applaus gibt”) nicht das Allheilmittel sei: Zu viele Menschen seien auf die Monetarisierung ihrer Inhalte über die Giganto-Plattformen wie YouTube angewiesen, doch diese müssten gesetzlich von der EU reguliert werden: “Keine Tracking-basierten Geschäftsmodelle”.

Nebengedanken:
1. SO kann eine Podiumsdiskussion aussehen, die die bessere TV-Talkshow wäre. Nein, es waren keineswegs alle einer Meinung, aber alle waren interessiert an Erkenntnisgewinn.
2. Ich kann gar nicht ausdrücken, wie sehr es mein Feministinnenherz zum Leuchten bringt, so viele atemberaubend kluge Frauen auf den Bühnen zu erleben.

Weiße Seitenwand einer riesigen Halle, daran sitzen auf dem Boden mehrere Menschen mit Laptops

Generisches re:publica-Foto.

Zeit für meine Brotzeit auf dem Affenfelsen: Apfel, Hüttenkäse.

Blick von vorn auf eine Bühne, darauf ein Mann, hinter ihm auf blauer Leinwand in Weiß "Share & Conquer"

Überraschendes in Patrick Stegemanns Vortrag “Share & Conquer: Wie Influencer*innen plötzlich Weltpolitik machen”: Nicht nur zeichnete er nach, wie viele Mitglieder des aktuellen Kabinetts von Donald Trump vorher ihr Geld (auch) als Web-Influencer und mit der Persönlichkeits-gebundenen Vermarktung von Zeug im Internet verdienten. Ich wusste auch nicht, dass drei Abgeordnete des aktuellen Europa-Parlaments davor Influencer waren und sich über Web-Kampagnen auf ihren Kanälen durch ihre Web-Follower dorthin haben wählen lassen. Sehr gruslig.

Große Bühne von vorn, rechts am Rednerpult eine Frau, lins große Leinwand, darauf Weiß auf Schwarz "Unterschätze niemals die Macht der Verdrängung!"

“Unterschätze niemals die Macht der Verdrängung!” lautete der Titel des diesjährigen Vortrags von Verschwörungs-Mythen-Forscherin Katharina Nocun aka @kattascha. Unter anderem ein Appell, Faschismus als Faschismus zu benennen und der sachliche, historisch unterfütterte Hinweis: Schweigen ist Zustimmung.

Nochmal eine Pause auf dem Affenfelsen, jetzt lernte ich einige langjährige Online-Kontakte auch persönlich kennen, das war schön.

Blick von rechts auf eine Bühne, links eine Frau am Rednerpult, auf der Leinwand hinter ihr "Unmaking sense: Desinformation als Gegenerzählung"

Von Jeanette Hofmann, Direktorin Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, ließ ich mir in “Unmaking sense: Desinformation als Gegenerzählung” ihre Perspektive auf Mechanismen der Desinformation erklären. Zentrale These: Es geht nicht um Wahrheit, sondern um die Personalisierung vertrauenswürdiger Weltdeutungen (im Gegensatz zu wissenschaftlichen Belegen). Menschen verbreiten Desinformation weiter aus Loyalität und Beleg ihrer Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft – Fact Checking mag also schon für die Akten nützlich sein, wird aber diesen Mechanismus nicht beeinflussen. (Ich notierte mir als Lektüre-Tipp A Social History of Thruth von Steven Shapin.)

Das letzte Panel, das ich mir als interessant notiert hatte, stellte sich als (für mich) langweilig heraus, ich spazierte schonmal zu Stage 1, um mir für die große Abschiedssause einen Platz in der ersten Reihe zu sichern. Was mich als Web-Seniorin entlarvte, ich traf dort einige besonders langjährige Online-Mitmenschen.

Wie immer Zahlen und Fakten zu den vergangenen drei Tagen:

Große Bühne, bunt beleuchtet, rechts ein Mann mit Mikrofon, auf der Leinwand "Programmpunkte auf den Bühnen 663"

Große Bühne, bunt beleuchtet, auf der Leinwand "Sprecher*innen eher weiblich 531, eher männlich 427, non-binär 21, keine Aussage 237"

Große Bühne, bunt beleuchtet, rechts ein Mann mit Mikrofon, auf der Leinwand "Sprecher*innen nach Generationen, Boomer 2%, X 26%, Y 60%, Z 11%"

Große Bühne, bunt beleuchtet, rechts ein Mann mit Mikrofon, auf der Leinwand "App Installatioin auf iPods: 2"

Große Bühne, bunt beleuchtet, rechts ein Mann mit Mikrofon, die Silhouette eines Kameramanns, auf der Leinwand "AfD-Politiker*innen auf der Bühne 0"

Die Gründer*innen auf die Bühne!

Große Bühne, auf der sich stehend vier Personen bewegen, hinter ihnen auf der Leinwand ein QR-Code und "Feedback"

Feiern der Mitarbeiter*innen auf der Bühne, gemeinsames Singen von Queens “Bohemian Rhapsody” (das muss so), aus.

Abschiedsgruß auch heute noch: “Wir lesen uns.” Das hier startete ja mal als Bloggerkonferenz. (Es gibt erste Ideen der Ursuppe, zur 20. re:publica 2027 eine historische Blog-Rückschau auf die Beine zu stellen.)

Ich wusste seit Tagen, wo ich abendessen wollte: Am Samstag hatte ich bei meinem Spaziergang durch Mitte einen Laden gesehen, vor und in dem Menschen asiatische Suppe aus großen gelben Schüsseln aßen, das wollte ich auch. U-Bahn bis Stadtmitte, von dort Marsch im Trockenen und sogar mit ein wenig Sonne bis hoch zu Sanku Maots’ai. Es stellte sich heraus, dass das Lokal ein Baukastensystem wie Subway hatte: Ich holte mir aus einem reichhaltigen Buffet Suppeneinlagen, gab sie an einer Theke ab und wählte eine Brühe, zahlte und bekam einen numerierten Abhol-Dongle, der brummte, als meine Bestellung abholbar war.

Kleiner Restauranttisch mit Schüssel asiatischer Suppe auf Tablett,  dahinter minimalistisches Lokal

Durch ein grobmaschiges Netz fotografiert Leuchtschrift über einem bleuchteten Buffet, davor die Silhouetten von Menschen

Schmeckte genau so erfreulich, wie ich mir das erhofft hatte. UND! Ich stellte fest, dass meine Füße endlich richtig warm und trocken waren.

Blick eine Straße hinunter auf Berliner Fernsehturm vor blauem Himmel

Spaziergang ins Hotel, dort zum Nachtisch Schokolade.

Diesmal hatte ich wegen meiner Teilnahme an einer Digital- und Gesellschaftskonferenz in den drei Tagen fast null vom Weltgeschehen mitbekommen, ein bisschen paradox. Im Hotelzimmer war ich aber zu erledigt für ein Nachholen, las nur ein wenig Internet, genoss den Ausblick.

Hotelzimmerfenster, hinter dem die Sonne über einer Großstadt untergeht

Blick hinunter auf nächtliche Großstadtkreuzung

die Kaltmamsell

Journal Dienstag, 27. Mai 2025 – Berlin Tag 4: re:publica-Bereicherung und nahöstlicher Abend

Mittwoch, 28. Mai 2025 um 8:34

Ein drittes Mal deutlich überdurchschnittlich geschlafen, und das, obwohl ich immer noch aufgedreht ins Bett gegangen war und nochmal aufgestanden, um mit einer IBU das Aufdreh-Kopfweh zu besänftigen. Wieder vom Wecker geweckt, das Verbloggen eines re:publica-Tags inklusive Bildern braucht dann doch knapp zwei Stunden.

Zumal ich beschloss, Urlaub zu haben, mich nicht innerlich zu hetzen, mir sogar eine Runde Bewegung in milder Luft und mittelfreundlichem Wetter zu gönnen: Ich ging eine Stunde zu Fuß zur Station Berlin. Das war eine gute Idee und tat sehr gut.

Städtischer Prachtbau mit einer historisierenden Fassade und ums Ecke einer modernen, einziges Graffiti auf einer Mauer zum Ufer "Unsere Geschichte ist eure Beute"

Humboldt Forum mit kritischer Beschriftung (und Deppen Leerzeichen), Besichtigung auf der Liste für nächsten echten Berlin-Urlaub.

Für meine 1up-Graffiti-Sammlung (Anhalter Straße).

Beim Kreuzen des Tempelhofer Ufers wenige Minuten von der re:publica entfernt passierte ich eine Warteschlange, die mich wundern ließ, was es in diesen Gebäuden wohl gab. Bis ich merkte, dass es sich um die 300 Meter lange Schlange zum Einlass mit Taschenkontrolle für die re:publica handelte – ich sah mich bereits die erste geplante Session der Konferenz verpassen. Doch auch das hatten die Veranstalter*innen im Griff: Ich nehme an, dass weitere Taschenkontroll-Stationen eingerichtet wurden, denn die Schlange bewegte sich in echtem Schritttempo, ich gab meine Sorgen auf.

Noch einer für die Sammlung, inklusive Schlange.

Die Podiumsdiskussion, deren Verpassen mich geschmerzt hätte: “Truth Under Fire: Documentary Filmmaking Between Risk, Ethics, and Innovation”. Und ich hätte wirklich etwas verpasst: Die drei Dokumentarfilmer*innen erzählten (vorbildlich kundig moderiert von Anna Ramskogler-Witt) Hintergründe und handwerklichen Details ihrer jüngsten Feature-Dokus.

Die Britin Havana Marking (auf dem Bild in der Mitte) veröffentlichte 2024 Undercover, Exposing the far right, in dem ein investigativer Journalist der Organisation Hope not hate beim Undercover-Aufdecken eines rechtsextremen Netzwerks samt Finanzierungshintergrund begleitet wird. Der Österreicher Friedrich Moser (zweiter von rechts) steht hinter dem Film von 2024 How to build a truth engine, in dem er verschiedene Aspekte der menschlichen Wahrnehmung und Manipulierbarkeit untersucht. Und Franz Böhms Crowdfunding-finanziertes Debüt-Langfilmprojekt Dear Future Children begleitete jeweils vier Monate lang junge politische Aktivist*innen in Hong Kong, Chile und Uganda. Er beleuchtete unter anderem Methoden, seine Protagonist*innen zu schützen, mit zwischenmenschlichen und technischen Mitteln. Ich habe selten in so kurzer Zeit so viel völlig Neues erfahren (was übrigens exakt mein Antrieb für die Teilnahme an der re:publica ist: dass sich mir bislang noch jedes Mal Türen in ganz neue Welten öffneten).

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https://youtu.be/Ps8MlGrtu10?si=hmVjmyrNsHHQ2jPD

Hier die Aufzeichnung der Session.

Ricarda Lang kam auf Stage 1: “Politik, persönlich: Ricarda Lang im Gespräch mit Johnny Haeusler”. Das war ganz reizend, aber zumindest für mich ohne neue Einsichten.

Ich machte Kaffeepause draußen in der Sonne mit einem Internetfreund, genoss Update und Austausch.

Dann wurde es ein bisschen bizarr. Der Titel der Session, “‘It’s a trap’: E-Commerce & Why We Still Consume” hatte mich nicht darauf vorbereitet, dass hier jemand mal wieder die Geschichten von der “Digital-Sucht” verbreiten würde. Ich meldete mich mit der Frage, ob nur das begeisterte Romanlesen auf einem Bildschirm Suchtrisiken berge, oder auch auf Papier, und hörte, doch doch, auch auf Papier gebe es Suchtpotential, wenn man seine Pläne danach ausrichte (schuldig im Sinne der Anklage, ich schaffe mir regelmäßig gezielt Zeit fürs Weiterlesen eines fesselnden Romans), aber beim Bildschirm sei es durch das schädliche blaue Licht (längst widerlegt übrigens) besonders hoch. Eine andere Wortmeldung mahnte zurecht eine wissenschaftlich fundiertere Verwendung des Begriffs “Sucht” an.

Der interesssantere Teil, den mich der Titel eher erwarten hatte lassen, kam von der aus Nigeria zugeschalteten Chiso Ndukwe-Okafor, die von Online-Einkaufsfallen besonders auf dem riesigen nigerianischen Markt berichtete. (Und der ich ihre superschicke Brille neidete.) Auch von Sarah Lange, die über Methoden zur Vermittlung von Mechanismen der Online-Manipulation für Kinder sprach.

Jetzt gab‘s Brotzeit: Ich hatte mir im Laden von Sonntag nochmal ein Sprossen-Karotten-Sandwich besorgt.

Über den nächsten Programmpunkt hatte ich mich bei Sichten des Angebots besonders gefreut: “Behind the scenes: Das Art Department der re:publica”.

re:publica-Mitgründerin Tanja Haeusler – wenn sie schon nicht auf die große Bühne wollte.

Seit vielen Jahren fällt mir die visuelle Gestaltung der Konferenz positiv auf, hinter der so offensichtlich immer ein erstaunliches kreatives Konzept und sehr viel Liebe zum Detail stehen. Die Aussicht, es diesmal auch erklärt zu bekommen, fand ich wunderbar.

Nicht nur ich, wie sich erwies, der Vortragsort war komplett überfüllt. Die Kreativagentur, die seit zehn Jahren hinter der Gestaltung steht, ist fertig design. Norman Palm leitete das Konzept für 2025 und das Motto “Generation XYZ” her – und ließ sich anschließend mit Fragen löchern. Sehr spannend.

Währenddessen beschloss ich eine Planänderung für den Rest meines Tages: Zum Abendessen war ich mit einem Berliner Internet-Kontakt von ganz früher verabredet, wollte vorher aber unbedingt noch den abgefahrenen japanischen Tee einkaufen, den ich am Sonntag kennengelernt hatte, außerdem Brotzeit für den Mittwoch. Ich machte also bereits jetzt Präsenz-Schluss und marschierte zu dem Teeladen in der Nähe meines Hotels.

Tempelhofer Ufer.

Anhalter Bahnhof.

Die letzte Tages-Session der re:publica, die ich wirklich nicht verpassen wollte, fand ja auf der Stage 1 statt, die live ins Internet übertragen wurde: Ich guckte in meinem Hotelzimmer “Poesie gegen Populismus – die schönsten Nebenschauplätze unserer Diskussionskultur” mit Sarah Bosetti. Das war so erfrischend wie ihre Clips “Bosetti will reden”, vielen Dank.

Um am nächsten Morgen nicht wieder zwei Stunden festzuhängen, schrieb ich schonmal am Blogpost, fuhr dann mit der U-Bahn zu meiner Verabredung: Wir trafen uns im Layla zu einem Abendessen mit nahöstlicher Küche.

Hervorragender Cocktail auf Calvados-Basis zum Start.

Einmal rundum Vorspeisen-Köstlichkeiten als Nachtmahl – die Teigtaschen sind libanesische Pfannkuchen, auf die ich besonders gespannt war. Auch Nachtisch gab es noch, unter anderem aus Engelshaar und Kirscheis. Alles schmeckte ganz ausgezeichnet.

Vor allem aber kam ich wieder in Konktakt mit meiner Verabredung, ich hatte sie sehr vermisst.

Problemlose Fahrt zurück.

die Kaltmamsell