Aufregender Morgen.
Eine üble Nacht mit viel Schmerz und wenig Schlaf hatte mich in genau die richtige Stimmung für den frühen Orthopädentermin gebracht. Ohne Umweg übers Wartezimmer bat mich Herr Sprechstundenhilfe (meine erste Begegnung mit einem männlichen solchen) ins Behandlungszimmer.
Dr. Orth. nahm sich am Computerbildschirm meine MRT-Bilder von der Vorwoche vor (meckerte genauso über gefühlt hakelige Handhabung der Software vor sich hin wie wir alle, “Des hab’ ich doch gar nicht eingestellt!”).
Und dann kamen wir dem wahrscheinlichen Grund des Umstands auf die Spur, dass sich zwar meine Bandscheibenvorfälle nicht verschlechtert haben, meine Beschwerden aber deutlich. (Spoiler: Weder Wasseradern und noch Chakren, reine Hardware-Sache.)
Ich schaute ihm über die Schulter und ließ mir erklären, was er sah. Denn Dr. Orth. las nicht nur die Diagnose des Radiologen (“wo ist jetzt die wieder?”), sondern guckte sich auch verschiedene MRT-Ansichten an (“so ein Schmarrn, warum ist die jetzt Querformat?”). Hängen blieb er dann an diesem horizontalen Schnitt:

Der unterste Wirbel L5 und Os sacrum sind auf einer Seite miteinander verwachsen (hier sieht man die grundsätzliche Anatomie). Nerven, die da durch/vorbei müssen, haben’s natürlich nicht leicht (meine, ahem, Formulierung). Ich erinnerte mich, dass die erste Diagnose meiner leichten Skoliose, die ich mit 19 bekam, bereits irgendwas mit Verwachsung von Wirbeln am Becken und Geburtsfehler enthalten hatte (aber das war ja auch der Orthopäde, der behauptet hatte, meine Hüftdysplasie werde in 5 bis 15 Jahren künstliche Hüftgelenke erfordern).
Das könnte die Schmerzen von Leiste über Hüfte bis Knie, Schienbein, Fußknöchel erklären (die wohl nicht ganz zum Bandscheibenvorfall passen), auch, warum die LWS-entlastende Stufenlage manchmal meine Schmerzen sogar verschlimmert.
Dr. Orth. überwies mich zum Neurologen, der den Nutzen einer OP prüfen soll (jajaja, auch für mich die letzte Möglichkeit).
Mit vielen Demutsgesten (“ich habe ja keine Ahnung, bin von Fachwissen unbeleckt, deshalb kreativ, hihi”) ergriff nun ich die Initiative und schilderte, welche Lösungen ich mir mittlerweile ausgedacht hatte. Wie deutlich die Verschlechterung meines Zustand ist, fiel mir nämlich auf, als ich in meinem Blog nachlas, wie ich die Weihnachtsferien vor zwei Jahren verbracht hatte – mit fast täglichem Sport: Inzwischen ist es mir fast unmöglich, an zwei Tagen hintereinander Sport zu treiben, weil ich nach einer Sporteinheit mindestens 48 Stunden brauche, bis ich wieder fit genug für die nächste bin – absolut unakzeptabel. Meine Vorschläge also:
1. Büromöbel: Hier hatte ich ja bereits vergangene Woche vorgearbeitet und mir vom Betriebsarzt einen speziellen Stuhl empfehlen lassen. Von Dr. Orth. holte ich mir eine Kopie der Diagnose.
2. Reha: Nachdem eine Freundin mir kürzlich von ihrer erzählt hatte (unabhängig von Unfall oder OP, sondern um an sehr grundsätzlichen Beschwerden zu arbeiten), ließ ich mir die Konditionen berichten. Es erscheint mir sinnvoll, mich ein paar Wochen am Stück um mein Problem zu kümmern. Das müsste wegen Erhaltung meiner Arbeitskraft auch im Sinne der Rentenversicherung sein. Dr. Orth. stimmte zu, schilderte mir grob den Prozess eines Antrags. Dann stürze ich mich also demnächst in eine umfassende Formularschlacht.
In der Arbeit viel Arbeit, ich war von der schlechten Nacht und einer ganz leichten Erkältung völlig erschlagen. So nahm ich nach Feierabend die U-Bahn zum Josephsplatz statt zu laufen (zumal ich eh eine Tageskarte hatte), holte Bücher ab, kaufte Lebensmittel im Discounter (zahlte an einer SB-Kasse, zum ersten Mal in Deutschland, ging einfach und problemlos). U-Bahn nach Hause.
Herr Kaltmamsell verbrachte den Abend aushäusig, ich kochte mir ein paar Nudeln, die ich mit Kartoffelkombinat-Sugo und Parmesan aß, zum Nachtisch Granatapfel und Schokolade. Wegen Fixundfertigkeit früh ins Bett. Noch ein wenig geschwätziges Thomas Bernhard-Gezeter in Form von Alte Meister gelesen – ich bin nicht sicher, ob ich das Buch auslesen werde. Schlechte Laune habe ich schon besser gesehen.
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Dieser Filmausschnitt einer Podiumsdiskussion des Weltwirtschaftsforums in Davos spricht an, was auch dieses Jahr mal wieder zu kurz kam: Steuern und die Qualität von Arbeit.
“Davos Panelist Calls Out Davos For Not Addressing the Obvious”.
Statt Energie und Geld in wohltätige Projekte zu stecken, sollten Unternehmen und Reiche erst mal Steuern zahlen (“ist wie Charity, bloß ohne Lachsschnittchen” – wer sagte das nochmal?). Und: Sinkende Arbeitslosenzahlen sind kein Erfolg, wenn die Arbeitsplätze menschenunwürdig sind. 
die Kaltmamsell