Journal Sonntag, 3. Februar 2019 – Da habt ihr euren Winter!

Montag, 4. Februar 2019 um 6:35

Zum Geräusch von Regentropfen aufgewacht, aber draußen war es weiß: Es schneematschte.

Fahrt nach Ingolstadt zu einem Familiengeburtstagsfrühstück. Blick auf die Hopfengärten – Heimat.

Meine Mutter war auch da, für ein paar Stunden der Reha entkommen. Es gab Updates zu allgemeinen Körperlichkeiten, leider ist sie mit ihrer Rehaklinik nicht zufrieden (Fachkompetenz des Personals, medizinische Ernstnahme und Sorgfalt, allgemeines Kümmern), stellt allerdings auch sicher, dass die es erfährt. Dafür geht es mit dem Neffen aufwärts. Ich trug die Geschichte meines verwachsenen Wirbels bei.

Es schneite und schneite, vor den Fenstern des heimfahrenden Zugs versank die Landschaft im Weiß.

Ich hatte für den Restnachmittag vage Kinopläne gehabt, wollte aber nicht nochmal in den wadenhohen Matsch und Schneefall hinaus. Statt dessen machte ich Brotzeit mit Semmeln und warmem Pudding, spürte meinem Muskelkater vom samstäglichen Oberkörpertraining nach.

Zwei Stunden werkelte ich an VG-Wort-Meldungen – nicht die vergnüglichste Tätigkeit, aber so wenig herausfordernd, dass sogar ich dabei Musik hören konnte. Und mittlerweile springt so viel dabei heraus, dass ich Steuer vorauszahlen muss.

Zum Abendessen servierte Herr Kaltmamsell Bratkartoffeln (in Entenfett geröstet) mit Spiegelei, der Fernseher zeigte dazu auf Tele 5 Highlander – meine Güte ist das lang her und meine Güte ist der simpel gestrickt. Ich fürchte, J.K. Rowling hat mit ihrer komplexen und ausgetüftelten Welt den Markt für schlicht Überirdisches verdorben. Tele 5 wird für mich (neben arte) immer mehr die Rettung eines Abends: Die besten Hits der 60er bis 2000er, und das mit genau der Selbstironie angekündigt, mit der ich mich identifiziere.

die Kaltmamsell

Journal Samstag, 2. Februar 2019 – Genutzter Samstag mit Rotz

Sonntag, 3. Februar 2019 um 7:41

Sehr gut geschlafen, das abendliche Ibuprofen mag geholfen haben.

Erst mal einige Zeit für das große Fest gewerkelt.
Die leichte Verrotzung machte es nicht ratsam, die geplante Schwimmrunde durchzuziehen, draußen regnete es heftig und machte auch einen Isarlauf unattraktiv. Ich nutzte eine Stunde lang den Crosstrainer, schloss eine halbe Stunde Krafttraining für den Oberkörper an.

Weil mich nach dem Sport fröstelte, nahm ich eines meiner seltenen Vollbäder, danach kochte ich Porridge zum Frühstück, aß ihn mit Joghurt und Latwerge.

Der Regen hatte aufgehört, ich bekam Sehnsucht nach dem Draußen. Da Herr Kaltmamsell bereits alle Einkäufe erledigt hatte, nahm ich mir Suche nach Weizenmehl Type 812 vor (die üblichen Mehlquellen waren bereits in den vergangenen Wochen abgeklappert) und steuerte ein Reformhaus an – kein Type 812. Im Untergeschoss von Marienplatz und Stachus sah ich mich nach Fotoautomaten um (ich hatte schon viele Monate kein Monatsfoto mehr aufgenommen, weil das Untergeschoss Sendlinger Tor eine Baustelle ist und alle Automaten abgebaut) – ebenfalls vergeblich. Dann kehrte ich halt im Läderach-Laden ein und besorgte Pralinen, Schokolade und Konfekt zum Durchprobieren. (Abendlicher Test ergab: Schokolade gut, Konfekt sehr fein, Pralinen aber lediglich gut, weit weg von der Raffinesse des Schokoladenladens in der Triftstraße oder des verblichenen Rottenhöfers.)

Zurück daheim bügelte ich die am Vortag und eben gewaschenen Stücke weg, aß Mandarinen und Granatapfel (der mit Wasser gekochte Porridge, wie er mir am besten schmeckt, hält nicht lange vor). Zum Abendessen servierte Herr Kaltmamsell Rind aus der Pfanne und Pastinakenchips, ich machte Posteleinsalat dazu.

Über den Tag schritt die Erkältung voran, zum Schlafen brauchte ich dann doch Nasentropfen.

§

Die Nachrufe im Tagesspiegel über Nicht-Berühmtheiten sind immer wieder besonders berührend. Diesmal lernte ich den jung verstorbenen Moritz Kwasigroch kennen, der nur 19 wurde:
“Man lebt ja nur einmal”.

§

Ich scherze ja gerne (und meine es eigentlich auch so), dass ich eher zur Somatopsychik neige denn zur Psychosomatik: Körperliche Leiden schlagen sich bei mir meist deutlich aufs Gemüt. Und ich beobachte: Während vor ein paar Jahrzehnten die psychische Komponente von Erkrankungen vernachlässigt wurde, ist sie jetzt Erklärung Nr. 1 – inklusive dem Unterton, man sei selbst schuld an seinen Beschwerden, weil man sein Leben und seine Persönlichkeit nicht im Griff habe. (Dabei sind die Diagnoseverfahren für organische Erkrankungen so viel besser geworden.)

Spektrum der Wissenschaften schildert:
“Wie der Körper die Seele krank macht”.

Wobei “Hast du schon deine Schilddrüse checken lassen” inzwischen in meiner Umgebung der Reflexhinweis bei fast allen Beschwerden ist.

via @malomalo

die Kaltmamsell

Journal Freitag, 1. Februar 2019 – Heilige Knochen

Samstag, 2. Februar 2019 um 8:53

Aufregender Morgen.
Eine üble Nacht mit viel Schmerz und wenig Schlaf hatte mich in genau die richtige Stimmung für den frühen Orthopädentermin gebracht. Ohne Umweg übers Wartezimmer bat mich Herr Sprechstundenhilfe (meine erste Begegnung mit einem männlichen solchen) ins Behandlungszimmer.

Dr. Orth. nahm sich am Computerbildschirm meine MRT-Bilder von der Vorwoche vor (meckerte genauso über gefühlt hakelige Handhabung der Software vor sich hin wie wir alle, “Des hab’ ich doch gar nicht eingestellt!”).

Und dann kamen wir dem wahrscheinlichen Grund des Umstands auf die Spur, dass sich zwar meine Bandscheibenvorfälle nicht verschlechtert haben, meine Beschwerden aber deutlich. (Spoiler: Weder Wasseradern und noch Chakren, reine Hardware-Sache.)

Ich schaute ihm über die Schulter und ließ mir erklären, was er sah. Denn Dr. Orth. las nicht nur die Diagnose des Radiologen (“wo ist jetzt die wieder?”), sondern guckte sich auch verschiedene MRT-Ansichten an (“so ein Schmarrn, warum ist die jetzt Querformat?”). Hängen blieb er dann an diesem horizontalen Schnitt:1

Der unterste Wirbel L5 und Os sacrum sind auf einer Seite miteinander verwachsen (hier sieht man die grundsätzliche Anatomie). Nerven, die da durch/vorbei müssen, haben’s natürlich nicht leicht (meine, ahem, Formulierung). Ich erinnerte mich, dass die erste Diagnose meiner leichten Skoliose, die ich mit 19 bekam, bereits irgendwas mit Verwachsung von Wirbeln am Becken und Geburtsfehler enthalten hatte (aber das war ja auch der Orthopäde, der behauptet hatte, meine Hüftdysplasie werde in 5 bis 15 Jahren künstliche Hüftgelenke erfordern).

Das könnte die Schmerzen von Leiste über Hüfte bis Knie, Schienbein, Fußknöchel erklären (die wohl nicht ganz zum Bandscheibenvorfall passen), auch, warum die LWS-entlastende Stufenlage manchmal meine Schmerzen sogar verschlimmert.

Dr. Orth. überwies mich zum Neurologen, der den Nutzen einer OP prüfen soll (jajaja, auch für mich die letzte Möglichkeit).2

Mit vielen Demutsgesten (“ich habe ja keine Ahnung, bin von Fachwissen unbeleckt, deshalb kreativ, hihi”) ergriff nun ich die Initiative und schilderte, welche Lösungen ich mir mittlerweile ausgedacht hatte. Wie deutlich die Verschlechterung meines Zustand ist, fiel mir nämlich auf, als ich in meinem Blog nachlas, wie ich die Weihnachtsferien vor zwei Jahren verbracht hatte – mit fast täglichem Sport: Inzwischen ist es mir fast unmöglich, an zwei Tagen hintereinander Sport zu treiben, weil ich nach einer Sporteinheit mindestens 48 Stunden brauche, bis ich wieder fit genug für die nächste bin – absolut unakzeptabel. Meine Vorschläge also:

1. Büromöbel: Hier hatte ich ja bereits vergangene Woche vorgearbeitet und mir vom Betriebsarzt einen speziellen Stuhl empfehlen lassen. Von Dr. Orth. holte ich mir eine Kopie der Diagnose.

2. Reha: Nachdem eine Freundin mir kürzlich von ihrer erzählt hatte (unabhängig von Unfall oder OP, sondern um an sehr grundsätzlichen Beschwerden zu arbeiten), ließ ich mir die Konditionen berichten. Es erscheint mir sinnvoll, mich ein paar Wochen am Stück um mein Problem zu kümmern. Das müsste wegen Erhaltung meiner Arbeitskraft auch im Sinne der Rentenversicherung sein. Dr. Orth. stimmte zu, schilderte mir grob den Prozess eines Antrags. Dann stürze ich mich also demnächst in eine umfassende Formularschlacht.

In der Arbeit viel Arbeit, ich war von der schlechten Nacht und einer ganz leichten Erkältung völlig erschlagen. So nahm ich nach Feierabend die U-Bahn zum Josephsplatz statt zu laufen (zumal ich eh eine Tageskarte hatte), holte Bücher ab, kaufte Lebensmittel im Discounter (zahlte an einer SB-Kasse, zum ersten Mal in Deutschland, ging einfach und problemlos). U-Bahn nach Hause.

Herr Kaltmamsell verbrachte den Abend aushäusig, ich kochte mir ein paar Nudeln, die ich mit Kartoffelkombinat-Sugo und Parmesan aß, zum Nachtisch Granatapfel und Schokolade. Wegen Fixundfertigkeit früh ins Bett. Noch ein wenig geschwätziges Thomas Bernhard-Gezeter in Form von Alte Meister gelesen – ich bin nicht sicher, ob ich das Buch auslesen werde. Schlechte Laune habe ich schon besser gesehen.

§

Dieser Filmausschnitt einer Podiumsdiskussion des Weltwirtschaftsforums in Davos spricht an, was auch dieses Jahr mal wieder zu kurz kam: Steuern und die Qualität von Arbeit.
“Davos Panelist Calls Out Davos For Not Addressing the Obvious”.

Statt Energie und Geld in wohltätige Projekte zu stecken, sollten Unternehmen und Reiche erst mal Steuern zahlen (“ist wie Charity, bloß ohne Lachsschnittchen” – wer sagte das nochmal?). Und: Sinkende Arbeitslosenzahlen sind kein Erfolg, wenn die Arbeitsplätze menschenunwürdig sind.

  1. Dass es genau dieser war, könnte ich nicht beschwören, abends schien mir der am wahrscheinlichsten. []
  2. Ich erzähle Ihnen das alles nur zum kleinsten Teil aus meiner üblichen Egozentrik, sondern weil ich es für hochspannend und deshalb für teilenswert halte. []
die Kaltmamsell

Lieblingstweets Januar 2019

Freitag, 1. Februar 2019 um 19:41

Nachtrag: Hier wieder die Sammlung der Sammlungen von Anne Schüßler.

die Kaltmamsell

Journal Donnerstag, 31. Januar 2019 – A.L. Kennedy, Serious Sweet

Freitag, 1. Februar 2019 um 7:01

Heftiger Arbeitstag mit viel Gerenne.

Wetter immer noch leicht über Null, gestern mit etwas mehr Sonne.

Auf dem Heimweg Lebensmitteleinkäufe. Daheim noch Basteln an großem Fest, bevor wir zur abendlichen Leserunde aufbrachen – die eigentlich auf Silvester geplant war, wegen Krankheit aber verschoben werden musste. Jetzt erst sprachen wir über A.L. Kennedy, Serious Sweet.

Es stellte sich heraus, dass ich den Roman als einzige ganz gelesen hatte: Die anderen hatten entweder erst gar nicht angefangen oder waren nicht über ein paar bis 200 Seiten hinaus gekommen. So schlimm hatte ich das Buch nun nicht gefunden, doch hat Kennedy viel zu viel reingesteckt. Wir lesen die Geschichte eines Mannes und einer Frau in London, in abwechselnden Kapiteln. Vom Klappentext wissen wir, dass sie einander begegnen werden. Oder, wie es im Verlauf des Romans wahrscheinlich wird, einander schon begegnet sind? Die stark personale Sichtweise hat zwei Ebenen, die durch kursive/nicht-kursive Schrift markiert sind – und bei denen ich bis zum Schluss nicht herausgefunden habe, wodurch sie sich unterscheiden. Uns wird praktisch jeder Gedanke, jede Wahrnehmung der beiden Personen erzählt, tatsächlich umfassen die 500 Seiten nur 24 Stunden Gegenwartshandlung.

Aus der Innensicht von Jon Sigurdsson lernen wir einen Regierungsbeamten kennen und die Mechanismen politischer Macht sowie Kommunikation, außerdem sein Leben bisher, seine Verwundung durch eine katastrophale Partnerschaft, seine erwachsene Tochter. Aus der Innensicht von Meg Williams wiederum entsteht das Bild einer trockenen Alkoholikerin, deren Leben weiterhin durch die Krankheit dominiert wird. Mit der Zeit bekommen wir auch ein wenig Außensicht der Figuren, nämlich durch ihre Gedanken übereinander. Das alles in die vielen winzigen Schritten menschlichen Denkens und Fühlens, die aus einer Minute Aufenthalt in einem Café drei Seiten Text machen.

Dazu hat Kennedy eine weitere Ebene geschrieben: Zwischenkapitel erzählen in Vignetten menschliche Begegnungen in London – erst am Ende des Buches erfahren wir ihre Bedeutung.

Der eigentliche Inhalt, die eigentliche Geschichte von Serious Sweet ist auf vielerlei Weise bewegend und interessant, doch die superkomplexe Vermittlung wirkt aufgesetzt und angestrengt. A.L. Kennedy hat viel Besseres geschrieben. Ich schließe mich Jean Thompson in der New York Times an: “This is an ambitious book, but often an exhausting one.”

Dazu servierte die Gastgeberin köstliche Parmigiana und Schokoladencreme, ins Glas bekam ich eine sehr interessante Scheurebe.

Der nächtliche Marsch nach Hause tat gut. Im Bett fühlte ich mich aufgekratzt, das und ein nervenschmerzendes Bein kündigten eine unruhige Nacht an.

§

Der Haken an einem völlig unzurechnungsfähigen Spitzenpolitiker wie Donald Trump ist ja, dass gar nichts mehr an seinem Handeln ernst genommen wird. Doch die Haltung seiner Regierung zum INF-Vertrag hat wohl zur Abwechslung mal sachliche Hintergründe und ist nicht selbst erfunden.
“Die Wiederkehr des atomaren Wettrüstens”.

via @thomas_wiegold

§

Aus Gründen, die mit einer personellen Veränderung in einer von mir besuchten Cafeteria und dem einhergehenden Wechsel in der musikalischen Beschallung zu tun haben, dachte ich gestern viel an Hädbängä.

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https://youtu.be/GPyZAdClgU0

die Kaltmamsell

Journal Mittwoch, 30. Januar 2019 – Ein Tag für Suppe

Donnerstag, 31. Januar 2019 um 6:46

Der Anfang des Arbeitstags verdrosch mich erst mal. Allerdings freute ich mich über schlagartige Entspannung, als ich kurz vor zehn entdeckte, dass der in meiner Abwesenheit hereingekommene Mittwochtermin um zehn nicht jetzt gleich, sondern erst nächste Woche stattfand.

Zumindest hatte mein Unterbewusstsein das nicht kommen sehen und mich gut schlafen lassen.
Und auf dem Weg in die Arbeit bekam ich die Bavaria vor einer sehr ungewöhnlichen Hintergrundfarbe präsentiert.

Temperaturen leicht über Null, diesiger Himmel.
Mittagessen: Auflaufreste vom Vorabend. Vormittags eine Hand voll Nüsse, nachmittags ein Apfel und ein paar Nüsse (mir reicht das Mittagessen nie bis Feierabend, spätestens um vier habe ich Hunger).

Nach Feierabend war ich mit Herrn Kaltmamsell auf eine Suppe in Max Beef Noodles verabredet. Als Vorspeise probierten wir “Rinderblätter” – die sich als Kutteln herausstellten.

Deutlich weniger knurpslig, als ich sie in chinesischen Restaurants bekommen habe, sehr wohlschmeckend.

Suppe diesmal in sehr scharf mit Hühnerhack für Herrn Kaltmamsell, in etwas scharf mit Rindfleischwürfeln für mich. Beides sehr gut.

§

Dass ich über Herrn Kaltmamsell nur engagierte, fachkundige, kinder- und menschenfreundliche Lehrerinnen und Lehrer kenne, fällt mir immer nur dann auf, wenn ich in anderen Zusammenhängen auf die faulen Bürokratinnen und Bürokraten im Lehrpersonal treffe. (Das ist heilsam, weil ich dann weniger vehement behaupte, der Berufstand insgesamt sei völlig verkannt.) Bloggende Lehrerinnen und Lehrer gehören wenig überraschend zur ersten Sorte. Ich finde interessant, welche Gedanken ich hier zu den schulrechtlichen Konsequenzen der „Fridays for Future“-Demos finde, für die Schülerinnen und Schüler ja Unterricht schwänzen. Zum Beispiel bei kubiwahn, der nicht nur Lehrer, sonder auch Schulleiter ist (lesen Sie bitte auch seine Antrittsrede als Schulleiter):
“Ein Kind hält den Mund – eine Entgegnung für Herrn Rau”.

Was ist ein Streik wert, der erlaubt ist? Das nennt man einen Ausflug.

die Kaltmamsell

Journal Dienstag, 29. Januar 2019 – Berlin-München und Das deutsche Krokodil

Mittwoch, 30. Januar 2019 um 7:00

Ich habe den Eindruck, Sie wissen die Lebensweisheit, die den gestrigen Text abschloss, nicht ausreichend zu würdigen. Auch auf Twitter war das Echo eher verhalten. Wenn Sie bitte nochmal nachlesen, ich warte so lange.

Immer noch nicht?
Andere würden 200-seitige Lebenshilfe-Bestseller drumrum schreiben! Und eine Netflix-Serie!

§

Der Dornröschenschlosszauber wirkte kein zweites Mal, nach einer unruhigen Nacht wachte ich gestern früh auf. Das gab mir aber Gelegenheit für eine Plauderei über Morgenkaffee mit der Gastgeberin, von ihrer Tochter ließ ich mich über die Mathematikerin Sophie Germain informieren (Schulprojekt).

Zum Bahnhof rollkofferte ich wieder zu Fuß (frische Luft! die Sehnsucht danach ist möglicherweise das ultimative Erwachsenenkriterium). Es war frostig und glatt geworden, zum Glück hatte ich reichlich Zeit für den Weg einkalkuliert.

Ereignislose ICE-Fahrt, wir erreichten München fast pünktlich (können Sie eine Autofahrt von Berlin nach München auf zehn Minuten genau planen? eben). Dank funktionierendem WLAN konnte ich bloggen, dann las ich Mangolds Das deutsche Krokodil aus. Ich hatte es gern gelesen, verfolgte interessiert die Lebensschilderung des Heidelberger Feuilletonisten, dessen nigerianischer Vater (der allerdings erst in sein Leben trat, als Mangold bereits 22 war) ihm zu einem bunten Hintergrund verholfen hat. Und doch ist die zentrale Figur des Buches seine auf vielfältige, leise und eindringliche Weise unkonventionelle Mutter, die ihn stärker prägte, als es ihm lang bewusst war. Sehr gut nachvollziehen konnte ich das Spiel mit Identitäten, das Ijoma Mangold genießt – weil auch ich es mit meinem spanischen Namen früh zu genießen gelernt habe. Bei mir ist es halt das Spiel mit u.a. deutsch, Ingolstädterin, Bildungsbürgertum, Feministin, Griechischabiturientin, Gastarbeiterkind, Anglistin, Frau, Literaturwissenschaftlerin, Technikoptimistin. Und ich bilde mir ein, dass uns die reflexhafte Gegenwehr bei Vereinnahmungsversuchen verbindet. Ich mochte auch die persönliche und manchmal sehr eigene Sprache der Autobiographie, die Mangold mindestens so erlebbar macht wie der Inhalt seiner Geschichten.

Daheim ruhte ich mich aus (für die Siesta, auf die ich mich im Zug noch gefreut hatte, war ich dann doch zu wenig bettschwer), bis Herr Kaltmamsell aus der Arbeit kam. Er hatte noch am Schreibtisch zu tun, ich nutzte den Urlaubsnachmittag für eine Runde Sport: Crosstrainer und Rumpftraining – beides strengte mich an.

Zum Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell einen Lauchauflauf.

In einer Wohnung über uns wurde menschenreich ein Fest gefeiert, ich ging mit Ohrstöpsel ins Bett.

§

Die Tagesschau erklärt mit einem kurzen, praktischen Film:
Wann ist Israelkritik antisemitisch?

§

Wie so Vieles (…) ist auch das Wegerecht in England sehr eigen gelöst: Zwar ist fast der gesamte Grund und Boden in privater Hand, doch wenn ein Weg hindurch von der Öffentlichkeit belegbar genutzt wird, darf er genutzt werden. Bis 2026 sollen nun alle erfasst werden, danach gelten nur noch diese. Darüber schreibt der New Yorker: “The Search for England’s Forgotten Footpaths”.

In England, public paths are made by walking them. You can make a new, legally recognized footpath by simply treading up and down it, with a few friends, for a period of twenty years.

(…)

Until 2026, any public path can be reinstated, as long as there is documentary evidence that it used to exist. But, after the deadline, old maps and memories won’t matter any more. “This is a one-shot thing, really,” Cornish said. “So we need to make sure we do it right.”

die Kaltmamsell