Nach zehn Stunden Schlaf aufgewacht, das hatte es offensichtlich gebraucht: Ich war zum ersten Mal seit Langem den ganzen Tag aufs Angenehmste wach. Und obwohl ich mir das eine oder andere vorgenommen hatte, stresste mich nichts davon
Ein wolkenlos sonniger, kalter, windiger Tag (es ist immer noch viel zu trocken!). Am Vormittag radelte ich hinaus zum Olympiapark, um eine Runde zu schwimmen.
Dreimal musste ich um Autos, die die Fahrradspur besetzten, auf dicht befahrene Autofahrbahnen ausweichen. Ich verfluchte die Fahrer/Fahrerinnen halblaut und rituell. Auch wenn ich an die Wirkung nicht eigentlich glaube, pufferte das meinen Zorn. Ich muss mir merken, auf der nächsten Bürgerversammlung Mäuerchen wie in Madrid an einigen Stellen zwischen Radspur und Autospur zu beantragen.
Etwas verdutzt war ich, als im Trainigsbecken des Olympiabads (große Halle wird immer noch renoviert) nur zwei Bahnen zum Schwimmen freigegeben waren, im restlichen Becken fanden Schwimmkurse für Kinder statt. Entsprechend dicht beschwommen waren die Bahnen, umso mehr ärgerte ich mich über die vielen Spielzeugschwimmer mit schwerem Gerät, deren Zahl die der schlichten Schwimmerinnen und Schwimmer übertraf. Zwar schwamm ich immer so weit rechts wie möglich, um mich verletzungsfrei überholbar zu machen (und werde wieder einige wenig kleidsame blaue Flecken an rechter Hand, rechtem Handgelenk und rechtem Unterarm davon tragen vom Aufdonnern am Bahnentrenner). Doch war ich offensichtlich dennoch einer anderen, spielzeugfreien Schwimmerin im Weg: Als ich sie an der Wende vorlassen wollte, pampte sie mich verärgert an.
Schlagartig sah ich in einen Spiegel meines eigenen Zorns und schämte mich umgehend: Ich lebe in einem so reichen Land, das sich gepflegte, beheizte Schwimmbäder leisten kann, bin selbst so reich, dass ich mir ohne nachzudenken die 4,80 Euro Eintritt leisten kann, bin so gesund und fit, dass ich problemlos 3.000 Meter kraule – und weiß das so wenig zu schätzen, dass mir gedankenlose Mitschwimmer den Spaß verderben können? (Trotzdem: Gibt es vielleicht inzwischen Wettbewerbe im Geräteschwimmen? Bis 20cm-Flossen / bis 30cm-Flossen? Bis 15cm-Paddel / bis 20cm-Paddel? Jeweils mit Schenkelpolster und ohne?)
Daheim gefrühstückt und geräumt, so lange im sonnendurchfluteten Wohnzimmer lesend getrödelt, bis die Sonne weg war (16 Uhr). Erst dann wechselte ich in die fensterlose Küche zum Stollenbacken. Living the life!
Die nächsten Stunden bestanden aus Stollenbacken verschränkt mit Bügeln, beim Bügeln hörte ich Holger Kleins WRINT: “WR878 Frau Diener verreist mit dem Kreuzfahrtschiff”.
(Zu Schiffsantrieben und den verwendeten Kraftstoffen mag sie sich vor der nächsten Gesprächsrunde über Schiffahrt vielleicht noch von Fachleuten informieren lassen, um nicht ganz so sehr daneben zu liegen?)


Erste Lage Stollen für die italienische Verwandtschaft ist gebacken. Tante und Kusinen möchten lieber kleine Stollen, soll sein.
Abends kam Herr Kaltmamsell von einer beruflichen Verpflichtung zurück, es gab Pak Choy mit Chilis aus der Pfanne und Rosenkohl aus dem Ofen, alles aus unserem Ernteanteil.
Fetter Chlorschnupfen, ich brauchte Nasenspray zum Schlafen.
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Ist es Größenwahn oder erwachsenes Selbstvertrauen, dass ich privat immer wieder gerne mit Anfängern zusammenarbeite? Auch in Fachbereichen, von denen ich keine Ahnung habe? So gehe ich gerne in die Ambulanzen universitärer Fachkliniken und lasse mich von quietschjungen Ärztinnen und Ärzten untersuchen und behandeln, mit all ihren Unsicherheiten, Nachfragen beim Chef, ihrem lauten Überlegen – an irgendjemandem müssen sie ja lernen, warum nicht an mir?
Und gestern haben Herr Kaltmamsell und ich uns auch bei einer anderen Dienstleistung für die Anfängerinnen entschieden statt für die umfassenden Vollprofis: Sie sind sympathisch, supermotiviert – und irgendwo müssen sie ja Erfahrung sammeln, warum nicht mit uns?
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Am Freitag wurde bekannt, dass William Goldman gestorben ist, der Mann, der so reflektiert und intellektuell war, dass er mir mit seinem Buch Adventures in the Screen Trade Hollywood von hinten nahebringen konnte (große Leseempfehlung). Hier ein fast zehn Jahre altes Portrait im Guardian:
“Newman, Hoffman, Redford and me”.
Goldman is the classic case of the creative genius who respects the rules, but has lived his entire life as if the rules do not apply to him. He encourages young writers to go to Hollywood, but has lived most of his adult life in New York. He knows that stars dominate the industry, but has not been the least bit reluctant to disparage them. He has often been disappointed by the craven stupidity of studio executives, but retains an odd compassion for them.

die Kaltmamsell