Es hat dann doch noch geklappt, dass ich den angepeilten Freitag freinehmen konnte (habe zwar noch Urlaubstage aufzubrauchen, Bürogeschehen lässt sich derzeit allerdings schlecht prognostizieren) – und was für einen herrlichen Frühlingstag ich da geschenkt bekam! Bei meinen nachmittäglichen Einkäufe war mir ohne Jacke nicht zu kalt.
Vormittags nutzte ich die Gelegenheit wie an jedem freien Freitag in München, meine Lieblingsstepstunde zu besuchen. In der uns mein Lieblingsvorturner vorsichtig darauf vorbereitete, dass er diese Stunde zum 1. April abgibt: Er sei ins entferntere Umland gezogen und habe festgestellt, dass es doch außerordentlich anstrengend sei, für diese Stunde reinzukommen. Wenn ich richtig gerechnet habe, besuche und schätze ich seine Stepstunden seit fünf Jahren – sie werden mir fehlen.
Gestern hatten wir sehr gemischte Truppe (in Alter und Körperformen) nochmal eine richtige Gaudi, und ich versuchte mir all die Choreographieelemente, die ich nur bei diesem Herrn antreffe und deren Bezeichnungen er ziemlich sicher selbst erfunden hat, besonders gründlich zu merken: “Einparken” und “Fußball” sind wohl eher nicht im Kanon der Stepaerobicfiguren anzutreffen.
Ich hängte eine Stunde Gemeinschaftsgymnastik an und kämpfte mit einem kleinen, nur halb aufgeblasenen Ball, auf den wir uns für Übungen setzen oder knien sollten: Sind mir die wandgroßen Spiegel im Turnsaal immer schon eher unangenehm, möchte ich meine unbeholfenen Wackeleien bei diesen Übungen am allerwenigsten sehen.
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Auf der Heimfahrt holte ich mir beim Bäcker Schmidt zum eine Mohn-Challah (sie nennen sie dort Mohnzopf, aber es gibt ihn nur freitags und samstags): Ob sie den Zopf gleich in Scheiben schneiden solle, fragte die Verkäuferin. UmGodswuin! Ich erklärte ihr, dass so ein Zopf doch nicht geschnitten, sondern gerupft werde. Ihr Blick ordnete mich eindeutig als g’spinnerte Kundin ein.
Beim Bäcker Schmidt nahm ich auch eine interessant aussehende “Fastenbreze” mit: Sie sei aus leicht gesüßtem Hefeteig gemacht, erklärte mir die Verkäuferin, habe der Chef aus dem Chiemgau mitgebracht.
Fastenbrezen kannte ich bislang nur aus der Bäckerei Knapp & Wenig, und dort handelt es sich um eine ungelaugte Breze mit Staubsalz.
Mein nächster Stopp war der Herrmannsdorferladen am Viktualienmarkt, in dem ich die freundlich-appetitliche Atmosphäre so schätze, dass es mir nie etwas ausmacht warten zu müssen.
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Daheim kräftige Brotzeit (wie KANN man eine Challah nur schneiden wollen statt die Stränge mit ihren herrlichen langen Fasern zu rupfen?), Wäschewaschen (wozu in unserer bröselnden Küche gelegentliches Entleeren der vollgelaufenen Waschmaschinenunterwanne gehört) und -aufhängen.
Zeitunglesen am sonnig-warmen Balkon – vor dem Entwintern noch ziemlich schmutzig, aber für einen Sessel ist immer Platz.
(Foto: Mitbewohner)
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Abendverabredung im Broeding, dortselbst köstliches Essen und interessante Weine.
Da war zum Beispiel dieses köstliche Kürbissüppchen mit Lamm (ich glaubte Kreuzkümmel und Kurkuma rauszuschmecken), während ich noch an meinem Schilcher-Rosé als Aperitiv nippte:
Sehr gefreut hatte ich mich auf die Teigtasche mit Leber- und Blutwurst, die mit Papaya und Kräutersalat serviert wurde: Ein Knaller, denn die Papaya war nicht nur reif und aromatisch, sondern auch in etwas Minzigem mariniert und passte hervorragend zum Blutwurstgeschmack.
Dazu gab es ein Gläschen aus der Doppel-Magnum Ebner-Ebenauer Weißer Burgunder Vom Wald inlusive der wundervollen Geschichte, wie dieses junge Winzerpaar zu dieser neuen Lage kam.
Der nächste Gang war ein herzhafter Thunfisch, an dem ich am interessantesen die Kombination von gebratenen Pilzen mit Bergamotte fand (und den ich vergessen habe zu fotografieren). Begleitet wurde er von einem Groisser Gemischten Satz aus dem Waldviertel (den mochte ich besonders gern), wieder mit ausführlicher Geschichte.
Der gebratene Radicchio hatte einen interessant kräftigen Käse (Arunda) dabei:
Dazu mein Rotweinfavorit des Abends, Gut Oggau (Achtung: Website BRÜLLT) Atanasius 2009, ein Blaufränkisch-Zweigelt aus dem Burgenland (das Etikett, so wurde uns erklärt, gehe auf die Charakterisierung des Weins als Persönlichkeit zurück: so sähe der Wein aus, wäre er ein Mensch). Auch sonst steckt wieder eine wundervolle Geschichte von leidenschaftlichen Wein-Nerds hinter dem Wein.
Als Fleischgang gab es Kalb mit Namen, nämlich einen Sohn der Restaurant-eigenen Kuh Dorli, über die ich mich über den Broeding-Newsletter regelmäßig informieren lasse.
Im Glas hatte ich dazu diesen sehr schönen Blaufränkisch (nicht ein solcher Brummer wie mein Favorit vom Heinrich, dafür mit einem Hauch Pferdefurz – jaja, Hande, ich weiß, ich soll lieber “animalische Note” sagen):
Zum Käsegang eine Überraschung (für mich zumindest): Der Heinrich hat einen orange wine gemacht. Die Bedienung machte uns auf den Duft nach Apfelmost aufmerksam, gab zu, dass das nicht gerade ein Geschmack sei, den man sich abends als “noch ein Gläschen Wein” einschenken würde, doch dass er hervorragend zum Käse und der Pomeranzenmarmelade passte. Sie hatte recht: Einfach so war der Wein eher bitter, doch mit dem Käse fing er an Walzer zu tanzen.
Das Dessert war eine schöne Kombination von Schokolade, Karamel und Frucht, an der mich am meisten die marinierten Birnen faszinierten (Nachfrage in der Küche ergab, dass nur Wein, Zucker, Vanille dran war).
Der Wein dazu war ein Kracher 11 Trockenbeerenauslese, zu dem uns erklärt wurde, dass er es fast nicht zum Wein geschafft hätte: So lernte ich, dass in Österreich eine Bedingung für die Bezeichnung als Wein mindestens 5 Volumenprozent Alkohol ist.
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Gelesen:
Jahrelang verhöhnten wir Politikerinnen und Politiker, weil sie keine Ahnung von Computern und Internet hatten (in meinem Fall: weil sie NOCH weniger Ahnung hatten als ich). Weil wir offensichtlich davon ausgingen, dass sie eine höhere Fachkenntnis zum Besten der Gesellschaft einsetzen würden.
Mittlerweile zeichnet sich ab, dass der unterstellte Scherz “Ihr werdet euch noch wünschen, wir hätten keine Ahnung vom Internet” (Quelle verschollen) ins Schwarze traf: Sobald diese Menschen kapierten, welche Chance die Ahnungslosigkeit von Durchschnittsbürgerinnen bietet (Symptom z.B. ausbleibende Empörung über NSA-Aushorchung), ließen sie sich schleunigst fit machen. Und zwar keineswegs zum Besten der Gesellschaft.
Sascha Lobo führt das am Beispiel Alexander Dobrint vor. Der forderte auf der CeBIT ein “intelligentes Netz” – was sich dummerweise nur sehr kurz gut anhört: “Wir brauchen ein superdummes Netz!”
Wer ein intelligenteres Netz fordert, fordert en passant ein besser überwachbares Internet, das schlechter geeignet ist für die technische Selbstermächtigung durch die Nutzer. Das ungefähr Letzte, woran gerade Mangel herrscht.
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Gesehen:
Entnehme einem Beitrag in quer, dass die SPD im Münchner Stadtrat Spielplätze um Mädchenspielgerät ergänzt haben will. Laut Ulrike Boesser, gleichstellungspolitische Sprecherin, müsse “mehr auf die geschlechterspezifische Raumaneignung der Kinder eingegangen werden” (watt?). In dieselbe Tröte bläst (offensichtlich allen Ernstes) Gabriele Nuß von der Gleichstellungsstelle der Stadt München und spricht von “Gender-Gerechtigkeit”. Watt?! Seit wann sind Gleichstellungsstellen dafür zuständig, bereits Kinder nach Geschlechterstereotypen zu segregieren? Seit wann sind Bolzplätze für Buben reserviert? Brauchen kleine Fußballspielerinnen rosa Tore?
http://youtu.be/7YQhe7eDQRk
Andererseits: Mit Ferrero und seiner segregierten Kinderüberraschung sollte schnell ein Sponsor gefunden sein.