Archiv für Juli 2025

Lieblings-Breviloquia* Juli 2025

Donnerstag, 31. Juli 2025

(Diesmal rechtzeitig daran gedacht! *Beckerfäustchen*)

Wir beginnen mit meinem Zuhause: Mastodon.

Weiter geht’s mit Bluesky (wobei Sie vielleicht merken, dass einige meiner Mastodon-Favoriten eh von Bluesky rüber-gebridget** sind).

*siehe
** Oh doch, das ist ein Wort.

Journal Mittwoch, 30. Juli 2025 – Isarhochwasser in kurzer Regenpause

Donnerstag, 31. Juli 2025

Für gestern hatte ich den Wecker auf Extrafrüh gestellt: Die Wettervorhersage hatte die Möglichkeit eines regenfreien, mittelhellen Morgens angekündigt, vielleicht hell genug für einen letzten (vorletzten? *Bambi-Augen*) Isarlauf vor der Arbeit. Ich wachte eine halbe Stunde nochfrüher auf, lauscht sofort nach draußen: kein Regenrauschen, super. Einschlafen konnte ich jetzt aber nicht mehr.

Egal, der Morgen dämmerte tatsächlich mit nur mittlerer Bewölkung: Ich war gespannt, wie meine Lerchenstrecke an der Isar bei Hochwassermeldestufe 1 aussehen würde.

Überrascht war ich beim Loslaufen erstmal über die Kälte, ich schätzte gerade mal 10 Grad. Zwar war ich noch zu verschlafen, um “notice how you feel” (die Yoga-Adriene scheint irgendwann ein eigenes Einflüsterzentrum in meinem Hirn eingerichtet zu haben), aber nichts schmerzte mehr als sonst, die Bewegung strengte mich nicht wirklich an.

Interessante Niedrighochwasseransichten; Meldestufe 1, so lernte ich dabei, bedeutet nur an einer Stelle reinlappende Isar auf meiner Lerchenstrecke.

Nur hier konnte ich nicht wie gewohnt direkt am Ufer laufen.

Wieder ein Holzschnitt.

Mutprobe nach dem Duschen: Die frisch gewaschene echte Jeans (501), die ich wegen Kälte nach Monaten aus dem Schrank zog. Zu meiner Erleichterung war sie nicht zu klein geworden, nach zwei Kniebeugen saßen auch die Oberschenkel bequem. (Nein, das wird in diesem Leben nicht mehr aufhören.)

Auch auf dem Weg in die Arbeit war der Himmel geradezu heiter, das Gehen bereitete mir so viel Freude, dass ich auf die Abkürzung mit U-Bahn verzichtete (außerdem fiel mir gestern kein Grund ein, so früh wie möglich im Büro anzukommen, es stand nichts und niemand Dringendes an).

Geordnet emsiger Vormittag, bei meinem Spaziergang ins Westend zu Mittagscappuccino war es geradezu mild und freundlich.

Das änderte sich bald wieder: Beim Mittagessen dräute der Himmel dunkelgrau. Es gab Gurke, dann Mango mit Sojajoghurt, in den ich eingeweichte Roggenkörner gemischt hatte – zum einen kaue ich sehr gern solche Körndln, zum anderen verlangsamt das mein Weglöffeln von Mangojoghurt angenehm.

Kurz nach Mittagessen prasselte der Regen bereits wieder munter. (Ich möchte bitte gerne einen schwarzen Regenschirm mit der Aufschrift in großen, freundlichen Buchtaben: “Der Bauer freut sich”.)

Den Arbeitsnachmittag brachte ich auch rum, auf dem Heimweg profitierte ich von einer Regenpause.

Heim kam ich in eine leere Wohnung: Herr Kaltmamsell verbrachte den Abend aushäusig. Ich kruschte, turnte Yoga-Gymnastik und bereitete mir zum Abendessen (Ernteanteil bereits aufgegessen) Rahmspinat mit verlorenen Eiern, einen meiner Stroh-Single-Klassiker. Zudem aß ich Salzgürkchen, Käse mit Pfirsich, abschließend Schokolade – insgesamt zu viel.

Das aktuelle Granta 172, Badlands hatte ich ausgelesen – eine eher schwache Ausgabe, mit einem über 50-seitigen Text “Wie ich mal in den Krieg in der Ukraine fuhr und mit ganz vielen Leuten redete”, den ich bald nur noch kursorisch überflog. Nächste Lektüre, endlich wieder bequem auf dem Kindle (die Zeiten, in denen mich Papierbücher nicht anstrengten, kommen wohl nicht wieder): Grete Weil, Tramhalte Beethovenstraat, gleich mal aus unerwarteter Perspektive und in überraschendem Tonfall, 1963 als “erster deutschsprachiger Roman einer Überlebenden über Exil, Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden” veröffentlicht.

Vor dem Zu-Bett-Gehen (früh sehr müde, kein Wunder) sah ich nach den Mauerseglern, die ich tagsüber nicht gehört hatte: Sie sind möglicherweise bereits fort.

§

Nils Pickert engagiert sich unter anderem bei Pinkstinks Germany gegen Sexismus und Homophobie. In Standard.at blafft er sich von der Seele:
“Neue männliche Einsamkeitskrise? Das geht doch schon seit Jahrhunderten so”.

Männer bevölkern in großer Zahl die Gefängnisse, weil sie die überwältigende Anzahl von Kapitalverbrechen begehen. Sie werden häufig Opfer von Gewalttaten – hauptsächlich, weil andere Männer es mit ihrer Männlichkeit vereinbar oder sogar für zwingend erforderlich halten, anderen Männern Gewalt anzutun. Sie sterben neben biologischen Ursachen (Looking at you, Y-Chromosom!) auch deshalb früher, weil sie zu risikoreicherem Verhalten ermutigt und erzogen werden und weil sich Gesellschaften gerne ihrer Körper bedienen, wenn es darum geht, die Drecksarbeit zu machen.

(…)

Und ja, Männer sind einsam. Ihre Freundschaften drehen sich zu oft nicht um Nähe, Fürsorge und Liebe, sondern um Themen oder Beschäftigungen. Fußballfreunde. Saufkumpel. Gaming-Bros. Freundschaft ist für Männer auch der eine Typ aus dem Unikurs, der ihnen für ein Bier damals beim Umzug geholfen hat, den sie aber seit 20 Jahren nicht mehr gesehen haben.

Männer führen parasitäre Sozialbeziehungen, indem sie (notgedrungen) Zeit mit den Partnern der Freundinnen ihrer Partnerinnen verbringen. Also weniger “Hey, das ist aber mal ein interessanter, aufrichtiger, liebenswerter Kerl, mit dem würde ich gerne mehr Zeit verbringen”, sondern eher so “Ach, du auch hier, na ja dann, und du so”.

(…)

Das Ende männlicher Einsamkeit liegt nicht in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft.

Und es liegt auch nicht in Frauen, sondern in Männern selbst. Im Halten, Lieben, Scheitern und Verzeihen. In Männern, die andere Männer auffangen, wenn sie fallen, und zur Verantwortung ziehen, wenn sie andere schlecht behandeln.

Kommen Sie mir auch hier bitte nicht mit #notallmen: Es geht um Strukturen.

Journal Dienstag, 29. Juli 2025 – RegenblablablaRegen

Mittwoch, 30. Juli 2025

Nach einem unangenehmem Aufgewecktwerden durch Menschenlärm aus dem Park schlief ich (jetzt bei geschlossenen Fenstern) gut.

Der Tag startete dunkelgrau düster und trocken, vor allem aber sehr kühl.

Stillleben heißt ja auf Spanisch “naturaleza muerta”.

Im Büro ab Rechnerhochfahren Emsigkeit, unter anderem sprang ich für einen Job kurzfristig ein.

Doch der Druck war nicht zu hoch für einen Mittagscappuccino im Westend, genau zu dieser Zeit sah ich auch ein paar blaue Löcher zwischen den Wolken am Himmel. Und ich habe in langen Jeans und Jacke schon deutlich mehr gefroren in einem Juli unserer Breiten.

Zu Mittag gab es nach weiteren Handgriffen am Schreibtisch den restlichen Linsensalat vom Vorabend sowie Nektarinen. Das war anscheinend nicht nachhaltig genug: Nachmittags brauchte ich noch eine Hand voll Nüsse.

Am frühen Nachmittag goss es nochmal kräftig. Mehrfach. Die angekündigte vorübergehende Wetterberuhigung (24 Stunden) stellte sich nicht ein, an der Isar wird Hochwasserstufe 1 gemeldet.

Leider wieder schmerzende Lendenwirbelsäulengegend mit Abbrech-Gefühl und kurzem Wechsel zwischen Arbeiten im Sitzen und im Stehen.

Kürzlich sprach ich mit einer Gleichaltrigen, die ich wegen ihrer Hexenschuss-Beschwerden bemitleidete; sie meinte verschämt, vielleicht sei es Zeit, doch mal mit ein wenig sportlicher Bewegung als Vorsorge gegen Altersleiden zu beginnen. Ich musste ihr im Verlauf des Gesprächs gestehen, dass ich seit so vielen Jahren nie komplett schmerzfrei war, dass ich mich nicht mehr daran erinnern kann, wie das ist. Bis dahin hatte ich angenommen, das gehe allen Menschen in meinem Alter so.

Heimweg unterm Schirm und über Obst- und Drogerie-Einkäufe. Zu Hause Yoga-Gymnastik (eine Ruhe-Folge), Brotzeitvorbereitung, dann servierte Herr Kaltmamsell die Ernteanteil-Aubergine als Pasta alla Norma.

Sehr gut – aber diese Manfredini/Mafaldini enttäuschen mich: Sie behalten beim Kochen nicht ihre Form, sondern zerfallen. Dazu gab es den Ernteanteil-Kohlrabi als Salat, den ich bereits am Montagabend zubereitet hatte (noch nie einen so großen Kohlrabi erlebt, der so wenig holzig war).

§

Felix berichtet die Geschichte seiner angeborenen Körperform und warum er sich dagegen Abnehmspritzen verschreiben hat lassen:
“‘milde adipositas'”.

Grundsätzlich wundert mich ja, dass bei einem Menschen mit über Jahre perfektem Blutbild und nachweisbar regelmäßiger Bewegung das statistische Übergewicht als Risikofaktor eingeordnet wird.
Dann wieder: Das war bei seiner jüngeren Schwester ja auch so. Und doch blieb ihr Herz einfach stehen. (Rein strukturell deutet das für mich auf einen ursächlichen Faktor hin, der unter anderem auch für Übergewicht verantwortlich war und nicht umgekehrt – aber das führt in Tiefen des menschlichen Stoffwechsels, die bei näherer Recherche immer noch ein großer weißer Fleck sind => Raum für Spekulationen, Esoterik, unseriöses Marketing.)

§

Endlich Zeit gefunden, den Bachmannpreis-Vortrag der Gewinnerin Natascha Gangl nachzusehen und die Jury-Diskussion darüber:
“Da Sta”.

Verstörender Text, nahe an Lyrik, hervorragend präziser Vortrag – ein großartiges Beispiel für das offene Kunstwerk (im Sinne von Umberto Eco). Ich bin komplett einverstanden mit der Preisvergabe.

§

Die Art Niedlichkeit, bei der ich sofort mitgehe:
Passanten bekleben die bei Brandanschlag beschädigte Sendung-mit-der-Maus-Figur mit Pflastern.

Journal Montag, 28. Juli 2025 – Verregneter, langweiliger Montag

Dienstag, 29. Juli 2025

Ohne Regenrauschen aufgewacht, little blessings. Wegen diverser Häuslichkeiten kam ich später als sonst aus dem Haus, schon 15 Minuten Verschiebung führten mich durch eine andere Welt in die Arbeit. Die mich dann auch gleich mit Dringlichem anfiel.

Da zudem Termine anstanden und ich aus Gründen im Büro verfügbar sein musste, schoss ich für meinen Mittagscappuccino nur kurz raus zu Nachbars, verlängerte aber den Schuss um eine Runde um den Block in der Hoffnung, meine innere Unruhe dadurch zu besänftigen.

Zu Mittag gab es zwei Scheiben Körnerbrot und zwei Nektarinen.

Rühriger Nachmittag, während es draußen düster blieb und immer wieder regnete.

Auf dem Heimweg reichte die Kapuze meines Mantels gegen die wenigen Regentropfen, unterwegs Einkäufe im Vollcorner.

Herr Kaltmamsell verbrachte den Abend aushäusig, ich machte mir Linsensalat (LINSEEEEN!) mit Belugalinsen, roter Paprika, Gurke, süßer Zwiebel, frischem Basilikum. Während die Linsen nach dem Kochen abkühlten, turnte ich eine Runde Yoga-Gymnastik.

Schmeckte sehr gut! Außerdem ein Stück Käse. Nachtisch Schokolade.

§

Sehr DER HAT NOCH GELEBT?!
Aber tiefe Verehrung.

“Tom Lehrer, Musical Satirist With a Dark Streak, Dies at 97”.

“I don’t feel the need for anonymous affection,” he told The New York Times in 2000. “If they buy my records, I love that. But I don’t think I need people in the dark applauding.”

Sie kennen ihn vermutlich von “Poisoning Pigeons in the Park” – auch wenn Ihnen wahrscheinlich die übersetzte Georg-Kreisler-Version “Tauben vergiften” geläufiger ist. Außerdem empfehle ich “The Vatican Rag” (wer mag mir das nur vor Jahrzehnten auf ein Mix Tape gespielt haben? ich kann mir keine andere Möglichkeit des Kennenlernens vorstellen) – ein schmissiges Stück über die Ergebnisse des Zweiten Vatikanischen Konzils.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/pvhYqeGp_Do?si=zyfoKpJEHcVoWQ1H

Sehr ungewöhnlich außerdem:

In October 2020, Mr. Lehrer announced on his website that “all the lyrics on this website, whether published or unpublished, copyrighted or uncopyrighted, may be downloaded and used in any manner whatsoever, without requiring any further permission from me or any payment to me or to anyone else”

(…)

He expanded on, and formalized, this announcement two years later, stating among other things that “permission is hereby granted to anyone to set any of these lyrics to their own music, or to set any of this music to their own lyrics, and to publish or perform their parodies or distortions of these songs without payment or fear of legal action.”

Will heißen: Lehrer gab 2020 alle Ansprüche auf Tantiemen an seinem Werk auf und betonte, jede und jeder könne mit seinen Texten und Aufnahmen alles machen, was sie wollten – ohne dafür zahlen zu müssen oder rechtliche Schritte zu befürchten.
Noch größere Verehrung.

Musik auf nächstem Kindergarten-Sommerfest also ausschließlich Tom-Lehrer-Satiren, die GEMA darf nichts verlangen. Bedienen Sie sich!

So help yourselves, and don’t send me any money.

Unvergessen auch Daniel Radcliffe, der Lehrers “The Elements” auswendig lernte – und 2011 in The Graham Norton Show zum besten gab.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/rSAaiYKF0cs?si=kgzgT78fBBWBGDsY

§

Die Schweizer Blick (ausgerechnet) interviewt Philipp Ruch, dessen Zentrum für Politische Schönheit das ARD-Interview mit Rechtsextremistin Alice Weidel störte:
“Jetzt redet der Störer des Weidel-Interviews – er ist Schweizer!”

Oft ist nicht zu erkennen, wo er Spaß macht und was Ruch ernst meint – das ist das Wesen von Satire, von Narrentum. Doch ich finde durchaus überlegenswert:

Ich sehe Weidel und die AfD gerne in der Opferrolle. Ich denke, niemand hätte Interesse daran, den deutschen Rechtsextremismus noch mal in der Täterrolle zu sehen. Wir wissen, wo das geendet hat.

Journal Sonntag, 27. Juli 2025 – Sonnenbrand am Regentag

Montag, 28. Juli 2025

Gut und lang geschlafen, bei leisem Aufwachen immer erst angenommen, dass der nächste Tag ein Montag sein würde, bereits Arbeitshandgriffe geplant – bis mir einfiel, dass ich noch einen ganzen freien Sonntag vor mir hatte und ich mich freute.

Aufgewacht zu lautem Regenrauschen.

Da durchgehend Regenwetter vorhergesagt war, ließ ich Bloggen, Milchkaffee, Tee gemütlich angehen – war aber dennoch überraschen früh fertig für meine Schwimmrunde im Dantebad. Freibadschwimmen bei Regen macht mir gar nichts aus, ich finde die Tropfen auf meinen Schultern sogar schön. Dass ich in einer Regenpause zur U-Bahn und zum Schwimmbad kam, war mir aber durchaus recht.

Die Bahnen übersichtlich beschwommen, ich genoss die Bewegung. Doch dass völlig überraschend der Himmel aufriss und die meiste Zeit zwischen Phasen mit dunkelstgrauen Wolken die Sonne rauskam, beunruhigte mich: Mit Aussicht auf eine Regenrunde hatte ich mich nicht sonnengecremt.

Das Schwimmen selbst lief aber so gut, und ich war laut Blick auf die Stadionuhr so schnell (Verdacht, dass mein Schwimmanzug im Gegensatz zu Bikini bei Sonnenschein großen Anteil daran hat) (nicht etwa wegen irgendwelcher Oberflächenzauberei, in solch einer Liga schwimme ich wirklich nicht, sondern weil ich damit nach der Wende einen so kräftigen Abstoß wage, wie es meine starken Beine zulassen – was ich mich in Bikini aus Höschenverlustangst nicht traue), dass ich am Ende meiner 3.000 Meter weiterschwamm. Und noch eine Runde. Und noch eine. Nach 3.500 Metern hörte ich nur auf, weil meine Harnblase drückte, gestern wäre locker noch mehr drin gewesen.

Wieder draußen hatte ich Lust auf Spazieren und ging durch Gern bis zum Rotkreuzplatz, ein bisschen angesprutzt von dunklen Wolken. Als ich am Sendlinger Tor den U-Bahnhof verließ, goss es allerdings kräftig; wie gut, dass ich einen Regenschirm dabei hatte. Heimkehr mit schon wieder nassen Socken.

Frühstück um halb zwei: Körnerbrot zweimal mit Butter, Tomate, Basilikum, einmal mit Butter und Zuckerrübensirup, außerdem zwei sehr gute Nektarinen. Der Haut-Check ergab: leichte Sonnenrötung auf Nacken, Schultern und Dekolleté, zefix.

Nachmittag mit Tüchtigkeiten (Konto-Checks, Überweisungen, Aktivierung und Einsicht elektronische Patientenakte s.u.), Zeitungauflesen, Auslesen des Ausstellungskatalogs Farben Japans. Draußen mal Sonne, mal Regenguss, manchmal verbunden mit Gewitter, es wurde kühler.

Trotz Schwindel (was soll das?) eine Runde Yoga-Gymnastik – gut!

Zum Nachtmahl verarbeitete Herr Kaltmamsell einen halben Chinakohl aus Ernteanteil (die andere Hälfte war schon auf dem Weg zu Kimchi) zu unserem Pasta-Klassiker mit Räucherlachs. Davor snackte ich noch köstliche Salzgürkchen. Nachtisch Schokolade.

Im Fernsehen ließen wir Florence Foster Jenkins mit der immer wieder atemberaubenden Meryl Streep laufen: Überraschend gutes Drehbuch, das ist meiner Erfahrung nach bei Biopics selten.

§

Ich hatte es auf Mastodon bereits mitbekommen, hier erzählt Vanessa Giese in einem Blogpost, was sie in ihrer elektronischen Patientenakte ePA entdeckte:
“Ein Notfall, eine Entdeckung, ein Wahlprogramm, eine Arena und ein eskalierender Garten”.

Nach Gescanne und Getippe war ich dann drin und Heureka! Welch Erkenntnis! Mein ehemaliger Gynäkologe hat offensichtlich systematisch Abrechnungsbetrug betrieben – oder hielt mich jahrelang für eine andere Patientin. Die Diagnosen, die dort für die Zeit zwischen 2015 und 2024 dokumentiert und abgerechnet wurden, sind mir jedenfalls völlig unbekannt: Weder hatte ich entsprechende Beschwerden noch habe ich die abgerechneten Beratungen erhalten.

Bonmot: Der Arzt, bei dem ich 2022 eine Corona-Impfung erhielt – wir erinnern uns: Man suchte sich über Doctolib jemanden, der zeitnah den guten Stoff verabreichte – hat keine Impfung abgerechnet, dafür eine Angststörung. Die ist jetzt auch so niedergeschrieben. Ich habe diesen Mann nie gesehen! Die Impfung hat die MTA verabreicht.

Interessanterweise gab es in meinem Internet extrem unterschiedliche Reaktionen darauf (neben dem verbindenden Aus-allen-Wolken-fallen): Die einen sahen sich in ihrer grundsätzlichen Ablehnung der elektronischen Patientenakte bestärkt (weil wilde Fehldiagnosen dadurch die Behandlung durch spätere Ärzt*innen fehlbeeinflussen), die anderen begrüßten die Möglichkeit, durch die ePA ihren Ärzt*innen künftig auf die Finger zu sehen (übrigens haben Patient*innen die Möglichkeit, Inhalte der ePA zu sperren – also auch erfundene Diagnosen). Ich gehöre zur zweiten Gruppe und hatte schon bei Vanessas Entdeckung einige Tage zuvor den komplizierten Prozess für den Zugriff auf die elektronische Patientenakte begonnen, inklusive Download einer weiteren Krankenkassen-App (die eigentliche nutze ich längst) und einer verbundenen Ausweis-Verifizierungs-App. Dieser Prozess blieb an einer Stelle hartnäckig hängen; ich beschloss, erst nach Sichtung meiner Bayern-ID-Unterlagen weiterzumachen. Nämlich gestern.

Diesmal blieb der Vorgang einen Schritt später hängen. Nach (gemessenen) 20 Minuten Kreiselgucken mit “Warten auf Antwort des Servers”, startete ich diesen Schritt erneut – wenn ein Vorgang an die Bayern-ID gebunden ist, hat er bei mir noch nie aufs erste Mal funktioniert.

Dann aber: Olé! Nach weiteren zehn Schleifen war ich drin und lud ein PDF “Leistungsauskunft” seit 2019 herunter. Die Lektüre der Diagnosen (es war auch alles aufgeführt, was ich im Anamnesebogen und im Anamnesegespräch erwähnt hatte) erbrachte nur wenige Seltsamkeiten, zum Beispiel einen Orthopäden (einer der mehreren “es ist nicht die Hüfte” über die Jahre meiner Hüftprobleme), der “leichte depressive Episode” hinterlegte. Für Abrechnungen hätte ich die Patientenquittung einsehen müssen, die im Anschreiben des PDFs zwar verlinkt war, aber nur auf die Startseite der Krankenkassen-Website führte, dort war nirgends eine Patientenquittung zu finden.

Mehr als dieses PDF hing nicht in der ePA, also nicht etwa MRT- und Röntgenaufnahmen, wie ich mir das in den 20 Jahren seit ersten Plänen für die ePA vorgestellt hatte.

§

Großartiges Interview mit Jamie Lee Curtis im Guardian:
“‘Generations of women have been disfigured’: Jamie Lee Curtis lets rip on plastic surgery, power, and Hollywood’s age problem”.

Journal Samstag, 26. Juli 2025 – Klatschnasser Wanderversuch am Starnberger See

Sonntag, 27. Juli 2025

Lang geschlafen, und als ich aufstand, war es draußen unter düsterem Himmel trocken: Wanderhoffnung!

Doch schon als ich nach Milchkaffee, Tee und Bloggen bereits in Wanderkleidung zu Änderungsschneiderin und Bäckerei ging, brauchte ich einen Schirm. Und die Wettervorhersage kündigte mittlerweile Regen bis auf Weiteres an, mindesten noch zehn Tage. Ach meia.

Schlechtes Wetter vs. falsche Kleidung: Ich war gespannt, ob die richtige Kleidung auch gegen die schlechte Laune half, die Sauwetter verursacht.

Eigentlich hatten wir uns auf den Tegernseer Höhenweg geeinigt: Ich stellte mir malerisch vor, bei Regen auf die Schwaden überm See und in den umgebenden Hügeln zu schauen. Doch Herr Kaltmamsell stellte fest, dass die Anfahrt nach Gmund gestern lang und umständlich war: Baustelle, Schienenersatzverkehr. Da fiel mir eine Wanderung am Starnberger See mit ähnlichen Features ein, nämlich von Starnberg über Leoni nach Berg und obenrum zurück. Dorthin fuhren wir mit der S6.

Und es ging gut los: Der leichte Regen war gar kein Problem, ließ sich mit Schirmmütze und Kapuze von der Brille fernhalten, feuchtete Jacke und Hose lediglich an. Plaudernd und einander immer wieder auf schöne Anblicke hinweisend wanderten wir vor uns hin.

Für mich sah gestern alles nach japanischem Holzschnitt aus.

Doch nach einer knappen Stunde wurde der Regen allmählich immer heftiger, bis er laut prasselte, meine Wanderhose klatschnass war und begann, in die Wanderstiefel zu sickern (die von außen das Wasser von Regen und Pfützen wunderbar abhielten) und meine Unterhose zu befeuchten. Nach einer guten Stunde Wandern gaben wir auf: Die restlichen vier Stunden der Runde konnten kein Vergnügen mehr werden, selbst bei schwächerem Regen, diese Nässe in der Kleidung würden wir nicht mehr wegkriegen. Also drehten wir um. Zur Bestätigung legte der Regen noch ein Schippchen drauf, ich konnte schier nicht mehr hören, ob hinter uns ein Auto nahte oder der Regen gerade noch stärker wurde.

Sie sehen es doch auch?

Bis dahin hatten wird durchaus etwas geboten bekommen: Wasservögel inklusive Haubentaucher und ungewöhnlich große Blässhühner, über die See-Oberfläche flitzten beruhigenderweise Schwalben.

Die S-Bahn für den Rückweg stand schon bereit. Ich legte meine tropfende Wanderjacke ab, um mich setzen zu können, ohne den Sitz zu durchnässen, allerdings wurde mir auf der endlos scheinenden Heimfahrt immer kälter. Tiersichtung: Ein schmales, zierliches Hirschtier neben den Gleisen.

Herr Kaltmamsell brotzeitete in der S-Bahn, ich hatte keinen Appetit und wollte nur ins Trockene, Warme. Frühstück also erst nach drei und daheim, ich hatte meine Wanderbrotzeit aus dem nassen Rucksack geholt: Apfel, Banane, ein Schnitz Körnerbrot, Kirschen. Vorm Fenster Schnürlregen. Ich aß in Jeans, Wollsocken, Kashmir-Hoody überm T-Shirt. Da meine Finger dennoch nicht warm werden wollten, nahm ich nach einer Weile Herrn Kaltmamsells Angebot an, mir eine Decke um die Schulter zu legen.

Er amüsierte sich über den Anblick und machte ein Foto.

Innerlich hatte ich da den Sommer bereits vorerst aufgegeben und auf Nicht-Sommer umgeschaltet, die frisch gewaschenen Baumwollkleidchen auf dem Wäscheständer erschienen mir albern.

Den restlichen Nachmittag verbrachte ich also statt mit Blicken über den Starnberger See mit Zeitunglesen, turnte dann eine lange Folge Yoga-Gymnastik.

Zum Nachtmal hatte ich mir schon vor Tagen Fleisch gewünscht, Herr Kaltmamsell briet ein Entrecôte perfekt, dazu gab’s Oldenburger Salzgürkchen, Zucchini-Creme, eingelegte Chilis, Körnerbrot. Das Fleisch schmeckte himmlisch, und von den Salzgürkchen bekam ich schier nicht genug. Im Glas ein angenehmer Côtes du Rhône, Nachtisch Schokolade.

§

Johanna Adorján, gebürtige Münchnerin und 1999 weggezogen (also genau in dem Jahr, in dem ich nach München zog), über die groteske Verdirndelung ihrer Geburtsstadt. (Ich weigere mich, diese Bayern-Uniform “Tracht” zu nennen.) – €:
“Guck mal, da kommt eine Lederhose”.

Es sind weniger die Abschiede, die mir München so fremd machen, als etwas neu Hinzugekommenes: Es sind die vielen Trachtenmodengeschäfte, die überall aufgemacht haben.

(…)

Und es sind ja nicht nur die Geschäfte: Die Ware wird auch getragen. Und zwar nicht nur, wie Weggezogene etwa um 2005 mit Befremden bemerkten, „von Stuttgartern und Hamburgern zur Wiesnzeit“, wo es früher überhaupt nie üblich war, Tracht zu tragen, jedenfalls nicht für Städter.

(…)

Man kann nicht U-Bahn fahren ohne Menschen, oft junge, Hand in Hand, in Tracht am Bahnsteig stehen zu sehen. Warum? Aus Sicht eines Nicht-Ortsansässigen sehen Menschen in Tracht nicht gut aus in sonst banal großstädtischer Umgebung. Vor den postgelben Wandpaneelen des U-Bahnhofs Sendlinger Tor sieht natürlich niemand gut aus. Aber Menschen in Tracht wirken im urban erschlossenen Untergrund einfach nur abwegig, um nicht zu sagen: vollkommen grotesk. Sie werden ja nach Besteigen der U2 nicht in einen Schuhplattler verfallen oder nach dem Aussteigen ihre Kühe von der Alm treiben.

(…)

Natürlich ist der grassierende Münchner Trachtenhabitus im Kern nichts anderes als Fasching. Eine Verkleidung, die sich Zugereiste, Durchreisende und seit einiger Zeit eben auch Hiergeborene zulegen, um nicht als ortsfremd aufzufallen. Dass man das in dieser Stadt offensichtlich dermaßen scheut, also als fremd aufzufallen, spricht natürlich nicht für diese Stadt.

(…)

Mit dieser Mode verbindet sich ja etwas unendlich Konservatives. Damit ist nicht die Verbundenheit zu einem Fleck auf der Erde gemeint. Geschenkt. München, Oberbayern, Bayern ist einfach mit das Schönste, was es gibt auf der Welt. Mit den Seen und den Bergen und nicht nur der Nähe zu Italien, sondern mehr noch der Entfernung zu Preußen. Aber die Volkstracht manifestiert ein ultra-tradiertes Geschlechterbild: Mannsbild und Weibsbild. Dazwischen nichts. Und in den Trachtenmodeläden, in die ich aus Recherchegründen guckte, hing weit und breit nichts, das mit den Geschlechterbildern gespielt hätte. Überall dieselbe binäre Garnitur. Lederhose, Trachtenweste, Lodenjanker in Grau, Blau oder Lodengrün für ihn. Dirndl, Dirndlbluse, taillierte Strickjacke für sie in Grau, Blau oder Lodengrün, mit modischen Ausreißern ins Babyrosafarbene oder Glitzernde. Es ist im Grunde, als gingen alle entweder als Stewardess oder als Steward.

Mir hat ja geholfen, dass irgendwann jemand diese Verkleidung als Cosplay einordnete – und das Oktoberfest als größten Cosplay-Con der Gegenwart. Allerdings wirkt das nicht gegen die Irritation über die zahllosen Kostümläden. (Am größten ist sie für mich beim Passieren von “Inntaler Tracht”: Erst wunderte ich mich über den Mut zu einer extrem spitzen Zielgruppe, denn wer kommt bitte schon vom Inn? Dann aber stellte ich an den dort angebotenen Dirndlkleidern, Lederhosen, Westen und Hemden keinerlei Unterschied zu den Verbayer-Gewändern anderer Anbieter fest, das Inntal scheint gar keine eigene Tradition zu haben.)

Journal Freitag, 25. Juli 2025 – Überraschend emsiger Freitag, weiter kein Sommer in Sicht

Samstag, 26. Juli 2025

Vom Wecker aus tiefem Schlaf geklingelt worden. Das Wetter hatte sich beruhigt, war nur noch kühl, aber nicht mehr nass – Hoffnung auf passendes Wetter für die geplante Wanderung am Wochenende.

Im Büro plumpste mir aus dem Postfach ein größerer Brocken entgegen, mit dem ich nicht gerechnet hatte und der mich die ersten Stunden intensiv beschäftigte.
Dann schüttelte ich mich einmal kräftig und packte das eigentlich geplante Tagesgeschäft an.

Auf einen Mittagscappuccino ins Westend schaffte ich es wegen Querschlägen erst spät, Marsch in angenehm milder und trockener Luft.

Zurück am Schreibtisch weitere Turbulenzen, auch mein Mittagessen bekam ich erst spät: Banane, Hüttenkäse, Kirschen.

Der Büronachmittag dachte gar nicht daran, ruhiger zu werden. Dann zickt auch noch die Wunderheilung der aktuell wichtigsten Internet-Patientin. Ich war mit dem Verhalten der Welt NICHT zufrieden.

Freitagspünktlicher Feierabend war aber drin. Unterm Schirm ging ich in sanftem Tröpfeln nach Hause, unterwegs Einkäufe im Vollcorner (vor allem Milchprodukte). Daheim Häuslichkeiten, eine Runde Yoga-Gymnastik. Als Drink zum Feiern des Wochenendes schenkte ich uns auf Wunsch von Herrn Kaltmamsell Calvados Tonic ein. Der Alkohol tat uns beiden gut.

Zum Nachtmahl servierte er Salade niçoise, die Kartoffeln, die grünen Bohnen und der Kopfsalat dafür aus Ernteanteil.

Im Glas dazu ein Dreißigacker Riesling Geerdet von 2022 – gleichzeitig jung moussierend und alt petrolig, Bitterkeit und Säure nicht so richtig eingebunden.

Nachtisch Schokolade.

Wetterbegleitung draußen: Heftiger Regen mit Gewitter. Dass das ein für unsere Breiten eigentlich normaler Sommer ist, weiß ich natürlich nach 58 Jahren Leben in diesen Breiten. Ich lasse trotzdem die Gefühle Traurigkeit und Sehnsucht zu, wehre mich auch weiterhin dagegen, mir andere Gefühle vorschreiben zu lassen.

Früh ins Bett zum Lesen, ich bin immer noch gefesselt vom Ausstellungskatalog zu Farben Japans.

§

Nicht immer nur Fehler posten! Felix erzählt, wie er Pia, Janine, Philip, Kerstin und Halil “aus dem OTTO-Service-Team” kennengelernt hat – und solche Geschichte sind natürlich immer die besseren (“Wie kann ich euch helfen” merke ich mir für meine nächste Service-Anfrage).
Aber für das kosmische Gleichgewicht nehme ich mir hiermit vor, auch alle problemlos verlaufenen Bestellungen und Lieferungen zu bloggen.

So traf gestern planmäßig meine neue Wanderkappe ein.

Ich hatte sie online bestellt, weil ich eine möglich exakte wie meine derzeitige haben wollte, die sich nach vielen, vielen Jahren Einsatz beim Wandern und Joggen und nach zahlreichen Wäschen (eigentlich laut Etikett verboten, aber dann hätte ich sie ja bereits nach dem ersten Jahr Tragen vor lauter Schweiß, Dreck und Gestank wegwerfen müssen) auflöst. Die größte Annäherung hatte ich über Google Lens bei Peek & Cloppenburg gefunden: Der nächste Laden liegt im Olympia Einkaufszentrum, das war mir zu weit, also zahlte ich lieber Porto für Lieferung.

Bestellung Donnerstagmorgen, Lieferung Freitagnachmittag. Auch die Anweisung an DHL “Bitte vor der Haustür ablegen” wurde eingehalten, ich fand das Paket gestern beim Heimkommen vor der Wohnungstür. Einzige Kritik: die komplett überdimensionierte Verpackung (Tchibo ist übrigens in dieser Hinsicht richtig gut geworden).

§

Re: Mein Internet.
Zeichnen Sie hier einen Fisch. Nee, wirklich, los! Und dann schwimmen lassen! Das ist zu niedlich.