Journal Montag, 12. April 2021 – Brille kaputt

Dienstag, 13. April 2021 um 6:31

Diese Arbeitswoche begann wie die vorhergehende mit Schneetreiben. Ich war von daheim mit Schirm losgezogen, weil es durchaus energisch regnete, doch im Lauf meiner guten halben Stunde Fußweg zum Büro verwandelte sich der Regen erst in Griesel, dann in Schnee. (Nachdem ich am Sonntag den ganzen Tag Fenster offenlassen konnte.)

Vormittags vor dem Bürofenster Leiserieselter, nachmittags immer wieder vereinzelte Flocken bis Schneeschauer.

Zu Mittag gab es ein Stückchen Cheese-and-Onion-Pie und Bulgursalat.

Den ganzen Tag über emsiges Arbeiten.

Auf dem Heimweg stoppte ich noch im Supermarkt für Einkäufe, beim Einräumen hinter der Kasse passierte es: Wieder einmal rutschte mir die Brille bei Runterschauen von der FFP2-Maske, und diesmal fing ich sie nicht auf (weil beide Hände voll), sie federte auch nicht vom Boden ab, sondern brach auf den Supermarkftfliesen mitten durch am Steg. Mit zwei halben Brillen in der Tasche meines Ledermantels ging ich heim und hoffte darauf, dass mein freundlicher Nachbarschafts-Optiker noch offen sein würde. (Die Sekundenkleber-Methode hatte ich beim letzten Nasensteg-Bruch angewendet und mir fürchterlichen Schimpf der Optikerin eingehandelt: Der Sekundenkleber macht eine echte Reparatur unmöglich.) Ich brachte nur schnell meine Einkäufe hoch und eilte weiter ins Brillengeschäft.

Noch ein Glück hatte der Laden noch offen, noch ein Glück beruhigte mich die Optikerin gleich: Die Brille könne man kitten. Das dauert allerdings, weil die Stelle für Stabilität erst trocknen muss, 24 Stunden lang bin ich brillenlos.

Ich sah den Unfall als ein Zeichen: Eigentlich ist die Korrekturstärke der Brille schon seit Jahren nicht mehr aktuell. Also sah ich mich bei dieser Gelegenheit nach einer neuen Brille um. Die Optikerin (diese Angestellte kannte ich noch nicht, ich war schließlich viereinhalb Jahre nicht mehr da) hielt mich vermutlich für eine Angeberin, als ich sie warnte: “Mir steht jede Brille – was die Wahl leider nicht leichter macht.” Nachdem ich mir querbeet alles mögliche aufgesetzt und sie damit angesehen hatte, auch ausgesprochen alberne Gestelle, musste sie lachen: Das habe sie ja noch nie erlebt. Während sie auf meine Bitte Modelle heraussuchte, die meiner vorherigen Brille möglichst nahe kamen (am liebsten hätte ich das gleiche nochmal gehabt, doch der Hersteller produziert es nicht mehr), machte ich mir den Sport welche zu finden, in denen ich zweifelsfrei scheiße aussah. Ich gewann.

Die Optikerin riet mir, die Entscheidung nicht gleich zu treffen, sondern Selfies zu machen und darüber nachzudenken – sie vielleicht jemandem zu zeigen. Lassen Sie uns das doch mal anders als sonst machen: Ich zeige Ihnen nicht die beiden Modelle, zwischen denen ich mich entscheiden werde, sondern die Schabernack-Exemplare.

Zurück zu Hause war mir die Lust auf Yoga vergangen, ich half Herrn Kaltmamsell bei der Zubereitung des Abendessens (auf die Nähe brauche ich ja keine Brille): Es gab nochmal Tellerfleisch mit Meerrettichsauce und Salzkartoffeln. Nachtisch Osterschokolade.

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Smilla hat in einem früheren Arbeitsleben mit Peter Patzak zusammengearbeitet, dem kürzlich verstorbenen Film-Regisseur von u.a. Kottan ermittelt. Sie schreibt einen ganz persönlichen und anrührenden Nachruf:
“Nur eins”.

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Das hier sollte international viral gehen. (Augsburger Schwäbisch.)

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https://youtu.be/A0EqaSBurX0

die Kaltmamsell

Journal Sonntag, 11. April 2021 – Ein bisschen Frühling im Südfriedhof

Montag, 12. April 2021 um 6:35

Lang geschlafen, bis sieben, das machte die nächtlichen Unterbrechungen wett. Nach dem Aufwachen erst mal Rollläden hochgezogen, mit Brille und mehr Kopfkissen zurück ins Bett und auf Park und Himmel geschaut. Das Wetter wechselte gestern zwischen Wolken und Sonne mit überwiegend Sonne.

Vormittags meine wöchentliche Runde Quietschknarzklack auf dem Crosstrainer. Vor dem Fenster Natur inklusive Tauben, die ich bereits vom Balkon kannte und inzwischen unterscheiden kann: Weißbäckchen, Lochschwanz, Shabby.

Ein bisschen ins Draußen zum Semmelholen, in der Sonne war es T-Shirt-warm. Ich machte einen kleinen Umweg, um nach dem Alten Südfriedhof zu schauen.

Einige Bärlauchsammleri*nnen, zum Teil mit großen Plastikkörben; ich roch den Bärlauch, obwohl er noch nicht blühte.

Zum Frühstück zwei Semmeln und ein Stückchen Cheese-and-Onion-Pie. Der Pie war ja als besonders Picknick-geeignet deklariert – kalt ist er allerdings deutlich wuchtiger als warm.

Internetlesen, im besonnten Sessel las ich die Wochenend-Süddeutsche, außerdem holte ich die vom Freitag nach.

Eine Runde Yoga in der Sonne (ab Montag zeigt die Wetter-App wieder Schneesymbole).

Herr Kaltmamsell sorgte fürs Nachtmahl, ich bereitete Bulgur-Salat für uns beide als Montags-Brotzeit zu, mit viel Petersilie und einer Karotte aus Ernteanteil, außerdem roter Paprika und Datteltomaten.

Das Nachtmahl dann:

Tellerfleisch aus Bürgermeisterstück (göttlich) mit Meerrettichsauce und Salzkartoffeln. Ich hatte Lust auf ein Glas Rosé dazu. Danach Osterschokolade.

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Auf diesen Artikel in der Wochenend-Süddeutschen hatte ich mich nach der Ankündigung mit Abonnenten-Newsletter gefreut (€):
“Erben für alle”.

Barbara Vorsamer schreibt über die soziale Ungleichheit in unserem Land durch Vermögen – doch sie ist nicht etwa (wie sonst fast alle Autor*innen zum Thema) jemand, die mit dem Nicht-Erben klarkommen muss, sondern gehört zur erbenden Schicht, in der viele von den Verwandten mehr Geld bekommen, als sie selbst jemals durch Erwerbsarbeit verdienen werden. (Es gibt also durchaus bedingungsloses Grundeinkommen – halt nur nicht vom Staat.) Vorsamer findet das nicht nur ausgesprochen ungerecht, sondern kritisiert auch die fehlende Selbstwahrnehmung von Vermögenden als vermögend.

Wer aber zugleich behauptet, Mittelklasse zu reisen und dann allen Mitreisenden die Aussicht vom Oberdeck beschreibt, gibt allen anderen das Gefühl, einfach zu blöd zum Aus-dem-Fenster-Schauen zu sein. Während dieser Text entsteht, spreche ich mit vielen Leuten über Geld, zum Beispiel mit einem Unternehmensberater-Paar, das gemeinsam eine Viertelmillion im Jahr verdient, mit einer Grafikerin, die in der Eigentumswohnung ihrer Oma lebt, und mit einem Rentner, der sein Häuschen im Speckgürtel Münchens abgezahlt hat. Alle protestieren beleidigt, wenn ich sie als reich bezeichne.

(…)

Weil man sich aber nur ungern eingesteht, Profiteur der Verhältnisse zu sein, redet man den eigenen Wohlstand klein. Dann sinkt der Preis der Eigentumswohnung im Small Talk um 100 000 Euro, womit man den anderen allerdings das Gefühl gibt, den Immobilienmarkt nicht richtig zu durchschauen. Das Designer-Sofa? War ganz günstig, Zufallsfund. Die Ferienwohnung in Kitzbühel? Haben meine Eltern schon eeewig, früher war es ja auch noch gar nicht so teuer da. Diese Pseudo-Bescheidenheit ist oft nett gemeint. Tatsächlich aber lassen solche Sätze weniger Privilegierte verzweifeln. An der eigenen Arbeitskraft, dem eigenen Geschick, dem eigenen Wert. Wieso schaffen die das und ich nicht? Vielleicht sollte man lieber sagen: Ich habe eine Viertelmillion geerbt und kann mir das leisten, du halt nicht, sorry.

Auch die Autorin bemerkt, wann sie an die Grenzen ihres Ungerechtigkeitsgefühls kommt:

Am wichtigsten aber wäre es, politisch für Veränderung zu kämpfen, allem voran für höhere Erbschaftssteuern und eine Vermögensabgabe. Und dann sagt Julia Friedrichs noch: “Das Finanzministerium hat ein Spendenkonto.”

Echt jetzt? Das Geld, das ich geschenkt bekommen habe, lag deutlich unter der Bemessungsgrenze für die Erbschaftssteuer. Ich finde das natürlich falsch, ich finde die Erbschaftssteuer zu niedrig, die Bemessungsgrenze zu hoch, doch so geht es mir auch mit der Pendlerpauschale oder dem Ehegattensplitting. Finde ich alles nicht gut, taucht aber alles in meiner Steuererklärung auf, und ich zahle keinen Euro mehr an den Fiskus als ich muss. Ist das wohlfeil? Eine höhere Erbschaftssteuer theoretisch richtig finden, aber praktisch nichts freiwillig rauszurücken, solange mich die Politik nicht dazu zwingt? In Gedanken rechtfertige ich mich vor mir selbst: Ich zahle doch nicht freiwillig Erbschaftssteuer an einen Staat, der dann damit seine Schulden bezahlt, da spende ich das Geld doch lieber.

(Zur Sicherheit: Auch ohne Erbe und Vermögen bezeichne ich mich regelmäßig als reich, weil ich das mit unserem monatlichen Haushaltseinkommen nunmal bin – und weil ich gerne damit provoziere.)

§

Laurie Penny ist kürzlich von Los Angeles zu ihrem Partner nach Australien gezogen (inkl. 14 Tage Hotel-Quarantäne ab Einreise). Sie berichtet von dem schlagartigen Wechsel von Corona-Alptraumleben zu einer Welt ohne Corona – in der noch dazu niemand nachvollziehen kann, was sie durchgemacht hat.
“A Report from the After Times”.

Jetzt verspüre ich die Sehnsucht, meinen gesamten derzeit verfügbaren Urlaub von 45 Tagen (wegen langer OP-Abwesenheit viel Resturlaub aus dem Vorjahr) September/Oktober im australischen Frühling zu verbraten, davon halt zwei Wochen in einem schönen Hotelzimmer eingesperrt.

die Kaltmamsell

Journal Samstag, 10. April 2021 – Ausflug nach Pasing an die Würm

Sonntag, 11. April 2021 um 8:33

Ganz gut geschlafen, vor allem aber genoss ich das Aufwachen ohne Aktionszwang.

Nach dem Bloggen buk ich erst mal Kuchen, auf den Wunsch von Herrn Kaltmamsell (“wenn mal wieder Karotten im Ernteanteil sind”) englischen Passion Cake. Das Anstrengendste am Rezept ist das Karottenraffeln (das immer nur enttäuschend wenige 150 Gramm Karotten wegbekommt – kennen Sie ein Rezept, das deutlich mehr verlangt?), ansonsten geht es ja ratzfatz.

Während der Backzeit absolvierte ich eine Runde Krafttraining von Fitnessblender, wieder rundum und ohne Probleme (außer dass ich weiterhin die Rückenschmerzen seit Weihnachten haben, die als neues Feature nicht nur die bekannten Hotspots verwachsene LWS und einklemmende HWS betreffen, sondern auch den hinteren Brustkorb).

Nach dem Duschen ging ich mit Herrn Kaltmamsell zum Corona-Schnelltest in die Sendlinger Straße; da ich ja wegen Büroarbeit doch Kontakte habe (außerdem öfter im Supermarkt bin als dringenst nötig), mache ich den jetzt sicherheitshalber wöchentlich. Der Herr an meiner Seite muss ab Montag wieder in die Schule und parallel Wechsel- (also er dabei immer vor Ort) und Distanzunterricht geben (zum Teil aus Zeitgründen von der nicht darauf ausgelegten Schule aus) und sich bitte zweimal die Woche testen lassen.

Mit ihm war ich auch zu einem Ausflug verabredet, wir wollten die angekündigte Frühlingsphase nutzen. Ich hatte einen Spaziergang an der Würm ausgesucht. Die Würm (nach der die Würm-Eiszeit benannt ist) fließt vom Starnberger See (der ja bis 1962 Würmsee hieß, ein schönes Beispiel für Standortmarketing?) bis nach Dachau. Ich hatte diesen Ausschnitt gewählt, weil er gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist und weil mich sowohl der Pasinger Stadtpark als auch die Blutenburg interessierten.

Das mit dem öffentlichen Nachverkehr war etwas unbequem: Wegen Bauarbeiten und daher reduziertem Angebot warteten wir am Stachus recht lange auf eine S-Bahn, die nicht infektionsbedrohlich voll war.

Ab Pasinger Bahnhof war das Ganze aber ein Genuss in milder Luft und hauptsächlich Sonne.

Ich entdeckte, dass es einen Wanderweg (eigentlich Radwanderweg) nach Starberg gibt, diese 20 Kilometer ab Pasing nahmen wir uns für die erste richtige Wanderung mit neuem Hüftgelenk vor.

An der Blutenburg war ich tatsächlich noch nie gewesen (Herr Kaltmamsell hatte bereits mal einen Betriebsausflug zur dortigen internationalen Jugendbibliothek unternommen).

Auch hier zogen die Gefangenen des KZs Dachau auf ihrem Todesmarsch 1945 vorbei.

Inklusive Weg vom Bahnhof (die S-Bahn hielt ganz außen an den Starnberger Gleisen) waren das dann 12 Kilometer, die ich durchaus spürte – obwohl wir dieses Mal Wasser dabei hatten und nach der halben Strecke ein Päuschen einlegten.

Daheim gab es Karottenkuchen und Tee, nach denen ich so steinmüde war, dass ich mich kurz schlafen legte, auch wenn es schon nach sechs war und Herr Kaltmamsell bereits in der Küche das Abendessen zubereitete. Ich schlief eine gute halbe Stunde tief, das hatte es wohl gebraucht.

Nämliches Abendessen war ein Cheese and Onion Pie, englischer Klassiker der alten Schule, den Herr Kaltmamsell mal ausprobieren wollte. Dazu bereitete ich aus Radiserln (Ernteanteil) und roten Paprika ein Salätchen.

Die Füllung besteht aus Zwiebeln, sehr viel Käse (klassisch ist Cheddar, hier wurde unter anderem Red Leicester verwendet), Frühlingszwiebeln, und ist sehr herzhaft. Schmeckte ok, sättigte wohlig, aber Herr Kaltmamsell war enttäuscht. Nach dem Kuchen am Nachmittag hatte ich nicht mal Lust auf Schokolade zum Dessert.

Ruhiger Abend mit Internetlesen.

die Kaltmamsell

Journal Freitag, 9. April 2021 – Drogenlehrstunde am Gericht

Samstag, 10. April 2021 um 8:14

Für gestern hatte die Wettervorhersage den Beginn einer mehrtägigen Frühlingsphase angekündigt, fürs frühe Radeln in die Arbeit brauchte ich aber noch energisch Mütze und Handschuhe. Früh, weil ich vor meinem Schöffinnentermin am Amstgericht noch ins Büro wollte, Radeln, weil ich damit vom Büro am schnellsten ins Justizzentrum am Stiglmaierplatz kam. (Radlfitness auf diesen kurzen Stadtstrecken übrigens so trainiert wie vor einem Jahr, auch auf Steigungen. Auf längere Tourenstrecken habe ich immer noch keine Lust.)

Die Gerichtsverhandlung, in der ich als Hilfsschöffin eingesprungen war, drehte sich um Betäubungsmittel, beschuldigt wurde ein junges Hetero-Paar aus meiner Geburtsstadt. Die Staatsanwältin verlas zwei (unverbundene) Anklagepunkte, der erste beruhte auf der Aussage einer Zeugin, die aus dem Ausland geladen war – und mit deren tatsächlichen Erscheinen eigentlich niemand rechnete. Es war dann ein filmreifer Moment, als diese Zeugin aufgerufen wurde (dazu spricht die Protokollantin in ein Mikrofon, das im Richtertisch eingelassen ist), erst mal nichts passierte, als die Richterin den nächsten Zeugen aufrufen ließ, sich die Tür zum Gerichtssaal öffnete und mit diesem nächsten Zeugen auch die zentrale Zeugin aus dem Ausland hereinkam.

So erlebte ich gestern ein Verfahren, das ganz anders verlief als vorhergesehen. Ich lernte viel über die zeitgenössischen Aggregatsformen von Drogen (Cannabis gibt es jetzt auch als “Wachsstifte” für E-Zigarretten), dass Anklageschrift den Ausdruck “schwunghafter Handel” verwenden kann, machte Bekanntschaft mit einem nahezu Diphtong-freien österreichischen Dialekt, mit den Kriterien, an denen Polizisten bei jemandem wahrscheinlichen Drogenrausch festmachen, hörte psychatrische Gutachten zu Sucht. Zum ersten Mal waren auch die Plätze im Zuschauerbereich besetzt – alle fünf, die wegen Corona-Maßnahmen von den ca. 20 Sitzen freigegeben waren.

Um die Mittagszeit radelte ich zurück ins Büro; jetzt brauchte ich weder Mütze noch Handschuhe, mein Janker fühlte sich zu warm an. Gegen den bohrenden Hunger aß ich nur schnell ein Stück Käse, ich hatte morgens eine eigentlich pressierige Aufgabe unerledigt zurücklassen müssen und machte mich sofort daran. Dann aß ich noch zwei Orangen und einen Apfel. Nachmittags gab es einen Haferriegel (hatte ich am Vortag als Notration fürs Gericht besorgt, damit mir bei einer unerwartet langen Verhandlung nicht wieder schwindlig würde).

Nach Feierabend radelte ich direkt heim und genoss die milde Luft.

Die Yoga-Einheit des Tages bestand hauptsächlich aus Dehn- und Entspannungsübungen, die wiederhole ich nicht.

Herr Kaltmamsell hatte das traditionelle Freitagabend-Pfannenfleisch besorgt: ein schönes Stück Lende. Ich bereitete Ernteanteil-Salat (Postelein und Kresse) mit zugekauften Tomaten zu und machte eine Flasche Rotwein auf (Südafrikanischen Owl Post). Auch wenn ich es schade finde: Zwei Schluck guter Rotwein entspannen mich deutlicher als 30 Minuten Yoga.

Nachtisch viel Osterschokolade. Nach der Tagesschau schauten wir noch eine Folge Star Trek Picard, gingen früh ins Bett.

§

Wieder eine Heldinnengeschichte aus der Naturwissenschaft, diese in der New York Times:
“Kati Kariko Helped Shield the World From the Coronavirus”.

She grew up in Hungary, daughter of a butcher. She decided she wanted to be a scientist, although she had never met one. She moved to the United States in her 20s, but for decades never found a permanent position, instead clinging to the fringes of academia.

Now Katalin Kariko, 66, known to colleagues as Kati, has emerged as one of the heroes of Covid-19 vaccine development. Her work, with her close collaborator, Dr. Drew Weissman of the University of Pennsylvania, laid the foundation for the stunningly successful vaccines made by Pfizer-BioNTech and Moderna.

Aber es ist halt auch eine Geschichte, durch wie viel Mühe und materielle Not der akademische Lebensweg üblicherweise führt. Und eine Geschichte, wie notwendig Grundlagenforschung ist, deren Ergebnisse scheinbar keinen praktischen Nutzen haben: Die daraus gewonnen Erkenntnisse können jederzeit und schlagartig ungeahnte Einsatzbereiche bekommen.

die Kaltmamsell

Journal Donnerstag, 8. April 2021 – Pandemie-Erinnerungen

Freitag, 9. April 2021 um 6:52

Gut geschlafen – aber halt nur bis dreiviertel vier, dann gab’s bis Weckerklingeln nur noch Dösen in verschiedenen Lagen.

Draußen immer noch Winter.

Es war ein bisschen wärmer geworden: Kein gefrorener Boden mehr. Über den Vormittag aber weiterer Schneefall.

Mittags eine Breze, Orange mit Hüttenkäse.

Anruf der Installationsfirma wegen des defekten Eckventils zur Waschmaschine: Ich konnte zwar Details erklären, für Terminvereinbarung musste ich allerdings an Herrn Kaltmamsell verweisen, der jetzt noch Ferien hat.

Anruf des Amtsgerichts (ZWEI Anrufe auf meinem Smartphone an einem Tag, damit ist ja das Kontingent für den ganzen Monat aufgebraucht): Ob ich Freitagmorgen als Schöffin einspringen kann. Klar kann ich, dafür sind Hilfsschöffinnen da.

Auf dem Heimweg (sonnig, weiterhin kalt) schnelle Einkäufe im Supermarkt für Brotzeit. Zu Hause Yoga, dann kam Herr Kaltmamsell vom Friseurbesuch heim, mit sehr kurzen Haaren. Er servierte zum Nachtmahl Sauerkraut aus frisch geholtem Ernteanteil mit fränkischen Bratwürsten. Dann wieder viel Osterschokolade (diesmal aber Stopp vor Übelkeit).

Abenunterhaltung eine weitere Folge Star Trek Picard.

§

Melissa Fay Greene recherchiert für The Atlantic ausgehend von unseren persönlichen Pandemie-Geschichten zu einem meiner Lieblingsthemen: Wie Erinnerung funktioniert.
“You Won’t Remember the Pandemic the Way You Think You Will”.

via @ankegroener (in einem Blogpost geht sie ausführlich auf den Aufsatz ein)

Unter anderem:

“Even as we experience an event,” Robyn Fivush has written, “we are already beginning to think about how to tell this event to another person at a later time.”

(…)

According to Halbwachs, we begin composing our memories in anticipation of sharing them.

Ach – ich dachte, das gehe nur Blogger*innen so.

Meinen Moment, in dem die Pandemie bei mir persönlich ankam, habe ich schon bald so erzählt: Es war der 10. März 2020. Die Nachrichten zu Covid-19-Infektionen waren immer näher gekommen, es hatte bereits den Ausbruch in Bayern gegeben und Ischgl als – wie man heute weiß – europäisches Superspreader-Event. Für diesen Dienstagabend war ich mit Herrn Kaltmamsell seit Monaten zu einem Quigong-Schnuppertraining verabredet. Nachmittags schrieb ich dann per Twitter-DM:

Am Donnerstag, 12. März, sagte die Gastgeberin diese Familienfeier ab (ein 50. Geburtstag, den wir bis heute nicht nachgefeiert haben), am Sonntag war Kommunalwahl in München, bei der mir die körperliche Nähe zu den anderen Wahlhelfenden beim zweitägigen Auszählen als Infektionsrisiko sehr bewusst war (Masken gab es ja keine, sie waren damals aber auch noch nicht als Schutz belegt).

Weitere sehr lebendige Erinnerung der Anfangszeit: Wie Herr Kaltmamsell von nix auf gleich sein Unterrichten auf Distanz umplanen musste, gleichzeitg 24/7 daran ackerte, die Schule, an der er arbeitet, zu Distanzunterricht zu befähigen, durch Technik und Fertigkeiten.

Seither hat sich mein Berufsalltag wenig verändert, ich bin weiterhin fast täglich im Büro, zum einen, weil ich viel mit Dingen zu tun habe, die ich für eine Verarbeitung daheim aufwändig zu mir nach Hause und wieder zurück transportieren lassen müsste, zum anderen um den anderen in der Abteilung das Arbeiten von daheim zu ermöglichen. Verändert haben sich im Job alle Besprechungen, die mittlerweile durchwegs über MS Teams stattfinden. Ich bin dankbar, dass ich hier Sicherheit und Einkommen habe.

Fast komplett eingefroren ist halt mein Leben abseits des Geldverdienens: Keine Treffen mit Freunden und Familie, kein Ausgehen, keine Restaurants, kein spontanes Einkaufen, keine echten Ausflüge, kein Kino, kein Theater, keine Reisen. Und keine Unbefangenheit beim Verlassen der eigenen vier Wände. Aber Dankbarkeit, dass ich mich nicht um Kinder kümmern muss.

Der allgemeine Schrecken der Anfangszeit, der die gesamte Gesellschaft zu Zusammenhalt und Disziplin brachte, die Politik zum Abweichen von parteipolitischen und sonst gewohnten Reflexen, ist längst verflogen. Derzeit sehe ich die Zukunft der Pandemie wie das Wetter: Ich kann keinen Einfluss nehmen, die Motivation der komplett erratischen politischen Entscheidungen ist mir ein Rätsel, ich kann nur abwarten und mich selbst schützen.

§

Nachdem #metoo zu lange her zu sein scheint, hier ein Twitter-Thread inklusive Antworten, was das Berufsleben von Frauen in der Gastronomie mit sich bringt.

die Kaltmamsell

Journal Mittwoch, 7. April 2021 – Friseurverzögerung und Januarwetter

Donnerstag, 8. April 2021 um 6:39

Aufwachen zu neuem Schneefall, Arbeitsweg in Schneefall.

Gleich am Morgen bekam ich eine SMS vom Friseur (ich trug extra meine dichteste FFP2-Maske): Er musste wegen Erkrankung unseren Termin absagen. (Und Sie dachten, SIE hätten Probleme?) Da ich halt nur nach Feierabend kann, sind es bis zum neuen Termin noch sechs Wochen – es hätte noch länger gedauert, hätte ich da nicht Urlaub und könnte auch tagsüber. No na, vielleicht hat sich dann zumindest die Infektionslage beruhigt und der Friseurbesuch ist sicherer. Bis dahin versuche ich mich an meine Flechtfertigkeiten zu erinnern und bitte vielleicht Herrn Kaltmamsell um Freischneiden des Nackens mit Langhaarschneider, Anleitungen gibt’s ja mittlerweile genug im Internet.

Es schneite immer wieder, mal vor Sonne, mal vor dunklem Himmel. Nein, das war kein Aprilwetter, das war Januarwetter. Ich ließ im Büro gleichzeitig Licht an (für die finsteren Schneeschauer) und die Jalousien unten (für die Sonnenphasen).

Mittags zwei gekochte Eier (bunte Schale, also Ostereier), ein Stück Käse, eine Orange. Nachmittags ein Apfel und getrocknete Aprikosen.

Meine Lippen flippen seit einer Woche völlig aus (gnihihi Lippenflippen). Dass sie über ein paar Tage hinweg erst knallrot brennen und bitzeln, dann weiß versteinern, um dann die Haut in Fetzen zu verlieren – das habe ich ja seit vielen Jahren immer wieder, schlimmstenfalls inklusive eingerissenen Mundwinkeln, sommers wie winters, egal welches Nahrungsergänzungsmittel ich einnehme (Hausärztin gab z.B. Eisen), egal was ich draufschmiere (aktuell probiere ich eine Harnstoff-haltige Creme, den hatte ich noch nicht). Doch seit gut einer Woche passieren die oben beschriebenen Phasen gleichzeitig, die Lippen brennen schmerzhaft UND schälen sich. Ich schiebe das jetzt einfach auf die Hormone des Klimakteriums, dafür ist es zumindest gut, dass man alles damit erklären kann.

Eine Folge der vielen Lektüren über Abläufe auf Intensivstationen: Ich habe meine Patientenverfügung (basierend auf dieser Vorlage) aktualisiert. Jetzt untersage ich auch den Einsatz der ECMO, vulgo Herz-Lungen-Maschine; sollte ich in einem so schlechten Zustand sein, ist bitte Schluss. (Und die ECMO bleibt frei für jemanden, der oder die gerne lebt.)

Heimweg in scharfem, eisigen Wind, der auch mit Graupelkörnern warf.

Zu Hause nochmal die Yoga-Runde vom Vortag, um die fünf Minuten Atemerklärung am Anfang gekürzt (aber mit der eigentlichen Atemübung).

Als Abendessen servierte Herr Kaltmamsell Spaghetti mit Tomatensoße, auf die hatte ich mich richtig gefreut. Danach große Mengen Pralinen und Osterschokolade (leider etwas zu viel, mir war ein bisschen schlecht).

Abendunterhaltung war die zweite Folge Star Trek Picard, die Serie wird ebenfalls von Amazon angeboten, wo Herr Kaltmamsell uns für Good Omens angemeldet hatte. Die Anfangsfolge hatte mir sehr gut gefallen, das Drehbuch hatte mich mit besonders geschickter Erzähltechnik der Hintergründe überrascht, ich mochte auch die Vermischung von Realitätsebenen. Die zweite Folge ging offensichtlich nicht davon aus, dass man die erste kannte, viel wurde nochmal erklärt. Noch möchte ich aber wissen, wie es weitergeht.

Eingeschlafen zu weiterem Schneefall.

§

Hatte irgendjemand geahnt, dass der Brexit das Nordirlandproblem aufwärmen würde? Ach – ganz viele? Na ja, sie hatten recht.

“‘Dishonesty’ over Brexit fuelled loyalist anger, says Stormont minister
Justice minister Naomi Long points finger at UK ministers after four nights of street violence in Northern Ireland”.

Northern Ireland’s justice minister has said the government’s “dishonesty” over the consequences of hard Brexit has contributed to the anger felt by loyalists, as police counted the cost of 41 officers injured during violence on the streets over four nights.

die Kaltmamsell

Journal Dienstag, 6. April 2021 – Aprilwinter

Mittwoch, 7. April 2021 um 6:33

Doch mal wieder gut geschlafen.

Draußen Winter und scheißkalt, das soll jetzt erst mal so bleiben.

Blick vom Küchenbalkon.

Eisige Winde auf dem Fußweg in die Arbeit.

Kaiser-Ludwig-Platz.

Theresienwiese.

Bavariapark.

Der Schnee blieb nicht nur den ganzen Tag liegen, es gab immer wieder Schnee- und Graupelschauer, aber auch Sonne – April halt.

In der Arbeit viel Arbeit, durchaus mit Druck und mit Menschen.

Die Feierabendbeschäftigung stand schon lange fest, schließlich war Osterschokolade-für-die-Hälfte-Tag! Doch der Edeka, den ich abräumen wollte, hatte wohl fast punktgenau kalkuliert: Es war kaum etwas übrig, ich bekam KEINEN! LINDT! HASEN!

Ein Glück wartete daheim ein Osternestl der Schwiegereltern (Herr Kaltmamsell hatte sie gestern besucht) und eine Schokoladenlieferung aus Franken von Freunden.

In einer sonnigen Phase des Abends (Sommerzeit ist super) legte ich im Wohnzimmer meine Yogamatte aus und absolvierte eine Runde Yoga mit langweiligen Atemübungserklärungen (Stoßatmen kenne ich aus meiner Chorzeit, allerdings ging es da ums Zwerchfell, nicht um den Nabel und Energie), aber interessanten Sachen für die Bauch- und Rückenmuskulatur.

Zum Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell Palak Paneer, also Spinatcurry mit selbst gemachtem Frischkäse.

Letzter Blick auf die Corona-Friese 2, Mittwoch geht’s nach Feierabend zum Abschneiden. Ob es wohl das Klügste wäre, um einen Schnitt zu bitten, der wieder sechs Monate hält?

die Kaltmamsell