Journal Samstag, 27. September 2025 – South Downs Way Tag 7: Von Alfriston nach Eastbourn

Sonntag, 28. September 2025 um 9:01

Das Wichtige vorab: Bin gesund und munter (!) am Ende des South Downs Way angekommen,

Gut im sehr kalten Zimmer geschlafen, es hatte eine Weile gedauert, bis es mir unter dem leicht klammen Bettbezug warm geworden war. Vor Wecker aufgewacht, sehr munter.

Erstmal ans Fenster, eh.

Zum zweiten Mal konnte ich mich an einer luxuriösen Kaffee- und Teeküche bedienen (inklusive einem Mikro-Kühlschrank für mein Kännchen Frischmilch): Mein erster Kaffee aus der French Press (Parameter vorher natürlich online recherchiert: Wie geht das, damit guter Kaffee rauskommt) – ja, schmeckt wie guter Filterkaffee. Dann noch zwei Tassen Schwarztee.

Aber es war so kalt! Bloggen in dicken Socken, Fleecejacke, Janker. Meine letzte Wanderetappe trat ich entsprechend durchgefroren an, so sollte das eigentlich nicht sein. Als ich mich von der Gastgeberin verabschiedete (danke nein, ich nahm lieber doch nichts mit als Brotzeit, das hätte offensichtlich Umstände verursacht), bemerkte ich sehr wohl ihren dicken Wollpulli mit Steppweste drüber, so wohnt man hier halt.

Ich war früh dran und sah mich ein wenig im (übersichtlichen) mittelalterlichen Alfriston um.

Herzstück: Die Kirche St. Andrews aus dem 14. Jahrhundert.

Aus Feuerstein (flint) gebaut.

Eine Runde durch die morgenleeren Gässchen, die ungefähr lediglich doppelt so viel Fläche belegten wie der Touristen-Parkplatz – letzterer aber mit einem sehr willkommenen Klo.

Ich nahm den South Downs Way wieder auf, letzte Etappe, die Küsten-Variante über die Seven Sisters (es gibt auch eine Streckenführung weiter im Inland).

An einem Samstag war ich durchaus auf Ausflüger*innen auf der Strecke gefasst gewesen. Auch dass aus der einen Charity-Wanderung (rosa T-Shirts) zwei geworden waren (grüne T-Shirts, und davon viele, viele Gruppen und einzelne), verarbeitete ich ganz gut. Doch dass es auf den Seven Sisters zuging, wie ich mir Wandern auf dem Nanga Parbat vorstelle (minus Leichen), überraschte mich dann doch. Offensichtlich handelt es sich um eine international abzuhakende Sehenswürdigkeit, ich war von so vielen chinesischen Touristen umgeben wie zuletzt auf dem Jungfraujoch (minus Kurzatmigkeit wegen Höhe). Dafür aber nur ganz wenige Mountainbiker.

Erstmal am River Cuckmere entlang.

Hier in Litlington hatte ich am Vorabend gegessen.

Im ersten Abschnitt der gestrigen Wanderung hörte ich noch regelmäßig Fasane: Die kennen Sie sofort, klingen wie eingerostete Gockel. Mit nahender Küste dominierten immer stärker Möwen.

Beginn des Seven Sisters Country Park an der Mündung des Cuckmere (riesiger Parkplatz, einige Reisebusse); der Weg führt links hinter mir die Klippen entlang.

Die Beschäftigung zweier Rucksack-unterm-Arsch-Trägerinnen (das hat man noch?) erinnerte mich an das Wichtigste beim Besuch von internationalen Attraktionen: Selfies.

Jetzt endlich hatte ich das Meer in der Nase; zu meiner Überraschung roch es nach Meer im Sommer.

In Birling Gap, das derzeit aufwändig vorm Wegbröseln bewahrt wird, bekam ich im großen und rege besuchten Visitor’s Center des National Trust diesmal erst nach drei Stunden Wanderung meinen Mittagsmilchkaffee.

Zurückgeblickt auf Birling Gap.

Leuchtturm unter Beachy Head.

An einem Café dort machte ich in der wärmenden Sonne Brotzeitpause: Restliche Äpfelchen (ich will mehr davon!), Nüsse, Trockenfeigen und -pflaumen.

Wenig später schob sich mein Ziel in den Blick: Eastbourne. In Sonne hatte ich den Küstenort noch nie gesehen, bei den mindestens zwei vorherigen Besuchen mit Herr Kaltmamsell hatte es geregnet. (Der zusätzliche Pfeil am Wegweiser-Pfosten gilt einer der Charity-Wanderungen.)

Fertig!

Weil ich wieder früh dran war, spazierte ich noch ein wenig in Eastbourne (was ich am nächsten Tag ja eher nicht machen würde, weil ich dann meinen großen Koffer selber transportieren musste).

Blick zurück.

Edle Badehäuser – es wurde auch im Meer gebadet! Und auf den Pfählen im Wasser saßen reichlich Kormorane.

Samstags wird geheiratet, im Hintergrund der Pier.

Das waren dann gut sechs Stunden mit zwei langen Pausen für 23 Kilometer (davon gehen aber mindestens zwei auf die Extrarunde in Eastbourne).

Insgesamt bin ich den vergangenen sieben Tagen laut meinem Handy 175 Kilometer gegangen (etwas mehr als offiziellen 100 Meilen des South Downs Way, die umgerechnet knapp 161 Kilometer sind). Fast schon unheimlich: alles ohne einen Tropfen Regen, die meiste Zeit sogar mit Sonnenschein. Das hatte ich noch bei keinem Wanderurlaub. Vermutlich noch nie habe ich mich so richtig darüber gefreut, eingepackte Kleidungsstücke gar nicht getragen zu haben (superduper Regenjacke, Regenhose).

Mein Körper hat ganz erstaunlich gut mitgemacht, da bin ich schon aus mancher übersichtlichen Tageswanderung kaputter rausgekommen. Und nach dem kleinen Durchhänger an Tag 6 bereitete mir gestern auch das Gehen wieder ausgesprochen Freude, die gleichmäßige, aber durchs Hoch und Runter nicht zu gleichmäßige Bewegung entspannte mich.
Positive Überraschung: Nahezu keine Wanderkrätze, nur am Abend des zweiten Wandertages sah ich ein wenig der typischen gesprenkelten Rötung. Ich würde sagen: Bei mir persönlich kann man “große Anstrengung” als Ursache schonmal ausschließen.

Mein gestriges B&B (die linke Hälfte).

Das Zimmer schön und mit Aussicht (und sonnenwarm), aber zu klein (kein Tisch, kein Stuhl, kein Platz für Koffer). Der Check-in lief per Telefon über Lautsprecher bei Hausklingel, das war ein wenig seltsam.

Sinkendes Herz beim Stiefelausziehen: Jetzt löst sich auch die zweite Sohle von den guten alten Stiefeln. Diesmal muss ich in mich gehen, ob mir nach knapp 30 Jahren eine weitere Neubesohlung (kostet mittlerweile 100 Euro) das Geld wert ist (das ist der aktuelle Nachfolger, hm, hm). Und wenn nicht, ob ich die kaputten Stiefel dann überhaupt zurück nach Hause trage.
Mein anderes Paar von Meindl muss ja auch zur Reparatur eingeschickt werden: Zwei Nähte (nicht mehr nur eine) lösen sich. Ach meia.

Zum Abendessen hatte ich mir den ganzen Tag schon Fish & Chips eingebildet, auf dem Weg zur Unterkunft bereits ein vertrauenswürdiges Etablissement gesehen. Dort saßen dann tatsächlich locals, und ich beobachtete, dass die alten davon Tee zu ihren Fish & Chips bestellten. So weit ging ich nicht.

Am besten schmeckten mir die extra bestellten Mushy Peas, nämlich so richtig nach Erbsen – ich hätte die Mengen zwischen Kartoffeln und Erbsen gerne getauscht. Aber: Hiermit sind Fish & Chips abgehakt, die schmecken halt nie nach viel. Zurück im Zimmer gab’s als Nachtisch Schokolade.

Da ich am heutigen Sonntagmorgen ja eher Zeit rumbringen muss (Bezug Ferienwohnung in Brighton nach 15 Uhr), verschob ich die Bildbearbeitung und Finalisierung des Blogposts darauf – und nutzte die übrige Energie für Lesen.

Vielleicht fällt ja jetzt der Druck ab? Wenn ich es erstmal nach Brighton und in die Wohnung schaffe?

§

Mal wieder Tanz!

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https://youtu.be/7nJRGARveVc?si=YFrr5LGAXsxCvM-m

via @goncourt

die Kaltmamsell

Journal Freitag, 26. September 2025 – South Downs Way Tag 6: Kingston nach Alfriston

Samstag, 27. September 2025 um 8:06

Nicht so lang geschlafen, wie ich hätte können vor der vorletzten, lächerlichen 18-Kilometer-Etappe, ab vier Uhr ging nur noch Dösen – und natürlich Weiterärgern; unter anderem stellte ich mir vor, jemand kommt auch noch regennass von einer Wanderetappe in diesem fensterlosen Winzelzimmer an, ohne Chance, irgendwas zum Trocknen aufzuhängen.

Aber wieder brach der Tag trocken an, blieb auch den ganzen sechsten Tag in Folge trotz mancher wirklich bedrohich dunkler Wolken trocken – wahrscheinlich hat den englischen Regen einfach Frau Brüllen bei ihrer archäologischen Grabung in der Schweiz abbekommen.

Auch ohne Frühstück hatte ich Gelegenheit, mit der Gastgeberin zu plaudern, nämlich wartend an der Haustür: Das Taxi kam diesmal 20 Minuten später als vereinbart, da hatte man sogar meinen Koffer bereits abgeholt. Die Rückfahrt nach Kingston war nur ein Drittel so lang wie die Hinfahrt am Vorabend – als ich mich sehr gewundert hatte, dass der Taxifahrer (Typ alter Depp)1, mich durch halb Lewes kutschiert hatte, durch winzige Gässchen, am Bahnhof vorbei. Die Fahrt zurück zum gestrigen Ausgangspunkt entsprach meinen Recherchen für Fußweg zur Not.

Die Wanderung führte mich gestern vor allem über baumlosen Hügelrücken, meist im Wind, aber nicht so unangenehm wie am Vortag. Es gab nicht Detail-Sehenswürdigkeiten, wohl aber Ausblicke. Im ersten Teil waren um mich zwei Wandergruppen: Eine ca. zwölfköpfige auf charity walk, eine zweiköpfige. Beide traf ich über meinem Mittagscappuccino wieder (Pause wieder früher als geplant, weil Wandercafé!), doch dann ließ ich sie für den Rest des Wegs hinter mir. Insgesamt merkte ich, dass ich langsam durch bin mit Wandern für dieses Mal.

Erstmal ein bisschen Kingston.

Über dem Ort startete gerade ein Paragliding-Tandem (sehr wahrscheinlich mit einem ein ganz anderen Verhältnis zu dem blöden Wind als ich).

Typischer Bauernhof in dieser Gegend (laut meiner langjährigen Wandererfahrung in den South Downs von Brighton aus).

Mittagsmilchkaffee, als Cappuccino verkauft.

Ausblick auf Newhaven.

So sah mein Weg gestern mit wenigen Varianten die meiste Zeit aus.

Auch Mittagspause machte ich eine halbe Stunde früher als eigentlich geplant. Zum einen war ich schon weit auf meiner Tagesetappe, zum anderen kam ich an einem Parkplatz vorbei – und wir haben ja gelernt: Wo Parkplatz, da Bankerl mit Aussicht – schlicht eine andere Bankerlkultur als bei uns. Diese musste ich ein wenig suchen, doch sie stellten sich sogar als nur zwei von vieren heraus. Es gab wieder Äpfelchen, Nüsse, Trockenpflaumen und -feigen. Dazu kalten Wind, ich blieb dennoch eine Weile sitzen, u.a. weil guter Handy-Empfang.

Die Stein-Ernte scheint dieses Jahr gut gewesen zu sein.

An meinen Zielort Alfriston gelangte ich nach fünfeinhalb Stunden und gut 16 Kilometern. Das stellte sich als ganz entzückender alter Ort mit viel touristischer Infrastruktur heraus, ich bekam sogar endlich wieder Schokolade zu kaufen!

Die Entzückung hielt an, als ich an meine Unterkunft kam (ich war misstrauisch gewesen, weil ich wieder ans Ende einer Ausfallstraße geschickt wurde und kein Abendessen angeboten wird): Neben dem Weingut Rathfinny (Schild “Beware harvest in progress”) lag das historische Riverdale B&B.

Der freundliche Gastbeger hieß mich meine Wanderstiefel an der Tür ausziehen (es war sogar für einen Stuhl gesorgt), fragte meine Frühstückswünsche ab (Sandwich bekomme ich hier wohl keines zum Mitnehmen, er bot mir Brot an?) und brachte mich auf dieses wundervolle Zimmer: Wenn ich sofort aus dem Fenster fotografieren möchte, ist alles in Ordnung. Der Herr gab mir ein paar sehr brauchbare Tipps für ein Abendessen unweit.

Im schönen Bad entdeckte ich eine Badewanne: Das war meine große Hoffnung gewesen, der Wind hatte mich am Ende doch ganz schön durchgekühlt. Doof allerdings: Auch hier wird noch nicht geheizt, Ende September ist wahrscheinlich in Europa eine dafür ungünstige Reisezeit, weil vielen Gastgebern noch nicht kalt ist. Also heißes Bad in kaltem Badezimmer, besser als keines.

Zum Abendessen folgte ich der Gastgeberempfehlung ins Nachbardorf Litlington – die Orte heißen hier im Grunde so geradeaus wie im Oberbayerischen, aus dem ich komme (Manching, Gaimersheim, Lippertshofen). Nur halt auf Englisch. In Alfriston hätte es schon auch zahlreiche Lokale gegeben, aber zum Plough & Harrow in Litlington hatte er ergänzt, man brauche auch gestern am Freitagabend keine Reservierung. Und Dorfpub fand ich ohnehin sehr attraktiv.

Die 15 Minuten Fußweg dorthin waren die Entscheidung allein schon wert.

Verwunschener Weg quer durchs Tal.

Bach Cuckmere (tihihi) im Abendlicht – die Farben waren genau so.

Witzelvorlage am Wegesrand.

Im Pub erkundigte ich mich:
“Do you have any local ales on tap?”
“All of them.”
<3
Ich ließ mir eines empfehlen.

Nach nicht mal 15 Minuten hatte die eine Barmaid mich bereits “love” genannt, die andere über meinen blöden Witz gelacht – ich fühlte mich adoptiert. Mit mehr oder anderer sozialer Energie hätte ich einen denkwürdig geselligen Abend verbringen können: Ich bekam mit, dass es gestern ab spätestens acht live Musik gab.

Sehr wahrscheinlich die letzte Gelegenheit heuer für richtiges Pub Food: Ich bestellte, was Herr Kaltmamsell bestellt hätte, also Steak, Onion & Guiness Pie (den ich durchaus auch selber mag).

Kam mit einer ernst zu nehmenden Portion Brokkoli, hatte eine wundervoll blättrige Hülle und enthielt wie erwartet nur wenige Stücke Rindfleisch. Nachtisch:

Dreimal Sticky Toffee Pudding in drei Tagen – was aufs Jahr gerechnet einer alle vier Monate ist – finde ich in Ordnung. Und wenn’s als positive Verstärkung für die Anbieter dient. Dieser war der am wenigsten gute (aber immer noch deutlich besser als kein Sticky Toffee Pudding), dafür mochte ich das Eis dazu besonders.

Rückweg im fast Stockdunklen, jetzt verstand ich die Empfehlung in meinen Wanderunterlagen, fürs Abendessen eine Taschenlampe mitzunehmen. Ging schon, vor allem genoss ich die Nachtdüfte, in Dunkelheit bin ich sonst nie auf dem Land.

Zurück im Zimmer noch ein wenig Schokolade, Bildbearbeitung, Lesen.

VG Wort hat den Ausschüttunngsbrief für 2024 geschickt: Mittlerweile gibt es pro Post (zur Erinnerung: Geld gibt es, wenn eine bestimmte Textlänge und ein Mindestzugriffszahl erreicht ist – hier habe ich das mit der VG Wort genauer erklärt) nur noch 19,73 Euro, vergangenes Jahr waren es noch 25 Euro. Damit werde ich meine Rente also auch nicht wirklich aufbessern können.

  1. These: Das eher früher geläufige “alter Dep” ist ein heutiger Alter Weißer Mann mit gleichem Anspruchsdenken, nur ohne Machtposition. []
die Kaltmamsell

Journal Donnerstag, 25. September 2025 – South Downs Way Tag 5: Upper Beeding nach Kingston

Freitag, 26. September 2025 um 8:23

Ein Scheißtag, so. Denn: Ende scheiße, alles scheiße. Und an diesem Ende wartete ich über eine Stunde aufs bestellte und bestätigte Taxi, fühlte mich scheiße, weil ich telefonisch mehrfach nachfragte, recherchierte bereits alternative Wege zu meiner Unterkunft per Linienbus und zu Fuß (umständlich, aber in einer zusätzlichen Stunde machbar). Das ist genau die Art Stress, von der ich Urlaub brauche, danke schön.

Schließlich tauchte das Taxi fünf Minuten vor Abfahrt des Linienbusses auf (der Fahrer legte sich unterwegs auch noch mit einer Autofahrerin an, die ihm seiner Meinung nach Platz machen sollte!), das brachte mich zu einer Unterkunft am Rand des Industriegebiets von Lewes – wo mein Zimmer das kleinste der bisherigen Reise war (und ich hatte schon an beiden Vortagen um meinen Koffer klettern müssen) und nicht mal ein Fenster hatte.

Um das Foto aufzunehme, musste ich auf den Gang treten.

Das letzte Mal, dass ich im Urlaub in einem fensterlosen Zimmer schlief, war nach dem Abitur in Sevilla – als meine Freundin und ich unseren Camping-Versuch abbrachen und einfach nach der billigsten Übernachtung suchten, die in einem Haus angeboten wurde. Ich glaube, das hier sind einfach Privatleute, die das doofste Zimmer ihres Hauses vermieten.

Zum nächsten Abendessen wären es 15 Minuten zu Fuß gewesen (das wusste ich bereits aus den Unterlagen), aber durchs Industriegebiet, ich passte. Zum nächsten Supermarkt war es noch weiter. Lewes ist eine schöne alte Stadt, ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es hier keine besseren Zimmer gab – und beginne, der bislang so geschätzten Wander-Agentur zu unterstellen, dass sie mehr Geld für sich rausschlagen wollte. Es ist nie gut, wenn mir im Urlaub einfällt, wie viel ich dafür gezahlt habe. (Inklusive 78 Euro Single-Zuschlag pro Übernachtung.)

Und wenn wir schon bei scheiße sind: Ausgerechnet gestern wich der GPS-Track deutlich von der ausgeschilderten Strecke ab. Das konnte ich bei angekündigten 29 Kilometern Distanz, unter Druck weil Deadline Taxi, überhaupt nicht brauchen.

Auf der Positivseite (jajaja): Wieder ein komplett regenfreier Tag mit schönem Wetter. Wobei. Schon an Tag 4 hatte der Wind angefangen an mir zu nagen. Und auch heute wurde mir das unaufhörliche scharf Angeblasenwerden unangenehm und nervte; ich hätte eine Mütze über die Ohren vertragen und wünschte, ich hätte die neue Fleecejacke dann doch mit Kapuze gekauft (“ist doch bloß alberne Deko”).

Los ging es früh in Upper Beeding (ohne R nach dem B): Ich fühlte mich trotz der zusätzlichen halben Stunde für Taxi-Verabredung unter Druck. Der Wirt überreichte mir statt Frühstück wie vereinbart ein Cheese Sandwich, fragte mich nach meiner Tagesetappe: “Oh, that’s a big one.” Ich startete zum ersten Mal zu einer Atemwolke vor dem Mund.

Hier hatte ich übernachtet, rechtes Fenster oben.

Bitte beachten Sie den Dampf über dem Pferdemisthaufen.

Trotz Druck nahm ich mir die Zeit zum Äpfelpflücken: Am Vortag hatte ich in der Nähe ein Grundstück passiert, das mit handgemaltem Schild einlud, sich an den Apfelbäumen darin zu bedienen.

Apfelernten hatte ich ja im Kartoffelkombinat gelernt: Wenn sich bei leichtem Drehen der Frucht der Stiel vom Ast löst, ist sie reif. Ich nahm vier Äpfel mit und freute mich sehr. Danke, unbekannte Schenker*innen!

Ab dann legte ich das Tempo vor, mit dem ich sonst in die Arbeit marschiere, gönnte mir fast kein Stehenbleiben und Gucken, schon gar keinen Umweg.

Von Bankerln machte ich immer Fotos (hier hinter mir natürlich ein Parkplatz), sollte es ein nächstes Mal geben, nutze ich die Geo-Koordinaten zum Einplanen.

Upper Beeding von oben.

Kühe mit der Silhouette von Brighton. (Per E-Mail letzte Abmachungen mit dem Ferienwohnungsvermieter dortselbst, mal sehen, ob meine Bitte um Waschmittel erfüllt wird.)

Allerdings war fast zu meiner geplanten ersten Pause ein Café am Weg eingezeichnet. Wenigstens einmal wollte ich doch wohl an diesen sieben Tagen unterwegs eingekehrt sein, also gab’s Pause bereits nach zwei Stunden Wanderung.

Ein alter Wohnwagen mit Theke davor, auf der eine Siebträgermaschine betrieben wurde, außerdem gab es Kuchen und WLAN (totales Funkloch). Der Cappuccino erfreute mich sehr, es war viel los auf den wild zusammengewürfelten Tischen und Stühlen vor dem Wohnwagen. Ich traf wieder auf das australische Wander-Quartett (sie erzählten, sie hätten eine Abkürzung genommen und seien nicht den ganzen Weg gegangen – ich hatte mich schon gewundert, dass sie vor mir lagen). Und es gab ein Klo! Einmal Waldpinkeln weniger.

Wundervolle Beschallung von dem Rotkehlchen auf der Mauer neben mir.

Kirche in Pyecombe, Church of the Transfiguration – die ist echt alt aus dem 12. und 13. Jahrhundert.

Auch mal Pferde.

Menschen: „Katzen können wirklich in jeder Haltung schlafen.“
Kuh so: „You were saying?“

GPS-Anzeige, während ich

vor diesem South-Downs-Way-Schild stand. Nach einer Weile folgerte ich, dass die tatsächliche Strecke ein Stück kürzer war als der Track – und fuhr mein zackiges Marschtempo ein wenig herunter. Brotzeitpause kurz vor zwei.

Äpfelchen vom selben Tag (köstlich!), Cheese Sandwich – ich hatte schon wieder vergessen, dass man hier den Käse dafür nicht in Scheiben schneidet, sondern raspelt. Schmeckte mir sehr gut, machte mich wieder etwas müde.

Word of the day an der Autobahn-Fußgängerbrücke: Fly-tipping, also wörtlich Auskippen im Fliegen, heißt offensichtlich illegale Müllentsorgung. (Hebe ich mir auf für metaphorische Verwendung.)

Weg zwischen Autobahn und Bahntrasse.

Unter den Bahngleisen durch.

Zurück ins nervig Windige, eine gute Stunde hatte ich Pause gehabt.

Jetzt zweigte ich vom Wanderweg zum Treffpunkt mit dem Taxi in Kingston ab.

Zu diesem Zeitpunkt war ich erleichtert, weil alles geklappt hatte. Am Rand von Kingston naschte ich von einem unerwarteten Erdbeerbaum – wie vor einem Jahr auf Mallorca!, nahm mir zwei Äpfel aus einer Schüssel vor einem Einfamilienhaus. Es waren dann gemessene 26 Kilometer, drei weniger als angekündigt – aber sonst hätte ich die Strecke auch nicht in knapp acht Stunden geschafft.

Doch dann, siehe oben. Bei Ankunft in dem Minizimmer wäre ich original fast in Wuttränen ausgebrochen, sah mich aber zu Freundlichkeit gegenüber der sehr, sehr freundlichen Gastgeberin verpflichtet.

Abendessen war also, auf dem Bett sitzend (in Pulli und Jacke, Zimmer auch noch nicht heizbar) und aufs Nachkastl bröselnd: Äpfelchen, Käse (ein Stück, das ich genau für diesen Notfall bei Ankunft am Samstag im Supermarkt besorgt hatte), Trockenfeigen – und die drei Kekse, die beim Wasserkessel auf dem anderen Nachkastl gelegen hatten.

Abendbeschäftigung Bloggen, mir fehlte ja die gute Stunde, die ich mit Warten aufs Taxi verbracht hatte. In Funkloch ohne Internet. Weswegen ich für die Telefonate mit dem Taxidienst auf der Jagd nach dem zweiten Balkon 5G herumlief. Zefix. Aber ich komm vor lauter Wandern ja eh zu nix. In Brighton wird gegammelt und gelesen. Und gefernseht und gegessen. Sonst nichts.
(HAHAHAHAHA!)

§

Vanessa Giese wird ja nun nicht Bürgermeisterin von Haltern am See – ich finde dennoch sehr interessant, welche Konzepte sie für eine Verbesserung des Lebens in ihrer Heimatstadt hat (und danke fürs Ausführen):
“Ideen für die Stadt”.

§

Ähnliches Thema, aber bereits in der Praxis im österreichischen Trofaiach, Steiermark:
“Wo Frauen sich wohlfühlen, ziehen Familien hin – und Gemeinden gewinnen”.

§

Neues von ChatGPT:
“Das mit den Gemsen kann er ja nicht wissen”.

die Kaltmamsell

Journal Mittwoch, 24. September 2025 – South Downs Way 4: Amberley nach Upper Beeding

Donnerstag, 25. September 2025 um 7:58

(Amberley war doch dieser eine Song von Roger Whittaker?)

Nach guter Nacht etwas zu weit vor Weckerklingeln aufgewacht. Eigentlich lag dieses Pub/B&B am hintersten Ende des Dorfes in der kompletten Stille, wegen der Stadtleute Urlaub auf dem Land machen – doch irgendein Stück Haustechnik brummte durchgehend, ich verdächtige eine Bad-Lüftung.

Aussicht!

Gestiefelt und gepackt setzte ich mich sogar in den Frühstücksraum auf eine Tasse Tee, plauderte mit einer vierköpfigen Wandergruppe in meinem Alter, die mich am Vortag beim Ankommen angesprochen hatte (Ich so: “So are you from around here?” “We‘re from Australia.” “Well it doesn‘t get any further from around here than that, does it.” Smalltalk kann ich.) Keine Bitte um Sandwich, unter anderem weil ich schnell dem Raum mit dem dauerkläffenden Hund eines Übernachtungsgasts entkommen wollte.

Außerdem telefonierte ich tapfer: Heute werde ich am Ende meiner Etappe in Kingston von einem Taxi abgeholt und zur Unterkunft in Lewes (kenne ich bereits von Brighton-Urlauben) gefahren, die Unterlagen der Agentur betonten, dass ich diese Abholung rechtzeitig telefonisch bestätigen müsse. Ich nutzte die Gelegenheit, die Zeit des Treffpunkts um eine halbe Stunde nach hinten zu schieben: Die Tagesetappe umfasst sportliche 29 Kilometer, ich möchte mich nicht hetzen müssen.

Da die gestrige Strecke mit nur 21 Kilometern angekündigt war, nahm ich mir in deutlicher Morgenfrische Zeit, mich in Amberley umzusehen und den überall empfohlenen Dorfladen zu besuchen. Ersteres tatsächlich entzückend (und offensichtlich teuer), letzteres enttäuschend: Angeboten wurde in verwinkelten Regalen lediglich Supermarkt-Ware (ich fragte vergeblich nach lokalen Äpfeln: Die würden alle für Cider verwendet), manche davon (Schokonüsse und weitere Süßigketen) halt umverpackt in Tütchen mit hübsch gestalteten Etiketten “Amberley”.

Die typischen Stroh-gedeckte Häuser der Gegend – in anderen Gebieten Englands werden verschiedene andere Materialien fürs thatching verwendet.

Am spannendsten fand ich in den Unterstand der Gemeinde mit Schwarzem Brett (dort erfuhr ich, dass das Pub/B&B The Sportsman Inn, in dem ich untergekommen war, verkauft wird: Um es als unabhängiges Community Pub zu erhalten und selbst zu kaufen, wird Geld in Form von Anteilen gesammelt, “Own a piece of the pub!”), Büchertauschkiste – und dem Pendant zur deutschen Tafel: Eine Kühlbox für Lebensmittelspenden für Bedürftige. (Für Herrn Kaltmamsell machte ich noch Fotos von vielen weiteren Details und Plakaten im Häusl. Große Vermissung, England ohne ihn ist seltsam – ich habe das Gefühl, die Hälfte an Interessantem zu verpassen, weil sein doch anderer zusätzlicher Blick fehlt.)

Amberley von oben.

Die gestrige Etappe führte mich mal unter dunklen Wolken, mal in Sonne vor allem Hügelrücken entlang, mit weiten Ausblicken in beide Richtungen – und ordentlich Wind (vierter Tag in Folge ohne Regen! so ein Scheißglück!). Sonne naturgemäß bei einer Wanderung Richtung Osten nur von einer Seite – auch wenn ich mich täglich mit LSF 50 eincreme, fürchte ich am Ende des Wegs etwas einseitige Braunfärbung meines Gesichts.

Ich kam unter anderem durch das Weingut Wiston Estate, von dem am Vorabend die Rede gewesen war, kreuzte zweimal die Wege mit dem australischen Wander-Quartett (lachender banter). Das Highlight aber war gegen Ende die piggery: Frei gehaltene Schweine in einer Form, die ich aus Deutschland überhaupt nicht kenne.

Weit vor dem Weingut der ersten Weinberg am Wegesrand auf sehr Kalk-haltigem Boden – das edle Restaurant zum Weingut heißt Chalk.

Päuschen nach zweieinhalb Stunden auf einer recht gemütlichen Wiese.

Die Unterlagen der Agentur legten dringend nahe, etwa in der Mitte der Wanderung einen Umweg zu machen, um das gefährliche Kreuzen von und Entlangehen an einer mehrspurigen verkehrsreichen Straße zu vermeiden. Dem folgte ich gerne, zumal ich dadurch durch ein weiteres Dorf kam: Washington.

Vor dem Übergang über die schlimme große Straße: Pferde bitte schieben.

Kirche von Washington: Ich ging hinein um herauszufinden, ob sie so alt war, wie sie tat – nee, Imitation aus dem 19. Jahrhundert.

Typischer hiesiger Stein.

Brotzeitpause mit ersten Ausblick auf Brighton: Äpfelchen, Nüsse, Trockenfeigen und -plaumen (schmeckt mir weiterhin richtig gut).

Und dann kamen die Schweine, mindestens 500 Meter lang links und rechts des South Downs Way, laut quiekend und riechend. (Viele Schilder “Don’t feed the pigs!”)

Bei den Ferkeln (alle mit Ringelschwanz) massenhaft Vögel: Krähen und Dohlen, die vielen Stare kletterten sogar auf den Schweinderln herum. Neuzugang bei der Vogelsichtung: Bachstelze. Außerdem neben Schwalben besoners viele Falken gesehen, im Wind rüttelnd.

Menschen: Gestern vor allem Mountainbiker mit Motor, allein und in Gruppen. Aber insgesamt immer noch ein Bruchteil der Begegnungen von vergangenem Jahr auf Mallorca!

Zurück am river Arun.

Die Weißdorne, die ich ja schon mal blühend auf unserer ersten Wanderung in den Cotwolds erlebt habe, tragen reiche Frucht, ebenso Schlehen und (seltenere) Kornelkirschen.

Diesmal lag meine Unterkunft in Upper Beeding nur zehn Minuten vom Wanderweg entfernt: Ankunft nach gut 20 Kilometern in knapp sechseinhalb Stunden. Füße mittelmüde, mein Körper verlangte insgesamt nach Erholung. Mal sehen, wie fit er auf der heutigen zweitlängsten Etappe ist. Äuglein leicht gerötet nach all dem Wind.

Im zugehörigen Pub (am Wochenende mit live Musik) mit gemütlichen locals bekam ich wieder gutes Abendessen: Ich musste kein Fleisch bestellen, sondern konnte zwischen verschiedenen Gemüse-Optionen wählen. Das Veggie-Chilli stellte sich als bunter Gemüseeintopf mit Bohnen auf Reis heraus, super. Dazu ein Pint Ale, danach noch ein Apple Crumble (fast so gut wie meiner).

Nebenbei hatte ich erfahren, dass ich der einzige Übernachtungsgast war. Ich dachte rechtzeitig daran, mich fürs Frühstück abzumelden (nicht dass jemand wegen mir umsonst früher aufstand) und um ein Sandwich zu bitten.

Früh zurück auf mein Zimmer – das sogar geheizt war! Die drei vorherigen Abende auf dem Zimmer musste ich zu den vorsichtshalber eingesteckten dicken Socken greifen und mich mit Jacke wärmen.

Das Zimmer lag der Geräuschkulisse nach direkt überm Pub, ich hörte dumpf Gesprächsgeräusche. Süße Erinnerungen an meine Studienzeit und die Wohnung über einer Kneipe. Zum Glück wurde es nicht lauter: Die Unterkunft liegt auch an der tagsüber vielbefahrenen Einfallskreuzung des Dorfs mit großer Tankstelle schräg gegenüber. Doch nachts verschwand hier der Verkehr.

Lichtaus sehr früh wegen großer Müdigkeit.

die Kaltmamsell

Journal Dienstag, 23. September 2025 – South Downs Way 3: FÜNFUNDREISSIG KILOMETER! von South Harting nach Amberley

Mittwoch, 24. September 2025 um 8:42

Es waren dann doch nur 33,7 Kilometer, und ohne die zusätzliche halbe Stunde Fußweg von der Wanderstrecke zur Unterkunft wären es wahrscheinlich sogar nur 32 gewesen.

Wieder vor Wecker und nach guten Schlaf aufgewacht.

Zwar hatte ich wie immer keinen Frühstücks-Appetit, kostete aber die Luxus-Ausstattung zur Kaffee- und Tee-Zubereitung aus: Nespresso-Maschine – und die Milch stand in einem kleinen Kühlschrank darunter bereit. Außerdem machte ich mir eine große Tasse schwarzen Tee mit Zucker und Milch.

Wanderkleidung wie gehabt Shirt unter Fleecejacke. Gestern schlüpfte ich allerdings in mein älteres Paar Wanderschuhe: Sie haben einen einen höheren Schaft, von dem ich mir mehr Anstrengungsverteilung auf das ganze Bein und weg von den Füßen erhoffte.

Früh verabschiedete ich mich – bat allerdings nicht um ein Sandwich statt Frühstück: Das am Vortag hatte mich nach der Brotzeit müde gemacht, ist für mich (!) keine ideale Wanderbrotzeit.

Zum Start meiner Wanderung fühlte ich mich erstmal ein wenig verarscht.

Schon am Vorabend war ich an der ein Straße durchs Dorf hängengeblieben und am riesigen Schild “NO PEDESTRIAN ACCESS!”, also Fußgänger verboten – nachvollziehbar, wenn die ohnehin schmale Stelle ohne Fußweg auch noch durch eine Baustelle verengt wird. Auf die Schnelle hatte ich auf Google Maps aber keine alternative Route zu meiner Unterkunft gefunden und war kaltschnäuzig einfach trotzdem durchgegangen. Jetzt am nächsten Morgen für den Weg zurück zum Wanderweg wollte ich aber brav sein und setzte zu einem weeeeeiten Umweg an – der mich aber in die falsche Richtung führte. Ich kehrte um und fragte vorsichtig eine Fußgängerin mit Hund, wie ich bitte zu Fuß auf die andere Seite des Dorfs käme. Die greise Dame winkte ab: Gehen Sie einfach durch, es gibt keinen anderen Weg. Das machte ich also, mit einheimischem Segen.

Zurück hoch zum Wanderweg, die Sonne schien wieder herrlich.

Bankerl! Und zwar mit Blick auf South Harting, wo ich übernachtet hatte. Und warum Bankerl? Weil Autoparkplatz – der ebenfalls diesen wundervollen Ausblick bot. Und der mich daran erinnerte, was ich bereits in meinem Studienjahr in Wales Anfang der 90er gelernt hatte: Der Brite und die Britin fahren gern mit dem Auto auf Parkplätze mit schöner Aussicht und machen dort Picknick. Im Auto. Meine britischen Freundinnen erklärten das nachvollziehbar mit dem wechselhaften Wetter: Da es so oft regne, mache man halt im regengeschützten Auto Picknick.

Hier sah ich zwei Krähen, die zwei Falken ärgerten.

Man dekoriert hier kahle Bäume mit Paraglidern.

Die Wegführung war gestern schlichter als an den Tagen zuvor, über lange Strecken sah es gleich aus. Wie hier auf dem links und rechts abgesperrten Durchgang durch einen weitläufigen Estate.

Perfekter Sitzstamm für meine erste Pause nach zweieinhalb Stunden.

Gestern sah bekam ich sehr viele unterschiedliche Schafe geboten, unter anderem die Rasse Badger Face.

Vor allem aber sah ich sehr, sehr viele Fasane, fast so viele wie Krähen (auf dem Feld oben zählte ich 24 – halt, 25). Kann es sein, dass Fasane ein bissl blöd sind? Oft hätte ich sie gar nicht bemerkt in Buschwerk am Wegesrand oder in Maisfeldern – wären sie nicht bei meinem Passieren laut kakelnd aufgeflogen. Ein paar Mal erschrak ich davon und dachte mir: Wenn ich Jägerin wäre, hätte ich innerhalb einer Stunde reichlich Abendessen geschossen. Wegducken und Verstecken ist wohl nicht Fasanen-Art. Zudem liefen sie einige Male in Gruppen auf dem Weg vor mir her, immer wieder versuchte einer irgendwie durch die zu kleinen Maschen im Zaun zur Weide zu kommen. Hin und wieder fiel dann einem oder einer der Gruppe ein, dass sie ja fliegen konnten.

Diese neue Wanderhose (Tchibo) wurde umgehend meine Lieblingswanderhose: Sie passt perfekt, vor allem aber ist sie die paar Zentimeter länger, die es braucht, um über den Schaft meiner Wanderstiefel zu reichen. Meine anderen Wanderhosen sind dafür alle zu kurz: Meine Wanderstiefel sammeln also immer Pflanzenteile und Steinchen – keine Wanderung ohne mindestens einmal Stiefelausziehen und Ausleeren.

Um halb zwei nutzte ich eine sonnenbeschienene Wiese zur Brotzeit, fand sogar wieder einen Baumstamm zum Sitzen. In der Sonne saß ich jackenlos, machte auf der weichen Wiese ein paar Dehnübungen.

Es gab Äpfelchen, restlichen Kefir, Trockenpflaumen und Nüsse – genau das richtige zur Stärkung ohne zu belasten.

Auch solche Abschnitte waren gestern dabei – in industrieller Landwirtschaft sind Feldwege echt nicht interessant.

Blick auf die Isle of Wight; nach links sah ich am Horizont Portsmouth.

Alte Römerstraße. Dunkle Wolken auf meinem letzten Wanderabschnitt, doch es blieb trocken.

Vor meinem Zielort Amberley kreuzte ich den Fluss Arun.

Die letzte Stunde zog sich: Zum einen musste ich lange eine Feierabendverkehr-befahrene Straße in Abgasen entlanggehen (E-Autos gibt’s hier wohl nicht), zum anderen eine zusätzliche halbe Stunde bis hinter den Dorfrand zu meiner Unterkunft in Amberley – die machte mich grantig.

Nachher-Foto. Der Körper spielte super mit, die Entscheidung für die hochschaftigen Stiefel war richtig gewesen: Darin schrumpfte sogar die Blase an dem Prinzessinen-Zeh, der am Montag dringend zusätzliche Polsterung gegen den bösen flachen Stiefelboden bauen musste.

Leider war das nicht die ideale Unterkunft für Entspannung nach solch einer körperlichen Anstrengung: Kleines Zimmer ohne Schreibtisch, keine Badewanne (aber hey! heißes Wasser in der winzigen Eck-Dusche!), Föhn fand ich keinen.

Doch nach Duschen und Umziehen aß ich ein wirklich gutes Abendessen von ausgesprochen herzlicher Bedienung zu meinem Pint Real Ale: Die Tagessuppe war aus gerösteten Pastinaken und Birnen zubereitet und sah wirklich hausgemacht aus, ich bekam einen großen Teller Salat (gemischter Salat mit Oliven und Feta heißt hier “griechisch”) – und dann stand auch noch Sticky Toffee Pudding auf der Dessertkarte.

Meine Unterhaltung war das Gespräch zwischen zwei anderen Tischen: Ein Gast stellte sich als örtliche Winzerin heraus, die von der gerade laufenden Weinlese berichtete und welche Sorten es gibt. Später kam ich ins Gespräch mit anderen Einheimischen (sie sprachen mich auf meine Wanderung an, wir tauschten Wander- und Anreiseerfahrung mit dem Zug durch ganz Europa aus), die mir von diesem Weingut erzählten: Wiston Estate. Vorsatz in Brighton bei dem Weinladen von vor zwei Jahren mt vielen heimischem Produkten danach suchen.

Ich schaffte es dann doch nicht, einfach ein zweites Pint zu bestellten und Bloggen Bloggen sein zu lassen, sondern zog mich zu eben diesem in mein Zimmer zurück. Zumindest die Fotobearbeitung verschob ich auf den nächsten Morgen: Es steht ein kürzerer Wandertag an (21 km), ich kann mir Zeit lassen.

die Kaltmamsell

Journal Montag, 22. September 2025 – South Downs Way 2: Von Exton nach South Harting

Dienstag, 23. September 2025 um 7:50

Lang geschlafen, vor Weckerklingeln aufgewacht. Für die gestrigen 27 angekündigten Kilometer wollte ich zeitig los, noch konnte ich mein Tempo auf der Strecke nicht einschätzen – und ich wollte mir genug Zeit geben für Gucken, Staunen, Fotografieren, Umwege, Pausen.

Das fragwürdig originelle Waschbecken erwies sich als unpraktisch: Natürlich pritschelte ich beim Zähneputzen und Händewaschen rundum wie Sau, und meine Wasserflaschen passten zum Auffüllen nicht darunter, ich behalf mich mit einem Wasserglas.

Wie vereinbart hatte man mir statt Frühstück ein Sandwich zum Mitnehmen vorbereitet, ich dankte herzlich. Und dann startete ich kurz nach acht in sonnigen – laut Wetter-App – sechs Grad.

Meine Unterkunft, The Bucks Head, in Morgensonne.

Waren mir schon am Sonntag reichlich am Wegesrand begegnet: Die sehen aus wie die Alpenveilchen, die bei uns im Topf verkauft werden, nur sehr klein – kann das sein?

Wunderschöner erster Streckenabschnitt entlang einem trockenen Bachbett (links).

Dann ging es hoch: Damit der South Downs Way Aussichten bieten kann, muss er oft obenrum führen.

Endlich Schafe! Auch schwarzbunte Kühe hatte man mir gestern in die Aussicht gestellt.

Wenn man eine Sehenswürdigkeit angeboten bekommt, muss man auch gucken – zumal diese Festung aus der Eisenzeit keinen großen Umweg bedeutete. Das Old Winchester Hill hillfort wurde interessanterweise nie ausgegraben: Aus meiner jüngsten Lektüre, Jens Notroffs Staub, Steine, Scherben, weiß ich, dass das eine valide archäologische Option ist: Jede Ausgrabung zerstört unweigerlich die historische Stätte und was darin liegt; am sichersten sind Funde unausgegraben.
(Wenn man den Fundort allerdings eh zerstören muss, weil etwas anderes dort gebaut werden soll, können Archäolog*innen natürlich aus dem Vollen schöpfen. Schaufeln. Spitzhackeln. Graben. Frau Brüllen hilft zum Beispiel diese Woche wieder als citizen scientist bei einer solchen Grabung, gestern ging’s los.)

An diesem Hohlweg machte ich nach zweieinhalb Stunden die erste Pause – auch wenn ich weit und breit keinen windgeschützten und wirklich angenehmen Platz dafür fand; ich zwang mich zu kurzem Sitzen und Ausruhen.

Andere Schafe.

Mein Wanderbüchl hatte auf das Sustainablility Center mit Beech Café hingewiesen: Das lag genau richtig auf meiner Strecke für Mittagscappuccino und Klo. Aber.

Mist, Montag und Dienstag geschlossen. Also wieder Pinkeln im Wald (große Blätter von Bäumen statt Klopapier, ich wiederhole den Tipp).

Nach einer Weile ging es recht steil bergab.

Ich bekam meinen ersten Meerblick – plus Aussicht auf die Autobahn A3, die schon seit einiger Zeit den Soundtrack meiner Wanderung dominiert hatte.

Um halb zwei war es wirklich Zeit für Brotzeit – ich hatte sie so lange hinausgezögert, weil die Karte des Wanderbüchls “benches with good views” angekündigt hatte. Und da war tatsächlich eine! Es gab ein Äpfelchen, etwas Kefir (am Samstag bei Tesco’s besorgt) sowie das mächtige Ham and cheese sandwich. Ich blieb nicht so lange sitzen, wie ich mir gewünscht hätte, denn in Schatten und Wind war mir kalt.

Von diesen Schilden standen einige am Weg – ich möchte nicht wissen, wie viele verunfallte Mountainbiker hier jährlich zusammengefegt werden müssen.

Sehr schöner Anblick – aber eine von zwei falschen Abzweigungen, die mir gestern durch nicht ganz eindeutige Ausschilderung unterliefen. Kamen mir jeweils rechtzeitig komisch vor, der GPS-Track brachte mich auf die richtige Spur.

Wie ich einmal sehr bedauerte, keine heimischem Münzen bei mir zu haben: Die Äpfel hätte ich gerne gekostet.

Tier-Show des Tages: Wieder viele Fasane, öfter gehört als gesehen, wie schon am Sonntag Schwalben, aber auch viele andere Vögelchen (u.a. Distelfinken, Rotschwänze), die morgens für die Jahreszeit erstaunlich variantenreich sangen. Ein paar LBBs (little brown birds – sagen angeblich Ornitholog*innen, wenn sie auch nicht wissen) sah ich eine Weile beim Baden in Pfützen zu. Am Himmel Möwen, Krähen, Greifvögel.

Menschen: Am seltensten Wander*innen, aber viele Jogger, Bergläufer, Hundegassiführer*innen, Mountainbiker, kurz vor Ende auch eine Mountainbikerin – das Gelände diente zumindest gestern vor allem als Sportgerät.

Straßen: Gestern war der Anteil an frequentierten Landstraßen, die ich entlang gehen musste, nicht ganz so hoch wie am Sonntag (mir immer sehr unangenehm), doch dreimal waren sie so eng von dichten Hecken eingegrenzt, dass ich bei entgegenkommendem Lieferwagen, Quad, Schulbus ein ganzes Stück zurückgehen musste bis zu einer Möglichkeit, den Wagen vorbeizulassen (und dann eine Weile flach atmen, weil Abgase und Staub).

Im rechten Winkel bog ich weg vom South Downs Way und nahm diesen Pfad zu meinem Ziel South Harting.

Sehr freundlicher Empfang, das zugehörige Lokal sah besonders einladend aus, ich bat um einen Tisch fürs Abendessen.

Gemütliches Zimmer, wenn mich auch leise Trauer über den Abstieg von Bücherwänden zu Tapeten überkam – ich bin ja mit schuld. (Gibt es ein Fachwort für diese Erscheinung: Dass etwas noch eine Aura transportiert, aber statt dem eigentlichen Gegenstand ein Bild davon reicht, um sie zu vermitteln?)

Das waren gut 27 Kilometer in knapp acht Stunden mit zwei Pausen: Die heutigen FÜNFUNDREISSIG KILOMETER! sollten in zehn Stunden zu schaffen sein.

Körper weiterhin ok-ish: Er meldete sich unterwegs mal mit diesem (linkes Knie! Hüftbeuger!), mal mit jenem (hinterer rechter Oberschenkel!), das hörte aber jeweils von selbst wieder auf. Eher beunruhigte mich die riesige Blase an der Unterseite des linken Ringzehs, von nichts weiter verursacht als von der faltenfreien, glatten Fläche darunter. Ich beschloss, die Blase einfach Blase sein zu lassen, an dieser Stelle stört sie ja nicht sehr und kann kaum schlimmer werden (WEIL DA NICHTS IST!) – für alle Fälle aber Blasenpflaster in meinen Tagesrucksack einzustecken.

Wieder verwendete ich sofort viel Zeit fürs Bloggen (diesmal auf dem Bett: ich hatte das Bedürfnis, die Beine hochzulegen) – mit etwas schlechtem Gewissen, dass ich sie nicht für anderes NÜTZTE bei dem herrlichen Wetter. Ich musste mir aktiv klarmachen, dass acht Stunden draußen bereits reichlich NÜTZEN gewesen war.

In der Ferne übte jemand Horn – auf sehr hohem Niveau.

Das Abendessen war dann wirklich erfreulich.

Zum alkoholfreien Bier (Fitness-Erhalt durch möglichst wenig Gifte) bestellte ich das Gericht, das am meisten Gemüse versprach: Gegrillte Hühnerbrust mit Gemüse-Orzo – und zur Sicherheit noch Brokkoli als Beilage. Das schmeckte sehr gut, enthielt tatsächlich viel Gemüse, unter anderem zwei ganze Knoblauchzehen – und war ganz sicher frisch zubereitet von jemandem, der oder die das beruflich macht. Ja, dafür zahlte ich ein wenig mehr als für die vorherigen beiden Abendessen, und das gern.

Der Zugang zu meinem Zimmer, dort gab’s als Dessert die restliche Schokolade.

§

John Oliver hat Bernd das Brot entdeckt.

die Kaltmamsell

Journal Sonntag, 21. September 2025 – South Downs Way 1: Von Winchester nach Exton

Montag, 22. September 2025 um 8:20

Ich schlief gut und lang, erst der Wecker weckte mich: Auf meine alten Tage werde ich gegenüber Schlafzimmerverhältnissen (kein offenes Fenster möglich!) anscheinend sogar toleranter. Erstmal Kaffee, in England kann ich mich zum Glück auf Wasserkessel und zumindest löslichen Kaffee auf dem Zimmer verlassen. Frühstück hatte ich zwar mitbuchen (und -zahlen) müssen, aber morgens geht halt nix. Hoffentlich schaffe ich es wenigstens in dem einen oder anderen B&B zu fragen, ob ich mein Frühstück als Sandwich zur Brotzeit mitnehmen darf (hatte damit schon schlechte Erfahrungen, z.B. letztes Jahr auf Mallorca, deswegen kostet mich das Überwindung).

Vielversprechende Hotelzimmeraussicht.

Wanderkleidung bei Vorhersage von eher niedriger Temperatur ohne Regen: zur langen Wanderhose langärmliges Shirt unter Fleecejacke. War genau das Richtige, um die Mittagszeit war fast eine Stunde lang die Jacke sogar zu warm, ich band sie um den Bauch.

Da die erste Etappe eine der kürzesten war, wollte ich mich vorher noch ein wenig in Winchester umsehen. Was dadurch ausgebremst wurde, dass die Innenstadt gestern für den jährlichen Halbmarathon blockiert war – ich spazierte halt durch ein paar ungesperrte Straßen.

DIE Kathedrale. Es fand gerade ein Gottesdienst statt (der Chor klang weit überdurschnittlich gut), aber ich hatte eh keine Ruhe für eine Besichtigung. Also spazierte ich lediglich einmal drumrum.

Frühstücksvolk im Café an einem Sonntag vor zehn – das ist hier eine komplett andere Kultur als bei uns. (Die Temperatur, nur wenig über 10 Grad, traue ich den Müncherinnen allerdings inzwischen fürs Draußensitzen zu.)

Um zehn startete ich die eigentliche Wanderung, den South Downs Way, am Flüsschen Itchen in Winchester.

Hinter Winchester ging es aufs freie Land. Die Büsche links hingen voller überreifer Brombeeren – und obwohl es mir zu früh für echten Appetit war, kam ich nicht an ihnen vorbei und aß Dutzende.

Den live GPS-Track schaltete ich bald aus: Wanderbüchl (von der Agentur gestellt, über die ich die Wanderung mit Übernachtungen und Gepäcktranport gebucht hatte) und reichlich Beschilderung führten mich genügend, und die App zog sehr viel Strom in meinem Handy – da ich gewohnt bin, dass ich den Akku bei Alltagsgebrauch nur alle drei Tage laden muss, habe ich keine Powerbank dabei.

Mehr als respektables Baumhaus.

Ab hier gab es die schönen Ausblicke, die das Wanderbüchl angekündigt hatte.

Wie in England gewohnt führte mich die Route immer wieder durch Privatgelände (siehe rechtlicher Hintergrund public footpath).

Beim Kreuzen eines ausgedehnten Bauernhofs sah ich, dass wohl auch viele Einheimische nicht damit vertraut sind, dass sie wirklich nur diesen einen Weg betreten dürfen; das waren nur drei von vielen Absperrungen und Schildern.

Nach zwei Stunden machte ich brav Pause, auch ohne Müdigkeit: Ich hatte mir vorgenommen das zu üben, unter anderem um für die FÜNFUNDREISSIG KILOMETER! fit zu bleiben. Was ja hier leider ganz fehlt, ist jegliche Bankerl-Kultur, auch um die Dörfer steht nichts – anscheinend gibt es hier keine Menschen, die sich gern wo hinsetzen und in eine schöne Aussicht schauen. Für meine Pause und zwei Stunden später zur Brotzeit (Nüsse, Trockenfeigen und -pflaumen) musste ich mich halt auf den Boden setzen.

Auch hier scheint ein gutes Apfeljahr zu sein (Streuobstwiesen sind aber sicher auch hier nur etwas fürs Privatvergnügen und lohnen sich nicht für den Großmarkt – vielleicht erwische ich einen Bauernmarkt oder Dorfladen).

Der erste von sehr vielen Fasanen, die ich im letzten Abschnitt auf den riesigen, abgeerneteten Feldern dieser industriellen Landwirtschaft erst hörte, dann auch sah. Tut mir leid: Damit ich schlechteste aller möglichen Tierfotografinnen sie erwische, müssen sie halt tot sein. Weitere Tiersichtungen: Ein graues Eichhörnchen (doppelt so groß wie unsere zierlichen – ich weiß, die hiesigen wurden von amerikanischen Einwandererhörnchen verdrängt), viele Greifvögel am Himmel (Rotmilane identifiziete ich eindeutig, sonst eventuell Bussarde), einmal saßen drei sehr helle so tief über mir auf einer Thermik, dass ich sie lange ansehen konnte. Außerdem Kaninchen – aber keine einzige Kuh, kein einziges Schaf.

Menschen beim Spazieren oder Wandern begegneten mir sehr wenige, obwohl doch Sonntag war, mehr noch auf Mountain Bikes (nur sehr wenige mit Motorantrieb): Der gesamte Abschnitt gestern war auch für sie freigegeben, auf besonders schmalen Pfaden bereitete es Mühe, aneinander vorbei zu kommen.

Sehr spät das erste kissing gate – und ich hatte niemand dabei zum Küssen, vermisste auch sonst Herrn Kaltmamsell.

Weg hinunter zu meinem Zielort Exton. Jetzt hatte sich der Himmel verdüstert, doch es fiel kein Regen – einen von sieben Wandertagen habe ich schonmal trocken bekommen. Im Moment wird für die ganze Woche Regenfreiheit und Sonne vorhergesagt, doch ich erinnere mich, dass die Wettervorhersage in England so schnell wechselt wie das Wetter.

Das waren dann 21 gemessene Kilometer in sechs Stunden mit zwei Pausen (plus Spaziergang in Winchester), wobei ich am Ende getrödelt hatte, um nicht zu früh in meiner Unterkunft anzukommen. Für meine FÜNFUNDREISSIG KILOMETER! am Dienstag werde ich mindestens zehn Stunden einkalkulieren müssen.

Es war noch ein Stück zusätzlicher Weg zu meiner Unterkunft, einem Landgasthof. Wieder meldete ich mich gleich mal fürs Abendessen an – auch wenn ich online auf der Speisekarte gesehen hatte, dass man hier am allerstolzesten auf die Sauerteig-Pizza ist.

Angenehmes Zimmer, über die Waschbecken-Entscheidung denke ich noch nach. (Und das Rhabarber-Waschgel daneben enthielt die Geruchskomponente Männerschweiß.)

Der Körper hatte gut mitgespielt, abends dehnte ich noch ein wenig durch.

Da ich mich nicht sehr aufnahmefähig gefühlt hatte, hatte ich den Eindruck, ich hätte nicht so viel fotografiert wie sonst auf Wanderungen. Der Download auf meinen Computer sagte etwas anderes.

Abendessen im angeschlossenen Pub.

Touristinnenpflicht in dieser Gegend: Real Ale trinken. Ich hatte schon vergessen, wie süffig die Kohlensäure-Armut das Bier hier macht.

Auf Pizza hatte ich überhaupt keine Lust und bestellte etwas Traditionelles. Dass bei “Ham, Eggs and Chips” der Ham schlicht aus einer kalten Scheibe Kochschinken bestand, konnte mich allerdings überraschen. Ich werde hier unterwegs ohnehin deutlich mehr Fleisch essen, als mir lieb ist, bislang war die vegetarian option Pasta oder Pizza – in der Gegend, die ich als historischen Ursprung des Vegetarismus abgespeichert hatte, dann doch unerwartet. Selbst unter den Beilagen, die man hier extra bestellen kann, sind Kartoffeln das einzige Gemüse – nix kl. gem. Salat. Am Nebentisch bekam ich eine unwillige Nachfrage beim Servicepersonal mit, die vegetarian options seien ja schon ganz schön übersichtlich.

The Bucks Head im Abendlicht. Während meines Abendessens hatten einige weitere Wander*innen für die Übernachtung eingecheckt; ich kann mir vorstellen, dass das B&B-Angebot hier nicht allzu groß ist: Einheimische machen den South Downs Way eher in Abschnitten als Tageswanderung, das hier ist ansonsten kein Urlaubsgebiet, alternativ gibt es laut meinem Wanderbüchl Camping-Möglichkeiten (die eher zu den echten Wander-Fans passen).

Zurück auf dem Zimmer gab es noch ein wenig Schokolade.
Bloggen und die mir wichtigen Menschen im Internet nachzulesen (deutsche Timeline voll von zauberhaften Sommerabschiedsfotos), dauerte dann so lange, dass ich nicht mal prüfte, ob es auch hier echtes Fernsehen gab (vielleicht passend zum überholten Speisenangebot).

Die Erwachsenenkarte ausgespielt und so früh ins Bett gegangen, wie ich wollte (sehr früh).

§

Fikri Anıl Altıntaş ist Schriftsteller und in der politischen Bildungsarbeit aktiv. In der taz spricht er mit Karlotta Ehrenberg über seine Schul-Workshops zu Männlichkeitsbildern, Gewalt und Feminismus.
“Ein Gespräch über Geschlechterrollen
‘Ich hätte gern Ballett getanzt'”.

die Kaltmamsell