Journal Montag, 26. Mai – Berlin Tag 3: re:publica-Start

Dienstag, 27. Mai 2025 um 8:59

Wieder sehr gut geschlafen, aber vom Wecker geweckt, weil ich ja vor Aufbruch zur re:publica in der Station Berlin noch bloggen wollte.

Sehr erhöhter Blick auf eine große Großstadt-Straßenkreuzung in Sonne unter gemischtwolkigem Himmel, umgeben von hohen, sachlichen Gebäuden

Es kam sogar ein wenig Sonne heraus. Kalt sollte es auch nicht werden, ich musste mich nicht einpacken.

Im Foyer des Hotels traf ich mich mit einer re:publica-Erstbesucherin. Ich durfte die Rolle des Menschen einnehmen, den jede Erstling der Digitalkonferenz haben sollte: Die der erfahrenen Teilnehmerin, an die man sich erstmal dranhängen kann, die einer erste örtliche Orientierung gibt, irrelevante Anekdoten von früheren re:publicas erzählt, eine mit alten Bekannten zusammenbringt.

Eine U-Bahn brachte uns direkt von Alexanderplatz zum Gleisdreieck, das Einchecken ging dank flinker und hervorragend gelaunter Helfermenschen flott.

Leere Bühne, auf der Leinwand-Rückseite bunt projiziert die Buchstaben x y z

Im Düsteren vor einer Betonwand interviewt ein Mann einen anderen, ihre Schatten erscheinen bunt auf der Wand, darüber die Buchstaben x y z, links daneben "#rp25"

Das Motto der diesjährigen re:publica: Generation XYZ. Gestalterisch umgesetzt wurde das unter anderem durch Licht in Farben, das die drei Buchstaben in verschiedlichen Formen übereinanderlegte. Die Wand oben, an der gerade einer der vier Gründer*innen der Konferenz interviewt wird, Markus Beckedahl, war mit seinem Schatten-Effekt sofort der beliebteste Selfie-Ort.

In der ersten Reihe der größten Stage 1 trafen wir wie gewohnt Joël: Wer zuerst dort ist, besetzt den anderen Plätze.

Auf einer beleuchteten Bühne zeigt der Hintegrund "re:publica 25", davor drei Männer, einer im dunklen Anzug und mit Krawatte spricht gerade in ein Mikrofon

Eröffnung mit dreien der Gründer*innen; Johnny Haeusler (spricht gerade), Markus Beckedahl, Andreas Gebhard (die vierte, Tanja Häusler, steht einfach sehr ungern auf Bühnen), Johnny appellierte an alle, das Internet nicht den Tech-Milliardären und der Manipulation zu überlassen.

Ich blieb gleich sitzen für die Keynote: “Generative KI und die Zukunft der Intelligenz”.

Auf einer Bühne rechts ein Mann in heller Gose und hellem Hemd, links neben ihm auf der Leinwand Zeitungsausschnitte

Vom Referenten Björn Ommer, Professor und Head of Computer Vision & Learning Group an der Münchner LMU, hatte ich neueste Erkenntnisse und Einblicke erwartet, doch leider hörte ich einen generischen Vortrag über den Nutzen von KI heute (genau so wenig differenziert) ohne irgendwas Neues. Aber ich hatte eh vorgehabt, den Saal vor Ende der Session zu verlassen, weil sich eine spannende andere Podiumsdiskussion damit überschnitt.

Die ich dann aber nicht sehen konnte: Die Stage 5 war die mit viel Spitzenpolitik, höchstem Security-Level, eigener Garderobe – die Schlange davor über 50 Meter lang. Ich hatte keine Chance, rechtzeitig in den Saal zu kommen.

Auf Estrichboden ein einfacher Holztisch, dahinter zwei Menschen im Gespräch, davor ein Plakat "ARD zumachen! Change my mind"

In allen Ecken spanndende Ideen. Die durchwegs erfreulichen Begegnungen mit lang bekannten und neuen Internetkontakten auf Wegen und beim Warten auf Session-Beginn müssen Sie sich bitte eigenständig dazudenken.

Ich holte mir meinen Mittagscappuccino, profitierte dann davon, dass ich mir eine parallele Session notiert hatte.

Konferenzbühne dahinter Bildschirm mit „re:publica25“, darauf sitzen zwei Menschen, links auf einem hochformatigen Bildschirm eine Person in rosa Oberteil

“Am I Not Human? Data workers behind our AI systems and social media platforms speak out”. Ich lernte von Joan Kinyua, zugeschaltet links auf dem Bildschirm (Technik ist toll!), wie sie und ihre Kolleg*innen in Kenia das ermöglichen, was als “KI” verkauft wird. Sehen Sie sich die Dame (Uni-Abschluss in Betriebswirtschaft) ruhig genauer an: Sie hat Ihrem Roomba möglicherweise beigebracht, was Möbel sind und was nicht. Joan Kinyua gehört zu Gründer*innen einer Organisation, die sich vor Ort für die Rechte von data annotators und Content Moderator*innen einsetzt. Ebenfalls interessanter Gesprächspartner von Moderatorin Rim Melake: Andreas Hänisch vom TikTok-Betriebsrat.

Nachtrag: Hier die Aufzeichnung

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https://youtu.be/JD_NU6SHSp8?si=ffhO7ObQNoP7dFy3

Blick von rechts auf eine Bühne, darauf rechts der Referenz in grauem Anzug vor Stehpult aus weißen Plastikboxen, hinter ihm auf der Leinwand drei Personen nah fotografiert, wie sie gerade telefonieren

Die alljährliche Zusammenfassung der aktuellen bundesdeutschen und europäischen Digitalpolitik von Markus Beckedahl – der diesmal mit einem historischen Abriss von Digitalminister*innen einstieg und den aktuellen Koalitionsvertrag mit seiner Verteilung des Themas auf drei Ministerien aufdröselte. Auch diesmal wohl begründete Darlegung, welche politischen Maßnahmen und Schritte derzeit helfen, welche ergriffen werden sollten – und Appell an eigenes Engagement, zum Beispiel im Zentrum für Digitalreche und Demokratie, das Markus kürzlich ins Leben gerufen hat. Mal wieder kam ich optimistischer aus der Session raus, als ich reingegangen war.

Schnell dazwischen Brotzeit: Ich hatte zwei mittlerweile hutzlige Äpfel dabei und einen Becher Hüttenkäse. Die re:publica hat mittlerweile aufgegeben, genug Catering für alle Teilnehmenden anzubieten (der Platz, auf dem es zweimal eine richtige Kantine gab, wird für drei Bühnen genutzt), muss ja auch nicht sein, eigene Brotzeit ist ratsam.

Entfernter Blick über Publikumsköpfe hinweg auf eine Bühne, auf der sich fünf Menschen im Sitzen unterhalten, auf der Leinwand hinter ihnen "re:publica25"

Ja mei, mehr habe ich auch nicht gesehen.

In “Lost in Translation? Die ARD zwischen TikTok, Townhall und Tagesschau” holte ich mir Überlegungen von Öffentlich Rechtlichen und Top-Soziologin Jutta Almendinger, wie man die nachwachsenden Generationen mit seriösen Nachrichten erreichen kann. YouTuber Alexander Prinz forderte unter anderem Umschwenken auf “Parasoziale Beziehung”: Nachrichtensprecherinnen sollten als Person für die Belastbarkeit der Nachrichten stehen, weil die jungen Leute Personen vertrauten, nicht Inhalten. Grusliger Begriff in meinen Augen und grusliges Konzept. Aber ich bin ja auch nicht die Zukunft. Meiner Meinung nach beharrte Yvette Gerner, die Intendantin von Radio Bremen zu Recht darauf, dass bei ÖR die Verlässlichkeit von Nachrichten vor Geschwindigkeit geht. Wenn Menschen sich bereits vorher mit unfundierten Spekulationen auf Tiktok ein Bild der Geschehnisse gemacht haben, muss man an anderer Stelle ansetzen.

Vor zwei großen Altbau-Sprossenfenstern, durch Tageslicht fällt, setehen zwei Männer mit Mikrofonen vor einem Stehtisch

In die nächste Session hatte ich mich zwingen lassen: Thomas Knüwer (rechts) hatte mich morgens dafür shanghait – aber ich freute mich ja tatsächlich, ihn und Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach, einen meiner ältesten Kontakte aus dem Internet, zu sehen. Ihr Vortrag: “Churchaissance – Neue Kirchen ohne Gott verändern die Welt”, daran aufgehängt, dass Wolfgang gläubiger Theologe ist und Thomas Atheist, aber leidenschaftlicher Fußballfan. Verhalf mir zu einigen interessanten Perspektiven.

Ausschnitt eines Stuhlkreises in einer großen Halle mit Holzwänden, man sieht sechs Personen, in der Mitte spricht eine in ein Mikrofon, die rechte sitzt erhöht auf einem Barhocker

Die Menschen tragen alle Kopfhörer, weil die meisten Sessions nur direkt in einem Online-Kanal zu hören waren – funktionierte mal besser, mal schlechter.

Mein Abschluss des Konferenztags: “Das Bloggertreffen der Generationen”, in dem ich wie erwartet Blog-Senior*innen traf, aber – und darum ging es – auch Nachwuchs. Zumindest vereinzelt (Anton Hartmann, rechts unten sitzend) gibt es Menschen, die auch heute noch einfach ins Web schreiben wollen, auf eigener Domain, und die Plattformen vor allem für die Bekanntmachung ihres Blogs nutzen.

Jetzt aber Treffen mit der re:publica Newbie, U-Bahn-Fahrt zur Abendessen-Verabredung mit einer Berlinerin aus dem Internet, aber außerhalb der Konferenz.

Blick der Esserin auf einen Restauranttisch, vor ihr ein großer Teller mit Antipasti, dahinter einer mit Pommes und Club-Sandwich, daneben Gläser, gegenüber sitzt ein Mensch mit rotem Oberteil

Gutes Essen, ein Glas Grauburgunder, vor allem aber bereichernde Gespräche an der Gneisenaustraße.

Heimkommen mit der U-Bahn, mit mehrfachem Umsteigen und nicht komplett sportlicher Geh-Fitness wäre anstrengend und umständlich gewesen – wir hatten das Glück, dass die Berlinerin mit dem Auto da war und uns beiden ins Hotel fuhr.

Direkt ins Bett ohne weitere Vergnügungen – erschöpft obwohl unterbewegt.

die Kaltmamsell

Journal Sonntag, 25. Mai 2025 – Berlin Tag 2: Heldin vormittags, Freundin nachmittags

Montag, 26. Mai 2025 um 8:00

Sensationell gut und sehr lang geschlafen: Mein Hotelzimmer ist so ruhig, dass ich die Ohrstöpsel weglassen konnte, das Bett offensichtlich genau das richtige für mich.

Als Allererstes Morgenkaffee aus mitgebrachter elektrischer Cafetera und Milchschäumer, das war schön.

Verabredet war ich erst am Nachmittag mit einer in Berlin ansässigen Freundin, das düstere Nieselwetter machte die Entscheidung zwischen Ausflug ins Berliner Umgebungsgrün und Kino-Matinee einfach: Den Film Heldin hatte ich eh sehr gern sehen wollen, wie praktisch, dass er gestern zehn Minuten zu Fuß entfernt um 11 Uhr im Kino Hackesche Höfe gezeigt wurde.

Wand mit vergitterten Altbaufenstern in einem Innenhof, daran unendlich viele Reste von Aufklebern und Plakaten, davor abgenutzte Bierbänke und -tische

Einer der Hackeschen Höfe konserviert ein längst vergangenes Berlin museal, zwischen gruslig und rührend.

Gemauertes Jugendstil-Treppenhaus in Creme-Tönen und schwarzem Metall

In einem weiten Altbau-Treppenhaus Blick auf die niedrigere Halbebene mit großen Sprossenfenstern, durch die man über den Innenhof eine Klinker-Fassade sieht

Erhöhter Blick in Altbau-Innenhof mit verschiedenförmigen großen Fenstern

Große, Blumenstrauß-artige Wandlampe an Holz

Das Kino liegt im 3. Stock eines sehr schönen Gebäudes.

Der Film gefiel mir ganz ausgezeichnet mit seiner Darstellung eines einzigen Spätdienstes einer Schweizer Krankenpflegerin (Leonie Benesch ganz beeindruckend als diese Figur). Meine eigenen fünf Tage als Hüft-TEP-Patientin im Klinikum Garmisch hatten einen tiefen Eindruck von der Bedeutung des Pflegepersonals für das Befinden der Patient*innen hinterlassen: Ja, für die hochmedizinische Seite sind die Ärzt*innen zuständig, aber es waren die Krankenschwestern, die mir Sicherheit gegeben hatten, Zuversicht, die diese existenzielle Hilflosigkeit erträglich machten. Gleich zu Anfang gibt es im Film einen Dialog, der das transportiert: Ein Patient erzählt, dass er hier im Krankenhaus fern seiner Heimat niemanden hat, keine Familie, keine Freunde. Die Hauptfigur, Krankenpflegerin Floria Lind, antwortet ein wenig scherzend: “Aber Sie haben ja mich.” So war es für mich: Ich bin ja nun wirklich gerne allein und für mich. Aber in dieser Situation als Patientin vor und nach einer größeren Operation erleichterte es mich wie selten, dass da jemanden für mich da war.

Sehr gutes Drehbuch, genau die richtige Kamera für den Stoff (fast ununerbrochen am Gesicht der Hauptfigur), der Schnitt sorgte für einen stimmigen Rhythmus. Da alles sehr realistisch gezeigt wurde, half die durchgehende (immer leicht aufgeregte, aber nie dramatisierende) Musik, den Spielfilmcharakter präsent zu halten.

Theke vor Ladenfenster, darauf ein Sandwich und ein Glas Cappuccino, vorm Fenster nasse Großstadtstraße

Für mein Frühstück setzte ich mich um eins in ein Stehcafé auf einen Barhocker, es gab ein Sandwich mit Sprossen, Karotten, Tofu und einen Cappuccino. Es regnete. Die Zeit bis zur Verabredung an der Neuen Nationalgalerie verbrachte ich im Hotel.

Auf diesem Berlin-Urlaub fühle ich mich schlecht vorbereitet. Nicht nur konnte mich der Fußball-Tsunami kalt erwischen: Ich habe auch keinen Schirm dabei. Gestern regnete es ganz normal, so dass man davon halt nass wird. Mit Schirm wäre ich dennoch zu Fuß zu meiner Verabredung gegangen, hätte Bewegung und Frischluft bekommen. Doch ohne wäre ich nach einer Stunde nass eingetroffen, ich musste die U-Bahn nehmen.

Regennasse Pflasteroberfläche, darauf spiegeln sich zwei große dunkle Skulpturen, im Hintergrund Großstadtsilhouette und düsterwolkiger Himmel

Eigentlich hatten wir uns rechtzeitig für eine der Inszenierungen von Fujiko Nakayas Nebelskulpturen verabredet, doch nach herzlichen Begrüßungsumarmungen und Bekanntmachen mit Begleitung erfuhren wir: Fiel gestern wegen technischer Probleme aus. Na gut, schritten wir gleich zum zweiten Programmpunkt: Die Yoko-Ono-Ausstellung “Dream Together”.

Die war dann recht kompakt in einem Raum, mir gefiel die notwendige Beteiligung der (vielen) Besucher*innen – die meiner Überzeugung nach immer ein Teil von Kunst ist (existiert Kunst ohne Rezeption überhaupt?), in diesem Fall aber auch physisch von ihr gestaltet wird.

Auf einer weißen Tischoberfläche liegen weiße Keramikscherben, Paketschnur, Tesafilm, drei Menschen sitzen daran

An weißen Regalbrettern hängen zwei Klumpen aus Keramikfragmenten, Schnur und These, man sieht den Schatten der Fotografin

Mein Anteil mal wieder das fotografische Festhalten inklusive meiner selbst.

Blick durch Menschen auf einen langen weißen Tisch, auf dem Schachbretter mit nur weißen Figuren stehen, daran Menschen sitzen, die Schach spielen

Wir waren schnell durch, die paareinhalb Exponate hinterließen mich eher ratlos. Plan: Am Donnerstag der andere Teil der Yoko-Ono-Ausstellung im Gropiusbau.

Beim Verlassen des Raums begegnete ich einem meiner ältesten Blogkontakte, @ruhepuls. Auch Berlin ist ein Dorf, ich freute mich sehr.

Nach Hause zu meiner Freundin fuhren wir im Auto – so kenne ich Berlin überhaupt nicht, wahrscheinlich habe die Stadt zuletzt vor über zwölf Jahren durch ein Autofenster gesehen.

Es folgten wundervolle Stunden mit Freundin, Partner, ihren fast erwachsenen Kindern (die sich an mich nicht mehr erinnern konnten, aber ich verfolge sie zwischen den wenigen Begegnungen seit ihren Kindertagen halt auch über vereinzelte Urlaubsfotos ihrer Mutter), Hund. Auf der regnerischen Terrasse wurde gegrillt, ich bekam unter anderem herrliche ausgelöste Hühnerschenkel, abgefahrenen Gurkensalat, Kartoffelsalat. Und zu all dem Kontakt und Gespräche (unter anderem die nachgeholte Erzählung eines Japan-Urlaubs im Vorjahr), wohliges Menschenkuscheln.

Kulinarische Entdeckung war ein Tee, den die Freundin in einem japanischen Mitte-Laden bekommen hatte.

Stehende helle Verpackungstüte, darauf groß

Der Laden liegt nicht weit entfernt vom Hotel, mal sehen, ob ich diese Woche zu Öffnungszeiten hinkomme.

Abschied im letzten Abendlicht, meine Schirm-Lücke wurde durch einen geschenkten aus dem Freundinnen-Haushalt geschlossen. Den brauchte ich dann zwar auf dem Heimweg zu Fuß nicht (keine halbe Stunde – Berlin wird immer kleiner), aber jetzt fühle ich mich besser für die kommenden Tage gerüstet.

Im Bett Start neuer Lektüre: Chloe Dalton, Raising Hare.

die Kaltmamsell

Journal Samstag, 24. Mai 2025 – Berlin Tag 1: Reise in den Fußball

Sonntag, 25. Mai 2025 um 9:12

Mittelguter Schlaf, es begann ein Reisetag mit mittelgutem Funktionieren.

Erstmal steckte die Zeitung im Briefkasten und ich hatte keinen Zugriff auf die Digitalausgabe: Meine Urlaubsabbestellung hatte nicht geklappt. (Ich checkte die schriftliche Bestätigung: Doch, ich hatte die richtigen Daten angegeben.)

Gehweg einer Ladenzeile links, von hinten sieht man eine Persin in schwarzen engen Hosen und schwarzen Stiefeln mit Absatz, die um die Schultern einen dünnen Plastikumhang trägt, in den Haaren unzählige kleine Alufetzen

Ich liebe den Anblick von Frauen vor Friseursalons mit Färbe-Alu im Haar, meist ja eher auf Sitzgelegenheiten und mit Getränk und/oder Zigarette in der Hand.

Gut funktionierte die pünktliche Abfahrt des Zugs am späten Vormittag (Zugbindung schon vor Wochen aufgehoben, da die Fahrt eine halbe Stunde länger als gebucht dauern würde, machte mir ohne Umstieg nichts aus). Doch sie begann in Gesellschaft eines Männergesangvereins, der die Weise „Mir holn de Pokal“ intoniert, dabei alle Vokale als O aussprach. Ich musste für meine komplette Fußball-Ignoranz büßen, denn Nachfrage auf Mastodon ergab: Ja, die Herren würden mich sehr wohl bis Berlin begleiten, dort fand gestern ein sogenanntes “Pokalfinale” zweier deutscher Männerfußballvereinsmannschaften statt. Eine kundige re:publica-Teilnehmerin würde genau deswegen erst am Sonntag anreisen.

Dann wieder: Umwerfend charmantes Personal im Bordbistro, das die Fußballfans mit deutlich schwäbischem Zungenschlag sowie deren Bierdurst gut im Griff hatte und mir in meinen Mittagscappuccino zum Ausgleich einen Extra-Shot spendierte. Mir fiel auf, dass die Fußballfans in Kleingruppen über viele Wagen verteilt waren: Das bremste Massendynamik, und unterm Strich waren sie auch nicht schlimm, sangen oder lärmten nur punktuell, waren lediglich beim Durchgehen zum Klo ein unverrückbares Hindernis mit Biertragl/Brotzeittaschen im Gang, über die ich halt kletterte.

Als Brotzeit gab es um zwei einen Apfel von daheim und ein Antipasti-Sandwich, das ich am Münchner Bahngleisende beim Rischart gekauft hatte – sehr glücklich, dass dieser Liebling (gebratenes Sommergemüse als Brotbelag!) nach langer Pause wieder im Sortiment war.

Eine Zugfahrt durch Robinienblüte, zwischen Bitterfeld und Berlin gar durch blühende Robinienwälder, am Himmel wechselten Sonne und Wolken.

Von Berlin Hauptbahnhof U-Bahn zum Alexanderplatz – wo die Göttinnen des Fußballs mir mein konsequentes Wegschauen so richtig in die Fresse hauten: Der Platz stand voller Menschen in blauen Leibchen, die das Fußballspiel ihrer Mannschaft wohl auf den vielen Leinwänden angucken wollten, ich kam mit meinem großen Koffer nur langsam und schwierig durch. Und mein Hotel war komplett geflutet von Menschen in dieser Kleidung und laut Rezeption ausgebucht.

Rezeption, denn mein Self Check-in hatte nicht funktioniert. Ich hatte das Check-in-Formular am Vortag online ausgefüllt (weil mich eine E-Mail darum bat, aber gerne!), doch im Hotel forderte der Check-in-Bildschirm nochmal den bereits gezahlten Betrag für sechs Nächte und akzeptierte meine Bankkarte nicht. Die menschliche Angestellte war aber sehr freundlich (und gestand, dass der Maschinen-Check-in eigentlich nicht funktionierte).

Sehr erhöhter Blick auf eine Großstadt, erkennbar eher unscheinbare Gebäude, im Vordergrund breite Straßen, der Himmel darüber voller Wolken

Zimmer mit der erhofften Aussicht (Alexanderplatz auf der Rückseite).

Erstmal ging ich auf Lebensmitteleinkäufe zu einem nahen Supermarkt, schlug einen großen Bogen um die wogende blaue Masse Fußballfans. Dann ging ich gleich nochmal los (Treppensteigen leider nicht möglich, da die Treppen nur als Fluchtweg nach unten gedacht sind und sich die Türen vom Treppenhaus aus nicht in die oberen Stockwerke öffnen lassen – klar habe ich das getestet, als ich Treppentraining witterte): Ich sehnte mich nach Bewegung und spazierte durch Berlin Mitte, wo ich schon lang nicht mehr unterwegs gewesen war.

Vor blauem Himmel ein prächtiger sakraler Gründerzeitbau, im Vordergrund städtischer Fluss mit Besichtigungsschiff

Aus vielen Gegenden, die ich nur als Baustelle kannte, waren Gebäude geworden, ich musste mal wieder von besonders gemochten Aspekten meines inneren Berlin-Bilds Abschied nehmen. Und voller Menschen war es natürlich, an einem Samstag in der Hauptreisesaison kommt man hier auf den Wegen nicht schneller voran als in der Münchner Innenstadt.

Zurück im Hotel freute ich mich über die mitgebrachte Yoga-Ausstattung.

Kleines Hotelzimmer mit links Einzelbett, rechts an der Wand einem schmalen Schreibtisch, dazwischen auf Laminatboden einer Yoga-Matte, gegenüber Fenster

Ja, das Zimmer ist klein. Aber wo sich eine Yoga-Matte ausfalten lässt, ist doch nicht zu klein? (Mal sehen, ob ich das Angebot der Rezeption annehme, für die weiteren fünf Übernachtungen in ein Doppelbettzimmer umzuziehen, für nur fünf Euro mehr pro Nacht.) Ich turnte auch darauf, eine Dehn-Einheit. Mit den Armen seitlich ausholen hätte ich allerdings nicht können.

Als Abendessen gab es griechischen und spanischen Käse von daheim mit roter und gelber Paprika aus dem Supermarkt. Ich hatte lang vorher gewusst, dass ich am ersten Abend keine Lust auf Suche nach Einkehrmöglichkeit haben würde, und die wäre mir im Slalom um Fußballfans eh vergangen. Nachtisch Schokolade. Irgendwie war ich davon ausgegangen, dass die Eigenmarken der Supermärkte alle vom selben Hersteller kommen, doch die Rahm-Mandel-Schokolade von Kaufland schmeckte deutlich süßer und weniger schmelzend als die von Aldi Süd – erstaunlich.

Sehr erhöhter Blick auf eine große Großstadt-Straßenkreuzung im letzten Abendlicht, umgeben von hohen, sachlichen Gebäuden

Ich hätte großartige Fotos vom dramatischen Abendhimmel aufnehmen können, doch das Zimmerfenster spiegelte und ließ sich nachvollziehbarereweise nicht ganz öffnen.

Im Bett (Zimmer so ruhig, dass ich kein Bedürfnis nach Ohrstöpseln hatte) Lena Christs Die Rumplhanni ausgelesen, war in der zweiten Hälfte nochmal anders geworden (Hanni zieht nach München, viele interessante Alltagsdetails der Au vor hundert Jahren) und hatte mir gut gefallen.

§

Ein Artikel in der Wochenend-Süddeutschen geht den Fragen nach, die ich mir kürzlich so ähnlich gestellte hatte: Wie gehen Eltern, die selbst als Kinder/Jugendliche sehr Schlimmes erlebt haben, damit gegenüber ihren Kindern um? Hier wird eine Sorte besonders Schlimmes herausgegriffen: Sexuelle Gewalt. (€)
“‘Es passiert nicht einfach so'”.

Wer als Kind sexuelle Gewalt erlebt hat, fürchtet sich oft vor der eigenen Elternschaft. Wird man Grenzen achten und den Nachwuchs schützen können – auch vor sich selbst?

Ausgangspunkt des Artikels ist eine systematische Untersuchung “Elternschaft nach sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend”.

„Viele Betroffene stellen sich grundlegende Fragen“, erklärt Pädagoge Claas Löppmann, der Teil des Forschungsbeirats der Studie war. Schon die Vorstellung, eigene Kinder zu bekommen, löse teils große Zweifel aus. „Kann ich mit meinen Erfahrungen überhaupt ein guter Elternteil sein? Kann ich Verantwortung für einen anderen Menschen übernehmen? Schaffe ich es mein Kind davor zu schützen, dass ihm Ähnliches passiert wie mir?“

die Kaltmamsell

Journal Freitag, 23. Mai 2025 – Voller Freitag vor Urlaub

Samstag, 24. Mai 2025 um 8:04

Immer noch Grundgestresstheit, gefühlt brachte ich das alles (ALLES) nicht mehr unter vor Abreise nach Berlin am Samstag.

Ausgesprochen kühler Marsch in die Arbeit, aber ich sah ein wenig Sonne.

Prächtige Gründerzeitvilla mit Bäumen vor knallblauem Himmel hinter breiter Straße

Sonnenbeschienene Schotterfläche, gesäumt von Bäumen, links ein Container mit Graffiti, im Hintergrund rechts ein großes altes Kirchengebäude

Die Theresienwiese wird mal wieder aufgerissen, seit Ende Frühlingsfest: Große Stücke Asphalt werden abgenommen (ich lernte eine beeindruckende Asphalt-Wegfräs-Aufschlürf-mit-Transportband-in-Behälter-bring-Maschine kennen), Gräben gegraben, Leitungen verlegt. Unter der Theresienwiese steckt ja die Infrastruktur fürs Oktoberfest.

Organisiertes Abarbeiten am Schreibtisch. Mittagscappuccino im Westend, es war immer noch Janker-kalt. Danach wieder ein Regenduscher, aber nichts Nachhaltiges.

Zu Mittag gab es Apfel und Linsensalat vom Vorabend. Über den Rest des Arbeitstags konnte ich gut aufräumen, meine drei echten Abwesenheitstage (dann Feiertag, dann St. Brück) nächste Woche sollten wirklich keine Lücke reißen.

Mein re:publica-Programm war jetzt fertig zusammengestellt. Falls Sie interessiert, wie das aussieht: Ich habe es auch auf Google Docs gestellt (don’t @ me, ich bin noch nicht so weit, Google ganz aufzugeben – am einfachsten macht es mir ausgerechnet die immer weniger brauchbare Such-Funktion). Dass sich wieder in manchen Slots bis zu sechs Programmpunkte ballen, die mich interessieren, dann eine Stunde lang gar nichts, nehme ich schon lang gelassen.

Drei querformatige Blätter, Text in Tabellenform, aufgefächert auf dunkler Tischplatte

Ich bin halt Generation A4, auf Papier oder Laptop-Bildschirm, auch wenn ich übe, mich auf den Handy-Bildschirm umzugewöhnen.

Nach Feierabend nahm ich eine U-Bahn zum Odeonsplatz: Ich nutzte die letzte Gelegenheit, meine Theaterabo-Vorstellung nächsten Mittwoch umzubuchen. Das klappte, ich bekomme Mephisto doch noch zu sehen.

Auf dem Heimweg durch die geschäftige Fußgängerzone Erdbeeren zum Naschtisch gekauft. Zu Hause Blumengießen (Übergabe an Herrn Kaltmamsell), Wäscheverräumen, Yoga-Gymnastik, Pulliflicken, Erdbeerenschnippeln – dann war wirklich Feierabend.

Eine weite blaue Schüssel, darin kleingeschnittene Erdbeeren, auf den Rand der Schüssel ist rot geschrieben "Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose"

Antritt des saisonalen Geschirrs.

Auf einem Holztisch stehen zwei gefüllte Weißweingläser, rechts dabene eine Bügelverschlussflasche mit der Aufschrift "Vin d'orange 2025" und eine Proseccoflasche, dahinter sitzt ein Mann mit Brille und dunklem Sweatshirt, hinter ihm über die Balkonbrüstung sieht man schemenhaft Park-Bäume und einen modernen Kirchturm

Aperitif-Foto auf dem (sauberen!) Küchenbalkon: Herr Kaltmamsell hatte eine Flasche selbst angesetzten Vin d’orange geschenkt bekommen, den gossen wir mit Prosecco auf – schmeckte hervorragend herb und aromatisch.

Gedeckter Tisch, in der Mitte eine weite Kasserolle mit einer dunklen Mischung aus kleinen Nudeln und kleinen Fleischstücken, davor und dahinter gefüllte tiefe Teller, rechts daneben eine Weinflasche und gefüllte Rotweingläser

Nachtmahl wie bestellt Giouvetsi. Schmeckte sehr gut, hätte für mich vielleicht etwas mehr Sauce vertragen. Dazu thrakischer Rotwein (mei, bei “thrakisch” habe ich halt sofort einen Gladiator mit Flügelhelm vor Augen, Asterix schlägt humanistische Bildung) – ich fand ihn durchaus interessant: Dieser Avdiros Vourvoukeli von 2019, so lernte ich, ist das Ergebnis gemeinsamer Vinifizierung der ältesten griechischen Sorte Limnio (50 %) mit rotem Syrah (30 %) und Pamidi (20 %). Ein runder trockener Roter, dessen 12 Monate im Holz nicht vorschmeckten, der überraschend lang nachschmeckte.

Nachtisch Erdbeeren mit Sahne, außerdem griechische Waffelröllchen mit Tahinicreme gefüllt.

Auf Phoenix ließen wir eine Doku über Kreuzritter laufen (Belagerung von Akkon 12. Jahrhundert), und ich dachte ständig: HATTEN DIE ECHT KEINE ANDEREN PROBLEME?! Ständig kamen neue europäische Adels mit Truppen an, die es daheim echt schöner hätten haben können!

Eltern-Meldungen aus ihrem Asturien-Urlaub, schöne Fotos.

Meine Kleidungspläne für die Berlin-Woche musste ich dann doch anpassen: Es sind zu niedrige Temperaturen vorgesagt für die meisten der schönen Stücke, die ich ausführen wollte.

die Kaltmamsell

Journal Donnerstag, 22. Mai 1025 – Handwerker-Homeoffice, eine Einkaufsentdeckung

Freitag, 23. Mai 2025 um 6:34

Mittelunruhiger Schlaf, kein Wunder nach dem Alkohol vom Rosentagfeiern. Die Wecker-Verlängerung nutzte ich nur zur Hälfte, stand dann wach und durchaus frisch auf. Nachts musste es ein bisschen geregnet haben: Ich blickte auf nasse Straße, aber mit trockenen Flecken unter den Bäumen.

Gestern musste ich erstmal daheim arbeiten, da vormittags Handwerker angekündigt waren. Herr Kaltmamsell brach später als sonst auf, weil er an einer Fortbildung teilnahm. Er half mir noch, mich besser arbeitsfähig zu machen, verband mich an seinem Schreibtisch mit Bildschirm, Tastatur, Mouse.

Der Vormittag war ereignisreich, fühlte sich dennoch unproduktiv an, weil in der ungewohnten Arbeitsumgebung (sowohl Soft- als auch Hardware) jeder Handgriff doppelt so viel Aufmerksamkeit wie sonst benötigte.

Die Handwerker (Glasfaserleitungsverlegung im ganzen Haus) klingelten während des einzigen Telefonats am Vormittag, nämlich als der immer hilfreiche IT-Support meine Einstellungprobleme (höhö) im neuen Betriebssystem löste. Es schwirrte ein ganzer Trupp Handwerker durchs Haus, alle jung, sehr professionell wirkend, Kommunikation mit uns Bewohner*innen auf Englisch mit osteuropäischem Akzent.

Den Handwerker in unserer Wohnung musste ich von dem vorgegebenen Vorgehen abhalten: Er wollte die Glasfaserleitung aus dem Ausgang in der Wand über einen Türrahmen zur nächstgelegenen Steckdose führen. Mit Herrn Kaltmamsell hatte ich aber bereits eine Version vereinbart, in der wir umgekehrt den Strom zu den Internetgeräten führen: Vor dem Glasfaserausgang steht ein tiefes Regal, in dem die ästhetisch eher störenden Geräte ihren perfekt unauffälligen neuen Platz bekommen sollen. Mr. Hand Werk ließ sich sofort darauf ein, bat mich lediglich, das bei der Bauleitung (es gab eine Bauleitung!) zu hinterlegen und zu unterschreiben. Das tat ich dann abschließend.

Mittagscappuccino machte ich mir noch daheim, dann nutzte ich wieder die Mittagspause, um in mein Büro zu marschieren. Weinend küsste ich beim Eintreffen meinen ergonomisch perfekten und rundum wohl eingerichteten Schreibtisch.

Jetzt konnte ich endlich beherzt und ohne größere Hindernisse Dinge wegarbeiten und -besprechen, nebenher aß ich zu Mittag einen Apfel, Hüttenkäse und den letzten Bissen abgelaufenen Haferriegel. Wie schon in der Nacht schlug mein Herz immer wieder phasenweise so heftig, als hätte ich einen dreifachen Espresso intravenös bekommen.

Draußen regnete es immer wieder so richtig, allerdings nie länger als zehn Minuten am Stück, das wird die tiefe Bodentrockenheit nicht beseitigen.

Den ganzen Tag Spaß mit der Lendenwirbelsäule: Irgendwas hatte sich so verhakt, dass die Nerven Schmerzblitze in die rechte Hüfte, Oberschenkel, Knie schickten.

Nach Feierabend machte ich eine erfreuliche Entdeckung. Für Freitag hatte ich mir nämlich als Nachtmahl von Herrn Kaltmamsell einen Klassiker mit Kritharaki-Nudeln gewünscht: Giouvetsi. Auf die Einkaufsliste dafür hatte er unter anderem richtigen griechischen Käse geschrieben: Kefalotyri. Hatte ich noch nie irgendwo gesehen, aber – war ich nicht vor Wochen auf dem Weg zu einem beruflichen Termin an einem Hinweisschild zu einem Mittelmeerproduktladen vorbeigekommen, der mir irgendwie griechisch orientiert erschien? Dorthin spazierte ich also.

Ich hatte mich korrekt erinnert und folgte dem Schild “Omilos” in einen Hinterhof an der Elsenheimerstraße.

Überdachter Eingang zu einem Flachbau, an dem "Omilos" steht

Von außen bereitete mich nichts auf die Wunderhöhle vor, die ich durch den Eingang betrat: Am Gang nach innen auf beiden Seiten reich bestückte Tortentheken, dann öffnete sich ein riesiger Raum mit ALLEM aus Griechenland. Kühlschränke mit Molkereiprodukten (Kefalotyri sogar in drei Sorten), Gefriertruhen, Schränke unter anderem mit Hülsenfrüchten, Gebäck, Nudeln, und nach hinten Meter um Meter Regale mit griechischen Weinen. Ich sah mich gar nicht wirklich genau um, weil ich dafür keine Zeit einkalkuliert hatte, sondern stellte mich schon bald (mit Käse, einer Flasche Rotwein und einer Schachtel Kekse) unter sonst durchwegs Griechisch sprechende Menschen in die Kassenschlange. Ich muss bald wiederkommen.

Auf dem Heimweg noch ein paar Lebensmitteleinkäufe im Vollcorner. Daheim machte ich mir nach einer Einheit Yoga-Gymnastik Linsensalat mit Gurke, roter Paprika, Schnittlauch (gut!) – Herr Kaltmamsell verbrachte den Abend aushäusig. Nachtisch Schokolade.

§

Mich beim ersten Zusammenklicken meines re:publica-Programms beobachtet: Winzel-Veranstaltungsorte schrecken mich ab, Minster*innen interessieren mich deutlich weniger als Speaker*innen aus den hinteren Reihen von Ämtern, Behörden, Ministerien (“wissenschaftliche Mitarbeiterin”/”Referent” – super), und je grünschnabliger aussehend, desto mehr will ich wissen, was sie zu sagen haben. Sofortiges Erlahmen von Interesse bei “CEO” oder “Founder”, der New-Economy-Rausch kurz nach der Jahrtausendwende hat mich gründlich für den Typus verdorben – leider, den darunter gibt es ganz sicher Menschen, die nicht lediglich was verkaufen wollen.

§

Vergesst die Ever Given im Suezkanal. Jetzt gibt es ein Containerschiff im Vorgarten. (Na gut, blockiert einen signifikant geringeren Teil der Welthandelsflotte.) Auch die Drukos sind Zucker.

die Kaltmamsell

Journal Mittwoch, 21. Mai 2025 – 32. Rosentag

Donnerstag, 22. Mai 2025 um 9:09

Sehr früher Wecker für eine Laufrunde vor der Arbeit, ich konnte bereits die Stunde davor nicht mehr schlafen.

Das Draußen düster und wenig einladend, doch es war nicht wirklich kalt und roch gut nach Wachstum. Auf den ersten Metern erwischten mich ein paar Regentropfen, aber ich wusste ja, dass das leider kein echter Regen werden würde.

Mein Körper spielte gut mit, manchmal kam ich sogar ins Gedankenlaufenlassen – doch die wollten ja doch nur die Tagesplanung nochmal und nochmal durchspielen, fühlte sich nicht sehr beflügelnd an. Doch ich genoss die sehr menschenarmen Wege.

Ein Altstadtplatz in düsterem Morgenlicht, darauf ein großer Baum mit hellem Laub, davor ein kleiner hellgrün lackierter Holzwagen, an dem ein Licht leuchtet und auf dem „Zuhörraum“ steht

Stephansplatz – dieser Zuhörraum wird von einem Verein betrieben.

Asphaltierter Fußweg zwischen belaubten großen Bäumen

Erhöhter Blick auf Uferbefestigung und Fluss unter wolkigem Himmel, im Hintergrund Kirchtürme

Breiter Fußweg in Wiese, darauf zwei Menschen von hinten, im Hintergrund eine Eisenbahnbrücke und die Kamine eines Kraftwerks

Weiß blühender Busch an Fußpfad in Wiese, darüber düsterer Himmel

Mein Referenz-Weißdorn.

Kies-Ebene unter düsterem Himmel, im Vordergrund das Wurzelende eines angeschwemmten Baumstamms, im Hintergrund ein Hochhaus

Breiter Holzsteg, der sich in Knicken über ein Flussbett windet und in grünen Bäumen unter düsterem Himmel endet

Einige der geplanten Handgriffe standen bereits vor meinem Aufbruch in die Arbeit an (Präparieren Vase für die Rosen). Ich nahm das Rad zur Umsetzung weiter Tagesprogrammpunkte.

Müde im Büro eingetroffen, erstmal ging ich zu Abholung und Neueinrichtung meines Laptops. Ich erledigte von Letzterem so viel wie möglich drüben bei den IT-Kollegen, um einerseits bei Problemen gleich Hilfe zu haben, andererseits die heilenden IT-Fach-Vibes abzugreifen: Wir wissen ja alle, dass allein die physische Präsenz eines IT-Fachmenschen selbst hartnäckige und reproduzierbare Probleme in Luft verschwinden lassen kann (noch zuverlässiger, wenn er/sie über die Schulter schaut). Funktionierte ok, fehlende Profile/Bookmarks bemerkte ich natürlich erst zurück am Arbeitsplatz.

Wie viel von den geänderten Funktionen und Ansichten sind wohl einer wirklich zielgerichteten Weiterentwicklung geschuldet, wie viel nur der Haltung “das können wir doch nicht einfach so lassen, sonst merkt ja niemand, dass wir ihnen was Neues verkauft haben!”? Ich versuchte mir bei so manchem Fluchen vor Augen zu halten, dass 1) es ganz sicher Menschen gab, die das in dieser neuen Form viel besser fanden, 2) mir manches schwerfiel, weil die Vorläuferfunktion so schlimm gewesen war, dass ich mir seit Jahren einen Work-around zurechtgelegt hatte, der halt jetzt nicht mehr ging, aber ohnehin nie vorgesehen war, 3) der Mensch mit so ziemlich allem irgendwann zurecht kommt und Microsoft ein einziger Großversuch zum Beleg dieser These ist.

Eher durcheinanderes Arbeiten bis Mittag. Dann stempelte ich aus und radelte in die Stadtmitte, holte den Strauß mit 32 Rosen ab, den ich am Samstag bestellt hatte. Das war ja vor ein paar Jahren ein weiterer Entwicklungsschritt in den Rosentags-Ritualen: dass ich vorsichtshalber bestellte, weil ich nicht mehr sicher sein konnte, dass der Blumenhändler die gewünschte Anzahl vorrätig hatte. Was ich ich nicht auf dem Schirm hatte: Wie schwer so ein Rosenstrauß bei steigender Stückzahl irgendwann wird. Ich transportierte ihn wie geplant liegend auf meinem Fahrradkorb nach Hause, das Rad schob ich.

Aufsicht auf 32 rote Rosenköpfe vor Riemchenparkett, dahinter die Blätter einer Topfpflanze

Rosenstrauß in bereitstehender Vase anrichten, Zurückradeln in die Arbeit, wieder besprutzelt von vereinzelten Regentropfen. Dort musste ich erstmal einiges fortarbeiten, bevor ich zu meinem Mittagessen kam: Mango mit Sojajoghurt, ein Bissen Haferriegel (eigentlich eiserne Reserve, doch er lag schon zu lang überm Mindesthaltbarkeitsdatum in der Schreibtischschublade).

Schleppendes Arbeiten am Nachmittag, ich fühlte mich so unkonzentriert benommen, als hätte ich nur drei Stunden geschlafen. Doch auch dieser Arbeitstag endete: Ich radelte heim, nahm Herrn Kaltmamsell in die Arme und gratulierte uns beiden zum Rosentag (seine Geschichte, meine Geschichte).

Diesmal feierten wir am Tag selbst, mitten unter der Woche: Ich führte Herrn Kaltmamsell nach Haidhausen ins Rue des Halles aus. Highlight war bereits die Tramfahrt dorthin: Die Linie 17 fährt nach vielen Jahren Baustelle endlich wieder über die Ludwigsbrücke und direkt zum Wiener Platz.

Der Gastraum war sehr lebhaft: Zwei große Tafeln waren für eine Festgesellschaft eingedeckt. Doch unser Abend war in keiner Weise davon beeinträchtigt, wir wurde aufmerksam und liebevoll umsorgt.

Es gab einen Cremant rosé zum Anstoßen, einen schön leichten Beaujolais Domaines Burrier Fleurie zum Essen (mitten unter der Woche!): Entenleber als Vorspeise für mich, gegenüber eine kleine Bouillabaisse, als Hauptgereicht teilten wir uns ein großes Stück Bavette.

Aufsicht auf einen gedeckten Tisch, darauf eine Platte mit Streifen gebratenem Rindfleisch, Tellern mit Gemüse, gefüllten Rotweingläsern, dahinter sitzt ein Mann in weißem Hemd

Dessert: Crème brûlée für Herrn Kaltmamsell, Tarte Tatin für mich (besonders gut), dazu teilten wir uns noch ein Glas Süßwein.

Die Tram 17 schaukelte uns unter noch nicht ganz dunklem Himmel heim (und das trotz düsterem Wetter – ich genieße die langen Tage so sehr). Wir stellten unsere Wecker für etwas mehr Schlaf vor: Ich muss heute ohnehin wegen Handwerkerbesuch von daheim arbeiten, Herr Kaltmamsell kann später los, weil er statt in die Schule auf eine Fortbildung geht.

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Tipp vom Bayerischen Rundfunk (wirklich einfach nachzumachen):
“Meta nutzt Ihre Daten zum KI-Training: So kann man widersprechen”.

die Kaltmamsell

Journal Dienstag, 20. Mai 2025 – Kein Laptop, keine Arbeit

Mittwoch, 21. Mai 2025 um 5:52

Durch Weckerklingeln in einen weiteren freundlichen Tag geweckt worden.

Ein nicht zu sommerliches Kleid aus dem Schrank geholt – wo es sich in den sieben bis acht Monaten seit Bügeln erdreistet hatte zu verknittern. Dann war das halt so, ich bildete mir ein, dass man ihm zumindest ansah, dass es schon mal gebügelt worden war.

Seite eines roten Lieferwagens, der sehr schmutzig ist, in den Schmutz ist ein Gesicht gezeichnet, darüber Laub

Wer ein Auto lang genug unter Bäumen stehen lässt, schafft Graffiti-Fläche. Morgens war es noch entschieden Jacken-kühl, doch über den Tag wurde es angenehm mild, auch die Sonne kam immer wieder durch.

Emsiger Arbeitsvormittag, darunter eine Besprechung mit hochinteressantem Einblick in die Tätigkeiten und Pläne anderer.

Die Tagesroutine wurde durchgewürfelt durch die Kaffeeverabredung mit einer Kollegin um 13 Uhr – weil dadurch kein Mittagscappuccino vorher drin war und ich mein Mittagessen (Apfel, Sahnequark mit Joghurt) vorzog. Wo doch gestern ohnehin einiges anders war, weil ich einen Termin zum Betriebssystem-Update meines Arbeits-Laptops hatte.

Das Gerät gab ich pünktlich zum vereinbarten Termin um 15 Uhr ab. Doch mir war original erst gestern klargeworden, dass ich dadurch keinen Arbeitsrechner hatte und anschließend für den Rest des Tages und bis zum Abholen am nächsten Morgen nicht arbeitsfähig war. (Nur falls Sie mir bislang sowas wie Intelligenz zugeschrieben hatten.) Also räumte ich danach nur noch ein wenig rum und machte sehr früh Feierabend. Diesen nutzte ich für Besorgungen, unter anderem benötigte ich Briefmarken-Nachschub. Doch siehe da: Nachdem ein DHL-Shop mir im Vorjahr weisgemacht hatte, er könne keine Pakete ins Ausland annehmen (Deutsche Post kannte auf Nachfrage keine solche Beschränkung), verweigerte mir ein anderer nun Karten-Zahlung für Briefmarken, das erlaube die Deutsche Post nicht (auch wenn ich in genau diesem DHL-Shop bereits zweimal Briefmarken bargeldlos gekauft hatte).

Infrastruktur gehört meiner Überzeugung nach nicht in private und damit rein profitorientierte Hände, weder Verkehrswege noch Energie-Infrastruktur oder Wasser/Abwasser. Und auch nicht die Post. Stimmen Sie mich gerne um.

Im Vordergrund die Seite eines Altglascontainers, darauf in Gelb ein Geist gesprüht. Im Hintergrund ein Platz mit Altbauten, darüber wolkiger Himmel

Esperantoplatz an der Theresienwiese.

Also legte ich meinen Heimweg über die noch verbliebene Post am Goetheplatz, als Großstadtbewohnerin bin ich ja privilegiert. Dort verkaufte man mir Briefmarken. Mit Kartenzahlung.

Aussicht auf eine auch weiter wilde Woche: Mittwoch feingetaktet wegen Rosentag-Ritualen (und Laufplänen), Donnerstag Homeoffice wegen Handwerkertermin, Freitag Urlaubsübergaben nach oben und zur Seite, weil dann eine Woche Urlaub.

Daheim Häuslichkeiten, Yoga-Gymnastik, zum Nachtmahl steuerte ich Salat-Dressing bei. Herr Kaltmamsell machte aus den restlichen doofen Ernteanteil-Kartoffeln spanische Tortilla, spanischen Käse hatten wir auch noch.

Aufsicht auf einen gedeckten Tisch, darauf unten ein Teller mit Käse-Dreiecken, in der Mitte eine sehr große Schüssel grüner Salat, oben ein Teller mit einer kleinen Kartoffel-Tortilla

Gutes Abendessen. Nachtisch Erdbeeren und Schokolade.

Früh ins Bett zum Lesen.

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Über drei Ecken herbei-assoziiert – und dann überrascht gewesen, wie gut sich die Nummer gehalten hat: Die “Wilmersdorfer Witwen” aus meinem Musical-Liebling Linie 1.

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https://youtu.be/JQmL7qmPCPw?si=8Um3rnlWS39N22a9

die Kaltmamsell