Journal Sonntag, 16. November 2025 – Letzte Novembermilde, arte-Dokus

Montag, 17. November 2025 um 6:29

Gut geschlafen mit nur einmal Wachwerden, das war schön. Aufgestanden zu letzter Morgenröte und einem sonnigen Tagesanbruch.

Die Bronchien drückten weiterhin belastet, der Brustkorb fühlte sich weiterhin zu eng an, doch nachdem mich das am Samstag nicht von Schwimmgenuss abgehalten hatte, setzte ich auch meine Laufpläne um. Draußen zogen zwar langsam Wolkenschleier vor den blauen Himmel, aber es war immer noch mild genug für langärmliges Kapuzenoberteil, keine Mütze oder Handschuhe.

Als Strecke nahm ich die ab Haustür über Alten Südfriedhof an die westliche Isar, über Flaucher, Thalkirchen, unter der Großhesseloher Brücke weiter nach Süden, zurück bis U-Bahn Thalkirchen. Knapp zwei Stunden, von denen sich die erste ganz ok anfühlte, Bewegung halt, die zweite aber immer leichter und fröhlicher, ich lief sogar am Ende ein wenig schneller – ein ganz seltenes Bedürfnis.

Beim Erinnern ans Olympiabad vom Samstag: Gibt es beim Kraulschwimmen vielleicht auch die Stile archaisch, klassisch, hellenistisch? Mit archaisch als waagrecht stromlinienförmige Wasserlage, nur Arme und Beine bewegen sich? Klassisch mit einer zusätzlichen beweglichen Achse, vielleicht der Schultergürtel? Und hellenistisch mit allen Achsen in alle Richtungen?

An einer roten Ampel sah ich den beschrifteten Wagen eines Pferdehufschmieds – näherliegend als Pferdemetzgerei: Wenn es in der bayerischen Landwirtschaft stark steigende Pferdehaltung gibt, bekommt auch dieser Beruf Aufschwung und Zukunft. Ergänzt durch das neue Berufsbild Pferdesytlist*in?

“Wir schießen Satelliten in den Weltraum!”, hatte ich am Samstag gekeift, als die letzte der drei Lämpchen über der Spüle den Geist aufgab und damit von insgesamt fünf Lichtern über der Küchenzeile nur noch eines funktionierte, “aber wir schaffen immer noch keine verlässliche Beleuchtung von Küchenzeilen!”
Doch als ich vom Laufen heimkam, hatte Herr Kaltmamsell alle drei repariert. ❤️
Vorerst. (Nur bei einem Lämpchen war es übrigens das Leuchtmittel, was allerdings sensationell fieslig auszutauschen ist.)

Frühstück kurz nach halb zwei: Apfel, Brot mit allgäuer Schimmelkäse, Brot mit Butter und Zuckerrübensirup.

Dieses Rezept für blitzschnelle Mousse au chocolat ausprobiert – vor allem, damit ich den offenen Tab endlich schließen konnte.

Noch ein offener Tab: Nach einer kleineren Runde Bügeln (für das ich kurz nach vier bereits alles verfügbare künstliche Licht benötigte) sah ich mir eine arte-Doku über drei Tänzer*innen der Pariser Oper an, die wie alle Tänzer*innen dort mit 42 in Rente gehen müssen. Die Doku begleitet sie in den Wochen vor ihrem allerletzten Auftritt und ein wenig danach. Gefiel mir gut, vor allem weil die Solo-Tänzer*innen Alice Renavand und Stéphane Bullion sowie Aurélia Bellet aus dem Corps sich als sehr unterschiedliche Menschen erweisen. Hier in der Mediathek:
“Abschied von der Oper”.

Yoga gestern wieder eher ruhiges Dehnen, war ok. Zum Nachtmahl nutzte Herr Kaltmamsell den kleinen Kopf Blaukraut aus Ernteanteil und machte daraus Blaukraut-Linsen mit (gekauften) Spätzle – gut! Nachtisch Apfel-Schokoladen-Mus (ok, brauche ich aber nicht nochmal) und Süßigkeiten.

Abendunterhaltung eine arte-Doku über Jimmy Somerville aus der Mediathek:
“Jimmy Somerville – Smalltown Boy”.

Eine weitere Beleuchtung der Schwulenbefreiung in den 1980ern – und eines sehr besonderen Menschen. Unter anderem wusste ich nicht, dass Somerville kein Musiker war: Für einen Film seines Schwulen-Teenager-Vereins in London brauchte es Musik, niemand hatte Geld für die Rechte an existierender Musik, also schrieben sie die selbst – und Jimmy sang perfekt los, genau so, wie wir es dann von Bronski Beat hörten.

Schön fand ich die Erzählungen seiner Weggenossinnen, allein schon um zu sehen, wie Menschen heute aussehen, die in den 1980ern Stars und sehr cool waren (Spoiler: älter, viel älter cool). Und ich lernte, wie ausgesprochen unwahrscheinlich es ist, dass wir je weitere Musik von Jimmy Somerville bekommen: Er hat damals nach zehn Jahren Karriere wirklich komplett aufgehört.

§

Wien: Wie die wunderschöne Villa Rezek aus den 1930ern (fürs Wohnen ist die Moderne eine meiner Lieblings-Epochen) museal restauriert wurde.
“Dieser Architekt rettete die Villa Rezek in Wien vor dem Abriss”.

die Kaltmamsell

Journal Samstag, 15. November 2025 – Zu mild, Abend mit Freunden aus der Schweiz zu österreichischer Küche

Sonntag, 16. November 2025 um 8:49

Nochmal eine zerstückelte Nacht, es wird mal wieder Zeit für eine richtig gute.
Geträumt unter anderem von einer Krähe, die ich rettete und die sehr zutraulich wurde, sich von mir streicheln ließ, mit mir sprach und ihre Tochter mitbrachte.

Erste Handgriffe nach dem Aufstehen wie geplant: Bett abziehen, um die Bettwäsche mit weiterem Weißen zu waschen, Brotteig für schnelles Weizenmischbrot ansetzen.

Draußen strahlte die Sonne, dennoch spürte ich starken inneren Widerstand gegen Fahrradfahren: 1. Straßenverkehr an einem Samstag in München, 2. LALÜ-Gefahr.

Nachdem ich das Brot aus dem Ofen geholt hatte, sehr zufrieden mit dem Ergebnis, nahm ich also eine U-Bahn zu meiner Schwimmrunde im Olympiabad. Erst als ich schon im Wasser war, fiel mir ein, dass bei diesem schönen Wetter das Dantebad mehr Vergnügen bereitet hätte – egal. Meine Bahn war übersichtlich beschwommen, Geräteschwimmer*innen erst auf den dritten 1.000 Metern, und dann nur die unbedrohlichen mit Kissen zwischen den Oberschenkeln. Ich fühlte mich frisch und fit, kraulte mit Genuss, beim Luftholen Blick auf Sonnenglitzer.

Beim Warten auf die U-Bahn zurück checkte ich die gemeinsame Einkaufsliste: Herr Kaltmamsell hatte sie bereits komplett abgearbeitet, also kein Stopp am Marienplatz für Lebensmittelbesorgung.

Frühstück um zwei: Birne, frisches Brot (sehr gut – im Vergleich hat halt auch kein bejubelter Hipster-Bäcker Chancen) mit Butter und Honig/Zuckerrübensirup. Das machte mich schläfrig, ich unterbrach meine Lektüre der Wochenend-Süddeutschen für ein halbes Stündchen Siesta.

Für den Abend machte ich mich ein wenig fein: Freunde aus der Schweiz waren auf Familienbesuch in München, mit ihnen trafen sich Herrn Kaltmamsell und ich zu einem Nachtmahl im Restaurant Waltz, das schon lange auf meiner Liste der hiesigen Wunschlokale stand – und das praktischerweise von uns sehr bequem zu Fuß erreichbar ist.

Wir verbrachten einen schönen Abend, ich freute mich sehr über das Zusammensein, wir aßen auch gut, tranken interessante Weine – allerdings war der Gastraum komplett ausgebucht und so laut, dass ich nach diesem Abend (bei eh angegriffenen Bronchien) keine Stimme mehr hatte.

Zum Aperitif ein schöner Winzersekt Christmann, knochentrocken mit leichter Bitternote. Aus der Karte wählten wir alle viere das Fünf-Gang-Menü, das wir uns selbst zusammenstellten. Dazu ließen wir uns vom freundlichen und aufmerksamen Service einen Chardonnay von Nittnaus aus dem Burgenland empfehlen – den Winzer kenne ich, sein Chardonnay Freudshofer 2022 war so un-amerikanisch, dass er auch mir schmeckte.

Bei der Vorspeise hatten wir uns alle viere für den Kürbis mit Maronen entschieden – ein runder Teller, aber Kürbis schmeckte ich nicht recht.

Zwischengang war bei mir der Blunznknödel mit Zwetschgen – wenn man mir schon Blutwurst anbietet!

Vereint waren wir wieder alle vier bei einer wirklich guten Haselnuss-Suppe.

Die zweite Flasche Wein (der Nittnaus war die letzte Flasche von diesem Chardonnay gewesen) durfte ich aussuchen, ich entschied mich für einen Furmint vom Neusiedler See und von Franz Weninger. Ganz anders, mit ordentlich Säure und den mostigen Noten vom Spontanvergorenen.

Als Hauptgericht hatte ich den Karpfen, wunderbar saftig und in schöner Rahmsauce (die Kartoffeln waren aufgewärmt, und diesen typischen Geschmack mag ich leider gar nicht).

Richtig gut war wieder der Nachtisch, Foto vergessen: Apfelkompott auf Marzipancreme und unter Tonkabohnen-Eis.

Abschied vom Besuch spät im Untergeschoß des Sendlinger Tors (auf dem Weg dorthin durchs Glockenbachviertel vor aller Gastronomie dicht besetzte Außentische – Mitte November!), Hoffnung auf baldiges Wiedersehen. Die letzten Meter nach Hause im immer noch Milden – aber für den Wochenanfang ist ein jahreszeitlich angemessener Temperatursturz angesagt, dieser Tage könnte auch der erste Schnee kommen.

§

Einige vernünftige und lesenswerte Gedanken zum politischen Umgang mit Prostitution von Ronen Steinke in der Süddeutschen (€):
“Natürlich macht das kein Mensch freiwillig”.

Zwangsprostitution allerdings – das sei ein großes Wort, fand die Krankenschwester Angelika Müller, es täusche klare Grenzen vor, wo keine seien. Am Beispiel der Frau mit den grünen Stiefeln könne man das sehen: Nicht nur rohe Gewalt von Männern, auch ökonomische Notwendigkeiten zwingen Frauen auf die Straße. Eine krebskranke Mutter, ein Sohn, der es mal besser haben soll. Drogen, Schulden. „Frei von Zwang“, sagte die Krankenschwester, „ist letztlich keine hier.“

Wer wirtschaftlich in Not ist, der trifft Entscheidungen, die er sonst, aus freien Stücken, nicht treffen würde. Klar. Anders würde wahrscheinlich kaum jemand in einer Tätigkeit wie ausgerechnet der Prostitution landen. Aber: „Frei von Zwang ist letztlich keine hier“, das beschreibt dann natürlich die Lebenssituation nicht nur von Prostituierten.

Wenn man, wie Julia Klöckner oder Nina Warken, bereits von „Zwang“ sprechen möchte, wenn nur ökonomischer Druck gemeint ist, dann beschreibt das sehr schnell die Situation auch von vielen weiteren Menschen. Wer träumt als Kind schon davon, Toiletten zu putzen? Oder Spargel zu stechen? Oder im Schlachthof zu stehen? Und so leuchtet es einerseits ein, wenn die CDU-Politikerinnen jetzt sagen, man müsse von „Ausbeutung“ sprechen und diese unterbinden. Andererseits, warum nur bei Prostituierten?

die Kaltmamsell

Journal Freitag, 14. November 2025 – Schweiz, Spanien, Shanghai

Samstag, 15. November 2025 um 8:15

Sehr unruhige Nacht, zum einen wegen Rasseln hinter der Nase, zum anderen wegen Hustenreiz, zum Dritten wegen Gebrüll vorm Schlafzimmerfenster. Ich erklärte die Nacht noch vor Weckerklingeln für beendet und nutzte die Zusatzzeit für eine Nasendusche. Nach fünf Tagen leichten Erkältungssymptomen war ich fast so genervt wie von einer echten Erkältung und wollte, dass das bitte aufhörte.

Dennoch fühlte ich mich auf dem Weg in die Arbeit bedeutend fitter als am Donnerstag, das war eine Erleichterung. Beim Passieren der Theresienwiese checkte ich, ob ich dieselbe Schmankerlansicht bekommen würde wie überraschend am Donnerstagmorgen: Bingo, Alpenkette hinter den letzten Resten des Oktoberfestabbaus.

Am Schreibtisch war einige Geschmeidigkeit verlangt, manchmal nützt mir allerdings meine ganze Blitzdenke und -handlung nichts.

Auf einen Mittagscappuccino ins Westend.

Obwohl der Himmel zugezogen hatte, war es zu den kahlen Bäumen gruslig warm, sogar hemdsärmelwarm – der Alpenblick am Morgen war wohl eine Folge von Föhn. Die Draußenbewegung tat dennoch gut.

Später gab es zu Mittag einen Apfel der Sorte Fräulein, den ich am Donnerstag auf dem Markt entdeckt hatte. Nicht ganz so gut wie der Probier-Schnitz, den mir die Händlerin bereitwillig auf meine Frage nach dem Geschmack hingehalten hatte, erstmal vor allem saftig frisch. Vielleicht tun ihm ein paar Tage Lagerung gut. Außerdem aß ich Quark mit Joghurt.

Arbeitsnachmittag mit ein bisschen Rettung (nicht gleich die Welt, aber ein paar Zahlungsvorgänge). Und einer Runde Übelkeit – WTF?

Nach pünktlichem Feierabend nahm ich die U-Bahn zum Café Fausto in der Kraemer’schen Kunstmühle für Espresso-Kauf. Mir war weiter leicht übel, ich fürchtete bereits um meinen Abend-Appetit und die freitagabendliche Alkohollust.

München hat schon ein paar besonders schöne U-Bahnhöfe, der am Canidplatz gehört dazu.

Nochmal sah ich nach Mittwoch und Donnerstag Kinder mit Martinszug-Laternen, diesmal sogar eine richtig schraddlige Party-Laterne, nichts Selbstgebasteltes. An den Abenden davor war mir, als hätte ich sogar echte Teelichter darin gesehen – kann nicht sein, oder?

Noch ein paar Lebensmitteleinkäufe im Biosupermarkt. Beim Eintreffen daheim war mir tatsächlich endlich nicht mehr übel.

Eine Einheit Yoga, die Folge mit nur 12 Minuten Sitzen und Meditieren übersprang ich: Das war gestern so gar nicht, was ich brauchte. Statt dessen hatte ich eine Folge mit richtigem Flow, also pro Ein- oder Ausschnaufen eine Bewegung – ich kam fast ins Schwitzen.

Jetzt aber Feiern des Wochenendes. Erstmal mit Gin-Tonic / Calvados-Tonic (es war nur noch ein Noagerl Gin da, dieser Haushalt verwahrlost), dann öffnete ich zum Abendessen eine Flasche Weißwein.

Ein Heida aus dem Wallis, die Rebsorte ist ein Traminer und gilt als typisch für das Wallis – Geschenk einer Schweizerin, die exportieren ja praktisch nix: Positive Überraschung, und ein seltener Fall von wenig in der Nase, dann die volle Wucht im Mund. Sollte gut zum Nachtmahl passen.

Nämlich ein Curry aus dem Ernteanteil-Butternut-Kürbis mit gerösteten Kokosflocken. Ja, passte, die Kombi kitzelte auch ein wenig Bitteres aus dem Wein. Nachtisch Vanillepudding mit Armagnac-Zwetschgen, Schokolade.

Sehr früh ins Bett zum Lesen. Meine neue Lektüre war das aktuelle Granta 173 mit Thema Indien, doch ich kam nicht über die ersten Absätze des Vorworts hinaus, weil mir die Augen zufielen. Am Wochenende darf man bekanntlich so früh schlafen, wie man will.

§

An die zweiteilige Doku über den spanischen Bürgerkrieg und die Zeit danach schließt sich eine Doku von Radio Bremen an: Spanien nach der Franco-Diktatur (und selbst, dass es sich um eine Diktatur handelte, ist in der spanischen Bevölkerung umstritten – eine grundlegend andere Basis für Vergangenheitsbewältigung als in Deutschland, wo die “Es war nicht alles schlecht unter Hitler”-Stimmen klar die Minderheit waren).
“Das Erbe des Diktators – 50 Jahre Demokratie in Spanien”.

Am 20. November jährt sich der Tod Francos zum 50. Mal.
(Ich brauchte erstmal eine Weile, bis ich die Begeisterung über Filmaufnahmen aus dem Spanien der 1970er überwand, das ich aus Kindheitsurlauben kenne.)

Hier wird den Stimmen von Zeitzeugen die Einordnung von Historiker*innen an die Seite gestellt, das finde ich wichtig.
Erhellende Beobachtung von Pedro Almodovar: Was für den Rest der westlichen Welt die 1960er waren, waren in Spanien die 1980er, die movida – eine Zeit des Erwachens und des Neuanfangs.

§

Vicki Baum, Hotel Shanghai ausgelesen. Der Roman von 1939 gefiel mir gut, auch wenn er einen seltsamen Erzählrhythmus hat: Erstmal wird das Ende erzählt, nämlich dass bei einem Bombeneinschlag in einem Shanghaier Hotel neun Menschen ums Leben kommen (ein tatsächliches historisches Ereignis) – und dass hier die Geschichte dieser Menschen erzählt wird. Es folgen in Einzelkapiteln die Biografien aller neun nacheinander (Schauplätze unter anderem Berlin, Wien, Paris, Hawaii, Los Angeles), die sie nach Shanghai und in dieses Hotel geführt haben. Die zweite Hälfte des Romans setzt kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Japanisch-Chinesischen Kriegs 1937 ein und schildert das Zusammentreffen und Interagieren der Protagonist*innen.

Damit wird eine ganze Epoche transportiert, nämlich die Jahrzehnte von Kolonialismus, kriegerischen Auseinandersetzungen und gesellschaftlichem/politischem Umbruch in China und Japan. Die Handlung lässt kulturelle und menschliche Konzepte aufeinandertreffen, schildert sie immer wieder auch aus der Perspektive der anderen – ein erzähltechnisches Plädoyer für Toleranz. Ich war überrascht zu erfahren, dass Vicki Baum selbst lediglich wenige Tage in Shanghai verbracht hat während einer China-Reise – so detailreich und lebendig wirkt der Schauplatz, mit so vielen Fakten arbeitet Baum (und das, wo sie noch ohne Wikipedia recherchieren musste! Wie schon komplexe Wirthschaftsthemen in Menschen im Hotel hat Baum den Stoff offensichtlich wirklich durchdrungen). Und sie erzählt indirekt viel mehr, als ihr bewusst war, das merkt man vermutlich erst aus dem großen zeitlichen Abenstand.

Dominant ist auch das Thema Exil: Entwurzelung gab es nicht nur im europäischen Umfeld Anfang des 20. Jahrhunderts, sondern weltweit durch Armut, Katastrophen, Kolonialherrschaft (wie der englischen, die ja britische Staatsbürger in Ämtern zur Kolonialverwaltung benötigte; Resultat waren ganze Generationen von Menschen, die in der Fremde geboren wurden und weder dort noch in der theoretischen Heimat zu Hause waren).

Interessant fand ich auch, dass es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wohl eine literarische Mode von Shanghai-Romanen gab (PDF-Download – Achtung Spoiler).

die Kaltmamsell

Journal Donnerstag, 13. November 2025 – Die Rückkehr der Capa

Freitag, 14. November 2025 um 6:16

Beim Aufstehen recht dominantes Gefühl von Unfitheit, ohne dass ich es genau festmachen konnte: Ja, belegte Bronchien und Stimmbänder, ja, leichtes Unwohlsein, ja, seit Tagen komische Rücken-/Rippenschmerzen, ja, müde – aber das reichte doch nicht für diese Grad von ÄCHZ.

Dafür war’s draußen nochmal schön.

Dieses Jahr hatte ich daran gedacht, meine kostbare Capa (die Casa Seseña in Madrid, wo meine wundervollen Eltern sie mir vor 22 Jahren kauften, gibt es immer noch) auf den Balkon zu hängen, wo sich innerhalb weniger Tage die Falten der drei Jahre liegender Lagerung ausgehängt hatten. Für die angekündigte Temperaturmischung mit kaltem Morgen und mildem Tag sollte die Capa ideal sein, außerdem trug ich gestern nur eine Tasche in die Arbeit, die sich darunter gut verstauen ließ (Rucksack ist leider inkompatibel).1

Spaziergang in die Arbeit in eigentlich schönem Wetter, aber mit bleischweren Beinen.

Arbeitsvormittag mit Verschiedenem, u.a. Schulung (Auffrischung von Bekanntem, doch ich lernte Details, die sich seit der vorherigen Schulung zum Thema geändert hatten).

Mittagscappuccino in der Cafeteria, danach ging ich auf den Westend-Markt am Georg-Freundorfer-Platz: Bodensee-Obst, Käse. Die Capa konnte ich offenlassen, sie wehte dramatisch im milden Wind.

Zu Mittag gab es einen Apfel (aus Vorwochenkauf) und die letzte, riesige Crowdfarming-Mango mit Joghurt – ich bestellte gleich eine neue Kiste Mangos/Avocados.

Meinen Heimweg legte ich über meine Sparda-Bank-Filiale, die donnerstags länger geöffnet ist: Auch wenn Handy-Zahlung per Apple Pay laut Website mit meinem Konto dort kompatibel ist, wird meine Karte als “nicht für Apple Pay berechtigt” abgelehnt. Und da der frühere Handy-Zahl-Dienstleister meiner Bank ein Sargnagel ist (ich bitte Sie: Werbeschaltung sogar während des Bezahlvorgangs?!), wollte ich dringend wechseln. Die Lösung: Apple Pay funktioniert nur mit der Kreditkarte meiner Bank. Da ich wirklich mürbe geärgert von der Alternative war, beantragte ich also diese Kreditkarte und zahle 26,90 Euro pro Jahr dafür und für hoffentlich bequemeres Handy-Zahlen.

Zu Hause Häuslichkeiten, Brotzeitvorbereitung, Yoga. Als Nachtmahl hatte ich mir eine konkrete Verarbeitung von Teilen des gestern geholten Ernteanteils gewünscht: Kartoffelbrei mit gebratenem Radicchio. Das gab es, zusätzlich hatte Herr Kaltmamsell ein Madeira-Sößchen gekocht.

Großartig!

§

Auf arte den zweiten Teil über die Nachkriegszeit des Spanischen Bürgerkriegs gesehen, die ja in Spanien selbst keineswegs aufgearbeitet ist.

Die Schilderungen des Schulunterrichts unter katholischer Ägide kenne ich genau so aus den Erzählungen meines Vaters, der in den 1940ern und 1950ern in Madrid zur Schule ging. Hier hatte die unkommentierte Gegenüberstellung der Aussagen von Franco-Anhänger*innen und Widerständler*innen durchaus eine Funktion. Doch ich hätte gerne Quellenangaben für Zahlen und Aussagen gehabt – gerade wenn sie der Franco-Propaganda widersprachen. Und gegen die Behauptung der Franquistin, Tausende geraubte Kinder von Republikanerinnen habe es nicht gegeben, denn es sei ja nie jemand vor Gericht gestellt worden, hätte man nur den konkreten Fall des Arztes Eduardo Vela von 2018 anführen müssen; das kann man doch nicht einfach so stehenlassen.

  1. Beim Stöbern auf der Website entdeckte ich, dass es sogar ein Strand-Modell gibt! Bitte sagen Sie mir, dass Surfer*innen total darauf abfahren. []
die Kaltmamsell

Journal Mittwoch, 12. November 2025 – Arbeitsalltag-Verbuntung durch Hot-Pot-Abend

Donnerstag, 13. November 2025 um 6:34

Geweckt worden zu Halsweh – die Erkältung würde doch nicht ernst machen wollen!

Es wurde Morgen zu wolkenlosem Himmel, auf dem Weg in die Arbeit bewunderte ich die Spitzen von Häusern, Kirchen, Pappeln mit Morgensonnenvergoldung.

Der Arbeitstag war für meine Verhältnisse kurz getaktet, ich habe ja sonst als Assistenz wenige Termine.

Dooferweise war mir immer wieder komisch kalt, z.B. hatte ich plötzlich im ausreichend geheizten Büro eiskalte Füße in meinen Turnschuhen. Zusammen mit meinem Zustand beim Aufwachen vergrößerte das meine Sorge.

These einer Lain: Wenn selbst das spezielle Helpdesk-Team für eine Software nur Work-arounds als Lösung anbieten kann, ist die Software sehr wahrscheinlich richtig schlecht.

Raus in die Sonne auf einen Mittagscappuccino, die milde Luft roch herrlich (wenn auch unangemessen für einen 12. November).

Erhalt der Zivilisation vorerst gesichert: Hier wurde noch in der Sonne vorm Café von Hand auf Papier geschrieben. Ausführlich.

Emsigkeiten und ein wenig Aufregung vor dem Mittagessen, dann: Apfel, Hüttenkäse, Avocado.

Weiterhin Sonnenschein, aber es wurde novemberlich früh dunkel.

Nach-Hause-Marsch auf direktestem Weg, denn ich war verabredet. Daheim noch schnell Brotzeit für den nächsten Tag geschnippelt, dann spazierte ich mit Herrn Kaltmamsell in die Tumblingerstraße: Bruder und Schwägerin hatten Urlaub und waren angereist für ein Hot-Pot-Abendessen im Choi.

Ich war zuletzt und das einzige Mal vor sechs Jahren hier gewesen, die Spielregeln hatten sich aber nur geringfügig geändert: Weiterhin bestellt man pro Person eine Sorte Brühe (wir versuchten uns an einer möglichst großen Vielfalt mit Chili-, Miso-, Pilzbrühe und Pho) und drei Zutaten, die man alls 15 Minuten nachbestellen kann. Seinerzeit wurde für alle Bestellungen ein Tablet auf den Tisch gelegt, jetzt läuft das über das eigene Handy, der Praktischheit halber über eines pro Tisch. Damit bestellt man auch Getränke. Außerdem gibt es am Eingang des Lokals eine Station für Sößchen zum Selbstbedienen.

Wir probierten möglichst viel aus, alles schmeckte, mir vor allem die Soja-Zutaten und Nudeln, vor allem aber die Brühen selbst. Alle wurde mehr als reichlich satt, und wir hatten eine schöne Gelegenheit zum Treffen und Reden: Mein Bruder hatte es angeregt, um mir über die vielen Arbeitswochen bis Weihnachtsferien hinweg zu helfen. Das klappte hervorragend.

Durch frühen Start wurde der Abend auch nicht zu lang: Mit Herrn Kaltmamsell begleitete ich die beiden zur nächsten U-Bahn, war danach zur üblichen Zeit im Bett.

Gesundheitszustand weiterhin wacklig, aber! Meine Zähne waren bei der abendlichen Reinigung fast zurück auf Normalzustand der Empfindlichkeit.

die Kaltmamsell

Journal Dienstag, 11. November 2025 – Einfach ein weiterer Dienstag

Mittwoch, 12. November 2025 um 6:18

Etwas unruhige Nacht, unter anderem weckte mich mein eigenes Schnarchen – hoffentlich nur verursacht durch die leichte Erkältung, die sich als überraschend zäh erweist. (Denn sollte ich mit dem Altern zur Dauerschnarcherin werden, schlafe ich nie wieder gut.)

Der milde Marsch in die Arbeit ließ auf einen hellen Tag mit vereinzeltem Sonnenschein hoffen – darauf musste ich aber noch eine Weile warten.

Kleiner Störfaktor am Schreibtisch: Leicht geprellte Rippen und leichter Husten sind eine leicht schmerzhafte Kombination.

In ernsthafter Sonne zum Mittagscappuccino, in ernsthafter Sonne zurück.

Für die Brotzeit hatte ich einen Apfel und eingeweichtes Muesli mit Joghurt dabei.

Mittelanstrengender Nachmittag, während draußen immer wieder die Sonne schien.

Auf dem Heimweg Einkäufe beim Vollcorner, ich besorgte auch Abendessen. Das richtete ich nach einer Einheit Yoga an:

Endiviensalat mit Mandarinen-Tahini-Dressing und Eiern. Dazu gab es ein wenig Käse. Nachtisch restlicher Gewürzkuchen und Schokolade.

Arte zeigte eine Doku über den spanischen Bürgerkrieg, hier in der Mediathek. Ich blieb fasziniert hängen, denn ich merkte: Obwohl ich mich viel mit diesem Teil der spanischen Geschichte befasst hatte, unter anderem während meines Studiums, kannte ich bislang keine Filmaufnahmen.

Schon bald überlegte ich, wie stark das Skript und die Schwerpunkte (keine ungewöhnlichen) dieser Doku davon beeinflusst wurden, welche Bewegtbilder verfügbar waren – ich hätte gern mehr über die Quellen gewusst. Aber in 45 Minuten ist eh nicht viel Platz, und mit der Entscheidung, Nachfahren von Zeitzeugen zu Wort kommen zu lassen (und zwei Zeitzeugen) statt Historiker*innen, fehlt auch die Einordnung. Den zweiten Teil der Doku zur Nachkriegszeit hob ich mir auf.

§

Ann-Kathrin Büüsker ist für den Deutschlandfunk in Belem auf der Weltklimakonfrenz COP30 und erklärt in ihrem Newsletter:
“COP30 – wer, was, wozu?”

Inklusive “Auf Klimakonferenzen wird die Welt nicht gerettet.”, Abkürzungs-Aufdröseln, Was Bisher Geschah, die Rolle zentraler Teilnehmerstaaten.
(*Sirenengesang* Es kommt Loriot drin vor …!)

die Kaltmamsell

Journal Montag, 10. November 2025 – The one with the new shirt

Dienstag, 11. November 2025 um 6:22

Recht gute Nacht, Aufstehen zu hellem Himmel, allerdings innere Regenwolken bei der Aussicht auf die Arbeitswoche.

Draußen war es gar nicht so kalt; ich schlüpfte dennoch in die dicke Winterjacke – mit dem Ergebnis, dass meine gebügelte weiße Bluse am Ziel leicht verschwitzt und völlig verknittert war.

In meinem Postfach steckte unter anderem eine Bitte um Terminbasteln, das komplex und anstrengend aussah – doch schon mein erster Versuch war ein Volltreffer: In allen Kalendern Platz, und einen passenden Raum gab es auch, den ich gleich buchte. Nach so viel Glück gleich beim Start des Arbeitstags fürchtete ich einen Preis bei anderen Jobs.

Die geprellten (rate ich jetzt mal wild) Rippen machten sich bei mancher Bewegung am Schreibtisch schmerzhaft bemerkbar, gerne völlig überraschend. Insgesamt kein top Gesundheitsgefühl (wiiiinziges Bisschen erkältet), aber auch weit entfernt von Krankheit.

Nach einem Mittagscappuccino im Haus ging ich mittags raus für Besorgungen und eine Runde um den Block: Tat gut.

Zu Mittag gab es (wegen diverser Anrufe spät) Schweinskopfsülze (Nebenprodukt von Herrn Kaltmamsells Schweinekopfprojekt) und Krautsalat – wohlschmeckend, aber nicht meine ideale Büro-Brotzeit. Und ich hatte jetzt erstmal genug von Schweinernem.

Ein Jourdienst hielt gestern einen Lacher bereit: Es kommt ja immer wieder vor, dass Medien selbst Themen erzeugen und durchziehen, selbst wenn sie kein Material und keinen Beleg finden – schreiben sie halt über ihre Gründe für die Suche und über die Suche selbst. Diesmal aber nutzten sie später den Umstand, dass es sich als Nicht-Thema herausstellte, gleich wieder für Anfragen und Suche – das ist Recycling auf bewundernswertem Niveau.

Nach Feierabend setzte ich einen lange gehegten Plan um: Ich wollte endlich eine Bluse finden, am liebsten weiß, die wirklich, wirklich saß. Und vor allem nicht nach hinten rutschte wie alle meinen Blusen schon mein ganzes Leben. Sollte das diesmal nicht klappen, würde ich zu einer Schneiderin gehen.

Der eine Hersteller, dem ich solch eine Bluse in Konfektion zutraute, war van Laack. Und der hat in München einen Laden, gegenüber von der Oper; dorthin nahm ich eine U-Bahn. Eine freundliche Angestellte hörte sich mein Anliegen an und reichte mir eine Bluse in die Umkleide. Diese zeichnete sich durch auffallend viele Längsnähte aus – und passte sehr gut. Frau Bluse ging auch auf meinen Wunsch Kelchkragen (Tulpenkragen) ein, reichte mir auch damit ein Modell – das passte noch besser, jetzt war der Grad der Perfektion erreicht, den ich mir gewünscht hatte. Und jetzt besitze ich eine komplett unmodische weiße Bluse, die ich hoffentlich die nächsten Jahrzehnte tragen kann.

Spaziergang nach Hause durch mittel frequentierte Fußgängerzone mit interessantem Volk; die ersten Holzbuden für den Christkindlmarkt waren bereits aufgebaut.

Zu Hause Yoga und Brotzeitvorbereitung. Herr Kaltmamsell servierte zum Nachtmahl aus Ernteanteil Pakchoi (gebraten mit Knoblauch) und Pastinaken (aus dem Ofen mit Parmesan-Spänen), dazu Reis. Nachtisch Schokolade, eventuell zu viel.

Früh ins Bett zum Lesen.

die Kaltmamsell