Wer seit zehn Jahren nabelschaubloggt, bietet ihren Leserinnen und Lesern wohl kaum Überraschungen.
1. Ich bin etwa die Hälfte der Zeit mehr oder weniger wütend, deutlich über den Münchner Grant hinaus. Das ist ganz schön anstrengend.
2. Da diese Wut zu 99% sachlich gesehen unbegründet ist, ist sie mir peinlich, und ich möchte zumindest niemanden damit belästigen. Unter anderem deshalb bin ich so gerne allein.
3. Praktisch jeder und jede in meinem Gesichtskreis entwickelt sich weiter, packt neue Lebensabschnitte an, fängt Feuer für neue Projekte und Tätigkeiten, streift Häute ab. Nur ich entwickle mich zurück, verliere Antrieb, Ideen, Zuversicht. Derzeit bin ich etwa wieder so weit wie mit 16 – mit dem Unterschied, dass ich viel mehr weiß und mir zu allem viel mehr faktische Hindernisse und schlechte Erfahrungen einfallen.
4. Ich habe keinen Einrichtungsgeschmack. Mir gefällt auf Nachfrage sehr viel (von selbst mache ich mir praktisch nie Gedanken darüber), wenig überhaupt nicht. Dennoch fühle ich mich in manchen Wohnumgebungen deutlich wohler als in anderen. Vielleicht bekomme ich bis zum Ende meines Lebens zumindest heraus, welcher Einrichtungsstil dieses Wohlgefühl verursacht.
5. Ich wäre gerne abenteuer- und reiselustig.
6. Ich halte mich für überdurchschnittlich intelligent (im Sinne von Geschwindigkeit der Informationsaufnahme und -verarbeitung). Und halte das wiederum für einen Beleg, dass ich in erster Linie überdurchschnittlich eingebildet bin.
7. Ich bin eine miese Freundin, unzuverlässig, schwer zu greifen und bei kleinsten Hindernissen (äußerlich oder innerlich) bereit mich zurückzuziehen.
8. Ich halte mich wirklich für durchschnittlich und normal bis spießig. Deshalb stolpere ich immer wieder darüber, dass so viele Menschen Dinge völlig anders sehen und angehen – wo es doch für meine ganz normale Sicht so viele gute und vernünftige Gründe gibt.
9. Wenn ich einen Kuchen backen möchte, fällt mir immer als Erstes Käsekuchen ein. Dann Marmorkuchen, als Drittes Apfelkuchen. Tatsächlich backe ich dann aber irgendwas Neues, Spannendes, was ich gerade in einem Foodblog gefunden habe.
10. Es macht mich nicht froh, richtig viel Geld zu verdienen.
11. Wenn es mir schlecht geht, bekommt das meist nur der Mitbewohner mit. Am liebsten bin ich dann eh allein, und unter Menschen will ich ja bitte, dass die anderen mir angenehm entgegentreten – das täten sie nicht, wenn ich ihnen meinen Grant anhängte.
12. Ich tanze sehr gerne, habe mich aber damit abgefunden, dass ich fast nie Gelegenheit dazu habe. Unter anderem weil mir offensichtlich anderes wichtiger ist.
13. Privater Umgang mit Menschen fällt mir schwer, es gibt nur ganz wenige Menschen, in deren Gegenwart ich mich entspanne.
14. Seit fast zwei Jahren bin ich in psychoanalytischer Therapie. Zum zweiten Mal nach 2003-2006. Besser geht’s mir diesmal trotzdem nicht, deshalb werde ich das sehr wahrscheinlich demnächst bleiben lassen.
15. Lakritze mag ich eigentlich nicht. Und esse sie trotzdem im Haribo-Konfekt, weil sie dort dazugehört. Oder als Lakritzschnecken, weil die sich so lustig abrollend essen und es kein vergleichbares Kaugefühl gibt.
16. Ich trage nie Armbanduhr und fast nie Fingerringe.
17. Es macht mich froh, immer weniger zu besitzen. Das war eine schleichende Entwicklung; noch bis in die 30er freute ich mich am Anwachsen meiner Dinge. Ein epiphanischer Moment war die Wohnungseinweihung einer Kollegin, die sich kurz zuvor von ihrem Partner getrennt hatte und nur wenig besaß: Das löste nicht nur wegen der Ästhetik eine Art Neid bei mir aus. Damals beschloss ich, dass mein Besitz auf keinen Fall mehr werden sollte; für jedes neue Ding würde ein vorhandenes rausfliegen müssen (im Prinzip; tatsächlich bin ich natürlich inkonsequent). Irgendwann wurde das Wegwerfen immer schöner.
Noch ist die größte Ausnahme Kleidung (nicht Schuhe): Hier habe ich noch sehr stark den “Haben!”-Impuls, wenn mir etwas sehr gut gefällt. Doch ich besitze bereits so viel schöne und hochwertige Kleidung, an der ich mich kein bisschen abgesehen habe, dass mich der vernünftige innere Hinweis auf all die Kleidungsstücke mit ähnlicher gestalterischer oder funktionaler Funktion mittlerweile recht zuverlässig von Neukäufen abhält.
18. Ich fiesle Nagelhäute. Meine Hände sind eine kuriose Mischung aus ältlich, verbraucht und zwölfjährigem Schulmädel.
19. Ich kann Frischhaltefolie unfallfrei abreißen und verwenden.
20. Da draußen verhalte ich mich meisten genau wie die von Sibylle Berg beschriebenen Selbstgerechten (ein Grund für die in 1. beschriebene Wut) . Die Welt profitiert sehr davon, dass ich am liebsten für mich bin.
Stöckchen hier aufgehoben.
Weitere 20 Sachen gibt es unter anderem über dasnuf, Anne Schüssler, 1ppm.