Archiv für Januar 2020

Journal Mittwoch, 29. Januar 2020 – Das neue Taklamakan

Donnerstag, 30. Januar 2020

15 Minuten Frühsport: Kräftigung mit Halteübungen, dann wieder Hüfte dehnen. Ich spiele mit dem Gedanken, mich an Pilates zu versuchen; das müsste eigentlich genau die Art Kräftigung und Dehnen abdecken, die mir ärztlich geraten wurden.

Andererseits hatte ich gestern tagsüber wieder mehr Schmerzen (das Ibu-Geballere ist seit Montagabend beendet) (aber immr noch kein Vegleich zu vor Spritze) und bin verunsichert, wie das mit meinem Frühsport zusammenhängen mag.

Arbeitsweg per Fahrrad, weil ich es für Besorgungen auf dem Rückweg brauchte.

Nicht nur lustig geht immer vor hübsch, sondern manchmal auch warm und sicher.

In der Arbeit aktualisierte ich mein selbst erfundenes Dokument “Wichtige Orga”, an dessen Existenz ich möglichst viele Kollegen und Kolleginnen regelmäßig erinnere: Sollte mich der Laster überfahren, stehen dort die wichtigsten Informationen zu meinen Zuständigkeiten. Um den truck factor niedrighoch zu halten.

Das Wetter war gestern rechtschaffen greislich, es windete und regnete, immer wieder sah ich Schneeflocken.

Heimweg in einer Niederschlagpause. Ich machte mich auf die Jagd nach Bitterorangen: Herr Kaltmamsell will dringend die jährliche Runde Orangemarmelade kochen, bekam aber in den vergangenen Tagen nirgends die dazu nötigen Pomeranzen. Ich radelte erst zum Vollcorner – keine Bitterorangen. Fündig wurde ich beim Süpermarket Verdi, wo ich der vertrauten Händlerin an der Kasse vorjubelte, wie glücklich sie mich gemacht habe.

Unser Ernteanteil war weggegessen, wir hatten das Abendessen also frei. Das nutzten wir, um das neue Taklamakan am Isartor auszuprobieren. Bis vergangenen Sommer war das ja unser Geheimtipp am Hauptbahnhof gewesen: Ein sehr einfaches Schnellrestaurant, aber mit außergewöhnlicher Küche, nämlich uigurischer (hier, hier und hier Eindrücke vergangener Besuche). In München lebt die größte uigurische Exil-Community weltweit (man dürfte also behaupten, dass uigurisches Essen typisch münchnerisch ist), und dort bekam man die typischen frischen Nudeln Laghman und die Gerichte, deren Aromen Orientalisches mit Chinesischem verbinden.

Jetzt ist das Taklamakan ein schönes und geschmackvoll eingerichtetes echtes Restaurant auf der Ostseite des Isartorplatzes. Auf der Speisenkarte viele bekannte Gerichte, doch natürlich ist das Flair ein komplett anderes. Lokal und Personal erzeugten in mir die Vision, dass jemand die Köchinnen des alten Taklamakan shanghait haben könnte und um sie herum ein völlig neues Konzept gebaut. Wir aßen sehr gut, aber es wird noch eine Weile dauern, bis die Erinnerungen an den originellen und einzigartigen Vorläufer verblassen.

Geprügelte Gurke mit Koriander, Sesamöl und Knoblauch.

Gewickeltes, gedämpftes Hefebrötchen.

Din Din, Nudelabschnitte mit Gemüse und Rindfleisch.

Tohu Kordak (Dapanjie), also karamelisiertes Hühnchen mit flachen Nudeln.

Ins Bett mit Ohrstöpseln, weil über uns laut (und angekündigt) Geburtstag gefeiert wurde.

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Über dieses spektakuläre Schwimmbild aus Brighton von lomokev stieß ich auf den instagram-Account der abgebildeten (offensichtlich komplett schmerzfreien – siehe Profilbild) Schwimmerin: @melodietyrer.
Das Interessante: Sie sammelt beim Schwimmen immer Müll – und fotografiert ihn. Ohnehin nimmt sie das mit der Müllvermeidung sehr ernst und gibt auch Tipps.

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Anlässlich des gestern im EU-Parlament beschlossenen Austrittsvertrags mehr Bilder aus UK: Gestern gab’s auf Twitter wieder ganz wundervolle vom Schafhirten James Rebanks.

Journal Dienstag, 28. Januar 2020 – Beifang aus dem Internetz

Mittwoch, 29. Januar 2020

Morgens eine Runde Dehnen für die Hüfte – und auch mal wieder für den ewig Verspannungs-bedrohten Schultergürtel.

Mit dem Rad durch angenehme Luft in die Arbeit; der Tag war düster, es regnete immer wieder ein wenig.

Mittags eine rote Paprika (ich weiß, aber sie waren am Montag im Biosupermarkt auch noch im Angebot!) und ein Stück Käse, nachmittags zwei Orangen mit Quark. Wenn beim Orangenschälen die Fingerkuppen brennen, hat man die Nägel vielleich doch einen Tick zu kurz geschnitten.

Das Arbeitstag wurde länger als geplant, weil doch noch jemand etwas von mir brauchte.

Daheim servierte Herr Kaltmamsell die Reste des Ernteanteils: Karotten, Kohlrabi, Lauch, gewürzt und gekocht. Dazu machte er eine Socca: Fladen aus Kichererbsenmehl aus dem Ofen. Nachtisch Vanilleeis mit Eierlikör.

Sehr früh ins Bett, ich war elendiglich müde.

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Die Süddeutsche hat zum Stand des Schöffenamts recherchiert. Auch ich hatte vor Jahren mitbekommen, dass rechte Kräfte zur Besetzung dieser Ehrenämter mit Schlüsselfunktion aufgerufen hätten und weiß, dass die formalen Voraussetzungen für eine Bewerbung sehr gering sind. Deshalb beantwortet der Artikel viele Fragen, die ich mir seither stellte und schildert tatsächliche Vorfälle:
“Wie sich Gerichte gegen rechte Schöffen wehren können”.

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In UK zeigt BBC Two eine neue Doku-Serie mit Mary Beard: Shock of the Nude. Darin bietet die Altphilologin und Historkerin nach all den Jahrhunderten des male gaze eine weibliche Perspektive an. Der Guardian hat mit Beard gesprochen:
“From fig leaves to pinups: Mary Beard on the evolution of the nude”.

Sehr schön allein schon im Englischen die unterscheidenden Bezeichnungen naked und nude. Aber bitter, wie Mary Beard inzwischen Beschimpfungen auf Twitter bereits vorweg nimmt.

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Weil die Brutalität in Serpentinen in mir weiter nachhallt (hier ein Gespräch des BR mit Bov Bjerg): Anlässlich des Mordes an einer Familie in Baden-Württemberg mutmaßlich durch ein 26-jähriges Familienmitglied spricht die Süddeutsche mit dem Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, über Gewalt in der Familie.
“Morde an Verwandten:
‘Es gab fast immer massive Gewalt'”.

Wir haben in Deutschland einen drastischen Rückgang von vollendeten Morden. Seit der Wiedervereinigung sind diese Taten um 63 Prozent zurückgegangen. Seit den fünfziger Jahren ist zugleich das massive Verprügeln von Kindern von 20 Prozent auf vier Prozent gesunken. Menschen, die in ihrer Familie ständig geschlagen wurden, werden im Schnitt sechsmal so oft mehrfache Gewalttäter wie diejenigen, die gewaltfrei und liebevoll erzogen wurden.

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Aus Anlass wies mich eine Twitterin auf einen Artikel von 2018 hin. Gunter Dueck (der auf solche Analysen spezialisiert ist) schildert den bis heute üblichen Führungsstil in Unternehmen:
“Unfähig & Unwillig? Prügeln! Fähig & Willig? Stark prügeln!”

Die Ausgangssituation, die Dueck darin durchspielt, entlarvt allerdings die eigentliche Ursache dieser Mechanismen:

Nun kommt ein Befehl von oben: „Die Umsatzziele für dieses Quartal werden um zehn Prozent angehoben, damit ein Projektfehlschlag an anderer Stelle kompensiert werden kann.“

Solange immer wieder diese Art fataler Befehle von oben kommen (weil: Shareholder Value, weil: Kapitalismus, weil: Diktator mit miesem Charakter an der Unternehmensspitze), wird sich daran nichts ändern.

Journal Montag, 27. Januar 2020 – Lustig geht vor hübsch

Dienstag, 28. Januar 2020

Mittelunruhige Nacht, jetzt aber nicht durch Schmerzen, sondern schlichte Wachattacken, eine davon mit Herzdonner und Angst. Freue mich trotzdem darüber, dass es dem Hüftgelenk so viel besser geht.

Morgensport: 15 Minuten Halteübungen und Dehnen.

Mit dem Rad in die Arbeit. Vorläufig schone ich am besten durch möglichst wenig Gehen und Treppensteigen. Und möglichst wenig langes Stehen, deshalb keine Teilnahme an einer größeren Versammlung, in der alle Sitzplätze bereits belegt waren. (Noch ist der Unwillen gegenüber making a fuss zu groß.)

Nachdem diese Kombination Strumpfhose/Schuhe schon am Samstag auf der Straße ein Hit war, wiederholte ich sie gestern. Merke: Lustig geht vor hübsch. Immer.

Zum Mittagessen Gurke und ein Stück Käse.

Aus Gründen war ich gestern ausgesprochen gereizt, deshalb nicht so hilfsbereit, wie ich gerne wäre, was mich noch gereizter machte. Lichtblick war die Kontaktaufnahme eines Menschen aus meiner beruflichen Vergangenheit, die mich sehr freute: Ich denke oft an sie und bin schon sehr gespannt auf ein Treffen, bei dem ich herausfinde, wie es bei ihr weitergegangen ist.

Immer wieder Erinnerungsflashes an die sonntägliche Schwimmrunde und wie schön sie war. Herr Kaltmamsell deutet ja an, dass er hinter meinem Bewegungsdrang Suchtverhalten vermutet – ich wüsste nicht, wie ich das herausfinden sollte.

Auf der Heimfahrt kurzer Stopp an Bank und Biosupermarkt, zum alleinigen Abendessen (Herr Kaltmamsell war beruflich außer Haus) gab es die beiden restlichen Rouladen vom Samstagabend, Eierlikör und Schokolade.

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Auch Pia Ziefle hat Bov Bjergs Serpentinen gelesen und macht sich Gedanken, in denen die gemeinsame schwäbische Herkunft eine Rolle spielt.

Nachdem @gedankentraeger darauf hinwies, dass ein Rezensent ja wohl offensichtlich Bov Bjergs Erstling Deadline nicht gelesen habe, wollte auch ich das nachholen. Was nicht so einfach werden dürfte:

Der Roman “Deadline” erschien 2008 im Mitteldeutschen Verlag. Die Auflage betrug 750 Exemplare. Davon wurden 224 Exemplare verkauft. Der Rest der Auflage wurde bei einem Lagerbrand vernichtet.

Verfügbar ist noch die Hörbuchversion, gelesen vom Autor – aber zu einem Hörbuch komme ich frühestens bei der nächsten vielstündigen Zugreise. Ich erkenne einen weiteren großen Vorteil des Formats eBook.

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Entspannungsgelächter vor dem Zu-Bett-Gehen: Diese Kurzdarstellung eines Alltags mit geschminkten Lippen. (Scheint eine russische YouTube-Show zu sein.)
via @formschub

Journal Sonntag, 26. Januar 2020 – Schwimmrunde und Afternoon tea

Montag, 27. Januar 2020

Ich sollte wirklich, wirklich daran denken, vor dem Aufbruch zum Olympiabad auf der Website nachzusehen, ob eine Veranstaltung stattfindet.

Gestern las ich nämlich erst am Eingang, dass ab 11 Uhr die Schwimmhalle für ein Wasserballturnier gesperrt würde. Schwimmen könne man im Trainingsbecken, “(25 m)”. Großes inneres Augenrollen und Nölen, gleichzeitig Verwunderung, weil das Trainigsbecken, in dem ich während der Renovierung der Schwimmhalle Bahnen gezogen hatte, 50 Meter lang ist. Nur dass es gestern halt in der Mitte abgeteilt war (vermutlich wurde die andere Hälfte fürs Warmschwimmen der Wasserballer benötigt). Weiteres inneres Nölen (DA KRIEG ICH JA ´NEN DREHWURM!), bis das Schwimmen halt auch so derart gut tat und mir Vergnügen bereitete, dass das egal wurde. Zumal ich die innere Nölerin, die was von “hätte ich ja gleich in irgendein anderes Schwimmbad gehen können” maulte, darauf hinweisen konnte, dass andere Schwimmbäder halt keine klar abgetrennten und markierten Schwimmbahnen haben, auf denen weder Querschwimmende noch Plauderpärchen stören.

Die 2.500 Meter (in etwa, die kurzen Bahnen machten das Zählen wirklich anstrengend) vergingen im Flug. Strom. Fluss.

Daheim packte ich nur kurz aus: Ich war mit Herrn Kaltmamsell zum Tee verabredet, wir lösten ein Geschenk zum Rosenfest ein. Im Victorian House endete um zwei gerade die letzte Frühstücksschicht, wir bekamen gleich einen Tisch (für Sonntagnachmittag hatten wir keine Möglichkeit für eine Reservierung gefunden); eine halbe Stunde später wurde es schon wieder voll. Und nun: Victorian House Champagne Tea!

Die Teewahl fiel mir leicht: Auf das Kännchen Lapsang Souchong hatte ich mich schon gefreut.

Die Sandwiches waren ganz ausgezeichnet raffiniert, die Scones (mit echter Clotted Cream) herzhaft, die Kuchen (Lavendelkuchen, Schokoladen- und Aprikosentarte) unterm Strich vielleicht etwas viel (Macarons sind ja leider an mich verschwendet – there, I said it).

Träger Daheim-Nachmittag mit Internet- und Romanlesen. Zum Abendessen machte Herr Kaltmamsell aus dem Ernteanteil-Grünkohl Chips, sonst gab es Reste.

Journal Samstag, 25. Januar 2020 – Faschingslicht

Sonntag, 26. Januar 2020

Ruhiger Samstag. Draußen herrschte ein Licht, das ich mit Fasching verbinde: Fahle und leicht gelbliche Wintersonne beschien kahle Bäume und Böden, kein Winde bewegte sich, es war kühl, aber nicht kalt, samstägliche Ruhe in den Wohnstraßen. Gleich würden ein paar Kinder ums Eck biegen, die über ihren Winteranoraks verkleidet waren, Faschingsschminke im Gesicht, und mit Spielzeugrevolvern Zündplättchenstreifen knallen lassen.

Nach unruhiger Nacht hatte ich bis fast acht Schlaf nachgeholt. Aus der am Vortag spontan gekauften Bergamotte-Zitrone kochte ich Ankes 10-Minuten-Curd, um herauszufinden, welche Geschmacksnote die Zitrone zur Bergamotte machte.

Vor dem Fenster beobachtete ich Eichhörnchen in den alten Kastanien. Eines sah ich daran Knospen abbrechen, schälen und fressen – mögen Eichhörchen Salat?

Arztanweisungsgemäß dehnte ich die Hüftmuskulatur und walkte mich mit der Faszienrolle. Meine Suche nach Anweisungen auf YouTube ergab, dass sich bei Letzterem bereits verschiedene Schulen gebildet haben, deren Regeln einander widersprechen, die alle eine Kausalkonstruktion zur Begründung vorweisen können – natürlich keine davon durch Messungen/Empirie belegt. Wie halt bei fast allen anderen Sportanweisungen auch (z.B. beim Thema Aufwärmen, Sporthäufigkeit, Nahrungsergänzungsmittel); es wird lustig rumgemeint. Ich werde ausprobieren müssen.

Zum Frühstück holte ich Semmeln, aß sie mit Frischkäse und Bergamotte Curd – schmeckte nur leicht anders als das von schlichten Zitronen (ich muss mal zum Vergleich eines aus Amalfi-Zitronen machen, die sehr charakteristisch riechen). Nachtmittags buk ich aus einem übrigen Apfel und Blätterteig aus der Gefriere Apfeltaschen.

Internet- und Zeitunglesen. Abends kochte Herr Kaltmamsell Rindsrouladen, ich steuerte das Kartoffelpü bei.

Die Rouladen waren wunderbar zart geworden und schmeckten sehr gut, der Kartoffelbrei eher bröcklig, weil die Kartoffeln speckig gewesen waren.

Im Fernsehen ließen wir dazu Vier Hochzeiten und ein Todesfall laufen – meine Güte, waren da alle noch jung! Ist ja auch schon 26 Jahre her, dass der Film in die Kinos kam – /o\.

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Eine Liebeserklärung an Irland in einem Twitter-Faden.

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Vergangene Woche viel durch mein Internet gereicht: Ein Interview mit der Holocaust-Überlebenden Regina Steinitz.
“Jüdin Regina Steinitz: ‘Mein Liebling, auch du hättest dein Maul gehalten'”.

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Gute Besprechung von Bov Bjergs Serpentinen im Tagesspiegel:
“Neues vom ‘Auerhaus’-Autor
Bov Bjergs Roman ‘Serpentinen'”.

Auch auf SWR2 wird der Roman eingehend besprochen, von Carsten Otte als “Buch der Woche”. (Im eingebundenen Facebook-Video wird der Buchtitel immer “Seapmtihn” ausgesprochen – ich kann mir vorstellen, dass das Bov gefällt.)

Journal Freitag, 24. Januar 2020 – Amselimmobilienkrise und Beifang aus dem Internetz

Samstag, 25. Januar 2020

Wie schon in der Nacht zuvor richtig gut geschlafen. Da ist SO SCHÖN.

Gangbild deutlich verbessert, Schmerzen deutlich geringer – schon verfiel ich beim Gehen gedankenlos in mein gesundes Tempo. Sofortiger Hüftprotest bremste mich dann.

Geradezu fröhlich Dinge abgearbeitet, derzeit liegt mir nichts quer im Magen.
Mittags zwei Brezen, ein Stückchen Käse, eine besonders gute Orange.

Mit der U-Bahn eine Station gefahren, im Vollcorner eingekauft und Leergut weggebracht. Sehr langsam heimspaziert. Nächste Woche nehme ich statt öffentlicher Verkehrsmitteln lieber das Rad, damit vermeide ich deutlich mehr schmerzhaftes Gehen – gestern war ich schon wieder bei weit über 10.000 Tagesschritten.

Vor unserem Haus wieder mehrstimmiges Amslerichgebrüll: Ich nehme an, dass sich die Wohnungsnot in der Münchner Innenstadt auch auf die Vogelwelt auswirkt und man sich in Amselkreisen besser mal rechtzeitig das Revier freiflötet.

Ich war mit Herrn Kaltmamsell verabredet. Als Aperitiv servierte ich uns Oliven, eingelegten Ziegenkäse und Moscow Mules, Herr Kaltmamsell bereitete Miesmuscheln in Sahnesoße zu, mit Lauch, Karotten, Speck, dazu gab es einen galicischen Marisa blanco. Alles ganz ausgezeichnet, zum Nachtisch Schokolade. Früh ins Bett.

Über “Be the best version of yourself” nachgedacht. (Anlass war der Anblick einer Frau auf der Straße, zu der die innere Mama-Off-Stimme meiner Kindheit zischte: “Wenn die bloß ein paar Kilo abnähme, wäre sie eine Model-Schönheit.”) Was ja gern als Gegenbewegung zur Selbstoptimierung verkauft wird. Erstens: Wer legt fest, was “best” ist? Zweitens: Bei der entsprechenden Veranlagung sieht man immer eine Steigerungsmöglichkeit – und kann sich mit diesem Leitsatz immer ungenügend fühlen. Ergo: Ein weiterer Garant für Unglücklichsein.
Ja älter ich werde, desto mehr kann ich Durchwurschteln feiern: “Be the version of yourself you get along with most easily.”
Nicht als Patentrezept! Kein Patentrezept berücksichtigt, wie verschieden Menschen sind.

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Das darf NIE normal werden und nur ein Schulterzucken auslösen: Der Journalist Hasnain Kazim schildert, wie es ist, auf Todeslisten zu stehen und täglich Morddrohungen zu bekommen.
“Hass gegen Journalisten:
‘Und morgen bist du tot!'”

Ich lese auf Twitter und Facebook Sprüche von Betroffenen wie “Morddrohungen sind für mich ein Ansporn, weiterzumachen!”, “Jetzt erst recht!” oder “Ich bleibe stark!” Das ist gut, aber es ändert nichts an dem strukturellen Problem, nämlich dass wir eine Menge Leute in unserer Gesellschaft haben, die Morddrohungen für eine legitime Meinungsäußerung halten.

Vorher hatte Nicole Diekmann im Branchenblatt journalist auf der Basis ihrer vielen Jahre Online-Erfahrung einen Essay geschrieben, in dem sie mit der Blasiertheit der traditionellen Medienwelt gegenüber Social Media abrechnet:
“Wir dürfen Twitter und Facebook nicht dem Mob überlassen!”

Aber ich habe auch eine Überzeugung, und deshalb gehe ich weiter in die Fußgängerzone, um mal im Bild zu bleiben. Zwar mache ich da einen Bogen um Pöbler – wenn mich einer von denen belästigt, dann allerdings reagiere ich. Und sei es nur mit dem höflichen Hinweis, dass diese Art der Kommunikation weder meine ist noch die aller anderen Leute in der Fußgängerzone.

Denn wenn ich nicht mehr hingehe und andere sich ebenfalls zurückziehen, dann passiert das, was Kriminologen „Broken Windows Theory“ nennen. Die besagt, dass ein Stadtviertel schneller von Kriminellen heimgesucht wird, wenn es verwahrlost. Ein zerbrochenes und nicht ersetztes Fenster in einem Haus hier, nicht weggeräumter Müll auf der Straße da – das Signal ist: Hier kümmert sich niemand um Recht und Ordnung. Diejenigen, die an einem Leben in Ruhe und Frieden interessiert sind, ziehen weg. Das Stadtviertel geht vor die Hunde.

Exakt das ist mit Social Media passiert.

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Smilla ist wieder da! Sie ist mit ihrem einstigen Blog Anders anziehen umgezogen und schreibt jetzt als Smillas Blog über Menschen und Orte.

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Lydia gibt einen weiteren Einblick in ihren Alltag als Blinde und erklärt:
“Der Blindenstock in der Praxis”.
(Blogs sind toll.)

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Hazel Brugger über Geschwisterliebe (und auf Schwyzerdeutsch – ich habe nur 10% nicht verstanden).

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/jMzl0HGRMkE

Geschwister sind sowas wie Übungsmenschen für echte Menschen!

(Es gibt Untertitel hinter dem Zahnrad.)

via @DieJuramama

Journal Donnerstag, 23. Januar 2020 – Kampf dem Hüftschmerz!

Freitag, 24. Januar 2020

Früher Wecker, damit ich früh in die Arbeit kam, um vor dem Orthopädentermin noch Dinge wegschaffen zu können.

An der Anmeldung der Artpraxis wurde mir angeboten, die übermittelte MRT-Diagnose für meine eigenen Unterlagen auszudrucken (gute Idee!). Jetzt weiß ich also, dass das MRT auch eine Zyste im Gelenk sichtbar gemacht hat.

Dr. Orth 2 rekapitulierte gründlich alles bisher Erhobene und nahm die MRT-Diagnose dazu. Erst mal galt es demnach, die Entzündung zu bekämpfen: Spritze vor Ort, dann ein paar Tage Ibu-Geballere. Wenn das nicht hilft, wird in vier Wochen zu Spritze unter Durchleuchtung mit Kontrastmittel im OCM eskaliert. Meine Sorge, ich könnte mir das alles durch Fehlverhalten selbst eingebrockt haben, nahm er mir, als ich jammerte, dass eine künstliche Hüfte doch was für alte Menschen sei: Ach, es gebe schon 20-jährige, die eine neue brauchten.

Die Einstichstelle für die Spritze markierte Dr. Orth 2 nach Ultraschall und Knochentasten auf meiner Haut mit dem Kuli aus seiner Hemdtasche – wie man das halt beim Handwerken an der Wand macht, kenne ich. Dass man die Schreibtauglichkeit des Kulis erst mal ausprobiert, kenne ich auch – aber dass Herr Doktor das auf meinem Oberschenkel tat, irritierte mich.

Ich fragte den Arzt (samstägliche Anweisung von Herrn Kaltmamsell) auch zu genaueren Modalitäten empfohlener/erlaubter Bewegung: Möglichst wenig, was Schmerzen bereitet, zur Kräftigung lieber Halteübungen, und wenn Schwimmen geht Schwimmen. Na, geht doch.

Die Teilnahme an einer vormittäglichen Besprechung, bei der ich stehen musste und merkte, dass das nach der Spritze gar nicht gut tat, brach ich also kurzerhand ab – die Infos bekomme ich schon noch.

Mittagessen: Quark mit Orange und einer Hand voll Nüssen.

Und dann hatte ich gleich noch ein Orthopädiegespräch: Abschlussuntersuchung der Nach-Reha! Und als läse das Reha-Zentrum hier mit, saß mir eine ÄrztIN gegenüber. Die musste halt die Checkliste der Rentenversicherung abarbeiten und nahm meine Antworten “Deutlich schlechter, weil die Prämisse der ganzen Maßnahme falsch war”, “Ja, arbeitsfähig” recht ungerührt auf. Ich zwang ihr ein paar Detailinformationen auf, inklusive der über die morgentliche Spritze, woraufhin sie mit Blick auf die anstehende Gymnastik- und Geräterunde doch nachdachte: Diese solle ich dann aber bitte nur sehr vorsichtig absolvieren, kein Risiko eingehen. Und mich überhaupt jetzt nach der Spritze ein paar Tage sehr schonen. (Die war doch von Herrn Kaltmamsell gezahlt!) Aber bitte: Ich ließ die beiden Geräte aus, die die Hüftmuskulatur beanspruchen.
Diese Frau Dr. Orth wies mich zudem eindringlich an, künftig die Hüftmuskulatur zu dehnen und Faszien zu lockern: Bei einem irgendwann anstehenden Ersatz des Gelenks wäre es sehr abträglich, wenn dann die Muskeln verkürzt seien.

Daheim hatte Herr Kaltmamsell schon fast fertig gekocht, ich musste nur noch die Einbrenn für das Karotten-Kartoffel-Kohlrabi-Gemüse machen und das Dressing für den Feldsalat (alles aus eben geholtem Ernteanteil). Nachtisch war Vanilleeis mit geschenktem selbst gemachten Eierlikör.

Im Bett Ali Smith, Autumn, angefangen, dass nächste Leserundenbuch.

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Vanessa Giese weilt nun schon die dritte Woche auf Erholungsurlaub auf La Gomera und bloggt davon, unter anderem mit wundervollen Fotos. Gestern erzählte sie:
“Tag 19 auf La Gomera: Flow”.

Gebe ich mich kreativer Arbeit hin, braucht es einen langsam Start, ein Eingrooven. Die gute Phase kommt ohnehin erst am Abend. Hektik hilft hier nicht.

Nun gehöre ich ja zu den Lerchen und bin am kreativsten sowie produktivsten früh morgens (don’t @ me, man sucht sich’s nicht aus). Was zur Folge hat, dass es während der Morgentoilette gern mal hektisch wird, weil ich zum eben niedergeschriebenen Blogpost weitere ungemein wichtige und supertolle Gedanken habe, die ich dringend noch einfügen will, bevor jemand kommentiert (meine ungeschriebene und nicht wirklich logische Regel: So lange niemand kommentiert hat, darf ich unmarkiert ändern). Also saß ich schon halbabgetrocknet und mit nassen Haaren auf meinem Bett und tippte ganz schnell, was mir gerade noch eingefallen war.

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Vergangene Woche in der Süddeutschen gelesen: Interview mit dem Mitarbeiter der Ausländerbehörde, über den Saša Stanišić in Herkunft ausführlich schreibt:
“Der Mann, der Saša Stanišić vor der Abschiebung bewahrte”.

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Nach 50 Jahren wurde Charles Dickens’ David Copperfield neu verfilmt, die Besprechung in der Irish Times verspricht Großes:
“The Personal History of David Copperfield: Armando Iannucci delivers a minor miracle”.

The film begins in a theatre with the adult David (Dev Patel) reading the completed novel – or do we mean autobiography? – to a keen audience. That conceit allows the script to self-consciously correct itself as it misremembers and edits its own source material.

(…)

The most striking innovation is the diverse casting. It’s important to clarify what’s going on here. Cinematic depictions of 19th century London have traditionally underestimated the city’s racial variety, but the filmmakers are doing something more than merely reflecting contemporaneous demographics. Patel’s David is apparently the only person of South Asian descent in his immediate family. Steerforth (Aneurin Barnard) is white. His mother (Nikki Amuka-Bird) is black. The film profits from the sort of “racially blind” casting – and it does profit – that has long been commonplace in theatre. No term better sums up the Dickensian aesthetic than “generosity” and the busy clatter of cultures yells that word throughout.

Und der Trailer sieht gut aus!

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/oHG7FnBDY0Q

via @hughlaurie