Journal Sonntag, 1. Juni 2025 – Geschäftigkeit vor Arbeitsstart
Montag, 2. Juni 2025Mai schon rum, dieses Jahr habe ich das Gefühl, nichts davon mitbekommen zu haben.
Der Morgen war wie angekündigt düster, aber mild genug für Balkonkaffee.
Für meinen Isarlauf setzte ich lieber eine Schirmmütze gegen potenzielle Regentropfen auf Brille auf, nahm auch statt Fahrrad die U-Bahn raus nach Thalkirchen, lief von dort Richtung Süden. Es wurde ein schöner Lauf, die wenigen Phasen Sprühregen beeinträchtigten ihn nicht. Ich bekam Blüten in vielen Farben und Formen zu sehen und zu riechen, die Pflanzenwelt barst vor Saft. Und ich begegnete Küken (bairisch Biberl) – es ist Flausch-Time! Der alte Körper spielte problemlos mit, ich achtete wieder darauf, nicht zu sehr auf dem Vorfuß zu federn; erst ganz am Ende zwickte die böse Wade ein wenig.
Blesshuhnnest im Hintergrund.
Regentropfen auf dem Hinterbrühler See.
Der Isarstand nicht ganz so elend niedrig wie auch schon.
Düsterer Himmel und Regen sorgten für Menschenarmut, herrlich.
Akelei mit Sinn für Location.
Bei Pullach.
Nach gut 100 Minuten Lauf nahm ich die U-Bahn zurück nach Hause.
Gestern kochte Herr Kaltmamsell schon mittags, denn zum Abendessen war ich anderweitig eingeladen.
Es gab die Agretti aus Ernteanteil als Pastagericht mit Pinienkernen und Parmesan, so schmeckte das Grüne so herb intensiv wie möglich.
Durchgetakteter Nachmittag bis Abendverabredung. Am Dienstag bin ich beruflich dran mit Kuchenmitbringen, da ich am Montagabend nicht zu Kuchenbacken gezwungen sein wollte, backte ich vor: Dieser klassische Nussbaiserkuchen (ein Rezept, das vermutlich auf handgeschriebenen oder Schreibmaschine-getippten Zetteln in vielen Küchen meiner Generation und der meiner Mutter herumliegt) schmeckt erfahrungsgemäß nach dem einen oder Tag sogar eh besser.
Wenn ich ein Foto vom angeschnittenen Kuchen machen kann, verblogge ich das Rezept in meiner jetzigen Version.
Nächster Programmpunkt Bügeln. Ich nutzte es für das Aufräumen eines lang offenen Podcast-Tabs:
Marina Weisband fragt in ihrem Podcast Wind und Wurzeln:
“Lohnt sich Fairness in der Politik?”
Wie erwartet mit vielen interessanten Gedanken (die zum Teil von Jeanette Hofmann in ihrem re:publica-Talk unterfüttert wurden), auch wenn ich nicht in jedem Detail mitgehe.
Während meiner Bügelstunden war es draußen wieder sonnig geworden, und sofort kam es durch die offene Balkontür sehr warm herein. Ich ließ es zu, da die kommenden Tage kühler werden sollen.
Brotzeitvorbereitung. Montagmorgen würde dem Arbeitsweg gehören, ich musste also wieder wie im Arbeitsrhythmus vorbloggen, abends war ich ja verabredet. Gleichzeitig sonntägliches Back-up. Nur ganz kurz ins Arbeitspostfach geblinzelt, keine Stinkbomben. (Nein, ich weiß auch nicht, was ich bei Auffinden von ebensolchen getan hätte.)
Dann aber aufbrezeln und ab in die Brasserie Colette. Dort gab es Cremant, Garnele Marocain (die ich in sehr guter Erinnerung hatte – zurecht), Cannelloni (die sich als ein aufrechtes Stück gefüllte Teigrolle erwies) in sehr feiner Erbsensuppe mit einem Glas Sauvignon Blanc, vor allem aber Erzählungen von einer Konferenz in Florenz samt ausgesprochen hochklassiger Unterbringung, von einem Stadtetripp nach Prag (der allerdings meine Trauer verstärkte, dass ich diese komplett überrannte Stadt niemals besuchen werde, Spuren Friedrich Torbergs würde ich ohnhin in diesen Touristenzirkus nicht finden – Prag vor 30 Jahren ist weit oben auf meiner Zeitreise-Liste). Heimweg durch eine warme und schwüle Nacht.
§
Edmund de Waal kündigt in einem instagram-Post sein neues Buch an, an archive. Und erwähnt:
‘there is an element, in any archive, of trespass. Am I allowed in? What is my responsibility to the people who have been here before? How do I respect the dead and their integrity, their individuality and separateness from me? What is excluded, suppressed, forgotten?’
Meine Übersetzung:
Jedes Archiv hat etwas von Grenzüberschreitung. Darf ich hereinkommen? Worin besteht meine Verantwortung den Menschen gegenüber, die vorher hier waren? Wie respektiere ich die Toten und ihre Integrität, ihre Individualität und ihre Unterschiedlichkeit zu mir? Was ist ausgespart, unterdrückt, vergessen?
Wieder eine sehr kluge Perspektive (oft überblättere ich Edmund de Waals Posts auf instagram, weil sie mich in dieser Situation überfordern mit ihrer Tiefe und Intensität): Selbst beim Klick auf Archiveinträge zu mutmaßlichen Verwandten fühlte ich dieses möglicherweise Unerlaubte.