Wandern

Journal Freitag, 3. Januar 2025 – Traumwinterwanderung am Starnberger See

Samstag, 4. Januar 2025

Eher unruhige Nacht: Vor meinem Fenster wurden mit Fahrzeugen die 2 Zentimeter Schnee geräumt – das dauerte dem Lärm nach eine gute Stunde.

Das Wetter war freundlich, Eis auf den Wegen. Für meine Verabredung zum Wandern haderte ich ein wenig mit der Schuhauswahl: Meine Schneestiefel hatten zwar die allergriffigste Sohle, doch von meinen Märschen in die Arbeit wusste ich, dass sie auf die Dauer scheuern würden. Also doch die altbewährten Wanderschuhe mit ordentlich Sohlenprofil? Ich testete sie auf einer kurzen Einkaufsrunde auf Schnee und Eis in der Stadt: Funktionierte gut.

Bruder und Schwägerin holte ich an ihrem Ankunftsbahngleis am Münchner Hauptbahnhof ab, gemeinsam stiegen wir in eine Regionalbahn nach Starnberg. Und schon unterwegs zeigte sich, dass die Wettervorhersage für die Gegend geirrt hatte – aber in die Richtung, die wir mögen: Die Landschaft war verschneit, der Himmel keineswegs wie angekündigt bedeckt, wir wanderten in allerschönstem frischen Schnee, verglitzert von Sonne. Die Temperatur fand ich perfekt für einen Wintertag: Mit dicken Socken und Strumpfhose unter Jeans hatte ich warme Füße, in meinen gefütterten Fäustlingen warme Hände, eine Wollmütze hielt meinen Kopf warm, die dicke Winterjacke brauchte nur einen Thermorolli drunter. Geht doch, Winter!

Die Regionalbahn brauchte für die Strecke nach Starnberg so viel weniger Zeit als die vielmals haltende S-Bahn, dass uns die Ankunft kalt erwischte: Am Starnberger See stürzten wir mit schnell zusammengerafften Jacken und Taschen in der Hand aus dem Zug.

Ich hatte die vertraute Wanderung durch die Maisinger Schlucht nach Pöcking und zurück über den Prinzenweg rausgesucht – doch im Schnee war ich sie noch nie gegangen, und so erkannte ich sie die meiste Zeit gar nicht wieder.

Bewölkter Blick auf verschneite Bootslandestelle an sehr großem See, davor Holzzaun und Bäume

Starnberger See – der war (auch dank Beschilderung) auch mit Schnee noch gut erkennbar.
Ob die Bahnhsteige des Starnberger Bahnhofs je ein Dach bekommem werden? Eine Anwohnerin meinte: Nein, die rostenden Metallstreben seien schon seit Jahrzehnten dachlos.

Verschneite kahle Büsche, dazwischen ein Bächlein, darüber ein Steg, den gerade ein Wanderer mit blauer Jacke und rotem Rucksack überschreitet

Aber fast hätte ich am Anfang des Wanderwegs durch die Maisinger Schlucht diese Abzweigung zur Kapelle verpasst, weil man sie zwischen den verschneiten Bäumen gar nicht sah.

Fast völlig versteckt zwischen verschneiten Ästen: Eine kleine Kapelle

Verschneiter Weg zwischen großen, kahlen, verschneiten Bäumen, rechts vom Weg ein Bach, auf dem Weg zwei Menschen im Gehen

Unter bewölkten Himmel Blick auf hell zugefrorenen See zwischen verschneiten Büchen, darauf klein ein Mensch

Maisinger See – auf den zu unserem Schrecken gerade jemand rausging, um das Eis zu checken (Schwägerin: “Den müssen WIR rausholen, wenn der einbricht!”).

Verschneite kahle Bäume, rechts hinten ein Stück Eisfläche eines Sees, ganz rechts rot ein Kasten mit der Aufschrift "Rettungsgerät", dahinter eine Metallleiter

Ein wenig blieben wir beim Rettungsgerät, bis wir am Telefonat des Herrn hörten, dass er sich wohl auskannte.

Leicht erhöhter Blick auf verschneite Landschaft mit Schilf

Überraschend schwierige Lichtverhältnisse zum Fotografieren: In Echt war alles sehr hell, wohl durch den reflektierenden Schnee, doch die Fotos sind so düster wie dem bewölkten Himmel angemessen. Immerhin hatte es genug Licht, dass wir einige Reiher bei Start, Landung, Flug beobachten konnten, einmal gescheucht von einem Bussard oder Sperber.

In Pöcking machten wir an der Bäckereitheke eine Supermarkts Pause, setzten uns zu einem Kaffee. Alle drei fühlten wir uns fit fürs Weiterwandern – und wurden auf dem Prinzenweg von weiteren wundervollen (und schwer zu fotografierenden) Aussichten belohnt.

Blick von unten einen verschneiten Hügel hoch: Zwischen verschneiten Ästen eine alte, helle Villa

Blick auf leicht abschüssige, sonnig verschneite Wiesen auf einen entfernten verschneiten Ort

Blick auf verschneite Bootslandestelle an sehr großem See, davor Holzzaun und Bäume, aus blauem Himmel blinzelt über eine Wolke hinweg die schräge Sonne

Nach gut dreieinhalb Stunden Wanderung mussten wir nur kurz auf eine Bahn zurück nach München warten. Dort Abschied: Ich spazierte nach Hause, die Verwandtschaft fuhr weiter.

Daheim heißer Tee und Lesen. Eine Folge Yoga-Gymnastik, dann erinnerte ich mich an den Salat vom Vortag, während Herr Kaltmamsell zum Nachtmahl eine herzhafte Käsetorte zubereitete, die er in einem Kochbuch aus den 1970ern entdeckt hatte.

Aus komplexen Gründen hatten wir echte CocaCola im Kühlschrank, die weg musste: Es gab klassischen Cuba libre, schmeckte wirklich gut. Der Salat (Radicchio) gelang dann besser als die Torte, doch sie schmeckte und wärmte. Nachtisch Pralinen.

Gesamtstimmung bereits eingetrübt durch die Aussicht auf Arbeitsstart nächsten Dienstag.

Journal Samstag, 27. Juli 2024 – Hochsommerwandern auf einer vergessenen Route

Sonntag, 28. Juli 2024

Wunderbar ausgeschlafen.

Der gestrige Balkonkaffee war angenehm mild, doch schon bald kündigte sich Hitze an. Meine Wochenendzeitung fand ich nach Wochen Suchspielen endlich wieder dort, wo sie hingehörte: Im Briefkasten.

Wir hatten eine Wanderung geplant und machten uns verhältnismäßig früh startklar, die Wohnung versperrten wir mit Rolläden und geschlossenen Außenfenstern gegen die Hitze.

Unser Ziel war Icking, eine Station vor Wolfratshausen. Wir waren auch deshalb früh aufgebrochen, weil die S-Bahn gestern nur alle 40 Minuten ging (Bauarbeiten – schon in Ordnung, wann sollen sie die denn sonst machen, wenn nicht in den Ferien?). Mit uns reisten viele, viele Pfadfinder*innen quer durchs Kinder- und Jugendalter; ich versuchte möglichst viel von dem, was ich bei Frau Brüllen über ihre Pfadi-Söhne gelernt habe, zu entdecken (Aufnäher!). Interessant fand ich allein schon mal die Kleidung: Von kompletter Kluft bis Zivil mit nur Pfadi-Halstuch war alles dabei. Es war wohl ein großes Treffen, die jungen Leute schienen einander gerade erst kennenzulernen.

Andere auffällige Mitreisende: Menschen mit luftlosen Schlauchbooten und Rudern. Den vereinzelten Hochsommersamstag (für Sonntag war Regen vorhergesagt) nutzten offensichtlich viele dafür, sich die Isar hinuntertreiben zu lassen (bange Erinnerung an die schwimmenden Wummer-Discos bei Grünwald vor einem Jahr – die sich als grundlos erwiesen).

Wir planten eine Wanderrunde, die wir besonders gut kannten, weil schon so oft gegangen, vor gut einem Jahr mit Besuch – diesmal wollten wir sie mit einem Stück vom Ickinger Wehr entlang der Isar nach Schäftlarn erweitern: Ein Wegweiser am Ickinger Wehr hatte mich auf die Idee gebracht. Im April 2023 mit Besuch war das Stück über Wolfratshausen bis zum Waldlehrpfad runter in den Ort wegen umgestürzter Bäume unpassierbar, wir mussten klettern. Doch ein Jahr sollte genügt haben, den Weg wiederherzustellen.

Womit ich nicht gerechnet hatte: Dass es die restliche Wanderroute fast nicht mehr geben würde.

Wir stiefelten vom Ickinger Bahnhof den vertrauten Weg am Sportplatz vorbei; zunächst sah alles aus wie gewohnt.

Wanderer in sonnigem Wald von hinten

Hier stach mich die erste Mücke, ich holte gleich mal das immer mitgeführte Anti-Brumm aus dem Rucksack und sprühte mich gründlich damit ein. Kurz darauf verschwand der Wanderweg fast im Bewuchs, die Ausschilderung wurde sehr rar.

Fast nicht sichtbarer Pfad in sonnigem Grün

Und ab dann mussten wir die erinnerten Abzweigungen oft suchen: Fast alle Wegweiser waren weg, die Wege offensichtlich lange nicht genutzt.

Weiter Rasen mit vereinzelten riesigen Bäumen, him Hintergrund zwei eingeschoßige dunkelrote Häuser, ein Auto

Interessantes Anwesen am Rand von Schlederloh – der Zaun zum verschwindenden Wanderweg verfallen.

Blick von oben auf ein weites Tal mit Flüssen und Auenwald

Ausblick auf die Puplinger Au. Noch war der Himmel hauptsächlich bewölkt.

Eine Hand voller Brombeeren, im Hintergrund Brombeerranken

In Dorfen klassischer Wander-Snack: Wilde Brombeeren am Wegesrand.

Hohlweg in grünes Tal

Hohlweg zur 2023 versperrten Passage nach Wolfratshausen.

Pfad in ein Tal mit Steg, auf der gegenüberliegenden Seite Stufen hinauf mit Handlauf

Niegelnagelneuer Steg und neu befestigte Stufen.

Tischchen in Café mit zwei Tassen Cappuccino, im Hintergrund die Theke des Cafés mit einem Kunden davor

Im Wolfratshausen waren wir gerade mal anderthalb Stunden unterwegs, eigentlich zu früh für eine Pause. Wir ließen uns dennoch zu einem Mittagscappuccino nieder, ich füllte meine eine bereits geleerte Wasserflasche auf.

An der Loisach entlang stiegen wir hoch zurück Richtung Icking, genossen Aussichten. Hier war der Weg wieder gut sichtbar, aber nicht mehr ausgeschildert. Wir begegneten auch keinen anderen Wanderern, lediglich ein paar Gelände-Radlern.

Blick hinunter auf ein breites Tal mit Wald, im Hintergrund schemenhaft eine Bergkette

Blick vom Riemerschmid-Park auf den Zusammenfluss Isar-Loisach. Danach drehten wir eine Zusatzschleife, weil wir die Abzweigung zu den Stufen hinunter an die Loisach zunächst verfehlten. Herr Kaltmamsell suchte mit Online-Karte: Sie war so zugewachsen, dass wir sie ohne Wegweisen gar nicht hatten sehen können.

Abwärts führender Pfad im Wald mit vielen Wurzeln und einem kleinen Baumstamm quer, ein Wanderer von hinten, der gerade darüber steigt

Blick von ben auf einen querenden Pfad, fast völlig versperrt von dem Wurzelballen eines gestürzten Baums, links davon ein Wanderer, im Hintergrund zwischen Bäumen das Grün eines Flusses

Der Abstieg wird offentsichtlich nicht mehr viel genutzt.

Zwischen Bäumen links und rechts hinter Fluss das weiße Gebäude eines Wehrs, rotes Ziegeldach

Ickinger Wehr.

Auf sonnenbeschienenen Kiesbänken eines Flusses bauen Menschen in Badekleidung Boote zusammen, einige sind schwimmen bereits auf dem Fluss

Dahinter wohl der Start zum Isartreiben, für das die Leute ihre Schlauchboote dabei hatten. Ohne Diskogewummer, einfach nur gleitend und plätschernd, mit fröhlichem Lachen und Kreischen. Mittlerweile waren die Wolken verschwunden, die Sonne strahlte und heizte ungehindert.

Der Wegweiser Richtung Schäftlarn warnte explizit, dass der Weg in schlechtem Zustand sei, und riet zur Alternativroute über Icking. Wir fühlten uns abenteuerlustig und gingen ihn dennoch. Er war dann tatsächlich mühsam, weil zugewachsen und nicht freigeräumt.

Blick von der Seite auf den sonnigen Fluss, am anderen Ufer eine Kiesbank mit Menschen, dazwischen ein Schlauchboot

Bankerl zum Brotzeiten gab es hier natürlich keine, wir setzten uns nach drei Stunden an eine Uferkante mit diesem Ausblick. Es gab Mirabellen und Nussschnecken.

Danach wurde der Weg die Isar entlang immer mühsamer. Irgendwann waren wir das Klettern über oder unter blockierende Baumstämme leid und suchten einen bequemeren Weg über GPS und Online-Karte. Fanden wir auch – nur dass ein Bach durchführte. Dann mussten wir halt durch, Schuhe und Socken in der Hand.

Frau von hinten mit Rucksack, die einen Bach durchquert, am anderen Ufer Bäume

Bild: Herr Kaltmamsell

Blick von im Bach den Bach entlang, Sonnenschein, Bäume

Blick aus der Mitte des Bachs.

Wanderer mit roter Kappe, der gerade aus einem Bach klettert

Der Weg wurde dann ein wenig bequemer, nach einem weiteren Aufstieg gab es schöne Aussicht.

Herr Kaltmamsell navigierte uns per Online-Karte zum S-Bahnhof Ebenhausen/Schäftlarn, durch ganz andere Landschaft als bisher.

Sonniger Kiesweg zwischen Bäumen, rechts Viehweide

Hochsommerliches Sonnenlicht und knallblauer Himmel, Kiesweg, rechts Bäume, links ein abgeerntetes Stoppelfeld

Ich hatte die ursprüngliche Wanderung auch deshalb gewählt, weil ich wusste, wie schön schattig sie ist. Dieses letzte, neue Stück hingegen erwies sich als weitgehend Schatten-frei, jetzt war es eher unangenehm heiß. Den Bahnhof erreichten wir genau richtig für die nächste S-Bahn, sehr erfreulich. Das waren gut 15 Kilometer in knapp fünf Stunden mit zwei Pausen.

Rückweg in der S-Bahn mit vielen Frauen in Glitzer, oft in Mehr-Generationen-Paarung: Menschen auf dem Weg zum Taylor-Swift-Konzert. Ja, ich habe eine Meinung – nämlich überhaupt kein Problem damit, die Leute ihren friedlichen, fröhlichen Spaß und das Gemeinschaftsgefühl genießen zu lassen. Weder gröhlen noch kotzen sie oder behindern den Alltag von Innenstädten wie Fußballfans, ihr Hobby dominiert auch nicht auf Wochen das gesamte Fernseh- und Zeitungsprogramm. Und mehr Glitzer in der S-Bahn begrüße ich ausdrücklich. Die Musik der angehimmelten Taylor Swift kenne ich genausowenig wie andere zeitgenössische Popmusik, zu der habe ich tatsächlich keine Meinung.

Seit einer ganzen Weile freute ich mich auf eine gründliche Reinigung unter der Dusche, nach dem Mix Sonnencreme, Mückenspray, Schweiß, Staub und Pflanzenteile fühlte ich mich so dreckig wie schon lang nicht mehr. Kurze Einkäufe auf dem Heimweg vom Hauptbahnhof, jetzt konnte ich mich unter fließendem Wasser säubern, so richtig mit rundum Waschlappen. Das Resultat fühlte sich großartig an (all die Kratzer an den Beinen haben jetzt noch acht Tage zum Heilen bis zur nächsten Wachsenthaarung). Nur fühlte ich mich wie nach der Wanderung davor reichlich erledigt und hätte mich am liebsten erstmal Schlafen gelegt. Das kann ich gerne auf die Hitze schieben, die aber so schlimm auch wieder nicht war – wieso bin ich denn plötzlich so unfit?

Gemütliches Internet-Lesen im angenehm kühlen Wohnzimmer, außerdem kochte ich nochmal Panna cotta, diesmal mit Abkühlen unter Rühren, bevor ich sie in Förmchen füllte; mal sehen, ob das ein Absetzen der Gelatine verhindert.

Zum Nachtmahl baute Herr Kaltmamsell aus Ernteanteil-Rote Bete und -Stangensellerie mit zugekauften Pfirsichen einen Salat nach, den wir in Berlin beim Feinkost Lindner gekauft hatten, ich rührte das Dressing dazu. Und die Bete-Blätter kamen gebraten auch noch dazu, hier verkommt nichts. Wenig.

Gedeckter Tisch mit weißem Teller voll Stücken Rote Bete, Stangensellerie, Pfirsich, dahinter eine Schüssel davon, rechts ein Glas Rosé

Schmeckte sehr gut, dazu gab es Pittnauer Rosé Dogma. Nachtisch Schokolade.

Im Bett begann ich (mit Leselampe um den Hals, weil nach Langem mal wieder Papierbuch ohne Selbstbeleuchtung) das neue Literaturmagazin Granta: Siginificant Other. In seinem Vorwort spoilert Herausgeber Thomas Meany gleich mal einige der Geschichten im Band – macht ihn mir nach seinem ungeschickten Einstieg mit dem Themenband Deutschland wirklich nicht sympathischer.

§

TexasJim hat wieder Ferien auf dem Bauernhof gemacht – allerdings wie immer im Traktorsitz. Und denkt darüber nach, warum ihm das so viel bedeutet.
“Vorwärts leben, rückwärts verstehen, hat meine Oma einst gesagt”

Ein völlig fremder Alltag. Und doch bilde ich mir ein, alles zu verstehen.

Wie so oft stelle ich mich in einen Supermarkt am Bahnhof und sehe den Leuten zu, wie sie mit Lebensmitteln hantieren, sie drücken, werfen, und dann immer zum noch Bunteren greifen, und ich denke an den Haufen Erbsen in der Halle und an den heißen Tag voll Mühen, die uns allein ihre Ernte gekostet hat, bis wir spät in der Nacht am Festzelt vorbeifuhren, an den blinkenden Lichtern und der Musik, und dann frage ich mich, wie eigentlich alle anderen klarkommen, aber sicher bin ich mir nicht.

Journal Sonntag, 14. Juli 2024 – Tegernseer Höhenweg mit vielen, vielen anderen

Montag, 15. Juli 2024

Gut und lang geschlafen, nach Aufwachen kurz vor sechs nochmal so tief, dass ich kaum rauskam aus dem Schlaf. Der Morgen startete kühl, zu kühl für Balkonkaffee.

Haarige Dinge: Nach diesem und dem vorherigen Haarschnitt (aus derselben Hand) gab es praktisch keine Übergangsphase zwischen frisch geschnitten und brauche dringend einen neuen Haarschnitt. Auch diesmal schien meine Haarpracht (ernst gemeint, ich habe sehr dichtes und dickes Haar, finde ich gut – möglicherweise bin ich die einzige Frau, die nicht mit ihrem angeborenen Haupthaar hadert, auch nicht mit der Farbe; nein, auch damit geht nicht jeder erdenkliche Schnitt, jede Frisur, aber ich habe schon eine besonders große Auswahl) von einem Tag auf den anderen zu explodieren, ich hatte wieder Bärenfell-Gefühle, das Trockenföhnen dauerte schlagartig doppelt so lang. Doch der nächste Haarschnitt ist auf kurz vor der Jahrhunderthochzeit terminiert, ich werde noch drei Wochen aushalten müssen.

Plan für gestern war eine Wanderung mit Herrn Kaltmamsell, ausnahmsweise am deutlich bevölkerteren Sonntag statt am Samstag, weil er am Vortag durch eine Einladung verhindert war. Ich hatte den Tegernseer Höhenweg ausgesucht, inklusive einem Zusatzstück am Anfang von Gmund aus. Das Wetter war als sonnig und nicht zu heiß angekündigt. Um halb zehn machten wir uns auf den Weg zum Bahnhof, da brauchte ich noch ein Hemd überm ärmellosen Shirt.

Ein Mann und eine Frau in Wanerkleidung fotografieren sich im Spiegel in einer Wohnung

Der Zug Richtung Tegernsee (ein Dreierzug mit zweimal Teilung dorthin) war 15 Minuten vor Abfahrt bereits gut besetzt.

Unter einem Schild "München Hbf" steht draußen ein roter Zug, der mit Graffiti besprüht ist

Stehen mussten die Passagier*innen aber erst ab dem Halt am Harras.

Alpenlandschaft mit See und Bäumen, im Vordergrund Wiese

Hallo Tegernsee (See)!

Schmuckes altes Fachwerk-Bahnhofsgebäude, davor ein Schild "Gmund" darauf zu gehen viele Menschen

Hallo Gmund! Die vielen Leute wollten zum Glück nicht alle auf dem Tegernseer Höhenweg nach Tegernsee (Ort). Aber deutlich mehr davon, als mir lieb war. Ich merkte, dass ich viel weniger oft zum schlichten Rumschauen stehenblieb, als ich ohne Wander*innen vor und hinter mir getan hätte.

Blick zurück nach Gmund.

Der Sonnenschein hielt nur anderthalb Stunden, dann kamen dichte und dunkle Wolken über die Alpenkette. Doch das Wetter ersparte uns Gewitter und Regen.

Weg in einem Wald, hinter dem man Sonnenschein sieht

Blick auf einen sommerlichen See vor Bergkulisse

Blick auf See vor Berg

Diesen Aussichtspunkt hatte ich als Brotzeitort angepeilt, doch wir waren eine Stunde früher dort als nach der Wegbeschreibung berechnet – zu früh für Brotzeithunger, wir gingen weiter. Nach zweieinhalb Stunden Wanderung, jetzt bereits deutlich im Tegernseer Höhenweg Süd, den wir schon kannten, setzten wir uns auf eine Bank im Wald. Ich brotzeitete ein Glas mitgebrachten Quark mit Joghurt und Nektarinen.

Abschüssiger Wanderweg mit einer tiefen Furche, ein Wanderer von hinten

See-Ufer, daran ein Bootshaus, dahinter alte schöne Gebäude

Zurück in Tegernsee (Ort). Nach den Angaben der Beschreibungen hatte ich sechs Stunden für die Route veranschlagt, doch wir waren bereits nach weniger als fünf Stunden für die gemessenen 16 Kilometer mit einer Pause zurück am Bahnhof. Wo mit uns viele, viele Menschen in den Zug zurück nach München stiegen, wir bekamen keinen Sitzplatz mehr. Der mir sehr recht gewesen wäre, denn meine Beine waren nach recht zackigem Auf und Ab müde (wahrscheinlich schneller als sonst gegangen, weil keine Gelassenheit) – wir fühlten uns überhaupt alle beide erstaunlich erledigt für die eher übersichtliche Wanderung. Die Luft auf dem Weg nach München war im Zug durch die vielen Menschen stickig, doch es herrschte gute Stimmung. Ich las auf dem Handy Vicki Baums Memoiren weiter (um mich herum auffallend viele Buchleser*innen).

Wie geplant stiegen wir schon an der Donnersbergerbrücke aus und nahmen eine Tram zum Hirschgarten fürs Abendbrot – und hinkten beide auf den letzten Metern zum Biergarten heftig: Herr Kaltmamsell laboriert immer noch an seiner Ferse (auch wenn er betont, dass sie besser wird), mir machte gestern nach der Ruhehaltung auf der Rückfahrt besonders meine Plantarfasziitis rechts zu schaffen.

Zu meiner großen Freude war der Steckerlfischstand Fischer Vroni in Betrieb, und bei Ankunft waren gerade Makrelen fertig gegart: Ich kaufte eine. Herr Kaltmamsell besorgte Radlermaßen und Breze, für sich einen Schweizer Wurstsalat.

Durch einen Zaun in ein Tiergehege fotografiert, darin sieht man einige Hirsche

Biergartentisch mit gegrillter Makrele, Wurstsalat, Riesenbreze, zwei Maß Radler, neben Tisch Zaun, durch den man einen Hirschen erahnt

Eine wunderbar saftige Makrele, gute Breze, gutes Radler. Und ich genoss das Biergartentreiben um mich herum, im Hirschgarten finde ich es besonders vielfältig und heimelig.

Mit einer Tram fuhren wir nach Hause, einige Passagier*innen in Fußballtrikots mit spanischer Flagge erinnerten mich daran, dass gestern das Finale der Männerfußball-EM ausgetragen wurde.

Daheim Räumen, Vorbereitung des Arbeitstags, Käsekuchen und Schokolade zum Nachtisch. Ich ließ im Fernsehen den zweiten Downton-Abbey-Kinofilm laufen, zumindest die erste halbe Stunde sah recht langweilig aus.

Journal Pfingstmontag, 20. Mai 2024 – Sonnige Maienwanderung nach Aying

Dienstag, 21. Mai 2024

Guter und langer Schlaf.

Eines der seltenen Male, dass mir Bloggen die Tagespläne durchkreuzt: Bis ich nach Spülmaschine-Ausräumen und Wäsche-Aufhängen den ausführlichen und viel bebilderten Blogpost fertiggestellt hatte, waren zwei Stunden vergangenen, es blieb keine Zeit mehr für die geplante Gymnastik vor Wanderung.

Denn wandern wollte ich in diesem herrlich sonnigen, aber bei Weitem nicht heißen Maienwetter mit Herrn Kaltmamsell von Kirchseeon nach Aying, das hatten wir schon ein paar Mal gemacht.

Anfahrt mit einmal Umsteigen in Trudering, an diesem Wochenende war wieder S-Bahn-Stammstrecke für den Bau der zweiten solchen gesperrt.

Weg in hohem Laubwald, durch den Sonne leuchtet

Von Kirchseeon aus bogen wir gegen zwölf gleich mal in wundervollen Wald. Doch bald stellten wir fest, dass wir schon hier falsch abgebogen sein mussten, wir waren nicht mehr auf dem GPS-markierten Weg. Nun gut, die ursprüngliche Wanderung aus dem Büchlein Wandern mit dem MVV hatte ja nie durchgehend geklappt, vor Schlacht mussten wir immer auf Straßen ausweichen. Herr Kaltmamsell lotste uns also in einem Bogen nach Moosach, dann folgten wir eine Weile der gewohnten Route, umgingen aber das Straßenstück weiträumig im Wald.

In einem sehr feuchten Waldstück war ich froh drum, dass seit einer besonders vermückten Wanderung das Schnackenschutzspray in meinem Wanderrucksack wohnt: Nach einer ersten Attacke besprühte ich mich damit rundum, bis ich glänzte – Schluss mit Stecherei.

Am Himmel immer wieder Bussarde, Milane, Falken. Auf dem Boden Kühe, ein Schaf.

Blauer Himmel über soniger Landschaft mit schmalem asphaltiertem Weg

Schöne, sonnige Landschaft mit Brise.

Wanderer von hinten, der auf einem schmalen Pfad durch eine schattige Wiese geht, davor ein sonniges Stück, dahinter Wald

Waldwege auch mal schmal.

Dorf aus Häusern mit roten Dächern unter knallblauem Himmel

Niederseeon.

Wald mit Wladweg, der eine einzige riesige Pfütze ist, links Wanderer

Manchmal kamen wir auch an unpassierbare Wege, schließlich hatte es in den vergangenen Tagen mehrfach geregnet. Nach zweieinhalb Stunden wollte ich Brotzeitpause machen, doch das einzige Bankerl, an dem wir vorbeikamen, war bereits besetzt – und die Herrschaften sahen aus, als hätten sie es sich gerade erst richtig gemütlich gemacht. Es wurden also drei Stunden und drei Uhr, bis wir in Kastenseeon an der Straße eine schattige Sitzgelegenheit fanden. Ich aß einen Apfel (aus Ernteanteil ein Granny Smith aus heimischem Bio-Anbau – ich war überrascht, dass die bei uns angebaut werden, und dann auch noch schmecken) und eine Breze – wollte nicht zu viel essen, um meinen Appetit beim abschließenden Einkehren zu erhalten.

Der gewohnte Weg von Lindach nach Aying war energisch gesperrt: Er sei wegen Wiederherstellungsarbeiten unpassierbar. Da wir dieses Stück durch den Wald gut kennen, beschlossen wir ihn dennoch zu gehen: Bei Unpassierbarkiet würden wir einfach in den Wald ausweichen. Doch der gesamte Weg war frei und fertig wiederhergestellt, keine Spur von Arbeiten; vielleicht hatte man vergessen, die Sperrung aufzuheben.

Straße, die zwischen Hecken auf eine Zwiebelturmkirche zuführt, rechts ein moderner Brauereiturm

Ankunft in Aying. Der Biergarten war auch kurz vor fünf gut besucht. Gestern sah das Brotzeitbrettl so aus.

Auf einem Tisch ein Holzbrett mit Wurst, auf beiden Seiten kleine weiße Teller mit Brot

Da schon beim letzten Mal kein Presssack dabei gewesen war, bestellten wir diesen einzeln.

Viereckiger weißer Teller, auf dem strahlenförmig halbe Scheiben weißer und roter Presssack liegen

Zum Vergleich: Das Brotzeitbrettl im selben Lokal 2018:

Und 2021:

Reibungslose Heimfahrt, diesmal direkt bis Stachus. Daheim noch zum Nachtisch Schokolade.

Joseph Roth, Hiob ausgelesen – hat mir sehr gut gefallen, mehr folgt.

Journal Karsamstag, 30. März 2024 – Freundinnenwanderung durch Sahara-Dunst und Fehlerkultur Rumtopf

Sonntag, 31. März 2024

Guter Schlaf – und das trotz des reichlichen Alkohols am Vorabend. Draußen war es ungehörig warm, aber seltsam diesig.

Aufgeregtes Fertigmachen für die Wanderverabredung: Frau Bruellen war in der Gegend und schenkte mir den Tag für eine Würm-Wanderung von Gauting nach Starnberg.

Wir trafen uns am Pasinger Bahnhof, dort kreuzten sich unsere S-Bahn-Anfahrten von Osten und Westen. Ich hatte bereits meine leichte Jacke abgelegt, der Karsamstag 2024 kam in Südbayern mit T-Shirt-Wetter.

Spuren verschiedener historischer Epochen.

Große Freude beim Wiedersehen, Schneemassen hatten mich ja um das vorherige gebracht.

Die S-Bahnen nach Gauting fuhren etwa alle 20 Minuten, keine davon zur Fahrplanzeit, wir nahmen einfach die nächstbeste. Bei Ankunft in Gauting setzte sich das seltsame Wetter fort: Es war sehr warm, über dem Wald gegenüber der Anhöhe des Bahnhofs lag eigenartiger Dunst – das war wohl der angekündigte Saharasand.

Obwohl wir mittlerweile tief im Gespräch waren und das die nächsten Stunden auch blieben, gab es schöne Wanderanblicke, von Sommergoldhähnchen (nicht meine erste Sichtung und Identifikation, vielleicht merke ich sie mir jetzt endlich) und vielen Blümchen (meine Begleiterin erwies sich als ausgesprochen firm) über sehr lang schon tote Tiere, einen Falken bis zu vielen anderen Vögelchen, einer flauschigen Katze, die sich in einem Vorgarten räkelte, glitzernder Würm mit viel Totholz aus dem vergangenen Winter.

Ans Fotografieren mussten wir einander in all dem intensiven Austausch aktiv erinnern, wir wollten ja beide Andenken mitnehmen.

Königswiesen.

Auf einem Bankerl bei einer wilden Wirtschaft im Mühltal machten wir kurz Pause.

Ich hatte Aussicht auf den Starnberger See versprochen, gibt es sonst von dieser Anhöhe kurz vor Leutstetten – gestern durch den seltsamen Dunst nicht wirklich.

Über Percha gingen wir zum See – und als wir an den Dunst selbst gelangten, wurde es schlagartig kühl. Zu meiner Überraschung: Ich hatte die Wärme des spanischen Calima erwartet. Dennoch setzten wir uns wie geplant zu einem Café an der Uferpromenade, jetzt halt in Jacken: Ich hatte am Wochenende zuvor entdeckt, dass es italienisches Gebäck anbot, also gab es je ein (gutes) Canolo zu Espresso und Cappuccino mit Blick auf den diesigen See.

Gegen drei nahmen wir eine S-Bahn zurück nach Pasing, dort bekam ich wunderschöne selbstgestrickte Socken (mein drittes Paar aus diesen Nadeln, und ich liebe sie sehr) und Schweizer Schokolade geschenkt. Abschied auf hoffentlich bald, es zeichnet sich tatsächlich ein baldiges nächstes Mal ab.

Auf dem Heimweg vom Hauptbahnhof erledigte ich noch kleine Einkäufe, zu Hause wandelte ich meine Aufgekratztheit in Häuslichkeiten um, unter anderem fettete ich die in der Vorwoche patschnass gewordenen alten Wanderstiefel gründlich ein.

Ich turnte eine sportliche Runde Yoga-Gymnastik, während Herr Kaltmamsell wieder fürs Abendessen sorgte: Ein Teil des Blaukrauts aus Ernteanteil wurde Risotto.

Als Aperitif testeten wir eine Idee zur Verwendung unseres unessbaren Rumtopfs. Denn: Ich hatte ja vergangenen Herbst einen Trockenfrüchte-Rumtopf angesetzt (kannte ich aus Vergangenheit), und irgendwas redete mir ein, dazu müsse ich Stroh-Rum verwenden, und zwar 80-prozentigen. Wie wir wissen, gibt es keine misslungenen Experimente, aus allen lässt sich etwas lernen. Aus diesem zum Beispiel: Das wird ungenießbar, weil viel zu scharf, auch mit nachgekipptem Zucker, und die Trockenfrüchte werden nicht weich. Gestern mixten wir die Flüssigkeit, mit der man möglicherweise kleine Säugetiere töten kann, als Longdrink mit Eis und Orangensaft, und hurra! das schmeckte gut. Dazu knabberten wir libanesische Nüsschen, die ich auf dem Heimweg besorgt hatte.

Als Vorspeise gab es die Pastete vom Vorabend, 24 Stunden Festwerden und Durchziehen hatte sie noch besser gemacht. Das unten ist süßer Senf, der ausgezeichnet dazu passte.

Und das Blaukraut-Risotto mit etwas Orangenabrieb und einem Klecks Mascarpone – sehr gut. Es passte nicht mehr viel Schokolade hinterher.

Im Fernseher ließen wir den Eberhofer-Krimi Sauerkrautkoma laufen – und ich bin hiermit für einen Oscar für Location Scouting: So viele authentisch hässliche Häuser, Wohnungen, Einrichtungen, Landschaften in Bayern! Auch sonst fiel mir wieder die ausgesprochen originelle Kamera-Arbeit auf.

§

Wussten Sie, dass Tulpen tanzen können?

Journal Samstag, 23. März 2024 – Abgesoffene Wanderung durch die Maisinger Schlucht

Sonntag, 24. März 2024

Gut und lang geschlafen, ich zog den Rollladen zu einem sonnigen Morgen hoch.

Doch wie angekündigt bedeckte sich der Himmel bald. Ich merkte, dass meine Wanderlust auch eine Wanderung in Regen und Sturm einschloss, außerdem war für die Nacht zum Sonntag eine Rückkehr des Winters vorhergesagt, Regen erschien mir immer noch besser als Schnee und Graupel, also los nach Starnberg und durch die Maisinger Schlucht.

Ich nehme vorweg: Da hatte ich mich insgesamt verschätzt. Es regnete energisch. Die superduper Wanderjacke schützte zwar vor nassem Oberkörper und Kopf, doch die Wanderhose ist im Gegensatz zur Jacke nicht dazu gedacht, Regen abzuhalten: Sie zeichnet sich lediglich dadurch aus, dass sie besonders schnell trocknet. Wofür es aber wenigstens hin und wieder eine Regenpause braucht. Blöderweise regnete es durch, und das heftig. Nach einer Stunde, ich war gerade am Ende der Maisinger Schlucht, hatte ich nasse Socken, gegen Wasser aus nasser Hose helfen auch keine ziemlich dichten Lederwanderstiefel. Und nach anderthalb Stunden spürte ich, wie sich meine Unterhose aus der Wanderhose nass sog, jetzt wollte ich wirklich einfach nur heim.

Angefangen hatte das Ganze mit Durcheinander im S-Bahn-Verkehr: Notarzteinsatz auf der Stammstrecke (es ist unwahrscheinlich, dass ich die Inbetriebnahme der zweiten Stammstrecke noch erlebe, die solche Durcheinander reduziert).

Ankunft in Starnberg. Aussicht war aus.

Nachdem mein Weg sich mit dem zweier anderer Wanderer mehrfach gekreuzt hatte (es waren für das Sauwetter überhaupt erstaunlich viele Wandernde unterwegs, ich begegnete fünf weiteren), sprachen sie mich an: Ob ich auch nach Andechs ginge? So erfuhr ich, dass es eine Wanderung Starnberg-Andechs gibt. Wir waren uns einig, dass eine halbe Stunde ohne Regen unserer Kleidung gut täte.

Da das Vergnügen der Draußenbewegung im Regenströmen weniger lang anhielt als vorhergesehen, plante ich um auf Rückfahrt bereits vom S-Bahnhof Possenhofen und strich den Rückweg nach Starnberg über Prinzenweg. Am Bahnhof informierte mich die Anzeige, dass die nächste S-Bahn erst in einer halben Stunde kommen würde, also dreht ich eine Runde durch Pöcking, um nicht zu frieren. Als ich zurück zum Bahnhof kam, war diese S-Bahn gestrichen. Nun verlegte ich mich auf die nächste S-Bahn in die Gegenrichtung nach Tutzing, von dort würde es neben S-Bahnen auch Regionalzüge nach München geben.

Es war schließlich dieselbe S-Bahn, die mich zum Stachus brachte: Weder Fahrpläne noch Angaben in der MVV-App stimmten, das war die nächste Verbindung. Obwohl der Wagen geheizt war, fühlte ich mich durch und durch kalt, die mitgenommene Zeitung war nass und unlesbar, meine klammen Finger konnten eh nicht blättern.

In München hatte es aufgehört zu regnen, ich ging schnell nach Hause und ließ mir ein Bad ein: Ah, das heiße Wasser brachte Gefühl in Füße und Hände zurück. Die armen nassen Wanderstiefel stopfte ich mit (trockenem) Zeitungspapier aus, genau dafür (und für Umzüge) hat man ein Print-Abo. Frühstück um halb drei war dann die eigentlich als Wanderbrotzeit besorgte Nussschnecke, davor ein Apfel. Kurz darauf prasselte es schon wieder gegen die Fenster.

Bügeln unter erschwerten Bedingungen: Eigentlich ist die Haltung am Bügelbrett genau die, in der mein Kreuz derzeit brüllend schmerzt. Ich versuchte also mal Bügeln im Sitzen, gibt genug Menschen, die das immer so tun. Oah, nee, komplexere Stücke wie Blusen kriege ich so nicht in den Griff. Ich wechselte also mehrfach zwischen Stehen und Sitzen. Dabei hörte ich ein BBC-Stück von 2018, zum 40. Jahrestag des Hörspielstarts von Hitchhiker’s Guide Through the Galaxy:
“Don’t Panic! It’s The Douglas Adams Papers”.
Am meisten lernte ich daraus über die damalige BBC (z.B. taucht genau eine Frauenstimme in der Doku auf).

Erdnusskeksteig gekneten für ein Treffen in der Arbeit, Yoga-Gymnastik mit nur Dehnen. Zum Abendessen gab es nach ein paar libanesischen Nüsschen Rahmspinat mit Kartoffeln – irgendwas fehlte, es schmeckte sehr beilagig. Aber ich wurde angenehm satt. Dann noch Schokolade.

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Hatte ich verpasst: Andrea Diener bloggt wieder! Das darf sie “Newsletter” nennen, so lang sie möchte.

In “Aufblasflamingos und andere Obsessionen” schreibt Andrea:

Auf Urlaubsfotos, die ich mag, müssen Menschen abgebildet sein, nicht nur Sehenswürdigkeiten. Und zwar alle Menschen. Solche, die man kennt, wegen der persönlichen Erinnerungsfunktion. Aber auch solche, die nur zufällig im Bild sind.

Nicht nur bei Urlaubsfotos. Ich möchte mich sehr nicht in eine Reihe mit Fotografinnen des Kalibers von Andrea Diener stellen, ich knipse wirklich einfach nur herum, doch wenn möglich warte ich mittlerweile immer darauf, dass mir jemand ins Bild läuft, fährt, radelt – weil Menschen und Geräte das Foto zeitlich verankern. Auch das ein Beitrag zu “Ja, jetzt ist das langweilig. Aber in zwanzig Jahren!”

An den beschriebenen “trigger” kommen bei mir fotografierende Menschen heran, die halte ich besonders gern fotografisch fest – mit dem Problem, dass ich mich eigentlich nicht traue, fremde Menschen ohne ihre Einwilligung zu fotografieren. Wenn ich mich das traue, traue ich mich wiederum nicht, das Foto zu veröffentlichen – zumindest ist der Augenblick festgehalten.

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Die Übertragung von Literatur ins Medium Film ist immer spannend. Hier lässt sich Fatih Akin zu seiner Verfilmung von Tschick ausfragen – ich habe eine Menge gelernt.

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https://youtu.be/eSm1FqDyUX0?si=UMrbtwxmmqWMwS9c

Nebeninformation: Es gibt eine Website Tschickucation, eine Initiative der Familie Herrndorf, mit Schulmaterial zum Thema:

Du liest „Tschick“ im Deutschunterricht? Dann kann dir diese Seite helfen, den Roman besser zu verstehen.

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Abschließend eine Durchsage der Sprach-Hausmeisterin (ich glaube, die kommt jetzt öfter vorbei und der ist deskriptive Linguistik total wurscht):
Es heißt “Mundpropaganda”.
In den vergangenenen Monaten begegnet mir immer wieder “Mund-zu-Mund-Propaganda” – was soll das bitte sein? Tröpfcheninfektion?
Nein, der Duden kennt auch nur “Mundpropaganda”.
(Sie dürfen mich hier übrigens jederzeit auch hausmeistern. Vielleicht können wir sogar streiten! Mit solchen Nebensachen könnten wir Streiten üben.)

Journal Mittwoch, 1. November 2023 – Allerheiligen überm Tegernsee

Donnerstag, 2. November 2023

Yep, das war zu viel Alkohol am Vorabend gewesen, ich wachte trotz reichlich begleitendem Wasser mit Kopfweh und Kater auf. Und das wird wieder passieren: Wenn ich dann mal wirklich Lust auf Alkohol habe und die Gelegenheit, viele spannende Weine kennenzulernen, dann möchte ich das auch nutzen.

Für gestern hatten Herr Kaltmamsell und ich eine Wanderung geplant, weil erstens beide Zeit (das ist bei einem Vollzeit arbeitendem Lehrer an einem Feiertag nicht selbstverständlich), zweitens schönes Wetter angekündigt. Ausgesucht hatte ich den südlichen Tegernseer Höhenweg, weil der nicht allzu lang ist und wir ihn noch nicht im Herbst gegangen waren.

Wir nahmen einen Zug nach Tegernsee um elf, der sehr gut gefüllt war, manche mussten stehen. In Tegernsee ließen wir den Strom an Wanderer*innen vor, setzten uns erst noch auf einen Cappuccino in ein Café. Der tat mir wirklich gut: Nach starker Müdigkeit auf der Fahrt (der Kater) wurde ich jetzt munter. Die Landschaft war in diesem Licht und zu dieser Jahreszeit ein Genuss.

Blick nach Bad Wiessee und auf die Klinik, die mich nach der Hüft-TEP Reha-versorgt hatte.

Blick nach Rottach-Egern.

Eine Herde kleiner, sehr langzotteliger Rinder mit langen Hörnern, von denen einige die Hörner aneinander ausprobierten.

Kurz nach zwei Brotzeit in Rottach-Egern auf einem Bankerl an der Rottach: Ein Apfel und die Quarktasche, die ich frisch am Bahnhof gekauft hatte. Obwohl die erste Mahlzeit des Tages, war das zu viel gewesen, ich fühlte mich überfressen.

Gut zwölf Kilometer in gut drei Stunden.

Der Zug zurück nach München war schon 15 Minuten vor Abfahrt knallvoll, wir waren froh um bequeme und stabile Stehplätze. Doch ich hatte ja meine aktuelle Lektüre dabei, Achtsam morden von Karsten Dusse, und freute mich über die Gelegenheit, darin länger am Stück zu lesen. Ich bin immer noch ausgesprochen angetan, bei dieser Art Humor hätte man noch vor wenigen Jahren anerkennend gefragt: “Der ist doch bei Twitter!” Weil zumindest in meiner Timeline diese (vorgebliche) Weltsicht und Scherze typisch waren.

Daheim Häuslichkeiten und eine Runde Yoga-Gymnastik. Als Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell auf meinen Wunsch LINSEN, diesmal Beluga-Linsen mit Pasta.

Ganz köstlich. Nachtisch mit Herzen-Sterne-Brezen – die gehen ja nur in Dreier-Einheiten.

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Mayim Bialik versucht zu vermitteln, wie sie sich als Jüdin seit dem 7. Oktober fühlt, wie sich wahrscheinlich sehr viele Juden in den USA (und auf der ganzen Welt) fühlen, die erleben müssen, dass nach dem Hamas-Massaker Tausende Menschen in ihrer Heimat und an ihren Heimat-Universitäten die Auslöschung des jüdischen Volks fordern. Ich mag mir nicht ansatzweise vorstellen, wie das ist.
Hier ihr Video auf instagram.

via @eliyahhavemann