Journal Freitag, 20. Januar 2023 – Ein Abend im Green Beetle mit Besuch aus dem Internet

Samstag, 21. Januar 2023 um 11:06

Geschäftiger Morgen daheim, während draußen Schneeklocken herabsanken und liegenblieben. (Den Vertipper lasse ich mal, denn jetzt möchte ich, dass es Schneeklocken gibt. Das gestern waren allerdings ziemlich sicher keine. Könnten so diese Brocken Schnee heißen, die sich beim Autofahren am Rand des Kotflügels sammeln?)

Laune unerklärlich grottig, ich hielt mit meiner bescheuerten Mütze gegen, die Passanten dazu bringen sollte, ein wenig zu lächeln. Und mich dadurch aufzumuntern.

Im Büro strukturiertes Abarbeiten, überraschend gestört von saublödem Schwindel – ich fühlte mich wie betrunken (konnte aber klar denken). Das legte sich zum Glück bis Mittag.

Gefühlt war außerdem Donnerstagnachmittag die Heizung abgestellt worden. Irgendwann schlüpfte ich zu Jeans in Schneestiefeln, Rolli unter dickem Wollpulli auch noch in meinen Draußen-Janker, um endlich warme Hände zu bekommen. Zumindest den Janker konnte ich irgendwann ablegen.

Draußen war es hell, die meiste Zeit standen winzige Schneeflocken in der Luft.

Mittagessen: Quark mit Joghurt, vier vorgeschnittene Orangen.

Auch nachmittags gab es noch Arbeit. Ich beendete sie pünktlich, ging über Einkäufe im Vollcorner heim: Samstag darf ich mal wieder für uns kochen, ich hatte mir ein Menü nach Herrn Kaltmamsells Vorlieben überlegt (sonst geht’s ja immer nur um mich), kaufte dafür ein.

Kurzes Plaudern mit Herrn Kaltmamsell, dann machte ich mich fertig für meine Essensverabredung: Frau Brüllen war aus familiären Gründen in München und hatte mir den Freitagabend geschenkt. Wir trafen uns im Green Beetle, dem vegetarischen Fine-Dining-Restaurant des Käfer. Dorthin Fußmarsch in leichtem Schneefall zum Stachus, U-Bahn zum Prinzregentenplatz.

Meine Verabredung saß bereits im schönen Gastraum, und dann begannen ein paar wundervolle Stunden mit großartigen Speisen (nochmal eine deutliche Steigerung zum ersten Besuch vor einem Jahr – und schon da war ich angetan gewesen) und Gesprächen.

Das Menü im Green Beetle ist ein Überraschungsmenü, wir entschieden uns lediglich für eine Anzahl von Gängen (sechs) und verneinten Allergien und große Abneigungen. Das bedeutet allerdings, dass ich nicht genau nachschlagen kann, woraus die Teller genau bestanden, die uns in der Folge großen Genuss bereiteten.

Zwei Grüße aus der Küche, schon mal köstlich. Dazu gab’s gegenüber einen alkoholfreien Ingwer Spritz, bei mir ein Glas österreichischen Winzersekt vom Loimer.

Der umwerfende ersten Gang blieb bis zum Schluss mein Favorit: Sauerrahm-Terrine in einer Johannisbeerhülle, Mandelteigspitze darüber, Tapenade daran, in die Mitte wurde eine Basilikumbrühe gefüllt. Der Kasten darüber enthält frisch gebackenes Sauerteigbrot mit zwei Aufstrichen, das Brot handwerklich sehr gut und mild – wurde uns als Extrabestellung angeboten, sollte man auf keinen Fall verpassen.

Es folgte eine sehr intensive Consomée, darin unter anderem zweierlei Rüben, ein Grießnockerl, ein Schalotten-Chip.

Weiter ging es mit Gnocchi und Kürbis, dabei auch Birne, der Schaum darüber wurde durch Blaukraut so rosa.

Mittlerweile hatte ich mir ein Glas Weißwein empfehlen lassen: Der Pouilly Fumé Elisa Domaine Jonathan Didier Pabiot von der Loire war ein Volltreffer – zum einen wundervoll passend zu den Speisen, zum anderen genau die Art Parfum-freier Wein, die ich derzeit bevorzuge. Großes Gelächter beim Einschenken: Meine Ess-Gefährtin hatte genau diesen Wein bei einem kürzlichen Restaurantbesuch für sich entdeckt und umgehend ein Kistlein gekauft.

Dieser Gang wurde mit Deckel serviert, der erst am Tisch abgenommen wurde: Pochiertes Ei mit Trüffel und Pfifferlingen, darüber ein Knusper, der den Textur-Mix perfekt abrundete.

Sensationelles Himbeer-Sorbet dazwischen.

Als Hauptgang kam die gefürchtete Schwarzwurzel, die ich eigentlich gar nicht mag. Hier war sie als Chip richtig gut (alles wird durch Frittieren köstlich), gedämpft schmeckte sie so neutral, dass ich sie nicht erkannt hätte. Vor allem aber mochte ich die geflämmte Polenta, und der Kerbel-Crumble war ein Hit.

Das Dessert ein weiteres Feuerwerk an Texturen und Aromen: Knuspriges Engelshaar mit unter anderem Fingerlimette drauf und Schokolade drunter, mit Vanillecreme gefüllt, ein Nougateis zum Verlieben, das Zitrussößchen in der Mitte jagte ich bis zum letzten Tröpfchen vom Teller.

Zum Espresso auch noch drei Pralinchen.

Es stellte sich heraus, dass meine Verabredung genauso ungehemmt über jeden servierten Gang begeistert aahte und oohte wie ich – das waren aber auch wirklich Kunstwerke. Gegen elf verabschiedeten wir uns sehr satt (Einmerker für nächstes Mal: lieber nur fünf Gänge) von der bezaubernden Bedienung, gingen durch matschigen Schnee auf den Wegen zur U-Bahn. Bis Odeonsplatz fuhren wir zusammen, dann wieder Abschied – diesmal aber wahrscheinlich nur für wenige Monate.

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Gesundheitsmarketing am Limit: Die “Hüftmanufaktur”.
Wobei – nachdem die hiesige “Brotmanufaktur” einfach eine Bäckerei ist, verbirgt sich hierhinter vielleicht eine Hüfterei?

via @nebengleis

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Es gibt sie noch, Toon-Blog-Urgestein Lisa Neun! (Und der Wechsel-Header ihres Blogs ist immer noch mein liebster Blog-Header.)
Hier ihr Betrag zu “Protest ist ja ok – aber doch nicht so!”:
“Rotzlöffel”.

die Kaltmamsell

Journal Donnerstag, 19. Januar 2023 – Mühsamer Tag, aber Schnee

Freitag, 20. Januar 2023 um 6:10

Auch diese Woche zieht sich, ich musste mich morgens mehrfach daran erinnern, dass erst Donnerstag war, nicht schon Freitag. Aber diesmal hatte ich tief und bis Weckerklingeln geschlafen.

Herr Kaltmamsell war früh wach – und rief mich als Erstes zum namibischen Wasserloch: Sechs Giraffen waren gleichzeitig dort. Ein Schakal hielt Abstand.

Der Blick ins heimische Draußen, ohne Webcam und einfach durchs Fenster, überraschte mich ebenfalls: Es hatte geschneit. Nicht viel, aber genug, dass der Fußweg in die Arbeit hübsche Anblicke bot. Und es war kalt genug für Liegenbleiben.

Arbeitsdichter Vormittag. Die Sonne kam raus, mittags ging ich auf einen der letzten richtig guten Cappuccinos zum Emilo, der ja am 31. Januar schließt. Nur dass das Café auch gestern geschlossen war, einfach so und außer der Reihe. Also gab es einen auch guten Cappuccino im Beaver Coffee.

Später am Schreibtisch Mittagessen: Haferflocken mit Joghurt und Trockenfeigen, ein großes Glas vorschnittene Cowdfarming-Orangen (SO super!).

Nach Feierabend marschierte ich zum ersehnten Beine-Enthaaren. Doch die Enthaarerin hatte den Termin versehentlich doppelt vergeben, wir standen zu zweit für 18.05 Uhr vor ihr. Jetzt war’s eh schon wurscht, verärgert verschob ich meinen Termin auf nächste Woche.

Daheim versuchte ich, mit einer Folge Yoga runterzukommen, klappte nur so mittel.

Dafür gab es köstliches Abendessen, das ich genießen konnte.

Herr Kaltmamsell hatte aus eben geholtem Ernteanteil ein Lieblingsessen zubereitet: Sellerieschnitzel mit Majo. Diese gab es zudem mit Cranberrys (von Herrn Kaltmamsell eingekocht), Beilage Wirsinggemüse.

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Spielen wir doch wieder Blick zurück.

Vor 10 Jahren:

Vor 20 Jahren – passe ich gleich mal, ich finde kein Foto vom Januar 2003.

Vor 30 Jahren, Selbstportrait im schraddligen Hotel in Manhatten ums Eck vom Times Square. Ich hatte die guten Ilford Schwarz-weiß-Filme mitgenommen, sie schienen mir für New York im Januar passend.

die Kaltmamsell

Journal Mittwoch, 18. Januar 2023 – #Lindwurmessen bei Pizza Pocci

Donnerstag, 19. Januar 2023 um 6:37

Wieder zu früh aufgewacht, wieder wegen Angstwallungen nicht weiterschlafen können. Diesmal verlegte ich mich aber darauf, dass halbwaches Rumliegen auch Ausruhen ist.

Für den Weg in die Arbeit zog ich mich warm an, es war frostig geworden (dringend nötig, ich glaube an Bäumen Knospen zu sehen, die da im Januar wirklich noch nicht hingehören). Die warme Kleidung war auch fürs Büro genau richtig, selbst wenn hin und wieder Sonnenstrahlen wärmten.

Zu Mittag gab es viele vorgeschnittene Crowdfarming-Orangen (köstlich) und Pumpernickel mit Butter.

Nach Feierabend marschierte ich direkt nach Hause: Ich wollte vor dem #Lindwurmessen1 noch eine Runde Yoga turnen. Das klappte auch.

Fürs Abendessen nahmen wir eine U-Bahn zur Poccistraße. Als nächstes, das wussten wir, waren drei Imbissläden mit Sitzgelegenheit dran (wir hatten als Kriterien für zu besuchende Lokale an der Lindwurmstraße Abendöffnung und Essen im Sitzen festgelegt). Der erste war Pizza Pocci, Zusatzpunkte für die Benamsung.

Ein großer Gastraum mit vielen Tischen, alle leer, beschallt mit türkischen Schlagern (ein YouTube-Mix, ich sah den Bildschirm an der Wand). Hinter der Theke ein einziger Mitarbeiter, auf Tafeln waren Pizzen und Getränke angeschrieben (die außen am Lokal zu lesenden “Burger”, “Köfte”, “Curry”, “Wurst”, “Pasta”, “Salate” waren nur Buchstaben-Deko). Wir bestellten eine Pizza Hawai für Herrn Kaltmamsell, eine mit Spinat, Knoblauch und Feta für mich, der Mann hinter der Theke bereitete sie zu und servierte.

Wir einigten uns auf “unkonventionell” und wurden satt. Während wir aßen, kam jemand vorbei und holte sich eine Mitnehm-Pizza, wir waren also nicht ganz die einzigen Gäste. Spaziergang nach Hause, dort gab’s noch Schokolade.

Ich kramte nach Fotos von vor 20 Jahren und stellte fest, dass es in meinem Bestand zwischen 1996 (die letzten in ein Album geklebten Papierfotos) und 2004 (die jüngsten Bilddateien auf meiner Festplatte) eine Archivierungslücke gibt. Bevor ich mich an die Schachtel mit wenig sortierten Papierfotos mache (in meist beschrifteten Umschlägen, zudem gemischte und freifliegende Stapel), plane ich jetzt die Festplattisierung von selbst gebrannten CDs: Die halten sich ja gefürchtet schlecht.

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Eine sehr ausführliche, tief recherchierte und interessante Beschreibung der Vorgänge bei Twitter seit April 2022, Ergebnis einer Zusammenarbeit von New York Magazine und The Verge:
“Extremely Hardcore”.

via kl. bruellen

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Der hoch respektierte Ted Chiang machte sich 2017 Gedanken, warum gerade die erfolgreichsten Unternehmer im Silicon Valley Künstliche Intelligenz als große Gefahr sehen.
“Silicon Valley Is Turning Into Its Own Worst Fear”.

When Silicon Valley tries to imagine superintelligence, what it comes up with is no-holds-barred capitalism.

(…)

There are industry observers talking about the need for AIs to have a sense of ethics, and some have proposed that we ensure that any superintelligent AIs we create be “friendly,” meaning that their goals are aligned with human goals. I find these suggestions ironic given that we as a society have failed to teach corporations a sense of ethics, that we did nothing to ensure that Facebook’s and Amazon’s goals were aligned with the public good. But I shouldn’t be surprised; the question of how to create friendly AI is simply more fun to think about than the problem of industry regulation, just as imagining what you’d do during the zombie apocalypse is more fun than thinking about how to mitigate global warming.

via @chrisstoecker

  1. Wir futtern uns nacheinander durch alle Lokale an der Südseite der Lindwurmstraße von Sendlinger Tor westwärts bis Stemmerhof, dann an der Nordseite wieder zurück. []
die Kaltmamsell

Journal Dienstag, 17. Januar 2023 – Mehr Lindy Hop

Mittwoch, 18. Januar 2023 um 6:20

Zu früh aufgewacht, dann konnte ich nicht mehr einschlafen, weil mein Hirn unbezahlt Arbeitsorga-Probleme wälzte (durchaus mit umsetzbaren Ergebnissen). Also stand ich auf, ich konnte die zusätzliche Zeit am Morgen ja für die nächste Yoga-Folge nutzen.

In der Vorschau hatte ich bereits am Kuschel-Outfit der Vorturnerin Adriene gesehen, dass das eine Folge mit Thema Entspannung war. Ich schummelte, indem ich die ersten sechs Minuten Sitzen mit Geplapper für meinen täglichen Bankstütz/Seitstütz verwendete (“find what feels good”? eben das). Die restlichen 20 Minuten dehnte, saß, beugte, lag und schnaufte auch ich.

Wieder ein wolkenloser Arbeitsweg, nur gestört von einem rechten Schnürschuh, der nach Jahren der Nutzung zum Sockenfressschuh wurde.

Im Büro machte ich mich umgehend an die Umsetzung meiner schlafstörenden Orga-Ideen – über den Vormittag immer müder, ich hätte lieber den Schlaf statt dessen gehabt.

Dazwischen Beseitigung der Sauerei, die ein wahrscheinlich schon längeres Umkippen und teilweises Auslaufen meines Glases schwarzer Tinte in einer Schublade verursacht hatte. Inklusive anschließendem Scheuern meiner Hände: Ich wollte sie zum abendlichen Tanzkurs bitteschön vorzeigbar haben.

Mittagessen: Apfel, Avocado, Pumpernickel.

Es war kälter geworden, der Himmel hatte zugezogen. Auf dem Heimweg erledigte ich Einkäufe beim Vollcorner und im Supermarkt. Daheim checkte ich nur kurz die Orangen aus der eben angekommenen Crowdfarming-Lieferung, dann war es schon Zeit für den Aufbruch zum Lindy-Hop-Kurs. Ich hatte mir mittlerweile online die superbilligen Stoffschnürschuhe mit Gummisohle besorgt, die ich an Tanzlehrerin und bei Lindy-Hop-Wettbewerben sehe, die verwende ich künftig ausschließlich für diesen Tanzboden (vergangene Woche trug ich wegen des Straßenschuhverbots meine Aerobic-Hallenturnschuhe, die doch etwas klobig waren).

Diesmal war der Saal nicht ganz so voll, ich kam viel zum Tanzen mit wechselnden Partnern und Partnerinnen. Von diesen lernte ich viel, über die beigebrachten Tanzschritte, aber auch über sie (ohne dass wir uns unterhalten hätten). Durch den häufigen Wechsel, so mein Eindruck, sank die Befremdung und Überwindung, einen fremden Menschen anzufassen, insgesamt waren es ja doch etwa ein Dutzend. Dennoch entschuldigten sich manche für ihr Schwitzen. Hätte ich das auch tun sollen? Auch mein T-Shirt fühlte sich gegen Ende sicher feucht an. Der Wehlaut “Und wie komm ich jetzt da wieder raus?!” eines Leaders in der ersten Hälfte der Stunde erheiterte mich, es ging aber um eine Tanzfigur.

Mich überraschte, wie viel der dazu gespielten Musik ich erkannte: Die ausgiebige Bigband-Phase meiner Jugend, angestoßen durch den James-Stewart-Film The Glenn Miller Story im Fernsehen, hatte ich bereits vergessen.

Zurück daheim wartete das Abendessen auf uns: Herr Kaltmamsell hatte aus einem kleinen Blaukraut aus Ernteanteil einen Salat mit Orangen, Apfel, Feta gemacht. Danach Schokolade.

Im Bett neue Lektüre: Gabrielle Zevin, Tomorrow, and Tomorrow, and Tomorrow.

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Eben bloggte ich zu Gina Lollobrigida noch, dass sie 94 Jahre alt und lebendig sei – da stirbt sie mir mit 95 weg.
Hier ein wunderschöner Rückblick im Guardian in Fotos.
“Gina Lollobrigida: a life in pictures”.

(Auf dem Foto vom Berliner Filmball 1954 gleich mal geguckt, ob ich im Hintergrund die legendäre Tante Rita von Herrn Kaltmamsell entdecke – die frequentierte solche Veranstaltungen damals.)

Der Verfasser des eigentlichen Guardian-Nachrufs auf sie, John Francis Lane, verstarb bereits vor 2018 (an einem 15. Januar). Denn selbstverständlich haben Medien Nachrufe von bedeutenden Menschen im Stehsatz, damit sie bei Bedarf auch gründlich recherchiert sind.

die Kaltmamsell

Journal Montag, 16. Januar 2023 – Ich werde ein Mensch mit Wohnungsdekomeinung

Dienstag, 17. Januar 2023 um 6:04

Am Morgen war immer noch kein Internetzugang da. Herr Kaltmamsell telefonierte mit unserem Provider (keine größere Störung, Technik-Support ab 9 Uhr verfügbar), ich schaffte es nach mehreren Anläufen, über iPhone-Hotspot online zu kommen – noch ein Glück, denn auf Reisen hatte ich das mehrfach vergeblich versucht: Auch nach Freischaltung am Smartphone tauchte es einfach nicht als verfügbares WLAN auf; diesmal dann dann doch nach Aus- und Einschalten aller möglichen Einstellungen.

Fußweg in die Arbeit unter sattblauem und wolkenlosen Himmel kurz vor Sonnenaufgang, das war sehr schön.

In der Arbeit Arbeit. Mittags ging ich kurz raus, um in einem Paketshop ein Päckchen aufzugeben. Der Sonnenschein wärmte meine strumpfbehosten Waden.

Mittagessen: Karottensalat mit Koriander (das Crispy Chilli rülpserte noch angenehm nach), Banane.

Herr Kaltmamsell konnte keine Wiederherstellung des heimischen Internets vermelden – der Ärmste, war er doch schon am Vorabend in eine schlimme Identitätskrise gestürzt, weil er seiner Frau NICHT! MAL! INTERNET! bieten konnte.

Nach Feierabend direkter Heimweg, es war nichts einzukaufen. Und dann begrüßte mich zuhause Herr Kaltmamsell mit der Information, seit 17:22 Uhr hätten wir wieder Internet, unbekannte Gründe. Sehr schön, also konnte ich meine geplante Folge Yoga streamen. Sie war angenehm.

Im Alter scheine ich ja ein Mensch mit Ansprüchen an Einrichtungsästhetik zu werden. Niemand ist davon überraschter als ich (na gut, vielleicht Herr Kaltmamsell). Und so hatte ich im Vorbeigehen an einer arabischen Metzgerei in der Landwehrstraße diese tiefe Servierplatte im Fenster nicht nur wahrgenommen: Ich empfand großes Gefallen. Ein paar Tage später nutzte ich ein weiteres Vorbeigehen zu Geschäftszeiten für einen Kauf. Auf dem Esstisch stand sie eigentlich nur nach dem Reinigen, damit ich sie bei Gelegenheit in den Geschirrschrank räumen konnte.

Doch jetzt gefällt mir ihr Anblick so gut (die Proportionen, die Farben, die Plastizität des Farbauftrags in der Mitte), dass ich sie dort stehen lasse. Und mich immer wieder daran freue. (13,99 Euro, wohl typisch tunesisch/marokkanisch? Ich nenne den Stil einfach mal Landwehrstraßen-folkloristisch.)

Herr Kaltmamsell hatte aus den ersten nachgereiften Crowdfarming-Avocados seine famose Guacamole zubereitet (die mich für alle in der Gastro verdorben hat). Die gab es ohne nix als Vorspeise. Dann das restliche Rehragout vom Sonntagabend mit Papardelle, eine wunderbare Kombi. Nachtisch Schokolade.

Zum Eisen gegen eingerissene Mundwinkel: Schon nach zwei Dosen glaubte ich eine Verbesserung zu spüren; nach weiteren drei bin ich sicher, dass die Mundwinkel geheilt sind. Ich nehme die Eisentabletten jetzt mal zwei Wochen weiter (immer beim Aufwachen zum nächtlichen Klogang, weil ich nur dann den mehrstündigen Abstand zu Aufnahme-hemmenden Nahrungsmitteln garantieren kann; das optimierende Vitamin C ist in diesem Präparat bereits enthalten). Gravierender Eisenmangel wurde bei mir trotz Ernährung mit Fleisch, Nüssen, Hülsenfrüchten immer wieder diagnostiziert, deshalb hatte der Verdacht nahegelegen.

die Kaltmamsell

Journal Sonntag, 15. Januar 2023 – Frühstück mit einer Bloggersdorf-Legende

Montag, 16. Januar 2023 um 6:36

Ausgeschlafen aufgewacht aus einem Wohnungstraum, doch dieser hatte in meinem tatsächlichen Wohnhaus gespielt. Ich hoffe, dass ich dafür nicht extra Miete berechnet bekomme. (Na gut, das Haus war erweitert um einen Innenhof mit Galerien, von denen die Wohnungstüren abgingen, manche Stockwerke waren statt in zwei in drei Wohnungen aufgeteilt.)

Herr Kaltmamsell hatte sich diesen Sonntag für die jährliche Herstellung von Orangenmarmelade vorgenommen, in doppelter Menge wie sonst, da der Bedarf die bisherige Produktion immer überstiegen hatte. Als ich mich also kurz vor zehn, nach dem Drappieren der gewaschenen Bettwäsche über die Türen der Wohnung, zur Frühstücksverabredung aufmachte, ließ ich einen bereits seit zwei Stunden Orangenschalen schnippelnden Ehemann zurück.

Im Café Glockenspiel traf ich mich mit einem Stück verloren geglaubtem Blog-Urgestein. Sie sah so wunderschön aus wie immer, tut weiterhin extrem spannende Dinge, Eltern und sehr alter Hund sind wohlauf (nach langer Pause traue ich mich ja immer nicht direkt fragen und hoffe, dass sich die Information aus dem Gespräch ergibt), und ich bin sehr glücklich, dass sie wieder in meinem Leben auftauchte.

Als Nicht-Frühstückerin entschied ich mich für das Frischkornmüsli mit Joghurt und Obst; das bekam ich tatsächlich über die nächsten Stunden weggelöffelt.

Nachdem ich sie zu ihrer S-Bahn zum Flughafen begleitet hatte, wäre ich sehr gerne noch lange spazieren gegangen, doch es regnete hässlich, ich hatte keinen Schirm dabei, und schon nach einer Stunde verging mir durchgefeuchtet wirklich der Spaß.

Zumindest hatte ich bis dahin entdeckt, dass es jetzt in der Briennerstraße einen Fortuny-Laden gibt.

Nirgendwo ein Preisschild zu sehen (würde vielleicht ablenken).

Sehenswürdigkeiten im Regen.

Daheim gab’s zwei Scheiben Weizenmischbrot vom Brantner. Auch am zweiten Tag war das Brot noch saftig, aber halt bis zum echten Backfehler sauer.

Dann hatte ich frei: Keine Wochenend-Süddeutsche, weil am Samstag keine geliefert worden war.

Statt dessen las ich Sayaka Murata, Ursula Gräfe (Übers.), Die Ladenhüterin in einem Haps (keine Leistung, hat lediglich Novellen-Länge, auch die Erzählstruktur einer solchen). Ein Plädoyer für Vielfalt und Toleranz mit unerwartetem Twist: Was, wenn die Andersartigkeit in dem dominierenden Bedürfnis besteht, im Dasein einer 24-Stunden-Supermarkt-Angestellten aufzugehen, mit den Regeln und der Identität dieses Markts zu verschmelzen?

Für die Montagsbrotzeit kochte ich mir Karottensalat mit Koriander, wiederholte dann die Yoga-Folge vom Freitag.

Herr Kaltmamsell servierte zum Nachtmahl Rehgulasch mit Ernteanteil-Blaukraut.

Dazu ein Glas Spätburgunder, der auch ins Blaukraut und zum Hirsch gekommen war. Nachtisch Schokolade.

Kurz vorm Zu-Bett-Gehen der existenzielle Schreck: Unsere Internet-Verbindung war weg (WLAN stark und super).

die Kaltmamsell

Journal Samstag, 14. Januar 2023 – Nachmittag mit ausgewandertem Freund an der Isar

Sonntag, 15. Januar 2023 um 7:59

Gut und lang geschlafen.

Überm Morgenkaffee erst mal am namibischen Wasserloch Strauße beim Schlammbaden beobachtet.

Bereits fertiggemacht zum Schwimmen holte ich beim Bäcker Julius Brantner Brot, sein “Bio Brothandwerk 25” (auch wenn ich es als Zumutung empfinde, bei anderen Bäckern “Weltmeisterbrot” oder “Knorzi” sagen zu müssen: ist ein Wort wie aus dem Werkzeugkatalog wirklich die einzige Alternative?).

In deutlichen Plusgraden und freundlichem Licht radelte ich zum Olympiabad. Die Bahnen waren ziemlich voll, fast alles Geräteschwimmer. Doch möglicherweise trieben sie ohnehin einen ganz anderen Sport als ich. Als ich eine Schwimmerin, die mich gerade flott überholt hatte und die jetzt am Rand anhielt, durch eine Geste zum Voranschwimmen einlud (damit sie mich nicht gleich wieder überholen musste), lehnte sie ab: “Ich hab noch Pause.”

Die Wassertemperatur ließ mich 3.000 Meter schwimmen, die letzten 1.000 mit nur gelegentlichem Frösteln.

Daheim gab es kurz vor zwei Frühstück: drei dicke Scheiben Brothandwerk-25-Brot, darauf Nocilla oder Butter.

Die karamellbraune Farbe der Krume (deutlich karamelliger als auf dem Foto) machte mich misstrauisch: Entsteht die wirklich nur durch 40 Prozent Roggenmehl? Der Geschmack war überraschend sauer für ein Weizenmischbrot, die angegebenen 48 Stunden wurde der Teig offensichtlich ziemlich kalt geführt. Eigentlich selbst für ein Roggenbrot zu sauer. Textur schön elastisch, jetzt wird noch spannend, wie es sich am nächsten Tag entwickelt hat.

Herr Kaltmamsell und ich waren mit dem nach Goslar ausgewanderten Freund, Herrn Mittagesser Sebastian, verabredet, er machte nach einer sehr anstrengenden Arbeitsphase gerade Urlaub in München. Wir trafen uns am belebten Marienplatz, nahmen dann eine U-Bahn nach Thalkirchen, um meine Joggingstrecke hinauf nach Pullach zu spazieren.

Es waren sehr schöne Stunden: Mich freuten Neuigkeiten, Rückblicke, Plaudern, auch dass ich ihm neue Anblicke und Ausblicke zeigen konnte. Ich erfuhr viel über Goslar und den Harz, ein Besuch dort wird immer konkreter.

Isarwerk 1

Blick von der Großhesseloher Brücke.

Isartal bei Pullach.

Für mich neu war dieses Licht: Ich kenne die Strecke ja nur vom Morgen bis Mittag.

In einem Pullacher Café kehrten wir auf Kaffeunkuchen (die Herren) und ein Getränk (ich) ein. Zurück nahmen wir eine S-Bahn, Abschied am Stachus auf ein baldiges Wiedersehen.

Kurz vor Heimkehr kämpfte ich wieder mit Kreislauf-Turbulenzen (oder vielleicht doch irgendwas mit Blutzucker nach dem zuckrigen Getränk auf fast leeren Magen?). Ich legte mich ins Bett, nach der Phase Schweißausbruch mit Frieren schlief ich kurz erschöpft ein, wachte erschöpft auf.

Herr Kaltmamsell hatte das Abendessen bereits vorbereitet, musste es nur noch erhitzen.

Der Ernteanteil hatte mit Grünkohl und Karotten die Basis für einen herzhaften Eintopf geliefert, genau das Richtige. Nachtisch Schokolade.

Ich hatte Candice Carty-Williams, Queenie ausgelesen, die Geschichte einer jungen Londonerin aus karibischer Familie, die gerade eine dunkle Phase durchmacht: Die mehrjährige Beziehung zu einem weißen Londoner aus guter Familie zerbricht, ihr erster Job in einer Magazin-Redaktion wackelt, sie kommt mit sich und ihrer Community nicht zurecht, das alles personal aus der Perspektive dieser Queenie erzählt. In der ersten Hälfte ermüdete mich der reichliche wahllose und sehr detailliert beschriebene Sex, auch wenn ich mit der Zeit erkannte, dass die Details für die Charakterzeichnung der Protagonistin wichtig waren. Die Perspektive der jungen Frau of colour in England und ihr Kampf gegen Stereotypen hätten mich mehr gekriegt, wenn nicht verschiedene Aspekte fast lehrbuchartig anhand von Begegnungen mit stereotypen Weißen dargelegt worden wären. Interessanter fand ich da schon die Zwänge der eigenen Commmunitiy von Familien aus Afrika und aus der Karibik, die unter anderem die Existenz psychischer Probleme oder Erkrankungen negiert.

Im Bett begann ich meine neue Lektüre: Sayaka Murata, Ursula Gräfe (Übers.), Die Ladenhüterin.

die Kaltmamsell