Journal Dienstag, 10. Mai 2022 – Mein erster Einkauf beim Käfer

Mittwoch, 11. Mai 2022 um 6:34

Ich hatte morgens ein wenig mehr Zeit, weil ich zur Terminbewältigung des Tages mit dem Fahrrad unterwegs sein würde. Also sandelte ich ein wenig überm Bloggen, ließ es zu, dass ich mich in der einen oder anderen Richtung festlas.

Weg in die Arbeit durch einen Frühsommermorgen, aber vom Radl aus keine Gelegenheit, am Himmel überm Westend nach Mauerseglern zu suchen.

Im Büro nochmal zwei Blöcke Online-Schulung, diesmal schon nicht mehr so faszinierend, restliche Arbeit dazwischen und darunter geschoben.

Eigentlich hätte ich am Donnerstag meinen nächsten Friseurtermin (ich vereinbare den immer schon beim Besuch, Abstand derzeit gut zwei Monate), doch selbst unfreundliche Betrachtung meines Spiegelbilds ergab: Alles super. Ich verschob den Termin auf Ende Mai, damit es auch wirklich etwas zu schneiden gibt.

Zum Mittagessen Pumpernickel mit Butter, Apfel, Orange.

Draußen entwickelte sich ein Frühsommertag. In diesem stieg ich mitten am Nachmittag aufs Rad in die Innenstadt: Termin bei einer neuen Gynäkologin. Ich war aufgeregt ob der Hoffnung, dass sie mich ernst nehmen, sich mit Wechseljahrhormonen auskennen, mir helfen würde.

Der Blick aus dem Wartezimmer war schon mal nicht schlecht.

Und ja: Diese Frauenärztin machte einen sehr guten Eindruck. Ich verließ die Praxis nach ausführlichem Gespräch mit echtem beiderseitigen Kennenlernen, nach Untersuchung, Blutabnahme zur Hormonbestimmung (und musste wieder auf die Waage, nachdem mir die MTA versicherte, dass mein Gewicht ein notwendiger Parameter bei der Blutanalyse sei) mit Überweisung zur Mammografie (und eindringlicher Anweisung, sie auch einzulösen), einem Termin zur Telefonsprechstunde nächste Woche für die Durchsprache der Blutuntersuchung und mit einem Rezept für ein Gel mit bioidentischen Hormonen. Ich fühlte mich euphorisch: Gute Aussichten!

Das hatte alles länger gedauert als veranschlagt (in diesem Fall ein gutes Zeichen, weil die Ärztin nach einer Bemerkung von mir spontan umgeplant hatte), daheim wartete schon Herr Kaltmamsell auf mich: Wir waren verabredet, um beim Käfer in Bogenhausen für einen sehr großzügigen Gutschein einzukaufen.

Dazu radelten wir durch einen sensationellen sonnigen und warmen Maientag – und in dichten Pulken weiterer Radler*innen, denn wir hatten auf meine Bitte die scenic route entlang der Isar gewählt. Uns pressierte es ja nicht, wir konnten einfach mit dem Radlschwarm schwimmen, die Luft und das herrliche Licht genießen.

Beim Käfer sahen wir uns ausgiebig um, durchstreiften die engen, verwinkelten Gänge des Ladens auf zweieinhalb Ebenen im Altbau in der Prinzregentenstraße (immer den Dallmayr zum Vergleich im Kopf – größter offensichtlicher Unterschied neben Enge und Verwinkelung statt Großzügigkeit: keine Touristen!). Wir kauften Fleisch, Käse, Fisch, Süßigkeiten, Aperitif und fürs gestrige Abendessen Feinkostsalate, Brot und Erdbeeren. Mit all diesen Köstlichkeiten in Rucksack und Fahrradkorb schaukelten wir die Isar entlang nach Hause.

Ich schnippelte die ersten Erdbeeren der Saison (superaromatisch), Herr Kaltmamsell richtete das Nachtmahl an.

Von oben: Geflügelsalat, Pilzsalat (mit riechbarem Trüffelöl), Artischockensalat, Krabbencocktail. Das schmeckte alles sehr, sehr gut. Nach den Erdbeeren passte nicht mehr viel Schokolade hinterher.

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Kontrastprogramm zum Einkauf beim Käfer (mir ist sehr bewusst, wie reich und privilegiert ich lebe): Ein Artikel in der gestrigen Süddeutschen zum Thema Armut aktuell (mir gefällt u.a., dass hier mal ein Vater im Mittelpunkt steht) als Aufklärung für die Fraktion “Also wenn ICH arm wäre, wäre ich nicht lange arm” (€ – ironischerweise, denn damit können sich die Menschen, um die es in diesem Artikel geht, die Lektüre nicht leisten):
“Fünf Euro, drei Mahlzeiten – und jetzt die Inflation”.

Ende 2013 wird er offiziell erwerbsunfähig. Er bekommt seitdem eine Rente, gerade liegt sie bei 899 Euro. Seine Frau arbeitet in der Pflege, in Teilzeit, mehr geht nicht, der Rücken ist kaputt. Der älteste Sohn verdient als Auszubildender noch etwas dazu. Alles in allem aber reicht das Geld nicht zum Leben, die Familie muss aufstocken, sie bekommt Hartz IV. Knapp gewesen sei es damit immer, sagt Wasilewski, aber in den letzten Monaten habe sich etwas verändert.

(…)

Ein halbes Jahr ist es jetzt her, seit Wasilewski das erste Mal zur Tafel ging. Er ziehe sich dann eine Mütze tief ins Gesicht, sagt er, er will nicht erkannt werden. Seine Söhne wissen nicht, woher das Essen kommt, das bei ihnen zu Hause manchmal auf dem Tisch steht. Seit sechs Monaten macht Wasilewski auch seine Fahrradtouren von Discounter zu Discounter.

(…)

Für Menschen mit etwas mehr Geld mag die Inflation ein abstraktes Konstrukt sein. Für Thomas Wasilewski bedeutet sie, dass die billigsten Haferflocken jetzt nicht mehr 39, sondern 60 Cent kosten. Das Toastbrot nicht mehr 99 Cent, sondern 1,19 Euro. Hamburger, der Dreierpack, nicht mehr 3,49, sondern 4,80 Euro. Wasilewski muss bei den Preisen nicht überlegen. Er hat sie alle im Kopf, und das muss er auch. Der Hartz-IV-Regelsatz sieht pro Person monatlich 155,82 Euro für Essen und alkoholfreie Getränke vor. Das ergibt etwas mehr als fünf Euro am Tag, und es bedeutet, dass er seine Familie von weniger als 30 Euro satt kriegen muss. Das schafft er einfach nicht mehr, sagt er.

(…)

Da ist zum Beispiel die Geschichte mit den Schulbüchern. Vor einiger Zeit sollte er seinen Kindern welche für das laufende Schuljahr kaufen, er legt ein Schreiben auf den Tisch, da steht der Betrag schwarz auf weiß: für 96,94 Euro. Der Hartz-IV-Regelsatz sieht pro Kind für Bildung 1,62 Euro pro Monat vor, für alle drei zusammen also 4,86 Euro. Sie hätten darauf fast zwei Jahre sparen müssen. Am Ende erstritt Wasilewski das Geld vor Gericht. Er sagt: „Wenn es so weit ist, dass die Kinder am Unterricht nicht mehr teilnehmen können, ohne vor Gericht gehen zu müssen – ich glaube, dann ist das Ende der Fahnenstange erreicht.“

die Kaltmamsell

Journal Montag, 9. Mai 2022 – Die Mauersegler sind da

Dienstag, 10. Mai 2022 um 6:39

Eine wirklich gute Nacht, nach einem Aufwachen um Mitternacht schlief ich bis kurz vor Weckerklingeln tief.

Ich vertraute wieder auf die Wetterprognose und wagte mich in ein Frühlingskleid fürs Büro. Auf meinem Weg dorthin wurden die Wolken immer weniger, der angekündigte Sonnentag trat ein.

Online-Schulung zu einem Randgebiet meines Jobs – aber so interessant gestaltet, dass ich versucht bin, mich richtig reinzudenken. Dabei weiß ich doch, wie verheerend es für die Arbeitslast ist, wenn man sich in einem Fachgebiet auskennt.

Für die Mitschrift ein neues Notizbuch angefangen (Semikolon).

Mittagessen: Pumpernickel mit Blauschimmelkäse drauf, ein besonders köstliches Chicoree-Köpflein aus Ernteanteil geschnippelt mit Himbeeressig-Dressing.

Nachmittags Teil zwei der vierteiligen Schulung, Tagesgeschäft nebenher und drumrum abgearbeitet.

Lustiges Bewegungsmuster beim Gehen, Hinsetzen und Aufstehen wegen Muskelkater. Draußen blieb das schöne, milde Wetter. Eine Folge der stundenlang gekippten Bürofenster: ein gelber Schleier von Blütenstaub auf allen Möbeln.

Auf dem Heimweg schlenderte ich, um die wundervolle Maienluft zu genießen. Umweg über den Vollcorner für Einkäufe von der Liste.

Zu Hause eine kleine Runde Yoga, zum Durchbewegen und gegen den Muskelkater. Als Abendessen verarbeitete Herr Kaltmamsell den Pak choi aus Ernteanteil und restlichen Stangensellerie vom Ossobuco mit Sojahack zu chinesischer Gemüsepfanne, servierte mit Reis – wieder sehr wohlschmeckend. Danach Schokolade, die Berge von Osterschokolade haben nicht mal drei Wochen gereicht.

Es ist ungewöhnlich, dass Herr Kaltmamsell laut und energisch nach mir ruft. Doch er stand auf dem Balkon und hatte allen Grund: Entdeckung der ersten Mauersegler am Himmel!

Früh ins Bett zum Lesen, meiner derzeitigen Lektüre Octavia Butler, Parable of the Talents, tut viertelstündliches Lesen nicht gut, ich brauche größere Abschnitte.

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Die New York Times zeigt, wie man die digitalen Möglichkeiten eines Online-Magazins richtig gut nutzt: In ihrer Kunstserie “Close Read”, die ein Gemälde/Bild zum Ausgangspunkt für detaillierte Betrachtung und Hintergründe nimmt, seien sie künstlerisch, handwerklich oder gesellschaftlich. Zum Beispiel das niederländische “Stillleben mit vergoldetem Kelch” von 1635 von Willem Claesz Heda.
“A Messy Table, a Map of the World”.

die Kaltmamsell

Journal Sonntag, 8. Mai 2022 – Maienkühle mit Isarlauf, Lindwurmstraßenbesichtigung, Wirtshaus

Montag, 9. Mai 2022 um 6:35

Nochmal eine gute Nacht: Der Schlaf zwischen dreimal Aufwachen war tief, erst um sieben wachte ich ganz auf.

An verschiedenen Körperteilen kündigte sich ein Muskelkater aus der Hölle vom samstäglichen Rundum-Training an, dem arbeitete ich durch eine kleine Laufrunde gegen.

Der nördlichere Teil Deutschlands postete Sonnenfotos mit “28 Grad” in den Bildtexten, wir hier im Süden bekamen einen weiteren kühlen Regentag – biologisch-landwirtschaftlich super, sonntäglich stimmungsmäßig blöd.

Ich wagte mich dennoch ohne Regenschutz über den Alten Südfriedhof an die Isar, nahm mir eine wirklich kleine Laufrunde vor. Doch dann lief ich so leicht, zickten meine Waden so gar nicht, dass sie nur wenig kürzer als sonst wurde. (Im Nutzen fitter Tage bin ich ja gut, wenn ich es nur auch schaffte, auf die schlechten angemessen Rücksicht zu nehmen.)

Um Thalkirchen wich ich ein wenig von meinen sonstigen Wegen ab – und schon entdeckte ich völlig Neues. Zum Beispiel das Klo gleich hinterm Schleusenwärterhäusl bei Maria Einsiedel. Ich hatte die Toiletten im U-Bahnhof Thalkirchen ansteuern wollen, nahm dann gleich dieses: Supermodern, supersauber, jederzeit wieder. Und gleich beim benachbarten Kiosk entdeckte ich eine Verkaufstelle für Isar-Honig. Erst auf dem abschließenden Spaziergang über den Alten Südfriedhof bekam ich ein paar Regentropfen ab.

Verschwindendes Heizkraftwerk. (Unser Haushalt bezieht Fernwärme, erzeugt zum größten Teil in Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, also als Beiprodukt der Stromerzeugung. Langfristig will unser Wärmeverkäufer, die Stadtwerke München, den Münchner Bedarf an Fernwärme CO₂-neutral decken, überwiegend mit Ökowärme aus Geothermie.)

Klohäusl bei Maria Einsiedel von außen (rotes Licht weil nach meiner Nutzung fotografiert, während der Reinigungsphase),

von innen.

Honigverkauf, im vorgehängten Körberl lagen leere Honiggläser.

Schwanennest unter der Thalkirchner Brücke.

Dominierende Duftmischung auf dem Alten Südfriedhof: Flieder und Bärlauch. Möchte ich bitte nicht auf dem Teller haben.

Ich genoss die Bewegung so sehr – und mir fiel ein, dass ich jetzt sogar wieder an zwei Tagen hintereinander intensiv Sport treiben kann. In den Jahren meiner immer schlimmeren Hüftbeschwerden (ich werde immer noch zornig bei der Erinnerung an den damaligen Dr. Orth: “Das ist nicht die Hüfte.”) hatte ich annehmen müssen, dass diese Zeiten für immer vorbei waren.

Mich erfüllte tiefe Dankbarkeit, dass das alles so gut ausgegangen ist, dass ich so viel Glück mit meiner Hüft-OP und meinem künstlichen Hüftgelenk hatte und habe:
– Ich lebe in einer Zeit, in der Hüft-Arthrose nicht mehr Schmerzen und Unbeweglichkeit für den Rest des Lebens bedeutet. Den medizinischen Fortschritt finde ich einfach großartig.
– Bei mir sprach nichts gegen einen Standard-Eingriff für eine Hüft-Endoprothese. Damit standen mir eine Vielzahl spezialisierter Kliniken und erfahrener Experten zur Auswahl, die wiederum aus einem riesigen Angebot von medizinischer Technik wählen konnten, die genau zu meinen Vorbedingungen passte, zu meiner Hüftdysplasie, zu meinem Körper, meinen Maßen.
– Der Termin meiner OP lag noch so rechtzeitig, dass ich bis kurz vorher trainieren konnte. Erst wenige Wochen vor dem Termin konnte ich keine Treppenstufen mehr bewältigen, auf den Crosstrainer schaffte ich es bis direkt davor.
– Mein körperlicher Gesamtzustand war auch sonst gut, ich brachte keine besonderen Risiken in die OP.
– Meine berufliche Sitation ermöglichte mir nach der Reha genug Zeit für Genesung.
– Ich profitierte von einem Gesundheitssystem, in dem eine gesetzliche Krankenkasse und die Rentenversicherung die enormen Kosten für das alles ohne jeden Widerstand übernahmen.
– Nach der OP gab es keine Komplikationen, ich konnte mich wie vorher einfach an die ärztlichen Anweisungen halten.

Und so bin ich jetzt, gut anderthalb Jahre nach dem Eingriff, so fit wie vor zehn Jahren. Mindestens.

Ich war zu meinem Lauf so früh losgekommen, dass es beim Frühstück erst halb eins war: Herr Kaltmamsell hatte sich Porridge gewünscht, das ich kochte, ich aß meines mit einer Orange, Joghurt und Honig, davor ein Stück spanischen Käse. Daheim duftete der Flieder in der Vase ganz wunderbar.

Zeitunglesen, Buchlesen. Ich war mit Herrn Kaltmamsell zu einem kleinen Spaziergang verabredet: Wir wollten uns die Lindwurmstraße von vorn bis hinten ansehen, und zwar auf Gastronomie hin, durch die wir uns systematisch fressen könnten. Diese erwies sich als noch bunter international, als ich das ohnehin erwartet hatte (das eritreisch-äthiopische Restaurant bei der Rothmundstraße kannte ich zum Beispiel noch gar nicht), außerdem ist an Niveau alles dabei von Kebab/Döner über Osteria bis zum gehobenen Ederer.

Abendessen gab es früh, denn ich war nochmal verabredet: Ich kochte zum Rest Ossobuco mit reichlich Gemüse vom Vorabend die Emmernudeln aus einem früheren Ernteanteil. Dann spazierte ich zum Fraunhofer: Für ein recht kurzfristiges Treffen mit einer Freundin hatte ich nach einem Lokal überlegt, das auch am Sonntag geöffnet sein würde (in München eine Rarität) und kam auf die richtige die Idee “Wirtshaus!”.

Wir brachten einander auf neuesten Stand, zurück nach Hause ging ich (ein wenig unelegant, weil Muskelkater in Beinrückseite und Po) durch eine milde Nacht mit überraschenden Maiendüften – ich freute mich auf die angekündigte Wetterbesserung.

die Kaltmamsell

Journal Samstag, 7. Mai 2022 – Regensamstag mit Drinnensport und Kochen

Sonntag, 8. Mai 2022 um 8:26

Alles aus dem guten Nachtschlaf rausgeholt: Beim Aufwachen kurz nach fünf den Rollladen ganz heruntergelassen, um Nacht zu spielen, bis fast acht Uhr geschlafen. Im letzten Abschnitt träumte ich dabei höchst interessant: In einem Traum war ich Personenschützerin/Personal Assistant von Ursula von der Leyen, die mich “altklug” rügte. In einem anderen hatte ich Laurie Penny zu Besuch in München, ging mit ihr Essen, konnte aber leider nicht mit Tipps zum Nachtleben helfen. Und in einem weiteren geriet ich auf der Suche nach irgendwas in einer gotischen Kirche in einen Erstkommion-Gottesdienst und versuchte nicht zu stören. Danke, Unterbewusstsein, da war ja so richtig was geboten!

Als ich den Schlafzimmer-Rollladen hochzog, blickte ich auf regennasse Straßen. Doch der Himmel schien aufzuhellen. Ich startete Bettzeug-und-Handtücher-Waschmaschinen, bloggte über meinem Milchkaffee. Sportplan für gestern war Schwimmen im Olypmpiabad, so weit und lange mich eventuelles Frieren und Krampfen halt ließen. Doch nach Aufhängen der ersten Waschmaschinenladung setzte ernsthafter Regen ein, der laut Regenradar auch bis Mittag nicht aufhören würde. Radeln mochte ich so nicht, auf U-Bahn zum Olympiapark hatte ich auch keine Lust. Gleichzeitig konnte ich mir keinen Samstag mit ungenutzter Sportgelegenheit vorstellen.

Es wurde dann eine 90-Minuten-Folge Fitnessblender mit einmal alles. Die knappe Stunde HIIT (High Intensity Interval Training) absolvierte ich lieber in Low Impact: Ich erinnerte mich, dass mir beim ersten Durchturnen dieser Nummer vor Jahren von dem vielen Wechseln zwischen Bodenlage und Hochhüpfen schlecht geworden war. Mit nur wenig Springen hatte ich damit genauso wenig Probleme wie mit dem Hantel- und dem Rumpfteil. Inklusive zusätzlichem Warm-up, Werbepausen und Unterbrechung für Wäsche-Aufhängen (so sportlich wie möglich) kam ich auf zwei Stunden Training und war ordentlich durchgeschwitzt.

Zum Semmelholen steuerte ich den Bäcker Wünsche in der Hofstatt an – den Wünsche kenne ich seit Kindertagen aus Ingolstadt, ist heute eine Großbäckerei in Gaimersheim – mit, wie ich gerade feststelle, rühriger Unternehmenskommunikation inklusive lebendigem und abwechslungsreichen Blog.

Auf dem Weg fiel mir ein, dass mir zum abendlichen Ossobucco der passende Wein fehlte (aus der Auswahl daheim wollte mir keiner wirklich dazu gefallen), also bog ich in den Delinat-Laden in der Kreuzstraße. Der Herr darin nahm sich sehr viel Zeit mich zu beraten und mit mir fachzusimpeln, er ließ mich drei Vorschläge probieren (auf nüchternen Magen und nach zwei Stunden Sport ein echter Knaller), und so kam ich mit je einer Flasche spanischem Gewürztraminer/Muskateller Viña Llopis (den gibt’s zum nächsten Curry oder Kreuzkümmel) und südfranzösischem Chardonnay Limoux Delmas (zum Ossobuco) raus sowie einer Weinbar-Empfehlung.

Daheim gab’s angeschickert Semmelfrühstück und eine Orange. Nein, daytime drinking ist echt nichts für mich, die Wirkung des Alkohols (von drei Probierschlücken) empfand ich als unangenehm. Seit einiger Zeit mag ich ja auch unter der Woche abends keinen Alkohol – vor allem weil ich lieber klar im Kopf nach Feierabend lese, gucke, halt wahrnehme. Freitagabend, oft auch Samstag genieße ich die entspannende Wirkung, das Feiern, das Freihaben. Am liebsten, so wurde mir klar, mag ich Alkohol als Teil von Geselligkeit: Im Restaurant mit Herrn Kaltmamsell, auf Familientreffen, auf Partys – als Bestandteil von Fröhlichkeit und Spaß mit Menschen (wobei er keineswegs im Umkehrschluss Bedingung dafür ist, all das geht auch ganz wunderbar ohne Alkohol). Ganz allein hatte ich schon seit Jahren keine Lust mehr darauf: Als ich mir zuletzt allein ein Glas Wein einschenkte, war ich richtig verärgert über die Benebelung.

Gestern war ich fürs Abendessen zu ständig, ich begann um halb fünf mit den Vorbereitungen des Ossobuco (die Zutaten hatte Herr Kaltmamsell schon am Freitag eingekauft). Während es im Ofen schmorte, las ich Wochenend-Zeitung.

Aperitiv war der Rest Maibowle, zum Schmorgericht servierte ich cremige Polenta.

Für mich beruhigend: Nicht nur war alles ausgezeichnet gelungen (ich kann es also noch), sondern hatte auch Spaß gemacht. Und der Wein war nicht nur eine echte Entdeckung (leichtes Holz und Rumrosinen in der Nase, dennoch Frische), sondern passte wirklich perfekt zum Gericht, entfaltete sich in der Kombination so richtig. Es passte nur noch wenig Schokolade hinterher.

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Unser Kartoffelkombinat ist mit acht zusätzlich gepachteten Hektar Anbaufläche weiter gewachsen und kann deshalb weitere Genossenschaftler*innen aufnehmen. Vielleicht wollen Sie sich das mal anschauen und solidarische Landwirtschaft in und um München ausprobieren? Unser Ziel ist ja nicht weniger, als Einfluss auf die Versorgungs-Infrastruktur der Millionenstadt München zu nehmen.

Hier sind Basisinformationen zum Mitmachen zu finden.

Warum ist das Kartoffelkombinat keine Gemüse-Abokiste? Warum machen wir die Dinge, wie wir sie machen? Wie hat alles angefangen und wo stehen wir heute? Diese Fragen beantwortet Daniel (kurz) in einem Video und (länger) in einem Podcast.

Video und Podcast gibt es hier.

die Kaltmamsell

Journal Freitag, 6. Mai 2022 – Hochzeitstagerinnerung

Samstag, 7. Mai 2022 um 9:12

Bis halb fünf richtig tiefer Schlaf mit nur einer Unterbrechung – das war schön.

Die Nacht hatte allerdings den blauen Himmel geschluckt, ich stand zu Regen auf. Auf den Weg in die Arbeit traute ich mich trotzdem ohne Schirm und bekam auch nur ein paar Tropfen ab. Zur Abwechslung nahm ich die Route um die Theresienwiese herum und fotografierte Frühlingsfest.

Gestern im Büro hatten ein paar der regelmäßigen Glutattacken eine solche Wucht, dass ich bei dem Ärger-/Gereiztheitsgefühl, mit dem sie sich bei mir ankündigen, ernsthaft mit mir schimpfte, WAS DENN JETZT SCHON WIEDER IST? (weil absolut kein Anlass zu Ärger oder Gereiztheit vorlag), und dass mich die eigentliche Glut zum Fenster stürzen ließ, um die kühle Regenluft zu nutzen.

Nach vielen Monaten mal wieder ein echter Fresstag: Ich machte früher Mittagspause, weil ich solchen Hunger hatte. Und dann reichten mir Pumpernickel mit Butter, Apfel und Birne nicht: Ich brauchte noch den Notfall-Flapjack aus der Büroschublade, damit ich mich satt fühlte.

Von meinem Bürofenster aus wirkt der Neubau am Heimeranplatz fast fertig, doch als ich ihn gestern aus einer ungewohnten Perspektive sah, erwies sich das als Irrtum.

Blitzartige Erkenntnis beim Blick aufs Datum, die zu dieser Twitter-DM an Herrn Kaltmamsell führte:

(Hier die Geschichte dazu.)

Freitäglich früher Feierabend. Für Espressobohnenkauf testete ich mal einen anderen Laden am Weg, geriet dabei an einen leicht g’schnappigen Verkäufer – und schon werde ich sicher nicht mehr dorthin gehen (ist in München wie mit Restaurants: das Angebot ist so groß, dass es keine zweite Chance gibt).

Daheim setzte ich sofort den Drink des Abends an: Maibowle. Dazu verwendete ich das Töpfchen Waldmeister vom vergangenen Jahr, das ich über den Winter gerettet und das erneut ausgetrieben hatte – allerdings so blass, dass ich dem Aroma der Blätter nicht recht traute (am Vorabend abgeschnitten und zum Antrocknen aufgehängt). Schmeckte dann tatsächlich auch nur sehr leicht nach Waldmeister.

Herr Kaltmamsell überrascht mich damit, dass er tatsächlich Flieder aufgetrieben hatte, endlich.

Denn aus den früheren Jahren hatten wir gelernt: Flieder wird an den Blumenstandeln deutlich vor der Fliederblüte angeboten, die wir am Wegesrand und in den Münchner Vorgärten wahrnehmen. Herr Kaltmamsell hatte sich also schon vor Wochen erkundigt – und bekam die Auskunft, es gebe noch keinen. Nun sehe ich schon seit drei Wochen in München den Flieder blühen, doch am Viktualienmarkt war keiner zu bekommen – bis gestern. Und wie der duftete!

Ich hatte gemütlich Zeit für eine Runde Yoga, turnte nochmal eine Morgen-Einheit nach Yogamour, tat gut. Dann gab’s Maibowle in der Küche, Herr Kaltmamsell kochte und briet, ich erzählte von meiner Arbeitswoche.

Nachtmahl war ein Stück Flat-Iron-Steak (ganz ausgezeichnet) mit Erntenanteil-Wurzeln aus dem Ofen und grünem Mojo aus der Flasche. Nachtisch Eiscreme (Griechischer Joghurt mit Honig) und Osterschokolade.

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@mirabilia7 futtert sich derzeit durch die Gastronomie an der langen Rosenheimer Straße in München, hier auf Twitter Lokal für Lokal nachzulesen. Eine sehr charmante Idee – ob ich das mit der Lindwurmstraße versuchen könnte?

die Kaltmamsell

Journal Donnerstag, 5. Mai 2022 – Arbeit auf drei Ebenen

Freitag, 6. Mai 2022 um 6:24

Das ist eine lange Woche. Als mich der Wecker aus einer unruhigen Nacht mit einem langen Wiedereinschlafproblem holte, musst ich erst mal überlegen, welchen Wochentag wir hatten. Das Ergebnis freute mich nicht.

Was mich freute: Der Fußweg in die Arbeit mit blauweißem Himmel und wunderbaren Nach-Frühlingsregen-Düften, kraftstrotzenem Boden, grünenden und blühenden Pflanzen.

Der Vormittag im Büro wurde dann unerwartet Guerillakrieg, in dem ich praktisch durchgehend zwei bis drei Dinge gleichzeit machen musste, z.B. Online-Infoveranstaltung/Telefon-Annahme/Dienstplan-Bearbeitung. Sehr anstrengend und mit hohem Fehlerrisiko. Vieles arbeitete ich auch zackig weg, wofür ich gar nicht zuständig bin – weil ich weder Bock noch Geduld für den Zeitaufwand hatte, die eigentlich zuständige Stelle herauszufinden. (Sie dürfen mich an diesen Satz gerne erinnern, wenn ich mal wieder genervt rumfuchtle: “Warum fragen immer alle MICH?!”)

Mittags eine rote Paprika, Birne, Joghurt mit Mango – die derart fasrig war, als hätte ich sie bei Wolle Rödel gekauft.

Nach einem Nachmittag mit ähnlich dichter Parallel-Arbeit war ich kurz nach vier fix und alle. Musst aber noch einen Termin abwarten.

Also Feierabend um die übliche Zeit. Auf dem Heimweg Einkäufe im Vollcorner.

Und Foto einer Efeu-Frisur am Bavariaring (immer noch viele Bayern-Cosplayer*innen in allen Sprachen unterwegs, das Frühlingsfest geht noch bis Sonntag) – inklusive unbeabsichtigtem Selfie.

Daheim ausführlich Yoga, diesmal 40 Minuten langsames Halten und Dehnen bei Mady Morrison.

Dann gab es Salat, jetzt gehört er wieder donnerstags zum Ernteanteil – und die kräftigen Blätter aus dem Freiland schmecken so großartig! Gestern mit Joghurtdressing, in das auch der Schnitt-Knoblauch aus Ernteanteil kam, zudem zwei gekochte Eier. Zum Sattwerden gab es anschließend Käse darunter die junge Version vom adoptierten Schaf, der schön kräftig schmeckte (derzeit kann man hier übrigens, also in der Nähe von Madrid, wieder Schafe adoptieren), Nachtisch Osterschokolade.

die Kaltmamsell

Journal Mittwoch, 4. Mai 2022 – Die vergessene Trinkflasche

Donnerstag, 5. Mai 2022 um 6:36

Noch eine Nacht mit reichlich Schlaf, auch wenn er nicht besonders tief war. Beim Aufwachen hatte der Regen aufgehört.

Auf der Theresienwiese sah ich sogar Pfützen in den un-asphaltierten Bereichen!

Bei Ankunft im Büro Bestürzung beim Auspacken meiner Brotzeit aus der Arbeitstasche: Ich hatte vergessen, zu meinen Sportsachen für den Abend die Wasserflasche einzustecken. Ein Teil meines Hinterhirns war also den ganzen Tag mit den riesigen und unzähligen daraus resultierenden Problemen beschäftigt (Einfach nichts trinken, so schlimm ist eine Stunde Crosstrainer bei kühlen Temperaturen nicht? In der Cafeteria eine Flasche Apfelschorle kaufen und mitnehmen? Ach nee, ist aus Glas, könnte ich bei meinem legendären Ungeschick zerdeppern. Kleinen Umweg auf dem Weg zum Verein über Supermarkt machen, dort Apfelschorle in Pfandplastikflasche kaufen?).

Über den Vormittag gut machbare Arbeit.

Mittags gab es Birnen sowie Sahnequark mit Dosenpfirsichen (Rest von vor zehn Tagen). Dazu nochmal Regen, hurra. Er prasselte mit Vehemenz gegen die Fenster, vielleicht wusch er endlich den Saharastaub vom März fort.

Ich machte pünktlich Feierabend für Crosstrainer-Strampeln im Verein, Umweg über Supermarkt für Getränkkauf. Auf der Fitnessgalerie hörte ich mit Blick auf ein Basketballtraining (was mich immer an meinen Basketballtrainer-Bruder denken lässt) den Podcast Fix und Vierzig:
“11. Was müssen wir über die Wechseljahre wissen, Sheila de Liz?”
Zwar habe ich dann doch ein deutlich anderes Frauenbild als die interviewte Gynäkologin/Bestsellerautorin, und ihre nicht-medizinischen Verallgemeinerungen über “die Frauen” stießen mir wie alle solche unangenem auf (Grüße von einer Mittfünfzigerin, die weiße, kurze Haare saucool findet, siehe Jamie Lee Curtis). Doch ich bekam einige Informationen aus Jen Gunter’s Menopause Manifesto aufgefrischt, werde meinen Termin bei einer weiteren Gynäkologin nächste Woche mit konkreteren Fragen und Bitten antreten. Und ich lernte, dass der Facharzt Gynäkologie keineswegs tieferes Wissen über Hormone umfasst, dass Gynäkolog*innen wohl nur für die Fortpflanzungsfunktion des weiblichen Körpers ausgebildet werden.

Während meiner Sporteinheit ging draußen ein weiteres Gewitter mit Hagel und heftigem Regen herunter, ich sah die Spuren beim Verlassen der Sporthalle, musste tiefen Pfützen ausweichen. In fortgesetztem Regen ging ich nach Hause und wurde mittelnass.

Herr Kaltmamsell servierte zum Abendessen Kartoffel-Käse-Brei Aligot mit gebratenen Paprikaschoten und grünem Spargel aus der Pfanne – ganz wunderbar. Nachtisch Osterschokolade, im Fernsehen ließen wir Twelve Monkeys laufen, Brad Pitt und Bruce Willis in Höchstform. Aber an einem Arbeitstagabend habe ich nicht die Ruhe für einen ganzen Spielfilm, ich ging gewohnt früh ins Bett.

§

Laurie Penny veröffentlicht ein Kapitel aus ihrem Buch Sexual Revolution zur kostenlosen Lektüre, weil die dort gesammelten Fakten (für alle führt sie Quellen an, in den Ausschnitten unten habe ich die Fußnoten entfernt) und Gedanken zur Abtreibungsdebatte erschreckend akutell und relevant geworden sind.
“Do women have a Right to Life?”

Every year, in Great Britain, 10,000 people are treated for post-traumatic stress disorder as a result of giving birth, and tens of thousands more are injured in the process of delivery. One study found that several months after enduring labour, 29 per cent of women had fractures in their pubic bones and 41 per cent had tearing and severe damage to their pelvic floor muscles. For human beings, pregnancy and childbirth are dangerous, risky, exhausting, terrifying and painful. Even with modern medical advances, about one woman in 10,000 still dies in childbirth, and many more will be permanently and seriously injured. Women frequently emerge from pregnancy and childbirth with permanent nerve damage, lifelong pain or PTSD. In context, that’s about the same risk an American soldier takes on when he or she signs up for a tour of duty in a foreign war. Pregnancy and childbirth are brutal. And forcing them on anyone against their will is barbaric.

(…)

As the debate about a woman’s ‘right to choose’ to terminate pregnancy rages around the Global North, as sadistic restrictions on abortion access continue to be written into law by all-male committees around the world, the physical realities of pregnancy and birth are almost never discussed.

The public conversation around abortion still centres on the question of whether a fetus has human rights, whether a fetus can feel pain, whether a fetus is a person. The question of whether a foetus is a person is unanswerable by science. The question of whether a woman is a person, however, is not up for debate – and it is female personhood and female pain that ought to decide the issue. Sometimes, though, men get together in a room to decide otherwise.

(…)

Criminalising abortion makes female sexual agency a crime. That is what it is designed to do. It is very much the point. Give the Tony Tinderholts of this world some credit for candor: they’ve openly said that what they care about isn’t protecting babies but punishing sluts who think they can just have sex without social consequences. Consequences that could well include dying alone and in pain after a botched home abortion, or feeling your flesh tear and your bones break as you shove out nine pounds of raw, screaming need, delivered at gunpoint in the shadow of the electric chair.

(…)

Making abortion illegal doesn’t stop it from happening. Conservatives know that full well. In nations where abortion access is restricted, they don’t have fewer dead babies – but they have a lot more dead women. Around the world, 5 to 13 per cent of maternal mortality results from unsafe abortion. The point is to send a clear message that uppity hussies have been having their own way for far too long, and that there should be consequences. The point has never been that babies matter. The point is that women don’t.

§

Apropos: Hier eine rechtliche Einordnung des Entscheidungvorschlags des US Supreme Court zum Recht auf Abtreibung in den USA im Verfassungsblog. Autorin Sarah Katharina Stein ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Öffentliches Recht, Abt. 1: Europa- und Völkerrecht an der Universität Freiburg.
“Das Ende von Roe v. Wade”.

via @CucinaCasalinga

(Für solche Artikel habe ich mehr als ausreichend Leseenergie. Für “offene Briefe” von Künstler*innen zu ihnen komplett sachfremden Themen halt nicht. Menschen sind verschieden.)

die Kaltmamsell