Journal Pfingstsonntag, 23. Mai 2021 – Würmspaziergang Gauting nach Starnberg
Montag, 24. Mai 2021 um 8:29Ausgeschlafen, zu Regen aufgewacht.
Meine persönliche Innenausstatterin, Mutter, hatte mir aktuelle Ausgaben der Zeitschrift Schöner Wohnen zur Inspiration mitgebracht, die sah ich durch (ewige Liebe für deren Podcast-Titel Sofa So Good, genau mein Humor). Das mit der Inspiration funktioniert manchmal tatsächlich: Die haben ihren Holzschemel ins Bad gestellt? Gute Idee, der steht hier eh etwas heimatlos rum, brauche ich mich nicht immer auf den kalten Badewannenrand setzen.
Die großen Einrichtungsideen, die hier präsentiert werden, scheitern aber fast durchgehend an meinen superspießigen Praxis-Einwänden. Beispiel freistehende Badewannen: Sehe ich seit vielen Jahren in den örtlichen Bädergeschäften, schauen sensationell toll aus. Und doch frage ich mich halt: Wo lege ich da meine Seife ab? (Nachfrage bei Twitter ergab: Hocker danebenstellen.) Und mein Badetuch? Wie dusche ich mich abschließend ab, ohne das Bad unter Wasser zu setzen? Oder die echte Wohnung in Stockholm, von einer Frau bewohnt, die von 350 qm Wohnfläche (Familienhaus) auf 49 qm (Single-Innenstadtwohnung) reduzierte: Die Kleidungsnische mit den sieben Kleidern und den fünf Blazern ist ja nett (gelernt: “begehbarer Kleiderschrank” heißt es, wenn um die Kleiderstange kein Schrank ist), aber wo ist die restliche Kleidung? Die Unterwäsche, die Socken, die Pullis, die Sportkleidung, die Schlafanzüge? Wenn ich vor einem Fotoshooting 80 Prozent meines Zeugs aus der Wohnung entfernte und ins Treppenhaus stellte, könnte ich wahrscheinlich auch ästhetische Aufnahmen machen.
Spannend finde ich auch immer die Ausstattungsideen für Miniwohnungen – aber der Schreiner-Maßeinbau für das 29-qm-Apartment in Berlin Schöneberg kostet sicher so viel, dass das drei Jahre die Mietdifferenz zu einer 50-qm-Wohnung begleicht.
Allerdings höre ich mich bei diesem Thema an wie meine Mutter, die beim Anblick von Haute-Couture-Modeschauen kritisierte: “Das kann doch niemand tragen!” Die Einrichtungsideen in Einrichtungszeitschriften sind wahrscheinlich ebenso wenig fürs echte Leben gedacht wie Haute Couture, sondern einfach Kunst.
Plan war gestern, mit Herrn Kaltmamsell den Rest der Würm-Wanderung Pasing-Starnberg zu spazieren, also zwölf Kilometer von Gauting nach Starnberg. Die Wetterradare sagten Regen-Ende für Mittag voraus, also planten wir entsprechend.
Zum Frühstück gab es den Rest Linsen vom Vorabend, außerdem Erdbeeren und Orange mit Schafjoghurt. Um halb zwölf regnete es noch heftig, unterbrochen von einem Hagelschauer. Doch um halb eins war Ruhe, und von der S-Bahn nach Gauting aus sahen wir bereits bayerisch blau-weißen Himmel. Ich mag es, wenn das Wetter sich so angenehm an die Vorhersage hält.
Erste Sensation beim Verlassen der Ortsgrenze Gauting: Auf einem entsprechenden Sportplatz trainierten Buben Baseball, an verschiedenen Stationen und so richtig wie im Fernsehen (Nachrecherche ergab: Das waren die Gauting Indians). (AbEr DIe dEUtScHe lEiTKuLtUr!) (Spass.)
Das Würmtal und vor allem die Würm selbst sind wirklich ungemein malerisch. Wir versuchten so oft wie möglich direkt am Bach zu gehen, egal wie matschig. Herr Kaltmamsell lotste uns aber auch den Schlossberg hinauf: Mühsam, denn Mountainbike-Reifen hatten den Pfad in einen einzigen Morast verwandelt.
Immer wieder kamen wir durch sonnige Abschnitte mit Wiesen und energischem Grillenzirpen, im letzten Drittel genossen wir herrliche Ausblicke. Weitere Attraktion: Die Villa Rustica bei Leutstetten, Fundamente eines römischen Gutshofs, der etwa im 2. Jahrhundert n.Chr. aufgegeben wurde. Schön auch der Abschnitt über Holzplankenwege durchs Leutstettener Moos. Am Himmel Mauersegler und Schwalben.
Viele, viele Radler*innen, der Weg ist aber auch als Radwanderweg markiert. Ein Wanderurlaub im Naturpark Bayerischer Wald wurde vor allem deshalb attraktiv, weil dort Radeln wohl nur auf eigens gekennzeichneten Wegen erlaubt ist. Wenn sich daran gehalten wird (lassen Sie mir vorerst meine Illusionen, die allen sonstigen Erfahrungen widersprechen), könnte dort gedankenversunkenes Wandern ohne ständiges Lauschen auf Fahrradgeräusche und Blicke über die Schulter möglich sein.
Die Starnberger Uferpromenade war gut besucht, inklusive der jetzt wieder geöffneten Außenbereiche von Cafés und Restaurants.
Crossover Hipster-Holdrio. Die Wirtschaft sah dann tatsächlich exakt so aus und hörte sich so an, wie das Design des Schildes verhieß: Biergarten ausgestattet mit Sperrmüll, Motown-Musikbeschallung, Speisen und Getränke aus Streetfood-Wagen. Alles in der Typografie und der Beschriftungstechnik angelegt.
Einbettl.
Zurück daheim begrüßten uns die Rosentagsrosen als Leuchtobjekt.
Ich füllte eine Waschmaschinenladung und gönnte mir eine Yoga-Folge mit viel angenehmem Dehnen (die neuartigen Rückenschmerzen der vergangenen Monate wollen aber einfach nicht weggehen, ich werde dann doch Physiotherapie bemühen müssen), Herr Kaltmamsell übernahm die Küche.
Es gab nochmal Maibowle, als Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell englischen Hackbraten mit Kartoffel-Weißkraut-Stampf. Nachtisch reichlich Schokolade.