Journal Dienstag, 7. Juli 2020 – Feierabend im Outback

Mittwoch, 8. Juli 2020 um 6:33

Wenige Minuten nach Weckerklingelzeit aufgewacht mit dem Gedanken: “Sollte nicht langsam der Wecker klingeln?” Ich hatte vergessen, ihn zu aktivieren.

Kraftübungen, Crosstrainerrunde.

In die Arbeit nahm ich trotz (kühler) Sonne die U-Bahn, denn ich wollte nach Feierabend zu einer Verabredung ins Umland.

Schlimme Schmerzen, Ibu half nichts, Sitzen oder Stehen machte keinen Unterschied.

Mittags Bratenreste mit Spätzle, Apfel. Nachmittags ein Töpfchen Quark.

Nachmittags klangen die Schmerzen zum Glück deutlich unter Verzweiflungsgrenze ab.

Überstürzter Aufbruch, denn ich wollte eine bestimmte S-Bahn erwischen, die mich nach Unterschleißheim brachte. Dort war gerade eine Bloggerin aus der Schweiz mit Familie zu Besuch, und ich nutzte die Gelegenheit der Greifbarkeit für ein Treffen.

Also spazierte ich in der Feierabendsonne in ein Gewerbegebiet, das mich sehr an meine Herkunftsgegend erinnerte: In dieser Mischung aus Autohäusern, Großdiscountern, Baumarkt, indischem und griechischem Restaurant, fehlenden Gehwegen (hier leben nur Autos) liegt zumindest eine meiner Wurzeln, ob ich will oder nicht.

Wir trafen uns in einem riesigen, edel eingerichteten Konferenzhotel (wenn Sie eine Empfehlung für eine Veranstaltung mit mehreren 100 Teilnehmenden brauchen, fragen Sie mich einfach), das nicht ganz so leer war wie befürchtet, aber immer noch für seine Dimensionen sehr leer. Das ausgedünnte Personal überschlug sich vor Entgegenkommen und Herzlichkeit.

Ich ließ mir den Grund der Reise erzählen, wir tauschten Pandemie- und Eltern-Erfahrungen aus, mit der Gesamtfamilie aß ich auf der Terrasse zu Abend (Süßkartoffelcurry mit Erdnüssen, sehr gut). Ich freute mich arg, dass der Reiseanlass und ein ausgesprochen unerfreulicher Reisetag der Besucherfamile mir diese Begegnung ermöglicht hatte.

Spaziergang zurück zur S-Bahn – jetzt war es so ruhig, dass fehlende Gehwege mich nicht mehr in Gefahr brachten. Fahrt zurück in die Stadt mit Abendrot vorm Fenster und Roman auf dem Schoß. Daheim konnte ich Herrn Kaltmamsell noch schnell einen Gute-Nacht-Kuss geben.

die Kaltmamsell

Journal Montag, 6. Juli 2020 – Legginspresse

Dienstag, 7. Juli 2020 um 6:07

Kurz vor Wecker aufgewacht. Draußen war es sehr mild.

Besonders viel Bauchstärkung mit Gymnastik und Yoga.

Auf der Fahrt in die Arbeit holte ich in lauen Lüften das Foto von den blühenden Wegwarten nach: Die sind nämlich Frühaufsteherinnen, am Vorabend waren die Blüten geschlossen, man sah sie gar nicht.

So, jetzt stand fest, dass mir die Calcedonia-Verkäuferin zu kleine Leggins verkauft hatte. Ich hatte mich über ihre Empfehlung Größe M durchaus gewundert, haber hey! Sie war die Fachkraft. Doch selbst der sehr breite Bund (ca. 12 cm) verteilte die Enge nicht genug: Ich bekam Bauchschmerzen davon, egal ob ich den Bund auf die Hüftknochen herunterzog, ihn in der Taille ließ oder hoch unter den BH klemmte. Gestern wurde das im Büro so schmerzhaft, dass ich zur Schere griff und mir Platz verschaffte. Nicht dass ich jemals mit Shapewear geliebäugelt hätte, aber das wäre ja sowas von nix für mich. Mal wieder die Frage in die Runde: Findet jemand die Anzeige aus den 70ern “Mein Mieder bringt mich um”? Mit dieser Frau, die in eine Holzkiste geklemmt ist? Das kann doch nicht sein, dass ich mir die nur einbilde.

Es dauerte fast zwei Stunden, bis die Schmerzen abklangen.

Mittags Rehbraten und Spätzle vom Vortag.

Nach Feierabend war ich verabredet. Tagsüber war es immer wieder sehr düster geworden, wir entschieden uns für einen Biergarten mit Drinnen und trafen uns in dem am Bavariapark.

Als ich das Bürohaus verließ, überraschte mich kalte Luft. Der Biergarten nahm die Hygieneregeln sehr ernst: Wir mussten am Eingang unsere Kontaktdaten auf Papier oder über eine App hinterlegen, uns wurde ein Tisch zugewiesen, den wir ebenfalls eintragen mussten. Über Gesprächen über universitäres Leben in Zeiten der Pandemie, Ausstellungen, Urlaubspläne in Zeiten der Pandemie und Geldanlage (öha!) tranken wir Biergartliches, aßen Salat – und froren. Obwohl die Sonne nun wieder durchgehend schien, war es ganz schön kalt, deutlich kälter als morgens. Daheim ließ ich mir tatsächlich erst mal ein heißes Bad ein, weil ich durchgefroren war. Das tat auch meiner Hüfte so gut, dass ich das vielleicht wieder öfter machen sollte.

die Kaltmamsell

Journal Sonntag, 5. Juli 2020 – WmdedgT? Geschwommen!

Montag, 6. Juli 2020 um 5:52

Rechtzeitig daran gedacht, dass ja der fünfte war und damit der Tag für Frau Brüllens Frage: Was machst du eigentlich den ganzen Tag?

Was ich neben dem Ausgebuchtsein des Schyrenbads noch auf der Bäderseite der Münchner Stadtwerke entdeckt hatte: Die Hallenbäder sind seit 1. Juli wieder offen, und man kommt ohne Reservierung rein. Plan war also die erste Schwimmrunde seit 4. März im Olympiabad.

Ich schlief wieder gut aus, wachte auf zur Ankündigung eines sonnigen Tags – allerdings war er auch gestern zu morgenkühl für Kaffee auf dem Balkon.

Gegen zehn machte ich mich nach Katzenwäsche fertig zum Schwimmen. Ich dachte gründlich nach, was ich dazu alles einpacken musste – und musste erst mal den Sportrucksack abwischen, der in den Monaten ohne Draußensport deutlich mehr eingestaubt war als ich.

Das Radeln zum Olympiabad war bereits ein großes Vergnügen, das rechte Bein machte sehr gut mit. Im Bad selbst waren Einbahnwege angelegt, die Bahnen im Becken doppelt breit abgetrennt, um Platz für Überholen auf Distanz zu schaffen. Mein Kalkül ging auf: Es waren sehr wenige Menschen da. Und es stellte sich heraus: Schwimmen ist wie Schwimmen, das verlernt man nicht. Ich zog meine Bahnen bald in gemütlichem Rhythmus, beschränkte mich auf 2.500 Meter. Allerdings zwickte die Hüfte durchaus, und die linke Schulter schmerzte (Letzteres führe ich auf Ganzkörper-Ausweichbewegungen plus Vorbelastung zurück).

Als ich um halb eins aus dem Olympiabad kam, war es überraschend heiß geworden.

Auf dem Heimweg besorgte ich Semmeln und sah nach der Baustelle Hauptbahnhof: Immer noch kommt man nur zu Fuß vorbei, ich schob mein Fahrrad.

Zum Frühstück (Käsesemmel, Pflaumenmussemmel, Käsekuchen) folgte ich der Empfehlung von Kommentatorin Frauke und sah die aktuelle BR-Doku über Ellen Ammann an – wirklich sehr empfehlenswert.

Diesmal war ich müde genug für eine kleine Siesta (nach einer Dosis Novalgin, da die Hüfte mich mit Ruheschmerz ärgerte).

Kleine Bügelrunde, damit’s nicht wieder so lange dauert.

Eiskaffee auf dem Balkon, es war dort angenehm warm.

Internet gelesen, Zeitung auslesen. Dann zog es mich doch raus, ich wollte nach der Theresienwiese sehen. Sonst wurde sie ja immer genau jetzt, Anfang Juli, für den Oktoberfestaufbau dicht gemacht.

Die Linden dufteten noch, unter ihnen lagen Haufen abgefallener Blüten.

Ganz zauberhaft: An einer Stelle trainierten etwa zehn Paare Formationstanz (irgendwas Lateinamerikanisches), nicht weit entfernt davon wurde Cricket gespielt. Und ich genoss die Sonne auf meiner Haut, dazu den Wind, der Hitze verhinderte.

Zudem war die Hüfte so freundlich mitzumachen.

Zurück daheim steuerte ich zum Abendessen die Spätzle bei, Herr Kaltmamsell hatte eine Rehkeule zubereitet (Sie erinnern sich? Wild gibt’s derzeit sehr viel, weil es eh geschossen werden muss, die sonstigen Hauptabnehmer Restaurants aber lang geschlossen waren und jetzt nur teilweise geöffnet sind).

Als Abendunterhaltung ließen wir Tatort laufen. Draußen wurde es lange nicht dunkel, langsam etwas kühler, ich sah den Mauerseglern am langsam von blau zu grau wechselnden Himmel zu.

Braten und Spätzle als Brotzeit für Montag vertuppert, Wohnung Putzmann-fertig geräumt. So lange aus dem Fenster geguckt, bis ich eine Fledermaus sah – derzeit flattern mindestens drei übern Hinterhof.

Im Bett noch Nancy Mitford, The Blessing gelesen.

Das war ein schöner Tag.

die Kaltmamsell

Journal Samstag, 4. Juli 2020 – Neue Entdeckungen auf dem Alten Südfriedhof

Sonntag, 5. Juli 2020 um 8:34

Ausgeschlafen, trotz drei Unterbrechungen fühlte es sich nach gutem Schlaf an.

Die Luft roch wundervoll und rief zum Wandern (…), doch für Morgenkaffee auf dem Balkon war es zu frisch.

Gymnastik, eine gute Stunde Crosstrainer vor offenem Fenster mit Filmmusik auf den Ohren.

Zum wiederholten Mal musste ich Leute vertreiben. Den benachbarten Nußbaumpark habe ich ja aufgegeben, der gehört halt dem saufenden, dealenden Multitoxler-G’schwerl (ich wiederhole: nein, das sind keine Obdachlosen) – zum Glück werden der große Kinderspielplatz und die Tischtennisplatten noch von Familien und anderen Nachbarn genutzt. Doch in letzter Zeit schwappt dieses G’schwerl immer öfter in unseren Hauseingang und in den Hinterhof – das möchte ich wirklich nicht. Gestern unterbrach ich meine Crosstrainerrunde, als ich sah, wie zwei übern Hof im Müllkammerl verschwanden. Ich bat sie sachlich zu gehen, was sie zum Glück ohne Widerstand taten.

Bislang ist das Gegenmittel der Stadt, Polizeikontrollen zu schicken und eine eigene Überwachungstruppe einzurichten, die hin und wieder den Park patrouilliert. Das resultierende Spiel: Beim Kreuzen des Parks zum Einkaufen beobachte ich regelmäßig, wie Polizeibeamte kontrollieren, Teile der Dutzende verlagern sich auf den Sendlinger Torplatz. Doch wenn ich eine Stunde später vom Einkaufen zurückkomme, belegen sie bereits wieder Bänke und Plätze des Parks. Nein, ich weiß keine Ursachenlösung, aber das ist auch weder mein Fachgebiet noch meine Aufgabe.

Frühstück noch vor zwei: Kräuterkartoffeln vom Vorabend und Käsekuchen.

Gemütlicher Nachmittag auf dem Balkon mit Internetlesen und Zeitunglesen – sehr müde, ich war immer wieder kurz vor Siesta, dann aber doch nicht bettschwer genug. Viel Freude an Vogelbeobachtung an Meisenknödel und Wasserschale: Die Meisen drehten oft ab, wenn sie mich bemerkten (manchmal mit einem beleidigend lauten Schreckensquäken), der Jungkleiber konnte jetzt auch am Knödel fressen (und wartete nicht mehr drunter, bis etwas herumliegt), der Herr Buchfink war zum Sterben elegant und schön.

Richtig raus wollte ich aber auch noch, einen Spaziergang über den Alten Südfriedhof traute ich meiner kaputten Hüfte zu.

Wieder fielen mir Gräber auf, die ich noch nie bemerkte hatte – und die ich fotografierte, um daheim nachzuschlagen (beide Grabmäler Ersatz für die Originale, die in der Bombennacht Oktober 1943 zerstört wurden).

Das von Franz von Kobell.

Das Nachschlagen von Eduard Schleich brachte mich zu einigen seiner Gemälde.

Gezielt wiederum ging ich zum Grab Ellen Ammanns. Die Süddeutsche hatte sie anlässlich ihres 150. Geburtstages portraitiert, ich erfuhr einige neue Details über diese unglaublich umtriebige Politikerin (“Frauenführerin und Hitler-Gegnerin”).

Überrascht und gerührt entdeckte ich, dass Ammanns Grab feierlich geschmückt war, dass ihr Werk heute gewürdigt wird.

Ich setzte mich auf ein Bankerl, genoss das Spiel der langsam schrägeren Sonne in den hohen Gräsern.

Abends gab es tinto de verano, Herr Kaltmamsell servierte ein Garnelen-Curry (butter chicken, aber halt mit Garnelen) mit Reis, danach Erdbeeren und Pralinen.

Ewig hin und her überlegt, ob ich am Sonntag ins Schyrenbad zum Schwimmen gehen sollte. Als ich abends das Reservierungs-Prozedere recherchierte, stellte ich fest: Eh ausgebucht.

§

Morgens hatte ich weiter Filmchen von und Interviews mit Hannah Gadsby geguckt. Sehr interessant fand ich dieses Interview von Leigh Sales von September 2017.

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https://youtu.be/tbjbTb3s6Xo

Gadsby formuliert präzise und klug, unter anderem erklärt sie, warum sie es für falsch hält, über die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Ehe per Plebiszit bestimmen zu lassen (das stand zum Interview-Zeitpunkt in Australien gerade an):

This shouldn’t be happening. What we’re doing is we’re asking a minority to basically prove ourselves worthy of the majority. And that’s not fundamentally what democracy is about.

Sie kann auch sehr genau schildern, was eigentlich in Comedy passiert, im Zuschauerraum, zwischen Künstlerin und Zuschauerraum – und wie sie persönlich das für ihre Shows nutzt.

Zum Schluss lässt sich Leigh Sales noch erklären, warum der Diskurs über Kunst heute so abgehoben und volksfern ist – auch darüber hat sich Kunsthistorikerin Hannah Gadsby nachvollziehbare Gedanken gemacht.

§

Warum eine Drag Queen die ideale Kandidatin für eine kurze Einführung in Quantenphysik ist. (via @vonhorst)

die Kaltmamsell

Journal Freitag, 3. Juli 2020 – Hüftgeröngt

Samstag, 4. Juli 2020 um 9:26

Aufgewacht kurz vor Weckerklingeln mit üblen Kopfschmerzen, gegen die aber eine Ibu half.

Während der Gymnastik ließ ich im Fernsehen Morgenmagazin laufen und freute mich an der Pathos-Feindlichkeit unserer Bundeskanzlerin, die zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft sprach, staatstragend ansetzte, dass “nicht nur die EU auf uns blickt, sondern auch die Welt”, typischerweise relativiert mit “ein bisschen”.

Im Büro als Erstes nach langem mal wieder eine Kanne Grüntee gemacht – was ist nur da drinnen, dass ich den immer derart schnell wegtrinke?

Leicht wechselhaftes Wetter, immer wieder türmten sich dunkelgraue Wolkenberge auf, dann schien wieder die Sonne. Viel manuelle Arbeit, nichts Belastendes. Mittags gab es ein Butterbrot aus Selbstgebackenem und große dunkle Pflaumen.

Als Anreiz zu pünktlichem Feierabend nahm ich eine Radlfahrt an den Rotkreuzplatz: Ich löste gleich mal die Röntgenüberweisung ein. Jetzt schien die Sonne, doch die Luft war überraschend frisch.

Der Weg zur Radiologie war an einen Seiteneingang verlegt, von dem aus ich provisorischen Schildern über viele Ecken und Gänge folgte. Raus durfte ich aber über den Haupteingang, ich nehme also Pandemie-Hygienekonzept als Grundlage an. Selbstverständlich herrschte Maskenpflicht, die Angestellten an der Anmeldung saßen hinter mobilem Plexiglas.

Ich musste keine Minute warten, dann wurde ich schon in den Röntgenraum gebeten. Während ich für die Aufnahme der Lendenwirbelsäule im Februar gestanden hatte, legte ich mich jetzt auf den Rücken – und entschuldigte mich, weil das nicht schnell ging. Als mich die Angestellte für die zweite Aufnahme bat, das wehe Bein anzuwinkeln und nach außen fallen zu lassen, sah ich sie sehr gedehnt an: Genau das geht ja nicht. “So weit wie möglich”, half sie mir.

Schnell stand ich wieder draußen auf dem Verkehrs-chaotischen Rotkreuzplatz und sah mich nach einer Einkaufsmöglichkeit um. Ich landete in einem Edeka, der erschreckend voll war: Niemand hielt sich an die Regel, dass man einen Einkaufswagen nehmen muss, niemand hielt Abstand – zumindest trugen fast alle Atemmasken (Ausnahmen: Personal). Mich durchblitzte der Gedanke, dass in diesem Szenario ein Prepper-Einkauf näher lag als im März, denn es sah schon sehr nach zweiter Welle aus (in München sind wir seit einigen Tagen wieder bei zweistelligen Neuinfektionszahlen).

Angenehmes Radeln heim. Dort war es erst sechs, und ich fühlte mich unruhig. Zwar hatte ich schon seit Stunden Hunger, aber keinen Appetit. Deswegen zog ich kurzerhand das samstägliche Kuchenbacken vor, Käsekuchen muss eh ganz abkühlen. Ich hatte seit Tagen Lust auf die Fluffigkeit des Buddenbohm’schen Käsekuchens (wenn an einem Ende der Fluffigkeitsskala die Kompaktheit von American Cheesecake steht, befindet sich dieses Rezept am anderen Ende). Diesmal explodierte er im Ofen geradezu – und die Mandarinen wollten nicht versinken.

Nach dem üblichen Zusammenfallen wirkte er wie ein riesiger Yorkshire Pudding. Angeschnitten wird am Samstag.

Aperitif war Highball aus Ginger Ale und Canadian Whisky. Zum Nachtmahl verarbeitete Herr Kaltmamsell die ersten neuen Kartoffeln aus Ernteanteil zu Kräuterkartoffeln, dazu gab’s restlichen Ernteanteilsalat und eine panierte, gebratene Scheibe gepressten Kalbskopf vom Viktualienmarkt.

Im Bett las ich Zoë Becks Paradise City aus: Viele schöne Ideen, sehr gut zu lesen, für eine konsequentere Ausarbeitung hätte der Roman ruhig länger werden dürfen. (Eine der Ideen der Handlung im Deutschland der näheren Zukunft war zum Beispiel eine Gesundheitssoftware, die per implantiertem Chip Lebensbedrohungen verhindert – und eigentlich fast durchgehend positiv geschildert wird: Das Kippen in das Risiko, dass diese Software mit ihrem Auftrag zur Lebensrettung andere Interessen des Menschen überstimmen könnte, hätte ich mir erzähltechnisch besser gewünscht.)

§

Eine Firma für Menstruationsprodukte macht Werbung mit “womb stories”:

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/JZoFqIxlbk0

via @HilliKnixibix

Weil:

We tell girls a simple story:

Get your period around twelve. Deal with some pain. Have some babies. Then more periods. And then around fifty your body is meant to politely retire.

But it’s never that simple. The unseen, unspoken, unknown stories of our periods, vulvas and wombs – our wombstories – are so much more complex and profound.

(Von Bodyform war ja auch 2012 der Spot “The Truth”.)

die Kaltmamsell

Journal Donnerstag, 2. Juli 2020 – Trippeln Richtung Hüft-OP

Freitag, 3. Juli 2020 um 6:12

Als der Wecker klingelte, war ich gerade wieder nach langem Halbwachsein in den Morgenstunden eingeschlafen. Vorfreude auf Ausschlafen am Wochenende. Draußen war es düster und feucht.

Sportprogramm: Mindestkräftigung (jetzt auch Steigerung im Seitstütz zu vermelden) und eine halbe Stunde Crosstrainer. In der schwülen Luft schwitzte ich sehr, das setzte sich bis ins Büro fort (aus grauem Himmel tröpfelte es immer wieder, aber ich erwischte beim Radeln in die Arbeit eine Pause).

Kleine Schritte zur Hüft-OP: Gestern holte ich mittags beim behandelnden Orthopäden die Überweisung für die Untersuchung in der Klinik ab, außerdem eine fürs Röntgen, da die Klinik um Mitbringen einer Aufnahme bittet, die nicht älter ist als drei Monate. Mittlerweile schien die Sonne recht heiß.

Mittagessen: Brot und eine Honigmelone, die vor lauter Überreife seit morgens das Büro beduftet hatte. Nachmittagssnack reife Plattpfirsiche – mein Körper signalisierte Zuckerschock.

Der Himmel zog immer wieder zu, auch zu Feierabend, doch ich kam ungestört heim – und setzte mich erst mal auf den Balkon zum Lesen.

Nachtmahl war Salat aus frisch geholtem Ernteanteil, dann gab es Brot und Käse, danach Schokolade.

Abends wieder Gewitter, dadurch wieder Temperatursturz. Beim Zu-Bett-Gehen leiser Regen.

§

Novemberregen bloggt:

Hier übersteigt die Verantwortung, die ich für meine eigene geistige Gesundheit verspüre die Verantwortung, die ich gegenüber der Weltgerechtigkeit insgesamt verspüre. Es ist wichtig, Grenzen zu setzen.

Das ist ein ganz ausgezeichneter Ansatz, sich im Strudel der globalen Konsequenzen, die man durch eigene Handlungen auslöst, nicht ganz zu verlieren.

die Kaltmamsell

Journal Mittwoch, 1. Juli 2020 – Arbeit bis zum abrupten Hitze-Ende

Donnerstag, 2. Juli 2020 um 6:05

Nach zerstückelter Nacht kurz vor Weckerklingeln wach geworden. Draußen zeterten die Amseln.

Yoga bei offener Balkontür, durch Verwechslung schweißtreibender als erwartet.

Beim Packen für die Arbeit bemerkt ich, dass ich meinen Büroschlüssel im Büro vergessen hatte – oder verloren. Die Yoga-Ruhe war umgehend weg, die zehn Minuten frühere Ankunft hatte ich eigentlich dringend für Anderes als Schlüssenrecherche benötigt.

Zum Glück war der Schlüssel nicht verloren, ich fand ihn in einem Nachbarbüro, in dem ich Montagabend noch zu tun gehabt hatte.

Es wurde eine sehr emsige erste Arbeitsstunde, damit ich die darauf folgenden drei frei hatte für eine Besprechung. Diese war dann sehr Kräfte-zehrend, was aber daran gelegen haben mag, dass mir schwindlig war – kann das Unterzucker gewesen sein? Bei mir? Nach der Mittagspause (Butterbrot, ein kleiner Apfel) war der Schwindel auf jeden Fall weg.

Seit dem Morgen hatte ich mich darauf gefreut, auf dem Heimweg mit dem Rad eine Extrarunde zu drehen, vielleicht sogar mit Anhalten und Spazieren. Doch dann verdunkelte sich der Himmel gegen Feierabend bedrohlich, es blitzte sogar. Ich brach überstürzt auf, machte nur einen kleinen Einkaufsabstecher, fuhr sonst auf direktem Weg heim.

Die Luft war schwülheiß, daheim sperrte ich sie gründlich aus der Wohnung.

Als Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell einen Nachbau des Acetaia-signature dish: Ravioli gefüllt mit Ziegenfrischkäse.

Es hatte leich abgekühlt, ich setzte mich auf den Balkon und begann ein neues Buch: Zoë Beck, Paradise City.

Der Wolkenbruch kam erst kurz vor acht, brachte dann aber gleich einen abrupten Temperatursturz mit. Wir aßen mit Erdbeeren zum Dessert dagegen an. Ich stellte meinen Blogpost über Wodins Sie kam aus Mariupol fertig – und fragte mich, warum alle anderen Rezensionen, die ich fand, das Buch so gründlich anders gelesen hatten (es hat sogar den Preis der Leipziger Buchmesse bekommen!). Kannten wirklich so wenige die Details der Verschleppung und Zwangsarbeit der damals “Ostarbeiter” genannte Menschen?

die Kaltmamsell