Journal Freitag, 9. August 2019 – Gemüstag, mit Stern im Tian

Samstag, 10. August 2019 um 10:03

Am Vorabend war es mir zu spät dafür gewesen, jetzt stellte sich Herr Kaltmamsell in aller Herrgottfrüh in die Küche und schnippelte meine Brotzeit nach Wunsch: Fenchel aus Ernteanteil, grüne lange Paprika vom Verdi (leicht scharf), Salzzitronen, Pfeffer, Salz, Rapsöl.

Schmeckte hervorragend – ich beginne Menschen zu verstehen, die Salzzitrone erst mal an alles tun.

Vier Monate im Jahr muss ich ja wegen Oktoberfest einen Umweg um die Theresienwiese machen. Das bringt mich um den weiten Blick, den ich sonst so genieße, hat aber einen enormen Vorteil: Ich gehe an der Feuerwache 3 – Westend vorbei, meine innere Achtjährige bekommt immer wieder etwas geboten. In den vergangenen Tagen stand mehrfach ein Feuerwehrauto vor dem Gebäude, die eine oder andere Klappe geöffnet, Feuerwehrmänner taten Dinge daran. Am Donnerstagabend saß eine Gruppe Feuerwehrler davor in der Abendsonne, Tore zum spannenden Gebäudeinneren offen. Und gestern war gerade ein Leiterwagen vor dem Gebäude in Betrieb, ein Feuerwehrmann mit Helm fuhr im Korb hoch, ein anderer saß unten in der Steuerkanzel und betätigte die Leiter. Ein entgegenkommender Herr, der auch fasziniert nach oben guckte, und ich lächelten einander dämlich vor Begeisterung an.

Der Tag war schnell und überraschend heiß geworden. Auf dem deshalb langsamen Heimweg ging ich bei Bank und Obsthändler vorbei, wir haben jetzt die reichste Obstsaison.

Am Abend war ich mit Herrn Kaltmamsell verabredet: Ich hatte einen Tisch im mittlerweile sternbekrönten Tian am Viktualienmarkt reserviert.

An die Einrichtung des Restaurants musste ich mich erst mal gewöhnen, diese Polster-und-Bronze-Opulenz kommt bei mir als eher unangenehm neureich an.

Wir entschieden uns für alle sieben Gänge, doch gestern hätte mich die sonst so geschätzte Weinbegleitung überfordert – allein schon die Menge von insgesamt einer Flasche. Also bekam ich die Weinkarte. Die eher übersichtliche Karte war stark österreichisch ausgerichtet und hier auf Gols am Neusiedlersee. Ich hatte noch nie eine Weinkarte in der Hand (besser: vorm Körper – sie war so groß, dass ich mich dahinter hätte umziehen können), in der ich so viele Winzer und Lagen kannte und sogar schon probiert hatte. Ich entschied uns1 gegen einen Orange Wine, da Herr Sommelier bei allen seinen Vorschlägen eine mostige Note zugeben musste, die ich nicht mag. Wir ließen uns einen katalanischen Enric Soler Improvisació empfehlen, der uns sehr gut schmeckte, aber, wie sich herausstellte, sich mit den Gerichten nichts zu sagen hatte.

Der erste Gruß aus der Küche stand schon in einer Vase auf dem Tisch, dunkelgrüne Teigstangen mit Majonese und Blütenblättern. Dazu gab es Champagner De Sousa: Weiß für ihn, rosé für mich.

Der zweite Küchengruß: ein Maissüppchen, sehr angenehm.

Der erste richtige Gang: “Kohlrabi: Radieschen, Buttermilch”. Der Kohlrabi war laut Erklärung die beige Puddingscheibe, darin Tomaten, darüber Radieschen, dazu Schnittlauch-Buttermilch-Soße geträufelt. Nur: Nach Kohlrabi schmeckte hier nichts, Geschmack kam von den Tomaten und Radieserln. Der Pudding schmeckte generisch umami und war cremig, während ich mit Kohlrabi Frische und Knackigkeit verbinde (ich erinnere mich mit Speichelfluss an den kleinen, Frischkäse-gefüllten im Berliner Cordobar).

“Vichyssoise: Queller, Burrata” war eine ansprechende Kombination, aus dem kalten Klassiker war die Kartoffel deutlich zu schmecken.

“Junger Lauch: Spargel, Pfifferlinge”. Intensiv schmeckten hier die Pfifferlinge, unterstrichen durch Estragon. Der Spargel ging unter, der Lauch brachte Röstaromen mit.

Die “Alternative Ratatouille: Paprika, Tomate, Aubergine” von der Karte wurde uns als “unsere Interpretation” vorgestellt. Interessant war hier der klare Tomatensaft, schön herzhaft, auch die sauer eingelegten Einzeltomaten. Und was unter der schimmernden Kuppel hervor kam, schmeckte wie eine sehr, sehr stark eingeschmurgelte Ratatouille. Wie schon beim Kohlrabigang fragte ich mich, was wohl das Ziel einer Küche ist, die ihre Zutaten hinter der Zubereitung versteckt. Artistik? Aber die Frage mag mal wieder vor allem meine persönlichen Vorlieben verraten.

Zur Entschädigung gab es deutlich nach sich schmeckend “Spitzkohl: Pasta, Kümmel”. Wir hatten Krautfleckerl erwartet, deren zentrale Zutaten hier aufgezählt waren, bekamen aber Krautkrapfen. (Die Servicekraft – eine von fünfen, die uns umsorgten – verstand nicht, wovon wir sprachen, das Gericht ist vielleicht zu regional).

Der Käsegang war ein geschmolzener: “Cathare von Maître Anthony: Olive, Zwiebel, Rucola”, sehr gut, vor allem durch die geschmorten roten Paprika.

Dazwischen gab es einen Melonen-Shot mit Ingwerschaum, schön saisonal und wohltuend.

Den Nachtisch mochte ich sehr, weil er sich auf Schokolade, Himbeere, Rose konzentrierte. Die winzigen Küchlein waren aus Mandelteig.

Zum Abschluss ließ ich mir einen Espresso bringen (anständig), dazu gab es Zitronen-Madeleines.

Draußen traf uns mit Wucht eine schwüle Nacht, wir spazierten über den emsigen Gärtnerplatz und durch viele Wochenendeinläuter auf allen Draußensitzplätzen nach Hause.

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Frau Klugscheißer erzählt am eigenen Beispiel, wie gerade starke Menschen durch traumatische Erlebnisse nachhaltig aus der Bahn geworfen werden können. Und wie sie zurück finden.
“Trauma my ass!”.

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Für Hispanohablantes:
“Esta jienense puede leer su agenda telefónica gracias a los dibujos de su nieto”.

(Ja, das ist die Schlagzeile. Zu den Merkwürdigkeiten spanischer Kultur gehört, dass die Schlagzeile, wie wir sie kennen, nicht gebräuchlich ist – am ehesten noch auf den Titelseiten von Klatschmagazinen -, sondern als Überschrift etwas dient, was bei uns der Vorspann wäre.)

Zusammenfassung: Die 74-jährige Encarna Alés telefoniert gerne. Weil sie nicht lesen kann, hat ihr Enkel ihr ein Telefonbuch mit Symbolen statt Buchstaben gemalt, das er kontinuierlich aktualisiert. Kürzlich twitterte er Fotos von ein paar Seiten daraus – die Tweets gingen viral.

Darin ist so viel bemerkenswert (neben den seltsamen Überschriftgepflogenheiten):
– Der Spanier hispanifiziert Fremdwörter bis heute völlig ungerührt, retweeten heißt “retuitear” wie in “Ha sido retuiteado más de 15.000 veces en un día.”.
– Es gibt bis heute ganze Generationen von Analphabeten in Spanien. Das war bei meiner spanischen Yaya so (die jetzt 105 Jahre alt wäre), aber eben auch bei der beschriebenen Encarna Alés. “Encarna Alés tuvo que dejar el colegio para trabajar con ocho años” – sie musste mit acht Jahren die Schule verlassen um zu arbeiten. War halt so.
– Ihren Namen kann Frau Alés aber schreiben: Das hat ihr Vater ihr beigebracht, damit sie bei der Heirat nicht mit einem Daumenabdruck unterschreiben musste.

  1. Herr Kaltmamsell hat zum Glück noch nie protestiert []
die Kaltmamsell

Journal Donnerstag, 8. August 2019 – Erste Runde Nach-Reha

Freitag, 9. August 2019 um 7:02

Sonniger Tag, aber nicht zu heiß.

Vormittags eine Hand voll Trockenpflaumen, Mittags Quark mit vielen Pfirsichen, Nachmittagssnack Eiweißriegel.

Pünktlicher Feierabend, um zur Nach-Reha zu kommen. Erstes Mal “Nachsorge Gruppe”, was 25 Minuten Gymnastik mit Sitzball enthielt, wenn man wollte (raten Sie) durchaus anstrengend. Dann die Runde im Geräteraum, in die ich am Montag eingewiesen worden war. Sollte sich zu einer Stunde summieren, wurden gestern aber anderthalb Stunden – von denen höchsten zehn Minuten meiner Unerfahrenheit mit dem Raum, den Geräten und dem Computersystem geschuldet waren: Das Tempo des Hebens, Schiebens, Drückens ist von den Maschinen genau vorgegeben, die freien Übungen absolvierte ich sogar zügiger als optimal.

Die Zusatzschmerzen seit der jüngsten Laufrunde (und die Nachwirkungen des Schlingentischs in der Reha) sind noch nicht wieder weggeheilt, ich hinke unelegant. Das kann doch nicht meine Zukunft sein?

Durch die unvermutet lange Dauer des Reha-Sports war ich spät daheim. Herr Kaltmamsell hatte vereinbarungsgemäß aus den Agretti des gestern geholten Ernteanteils ein Spaghettigericht bereitet (Pinienkerne, Knoblauch, ein wenig Sardelle, ein wenig Chilischote):

Nachtisch viel Schokolade.

Fledermäuse im Formationsflug überm Hinterhof.

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Ein Realschulleiter und seine diesjährige Abschlussrede.

die Kaltmamsell

1000 Fragen 901-920

Donnerstag, 8. August 2019 um 15:59

901. Hast du schon einmal eine Rede gehalten?
Ja.

902. Welche Art von Restaurants bevorzugst du?
Hausmannsküche aller Nationen, mit Expertise und Hingabe zubereitet. (Sofort schmerzt mich wieder die Schließung der Marietta.)

903. Welchen großen Vorteil hat es, wenn man als Single lebt?
Eine ganze Wohnung für sich allein.

904. Welchen großen Vorteil hat es, wenn man in einer Beziehung lebt?
Wenn es irgendeine Beziehung ist, fällt mir kein Vorteil ein. Wenn es sich um meine Beziehung handelt, ist der Vorteil das Teilen von Leben und Alltag mit einem Menschen, auf den ich mich vor jeder Begegnung freue.

905. Findest du dich selbst schön?
Ausreichend.

906. Welche Gefühlsregung erlebst du mindestens einmal am Tag?
Harndrang.

907. Wann hast du zuletzt Champagner getrunken?
Vor wenigen Monaten.

908. Bist du ein Sonntagskind?
Nein, ich kam an einem Dienstag auf die Welt.

909. Wie würde das Gemälde aussehen, das dein Leben darstellt?
Kleinteilig, eher matte Farben, dazwischen schwarze und weiße Striche.

910. Mit welchem Kleidungsstück von früher verbindest du gute Erinnerungen?
Mit keinem.

911. Was würde in einer Kontaktanzeige über dich stehen?
Wartungsintensiv.

912. Mit wem hast du zuletzt laut gelacht?
Mit den Gästen und Gastgebern des Paellaessens vergangenen Samstag.

913. In welchen Sprachen kannst du dich verständlich machen?
Deutsch, Oberbayrisch, Englisch, Spanisch.

914. Wozu hast du immer wieder keine Zeit?
Buch lesen. (Und das mir, die ich lange daraug verwiesen habe, dass ein echter Bücherwurm eher für alles andere keine Zeit hat.)

915. Kommt Weisheit mit den Jahren?
Nein.

916. Was ist das schlimmste Schimpfwort, das du jemals einer Person an den Kopf geworfen hast?
Ich beschimpfe Menschen nicht mit Schimpfwörtern.

917. Was war die spontanste Aktion deines Lebens?
Gleich Aktion? Und schon hänge ich beim Nachdenken daran fest, was eigentlich “spontan” bedeutet. Denn ich fälle Entscheidungen schnell und impulsiv – ist das Spontanität? Dann habe ich schon Reisen spontan geplant – aber halt mit Beginn Monate später. Doch eine ganze Aktion kurzfristig beschließen und sofort beginnen? Da fällt mir keine ein.

918. Findest du, dass das Leben erst durch Kinder ein erfülltes wird?
Nein.

919. Wie verhältst du dich in einem Haus, in dem es zu spuken scheint?
Hängt davon ab, ob mich der Spukanschein stört oder beunruhigt. Wenn er das tut, suche ich nach der Ursache und repariere/befestige sie – oder schimpfe, man möge bitte mit dem Unsinn aufhören.

920. Mit wem würdest du gern einen Tag das Aussehen tauschen?
Mit einem Mann.

Quelle: Flow-Magazin.

Zu den Fragen 881-900.
Zu den Fragen 921-940.

die Kaltmamsell

Journal Mittwoch, 7. August 2019 – Schlafstörende Behütung

Donnerstag, 8. August 2019 um 6:42

Unruhige Nacht. Kurz vor Mitternacht weckte mich lautes Rufen draußen, das von einer Unterhaltung mehrer Männerstimmen abgelöst wurde, freundlicher Tonfall, aber in Bierzeltlautstärke. Vom Wohnzimmerfenster aus sah ich im Hinterhof fünf Herren des Ordnungsdiensts des Kreisverwaltungsreferats mit Taschenlampen um einen Zivilisten stehen (der einzige mit leiser Stimme), der möglicherweise im Gebüsch übernachten wollte. Was mich deutlich weniger gestört hätte als das Rufen.

Um zwei wurde es nochmal laut, wieder Rufen, diesmal von der Straße. Nach diesem erneuten Wecken schlief ich sehr lang nicht wieder ein. Es war nicht das erste Mal (auch nicht erst das zweite oder dritte), dass mich der Jagdeifer dieses Ordnungsdienstes (eingerichtet, weil viele Anwohnende sich durch die Menschen und den Drogenhandel im Nußbaumpark bedroht fühlen) nachts aus dem Bett hebelte. Ich werde mir ein Herz fassen müssen und bei offizieller Stelle um Schonung des Nachtschlafs der Menschen bitten, die der Ordnungsdienst behüten soll.

Der Tag begann noch gemischtwolkig, ich genoss den Fußmarsch in die Arbeit.

Dass ein besonders emsiger Treff der Wohnungsflüchtlinge im Viertel mit morgentlicher Bierflasche in der Hand die Bank vor dem Institut für Rechtsmedizin / Walther-Straub-Institut für Toxikologie ist, sollte dringend in einem launigen Roman fiktionalisiert werden.

Mittags gab es den am Vortag zubereiteten Salat aus gekochtem Buchweizen, frischen grünen Paprika, Tomaten, Thymian und Emmentalerstückchen. Ich war vor Ende der Portion satt, hatte so noch einen Snack für nachmittags.

Es regnete immer wieder, auch auf meinem Heimweg brauchte ich einen Schirm. Herr Kaltmamsell hatte keine Lust gehabt zu kochen – was bedeutete, dass er lediglich ein Rezept für Champignonsalat ausprobiert hatte (Hinweis von mir) und sonst Käse, Brot, Tomaten, Wassermelonen servierte.

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Schabernack auf Twitter, zusammengefasst vom Online-Magazin watson:
“Wenn Frauen über Autoren schreiben, wie sonst nur Männer über Autorinnen schreiben”.

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Die großartige Celeste Barber, die als durchschnittlich geformte Normalfrau die Posen von Modelschönheiten nachäfft, hat es auf ein Vogue-Cover geschafft. Und zeigt hier ein paar Szenen hinter den Kulissen der Fotoaufnahmen.

die Kaltmamsell

Journal Dienstag, 6. August 2019 – Nix Besonderes, aber Sonne und Wind

Mittwoch, 7. August 2019 um 6:57

Der Wecker riss mich aus tiefem Schlaf.

Gestern war ein komischer Tag. Ich ging mit Schmerzen in Kreuz und Hüfte (und ahne, dass meine Rührung über Menschen, die mich mit Mitgefühl auf mein offensichtlich schmerzbedingtes Hinken ansprechen, demnächst erschöpft sein wird), mir war schwindlig, ich fühlte mich matt und erschöpft. Hoffen wir einmal, dass auch das vorbeigehen wird.

Sonniger Tag mit schönem Wind und angenehmenen Spätsommergerüchen. Nach Feierabend machte ich einen Abstecher zum Vollcorner (übrigens, weil’s in meinem Internet gerade Thema war: Die haben die größte Auswahl an festem Haarshampoo, die ich kenne) für Kaffee und Brotzeit für die nächsten Tage.

Schon seit Montag sehe ich keine Mauersegler mehr, sie scheinen für dieses Jahr fort zu sein.

Herr Kaltmamsell hatte nach Pulpo gesucht, als er keinen fand stattdessen Calamari gekauft – und servierte sie zum Nachtmahl auf dreierlei Art:

In Tomaten-Oliven-Soße, aus der Pfanne (meine Lieblingsversion, weil intensivster Calamari-Geschmack) und mit Semmelbrösel gefüllt und geschmort. Ein Glas Chardonnay dazu (mag ich immer noch nicht wieder wirklich), Nachtisch Wassermelone.

Im Fernsehen lief Schräger als Fiktion. Der Film und meine Begeisterung dafür sind mir so präsent, dass mir erst gestern klar wurde, dass ich ihn nur einmal gesehen habe, und zwar vor zwölf Jahrem im Kino. Ich stellte fest, dass auch die synchronisierte Version funktioniert (natürlich nicht die “I brought you flours”-Szene).

die Kaltmamsell

Journal Montag, 5. August 2019 – Start der Nach-Reha

Dienstag, 6. August 2019 um 7:05

Früher aufgestanden, weil ich gestern früher Feierabend würde machen müssen, um den Aufnahmetermin Nach-Reha zu schaffen.
(Höre ich da jemanden fragen: “Aber Kaltmamsell, du hast doch über 120 Stunden Plus auf deinem Zeitkonto, warum bedienst du dich nicht einfach da?”? Woran bitte soll ich mir sonst beweisen können, dass ich nicht komplett faul und liederlich bin, wenn nicht am Stand meines Zeitkontos? HMM?)

Nach frühem Feierabend also Aufnahme in die Nach-Reha beim Reha-Zentrum ums Eck vom Büro. Eine große und interessant durchorganisierte Einrichtung: Die User-Führung dieses modernen Reha-Zentrums ist ausgeklügelt mit Farbkodierung der verschiedenen Abteilungen, die Wartebereiche haben Namen, ich wurde von dem Menschen, mit dem ich zu tun hatte, immer zum nächsten angegebenen Ort gebracht und freundlich mit Anweisungen versehen – das war offensichtlich so geplant und durchorganisiert.

Noch vor dem Aufnahmegespräch bekam ich am Empfang meine Patientenkarte, die auch meinen Spind in der Unkleide schloss, dann gab es in einem Büro Überblick und Terminabsprachen bis Ende des Jahres. Kurzes Warten auf die ärztliche Untersuchung. Dieser Orthopäde führte nach Gespräch und Untersuchung (Auaua! nach dem sportlichen Wochenende konnte ich gestern meine Beschwerden besonders gut live und eindrücklich vorführen) meine Beweglichkeitsprobleme in der rechten Hüfte auf Arthrose zurück und empfahl, das durch eine Röntgenaufnahme zu überprüfen. (Ich überlege noch: Was hätte ich davon?)

Umkleiden im tiefen Untergeschoß. Auf die Maschineneinführung musste ich eine Weile warten – das hatte ich vorher gewusste, dennoch diesen ersten möglichen Termin angenommen, um die Nach-Reha möglichst schnell starten zu können. Die Einführung durch einen freundlichen Herrn Physio war verständlich und nachvollziehbar. An der Beinpresse bat ich von Vorneherein um ordentlich Gewicht, um nicht um jedes Scheibchen schachern zu müssen. Und dann musste ich natürlich doch wieder Eindruck schinden, aus dieser pubertären Phase kriegt mich wahrscheinlich erst Arthrose in allen Gelenken: Abschließendes Bauchmuskeltraining auf der Matte, Herr Physio steigerte den Schwierigkeitsgrad, wies darauf hin, mit welchen Maßnahmen ich mir die Übungen so richtig schwer machen könne und lachte dann, höchste Esklationsstufe seien ja Klappmesser. Sie dürfen raten, wer ihm daraufhin ein Dutzend vormachte, schön langsam. Dabei sollte ich auch die inzwischen und vor allem derzeit wohl besser mal sein lassen.

Bis zum Nachmittag war der sonnige Tag richtig heiß geworden, jetzt am Abend aber ein wenig abgekühlt. Ich spazierte nach Hause, wo Herr Kaltmamsell verabredungsgemäß eine Ernteanteilaubergine als Pizzabelag verwendet hatte.

Die Champignons, die er dazugekauft hatte, passten ganz besonders gut.

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Das neue Twitter-Layout setzt mir hartnäckig “Likes” der abonnierten Kanäle und Werbung in die Timeline – und macht sie damit praktisch unlesbar. Doch ich hatte mich an einen Trick erinnert, von dem ich schon nach dem vorherigen Umbau gelesen hatte (dem ich die oben genannten Störungen noch hatte austreiben können): Listen. Ich schob alle knapp 200 abonnierten Kanäle in eine Liste “Alle” und kann sie seither chronologisch und werbefrei lesen. Doch auch das hat einen Haken: Gefiltere Begriffe scheint diese Darstellung zu ignorieren, ich muss also über Fußball und Fernsehsendungen lesen, die mich nicht interessieren.

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Josa Mania-Schlegel schreibt bei den Krautreportern:
“Den jungen, wilden Ostdeutschen gelingt etwas, an dem Parteien und Politiker verzweifeln”.

Eine Menge junger Ostdeutsche stellt gerade offen das Gelingen der Wiedervereinigung in Frage. Haben sie recht? Jedenfalls schaffen sie es, dass AfD-Wähler über ihre eigentlichen Probleme reden.

via @mspro

die Kaltmamsell

Journal Sonntag, 4. August 2019 – Sonntagsruhe mit Laufen und Bügeln

Montag, 5. August 2019 um 6:23

Ausgeschlafen, allerdings nicht so lange wie erhofft.
Zu einem sonnigen Tag aufgewacht. Ich entschied mich für einen Isarlauf statt einer Schwimmrunde und radelte zum Friedensengel. Auch diesmal wollte ich die Runde abkürzen, ich lief also nur bis zur Leinthalerbrücke, ließ die wunderschöne Strecke bis zur Unterföhrunger Kirche St. Valentin weg. Das war immer noch zu viel, ich war dann aber so vernünftig, das letzte Stück zurück zum Fahrrad zu spazieren statt zu joggen.

Dennoch zahlte ich für den Lauf und konnte den Rest des Tages nur schwer gehen, weil rechts die Hüfte und das Beim so schmerzten. Das hatte aber auch mit einem Muskelkater von der samstäglichen Gymnastik zu tun.

Beim Heimradeln nahm ich Semmeln mit. Nach dem Frühstück wurde ich müde und bettschwer, legte mich zu einer Siesta hin. Als ich eine schmerzfreie Lage gefunden hatte, schlief ich tief und gut.

Der Bügelberg war schon wieder gewachsen, diesmal sollte er ganz wegkommen. Half ja nichts. Also verbrachte ich zweieinhalb Stunden überm Bügelbrett, hörte dabei Podcast:
WRINT: Andrea Diener verreist nach Osteuropa.

Vor dem Abendessen war dann zumindest noch Zeit, auf dem Balkon die Wochenendezeitung zu lesen. Herr Kaltmamsell hatte elaborierte Spareribs gemacht: gedämpft und dann mit einer lateinamerikanischen Glasur im Ofen gebacken.

Dazu gab es Reis und schwarze Bohnen.

Zum Nachtisch spazierten wir zur Nachbarschaftseisdiele – Schüsselchen und Löffel brachten wir mit.

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Aus diesem Artikel habe ich nicht nur viel über den Wert von bestimmten Turnschuhen in bestimmten Bevölkerungskreisen gelernt, nicht nur, wie Geldgierler das ausnutzen, sondern auch, wie schädlich sich das auf hochspezialisierte kleine Hobby-Communitys auswirkt. Vor allem aber, mit welchem Schabernack eine dieser Communitys die Kriegsgewinnler ausgetrickst hat:
“Bonkers vs Bots
Wie sich der Frankfurter Shop gegen Reseller wehrt”.

Meine Mama hat immer gesagt: „Wenn dich einer anpisst, dann pisst du dreimal zurück, bis er ertrinkt.“ Also so genau hat sie das nicht gesagt, aber so in der Art.

(Da möchte ich ihn gleich ganz tantig in die Wange kneifen.)

§

Weil grad noch Platz ist.
Wenn Sie gerade nach ökologisch und ethischh vertretbarer, nachhaltig produzierter Kleidung suchen: Überlegen Sie einfach mal als Alternative, gar nichts zu kaufen. Das ist das Umweltfreundlichste. Oder, wenn der Bedarf oder Wunsch zu groß ist: Suchen Sie erst mal nach etwas Gebrauchtem.
Bittegerne.

die Kaltmamsell