Archiv für Oktober 2013

Herbstsonne

Dienstag, 15. Oktober 2013

Die Zahnärztin hatte darauf bestanden, mich auch am Montag krank zu schreiben, vor allem, weil ich möglichst wenig sprechen sollte (irgendwas mit Muskelsträngen und Kieferknochen). Ein halbstündiges Telefonat mit meiner Mutter am Sonntag, bei dem ich viel am Stück sprach, demonstrierte mir dann auch gleich, welche Schmerzen Zuwiderhandlung zur Folge hatten.

Also hatte ich Zeit, in der wundervollen Herbstsonne zu Fuß nach Schwabing zum Kontrolltermin bei der Ärztin zu spazieren, ich brauchte nicht mal eine Stunde.

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Nachmittags kam meine Mutter und brachte rote Mirabellen vorbei. Sie hatte im sonntäglichen Telefonat erwähnt, dass ein Spezl meines Vater einen Korb voll aus eigenem Anbau geschenkt hätte und sie gar nicht wisse, was sie damit … Weiter kam sie nicht, weil ich bereits “HER DAMIT!” gerufen hatte.

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So kochte ich aus einem Teil davon gestern Marmelade.

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(Sagen Sie: Bin ich die letzte, die für ihre selbstgemachte Marmelade nicht hübsche neue Gläser kauft, sondern das ganze Jahr über Schraubgläser in passenden Größen aufhebt, nachdem sie leergegessen sind? Ist das prollig?)

Lutz Geißler, Das Brotbackbuch

Montag, 14. Oktober 2013

Bevor ich das Buch vorstellte, wollte ich unbedingt mindestens drei Rezepte daraus getestet haben. Nun hat es bis zum dritten doch eine Weile gedauert (mir kamen ein paar ungemein spannende Brote aus Blogs dazwischen), doch jetzt habe ich auch die Morgenbrötchen nachgebacken.

Schon seit einiger Zeit rezensiert Lutz Geißler deutschsprachige Brotbackbücher. Keines davon taugte in seinen Augen wirklich etwas, und das sehr nachvollziehbar: Ein Brotbackbuch sollte die Grundlagen des Brotbackens vermitteln und zumindest in groben Zügen, was da eigentlich passiert. Es sollte Techniken erklären, Bezugsquellen für Zutaten nennen, Rezepte verschiedener Schwierigkeitsstufen enthalten. Solch ein Buch gab es in deutscher Sprache nicht – bis Lutz es selbst schrieb.

Der Aufbau des Buches ist sehr klug und pragmatisch: Auf vier knappen Seiten “Tipps für den Start” wird der wichtigste fachliche Hintergrund der Rezepte und des Brotbackens dargelegt, zusätzliche Seiten erklären die Fachbegriffe, denen man im Buch (und in Brotbackblogs) begegnet, von “Abglänzen” bis “Zwischengare”. Dann locken bereits die wunderbar (ebenfalls von Lutz) fotografierten Brote und Semmeln in den Rezeptteil, aufgeteilt in “Rezepte für den Anfang”, “Rezepte mit etwas Übung” und “Rezepte für Fortgeschrittene”. In Marginalien und Kästen werden einige Techniken erläutert, mit eigens für das Buch erstellten Illustrationen. Die Rezepte sind übersichtlich notiert, es gibt für alle Anleitungen eine Kurzfassung (für Erfahrene und bei Wiederholungen) sowie eine ausführliche Beschreibung. Das letzte Drittel des Buches geht in die Tiefe des Brotbackens, in chemische Vorgänge, Profiausstattung, elaborierte Technik – ich fand jede Zeile hochspannend.

Ein besonders cleverer Kunstgriff ist die Verknüpfung des Buchs mit einer Website: www.brotbackbuch.de. Hier gibt es zu jedem Rezept weitere Bilder – schließlich will ich doch vor dem Backen immer den Anschnitt sehen, und Bilder vom Teig und seiner Konsistenz helfen mir auch oft. Ebenfalls eingebunden in die Website: Lehrvideos zu zahlreichen Techniken wie Rundwirken oder Falten.

Wie auch in Lutz Geißlers Plötzblog sind mir allerdings oft die Teigmengen zu gering; zum einen fühlt es sich ökonomischer an, den Ofen für gleich mehrere Brote einzuheizen, zum anderen dreht meine große Küchenmaschine bei Roggenteigen in kleinen Mengen gerne mal leer (Weizenteige halten durch die Glutenbildung zusammen). Aber das ist eine wirklich marginale und sehr persönliche Mäkelei, zudem lassen sich die Zutaten sehr einfach verdoppeln.

Etwas objektiver ist meine Kritik an den PR-Phrasen, in die die Brotbeschreibungen oft entgleiten (“Ein gelingsicheres Brot für jeden Anlass”, “Dank seines bestechenden Eigengeschmacks”, “Ein beliebtes Frühstücksgebäck”). Lutz hat mehrfach darauf hingewiesen, dass das nicht seine Idee war, sondern dem Druck des Verlags geschuldet ist, ich sehe also mit hochgezogener Augenbraue nach Stuttgart. Dazu kommt Schlamperei im Endkorrektorat, selbst bin ich über einige Stellen gestolpert, und die Liste der Errata (großes Lob fürs Online-Stellen) ist erschreckend. Ich hoffe sehr, dass es eine 2. Auflage mit Korrekturen geben wird (vielleicht noch vor Weihnachten?), dann werde ich das Buch reichlich verschenken.

Vielen Dank an Lutz für das Buch – ich kann mir kaum vorstellen, wie er das neben seiner komplett anderen Berufstätigkeit hinbekommen hat. Und Dank an eine meiner persönlichen Brotfeen, Petra, die den Verlag nach Anfrage bei ihr zu Lutz geschickt hat; auch mir fällt niemand ein, der sich besser für dieses Projekt geeignet hätte.

Bislang nachgebacken habe ich:

1. Weißbrot – ein ganz besonders Brotbackerlebnis. Vermutlich weil dabei wie durch Magie das Weißbrot meiner Kindheit entstand, das ich bereits fast vergessen hatte.

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2. Schokobrot, weil es gar zu albern ist. Schmeckte ganz hervorragend.

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3. Und gestern eben die Morgenbrötchen – gingen mir über Nacht nicht genug auf, und dann ließ ich sie auch noch ein wenig zu lang im Ofen (letzten Tipper auf den Timer vergessen und damit das Ende der letzten fünf Minuten übersehen). Schmeckten trotzdem sehr gut.

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20 Sachen über mich

Sonntag, 13. Oktober 2013

Wer seit zehn Jahren nabelschaubloggt, bietet ihren Leserinnen und Lesern wohl kaum Überraschungen.

1. Ich bin etwa die Hälfte der Zeit mehr oder weniger wütend, deutlich über den Münchner Grant hinaus. Das ist ganz schön anstrengend.

2. Da diese Wut zu 99% sachlich gesehen unbegründet ist, ist sie mir peinlich, und ich möchte zumindest niemanden damit belästigen. Unter anderem deshalb bin ich so gerne allein.

3. Praktisch jeder und jede in meinem Gesichtskreis entwickelt sich weiter, packt neue Lebensabschnitte an, fängt Feuer für neue Projekte und Tätigkeiten, streift Häute ab. Nur ich entwickle mich zurück, verliere Antrieb, Ideen, Zuversicht. Derzeit bin ich etwa wieder so weit wie mit 16 – mit dem Unterschied, dass ich viel mehr weiß und mir zu allem viel mehr faktische Hindernisse und schlechte Erfahrungen einfallen.

4. Ich habe keinen Einrichtungsgeschmack. Mir gefällt auf Nachfrage sehr viel (von selbst mache ich mir praktisch nie Gedanken darüber), wenig überhaupt nicht. Dennoch fühle ich mich in manchen Wohnumgebungen deutlich wohler als in anderen. Vielleicht bekomme ich bis zum Ende meines Lebens zumindest heraus, welcher Einrichtungsstil dieses Wohlgefühl verursacht.

5. Ich wäre gerne abenteuer- und reiselustig.

6. Ich halte mich für überdurchschnittlich intelligent (im Sinne von Geschwindigkeit der Informationsaufnahme und -verarbeitung). Und halte das wiederum für einen Beleg, dass ich in erster Linie überdurchschnittlich eingebildet bin.

7. Ich bin eine miese Freundin, unzuverlässig, schwer zu greifen und bei kleinsten Hindernissen (äußerlich oder innerlich) bereit mich zurückzuziehen.

8. Ich halte mich wirklich für durchschnittlich und normal bis spießig. Deshalb stolpere ich immer wieder darüber, dass so viele Menschen Dinge völlig anders sehen und angehen – wo es doch für meine ganz normale Sicht so viele gute und vernünftige Gründe gibt.

9. Wenn ich einen Kuchen backen möchte, fällt mir immer als Erstes Käsekuchen ein. Dann Marmorkuchen, als Drittes Apfelkuchen. Tatsächlich backe ich dann aber irgendwas Neues, Spannendes, was ich gerade in einem Foodblog gefunden habe.

10. Es macht mich nicht froh, richtig viel Geld zu verdienen.

11. Wenn es mir schlecht geht, bekommt das meist nur der Mitbewohner mit. Am liebsten bin ich dann eh allein, und unter Menschen will ich ja bitte, dass die anderen mir angenehm entgegentreten – das täten sie nicht, wenn ich ihnen meinen Grant anhängte.

12. Ich tanze sehr gerne, habe mich aber damit abgefunden, dass ich fast nie Gelegenheit dazu habe. Unter anderem weil mir offensichtlich anderes wichtiger ist.

13. Privater Umgang mit Menschen fällt mir schwer, es gibt nur ganz wenige Menschen, in deren Gegenwart ich mich entspanne.

14. Seit fast zwei Jahren bin ich in psychoanalytischer Therapie. Zum zweiten Mal nach 2003-2006. Besser geht’s mir diesmal trotzdem nicht, deshalb werde ich das sehr wahrscheinlich demnächst bleiben lassen.

15. Lakritze mag ich eigentlich nicht. Und esse sie trotzdem im Haribo-Konfekt, weil sie dort dazugehört. Oder als Lakritzschnecken, weil die sich so lustig abrollend essen und es kein vergleichbares Kaugefühl gibt.

16. Ich trage nie Armbanduhr und fast nie Fingerringe.

17. Es macht mich froh, immer weniger zu besitzen. Das war eine schleichende Entwicklung; noch bis in die 30er freute ich mich am Anwachsen meiner Dinge. Ein epiphanischer Moment war die Wohnungseinweihung einer Kollegin, die sich kurz zuvor von ihrem Partner getrennt hatte und nur wenig besaß: Das löste nicht nur wegen der Ästhetik eine Art Neid bei mir aus. Damals beschloss ich, dass mein Besitz auf keinen Fall mehr werden sollte; für jedes neue Ding würde ein vorhandenes rausfliegen müssen (im Prinzip; tatsächlich bin ich natürlich inkonsequent). Irgendwann wurde das Wegwerfen immer schöner.
Noch ist die größte Ausnahme Kleidung (nicht Schuhe): Hier habe ich noch sehr stark den “Haben!”-Impuls, wenn mir etwas sehr gut gefällt. Doch ich besitze bereits so viel schöne und hochwertige Kleidung, an der ich mich kein bisschen abgesehen habe, dass mich der vernünftige innere Hinweis auf all die Kleidungsstücke mit ähnlicher gestalterischer oder funktionaler Funktion mittlerweile recht zuverlässig von Neukäufen abhält.

18. Ich fiesle Nagelhäute. Meine Hände sind eine kuriose Mischung aus ältlich, verbraucht und zwölfjährigem Schulmädel.

19. Ich kann Frischhaltefolie unfallfrei abreißen und verwenden.

20. Da draußen verhalte ich mich meisten genau wie die von Sibylle Berg beschriebenen Selbstgerechten (ein Grund für die in 1. beschriebene Wut) . Die Welt profitiert sehr davon, dass ich am liebsten für mich bin.

Stöckchen hier aufgehoben.

Weitere 20 Sachen gibt es unter anderem über dasnuf, Anne Schüssler, 1ppm.

Vanessa Giese, Da gewöhnze dich dran. Wie ich mein Herz an den Pott verlor

Freitag, 11. Oktober 2013

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Sollen doch die Hater nölen, ob wohl inzwischen jeder Blogger ein Buch schreibt, der sich auch nur halbwegs im Alphabet zurecht findet. Das kann ja schon deshalb nicht stimmen, weil es unter anderem weder ein Buch von Bosch gibt noch eines von Frau Diener. Und zudem ist es ganz herrlich und eine große Bereicherung, dass Menschen, aus deren Blogs man seit Jahren weiß, dass sie ausgezeichnet schreiben, dieses auch in Buchform beweisen. Jüngstes Beispiel: Nessys Da gewöhnze dich dran.

Dass die Dame schreiben kann, macht ihr Blog seit Jahren zum Publikumsrenner: Frau Draußen nur Kännchen hat nicht nur Sensoren für Geschichten, sondern auch für deren Vermittlung inklusive exzellentem Timing von Pointen. Dieses Gespür für Erzähl- und Sprachrhythmus ist es unter anderem, was ihr Buch so lesenswert macht. Als Leserin ihres Blogs kannte ich die eine oder andere Begebenheit schon, doch spannt das Buch einen schönen Bogen vom Eintreffen der Sauerländerin Vanessa im Ruhrpott über die Begegnung mit den Einheimischen (und zu den Einheimischen wird man dort offensichtlich in dem Moment gezählt, in dem man sich dazu bekennt – ungemein löblich und im meisten Bayern unvorstellbar), ihren Anschluss an eine örtliche Handballmannschaft bis zu den vorsichtigen Anfängen des Wurzelschlagens in einer Beziehung. Ich gewann all diese Menschen aus den Geschichten beim Lesen sehr lieb; dass ich selbst bei so viel menschlicher Nähe und Distanzlosigkeit innerhalb weniger Wochen in eine pyrenäische Einsiedelei geflohen wäre, störte dabei keineswegs. Wenn Nessy sie beschreibt, lese ich sogar Junggesellinnenabschiede, die ich in Echt weiträumig meide.

Vanessa Giese vermittelt mit immer wieder neuen Mitteln Stimmungen und Charaktere, mal in nackten Dialogen (wie heißt untagged dialogue auf Deutsch?), mal in nur scheinbar rein äußerlichen Beschreibungen. Ebenso unaufdringlich und indirekt erzählt sie sich selbst und wie sie all die Geschehnisse aufnimmt. Da ich mitbekommen habe, dass Rowohlt für die Taschenbuchreihen kein echtes Lektorat springen lässt, habe ich umso größeren Respekt vor Nessys Schriftstellertum – und sollte sie so schlau gewesen sein, selbst eine gute Lektorin zu bezahlen, sollte sie die behalten. Wie ich mir ohnehin wünsche, sie würde sich als Nächstes (allein oder eben mit dieser Lektorin) in ausgedachte Kurzgeschichten oder einen Roman stürzen.

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Meiner Beobachtung nach hat sich ohnehin in den vergangenen etwa zehn Jahren ein neues klares Genre der erzählenden Literatur herauskristallisiert: Lebensliteratur, also spannende Geschichten, die in autobiografischem Hintergrund wurzeln, aber mehr oder weniger weit fiktionalisiert erzählt werden. Als Beispiele fallen mir ein Reading Lolita in Tehran von Azar Nafisi und The Tender Bar von J.R. Moehringer. Gerade in Deutschland beschreibt das eines der dominanten Blog-Profile (und sind es genau die Blogs, die ich am liebsten lese), deswegen liegt es nahe, aus dem einen das andere zu machen. Mittlerweile hat meine Bibliothek bereits ein eigenes Eck für Bücher von Bloggern und Bloggerinnen (Kochbücher stehen extra):

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Jetzt freue ich mich schon auf Raúl Krauthausens Dachdecker wollte ich eh nicht werden.1

  1. Ich hoffe, es hört irgendwann auf, dass ich mir bei jedem Lesen seines Namens wider besseres Wissen denke, dass der doch wohl ein Künstlername sein MUSS. []

Die Miniratsche in meinem Mund (und erster Schnee)

Freitag, 11. Oktober 2013

Zum ersten Mal wurde mir etwas in den Kiefer geschraubt, und zum ersten Mal nach dem Sommer schneite es in München – so dicke und nasse Flocken in den Regen gemischt, dass ihr Landen auf der Fensterscheibe wie Vogelschiss klang.

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Der letzte Schnee im April ist ja auch schon ein halbes Jahr her, und die eine oder der andere wird gejubelt haben. Vielleicht. Aber zurück zu meinem Kiefer.

Im zweiten Anlauf klappte es: Diesmal war die Zahnärztin auf die Operation vorbereitet. Wieder erstaunlich geschickt setzt sie die Betäubungsspritze. Während wir auf die Wirkung warteten, plauderten wir über die Rolle, die ein Job im Leben einnehmen kann und ob es wirklich bedenklich ist, wenn Job und Leben sich fast völlig decken (sie: Das macht kaputt. ich: Ein möglicher Lebensentwurf von vielen, bei Künstlerinnen ist das sogar allgemein akzeptiert.).

Wie erwartet, wurde es dann sehr handwerklich. Mit immer dickeren Bohraufsätzen in beeindruckende Länge (aus meiner Perspektive 5 cm) grub Frau Doktor ein senkrechtes Loch in meinen Unterkiefer. Das Röntgenbild hatte gezeigt, dass mein Kieferknochen dick und massiv ist und dass der zugehörige Nerv ganz weit weg vom Knochen verläuft, böse Überraschungen waren also nicht zu befürchten. In das Loch schraubte die Ärztin den Haltestift für das Implantat, der über die nächsten Wochen einwachsen soll. Zum Festziehen nahm sie eine ganz kleine Ratsche zu Hilfe – als deren Betriebsgeräusch aus meinem Mund erklang, musste ich ob der Niedlichkeit dann doch sehr lachen. Die Haut wurde an drei Stellen um den Stift genäht, eine Röntgenaufnahme versicherte uns, dass er richtig saß: “Der wird Ihnen definitiv länger halten als das wurzelbehandelte Exemplar davor.” Ich bekam ein kleines Kühlkissen für die Wange mit, das ein Anschwellen verhindern sollte.

Ärztliche Anweisung für die nächsten Tage: Kein Alkohol, kein Kaffee, kein Schwarztee, kein Nikotin, kein Sport. Wie schon nach dem Ziehen des Backenzahns (wo die englische Alltagssprache sonst bei Körper und Medizin sehr oft nach Lateinischem oder Griechischem greift, bietet sie dafür ein wunderschönes schlichtes Wort, das vom Mühlstein abgeleitete molar – viel schöner als das deutsche) nahm ich schweigend an, dass ich mir aus der Reihe eine Ausnahme aussuchen darf. Ein Morgen ohne Milchkaffee ist dann doch zu traurig. Von heftigem Kardiosport riet Frau Doktor umso deutlicher ab. Yoga hingegen darf ich ausdrücklich.

Nachdem ich im Frühsommer nach dem Zahnziehen durch geschickte Schmerzmedikation gar keine Schmerzen erleiden musste, war ich diesmal erstaunt, dass die Wunde samt linker Gesichtshälfte mit Nachlassen der Betäubung ordentlich weh tat. Obwohl ich auch diesmal rechtzeitig den 600-mg-Bomber Ibuprofen eingenommen hatte, den ich sonst heftigen Menstruationsschmerzen vorbehalte. Ich fühlte mich erbärmlich und legte mich mit Mimimi ins Bett. Dort fiel mir mein Weisheitszahnabenteuer ein: Als ich 16 war, wurden mir alle viere völlig unkompliziert entfernt, doch danach hatte ich die Schmerzen meines Lebens. Selbst die starken Dolomo-Tabletten, die der Arzt verschrieben hatte, zeigten keinerlei Wirkung, und ich erlebte eine Höllennacht. Das würde sich doch hoffentlich nicht wiederholen! Ich beriet mit dem Mitbewohner, ob ich schon zwei Stunden nach der ersten eine zweite Ibu nehmen konnte. Wir einigten uns auf: “Was soll schon passieren?” Als ich den Blister in die Hand nahm, fiel mir auf, dass die Rückseite mit “Ortoton” beschriftet war: Ich hatte wohl vor vier Wochen die Reste des Muskelrelaxans’ gegen die Rückenschmerzen in die falsche Packung geschoben, nämlich in die des Schmerzmittels. Und somit noch gar kein Ibu eingenommen.

Das Schmerzmittel wirkte schnell, und an der resultierenden Euphorie merkte ich mal wieder, wie schlecht ich starke Schmerzen aushalte. Abends hatte ich nicht nur Hunger, sondern auch Appetit (Nudelsuppe, Griesbrei, Schokolade), nachts bekämpfte ich die zurückkehrenden Schmerzen mit einer weiteren Tablette, heute Morgen ist die linke Wange unten nur mittelgeschwollen.

Beifang aus dem Internet – mit Minions

Dienstag, 8. Oktober 2013

Von meiner Lieblingssommelière Hande habe ich ja gelernt, nicht “Putzmittel!” zu krähen, wenn ich diese im Wein rieche, sondern statt dessen “ich habe da mineralische Noten in der Nase” zu sagen. Auf ihren Hinweis bei Twitter habe ich sehr interessiert gelesen: “The myth behind the minerality in wine”.

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Weiter mit der noch lange ungelösten Frage, welche Art von Hilfe Not lindern kann. Auf einen Tipp von Kathrin Passig hin habe ich den Newsletter der Organisation Give Well abonniert. Give Well untersucht, welche Methode, welche Organisation am nützlichsten sind, also die größte messbare Wirkung pro Dollar erzielen. Mein Lieblingsfeature auf der Website: Mistakes, “This page logs mistakes we’ve made, strategies we should have planned and executed differently, and lessons we’ve learned” – sollte sich jedes Unternehmen, jede Organisation als Vorbild nehmen.
Der jüngste Newsletter verwies auf einen Artikel in der New York Times: “The Benefits of Cash Without Conditions”.

Autorin Tina Rosenberg untersucht unter anderem die Frage, welche Erklärungen für Not hinter verschiedenen Ansätzen für Hilfe stecken:

(…) several things make people uneasy with GiveDirectly’s approach. One is the widespread belief that the poor are not simply different because they have less money. They have less money because they are different.

Those on the left tend to believe that the differences come from giant structural problems: bad or no education, health, transport, housing, few jobs. Giving cash to the poor, while helpful, solves one of these problems: credit constraints. It’s a big problem. But once it’s solved, another problem is likely to get in the way.

The right-wing argument is that the poor are poor because of the culture of poverty: people make bad choices, lack discipline, look for short-term gratification. This argument holds that giving cash to the poor doesn’t help much — and many people will misspend it in ways that make things worse.

Und sie bietet Hinweise an, warum diese unconditional cash transfers helfen könnten.

§

NUUUUUUL!! NUUUUUUL!! AUSIIIIIS!1 Das Oktoberfest ist endlich zu Ende. Nächstes Jahr muss ich mich unbedingt für diese zwei Wochen aus München absentieren – in der Provence ein Auto mieten und dort herumfahren wäre vielleicht was, nach Langem mal wieder so richtig allein abenteuern.

Und dann höchstens hinterher Artikel wie den von Meike Winnemuth darüber lesen: “Frauentag auf der Wiesn”.

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“Understanding Boys, Understanding Girls.”
Schon etwas älter (Mai 2012), aber interessant. Jeff Perera spricht vor einer Schülergruppe und dann einer Schülerinnengruppe in Ontario über Männlichkeitserwartungen. Vermutlich kann man die Verhältnisse an einer kanadischen Schule nicht 1:1 auf eine mitteleuropäische übertragen, doch mich erstaunte, welch reflektierte Reaktionen Jeff von den Schülern und Schülerinnen bekam.

via @bov

§

Endlich alternativer Blindtext! Minionipsum.

(Die Geschichte haben wir Arbeiterinnen in der Textveröffentlichungsbranche wohl alle irgendwann zu erzählen: Wie ein Kunde Blindtext korrigierte oder höchstoffiziell über diesen Blödsinn in seiner teuren Publikation protestierte. Meiner hieß Weinmann.)

  1. Assoziiert überhaupt noch jemand etwas mit diesen Rufen? []

Sonniger Frühherbst an der Isar

Donnerstag, 3. Oktober 2013

Die Sonne trog: Es war heute saukalt, meine Wetter-App meldete zu Laufbeginn schreckliche 3 Grad. Aber das Licht entschädigte dafür, und schließlich trabte ich in beflügelnden neuen Laufschuhen (die alten hatten bereits versucht, mir buchstäblich von den Füßen zu fallen).

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Heute Abend stellen Katharina Seiser und Stevan Paul ihr Buch Deutschland vegetarisch im Hukodi vor. Ich durfte dafür mein aktuelles Lieblingsbrot backen: Brotdocs 7-Pfünder Hausbrot. Hier steht das Rezept.

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Dummerweise steckte nach dem Kneten des Teigs der Knethaken in meiner Kenwood Major Titanium fest und ließ sich nicht mehr rausdrehen. In entsprechenden Foren liest man von “ging nach dem nächsten Kneten von selbst wieder raus” bis “Kenwood bittet um Einschicken” (was bei dem schweren Riesenviech ein Scherz sein muss) alles. Ich bin gespannt.