Achtung, (kleinere) Spoiler!
Eine richtige university novel hat sie als dritten Roman veröffentlicht, die wundervolle Zadie Smith.* So richtig in der Tradition von Kingsley Amis, Malcolm Bradbury und – am deutlichsten – David Lodge. Das fängt mit dem Schauplatz an, einer Universität Wellington in New England, setzt sich mit der Gegenüberstellung Großbritannien / USA fort und hört mit der satirischen Beschreibung des akademischen Alltags noch lange nicht auf. Als zentrale Figuren in On Beauty haben wir zwei Professoren aus demselben Fachgebiet (Kunstgeschichte, Rembrandt), aber mit grundsätzlich verschiedenen Ansätzen. Einer davon ist laut und populistisch, anerkannt und erfolgreich (siehe David Loges Morris Zapp), der andere ist verkopft, intellektuell verquast und schreibt seit Jahren an seinem fachlichen Opus Magnum (siehe Phillipp Swallow). Unterschiedliche Bildungsideale treffen aufeinander, (selbstverständlich verschrobene) Assistenten werden ausgenutzt, Studentinnen vernascht, politische Protestaktionen organisiert. So weit, so traditionell.
Doch eigentlich ist alles anders. Denn der rote Faden der Geschichte spinnt sich um die Familie des weißen, englischen Professors Howard Belsey. Und wiederum in deren Zentrum steht seine schwarze Frau Kiki, Amerikanerin aus Florida. Diese Konstellation bildet die Bühne für die alltäglichen Auswirkungen von Stereotypen. Am deutlichsten – und komischsten – wirken sich die mit Hautfarbe verbundenen Stereotypen aus. In der Familie Belsey gibt es drei Kinder, alle dunkelhäutig, alle jugendlich. Da sie in einem noblen Haus in einer noblen Gegend der Universitätsstadt wohnen, muss Tochter Zora vom Vorgarten aus schon mal eine weiße Passantin beruhigen, die ihren jüngeren und als Rapper gekleideten Bruder Levi anstarrt:
„Thank you! Yes, move along now – he lives here – yes, that’s right – no crime is taking place – thank you for your interest!”
Hautfarbe spielt in On Beauty eine so entscheidende Rolle, dass ich bei der Einführung einer neuen Figur immer auf die Information wartete, ob er oder sie nun schwarz oder weiß ist – weil alles Weitere davon abhängen würde. Die drei Belsey-Kinder gehen ganz unterschiedlich mit ihrer Schwarzheit um (und dass sie gezwungen sind, sich damit auseinanderzusetzen, daran lässt die Geschichte keinen Zweifel): Zora ist die liberale und politisch aktive Intellektuelle (die zudem auch noch durch ihr Geschlecht the other ist), Levi, der noch zur Schule geht, wendet sich der separatistischen Rapper-Kultur zu, der älteste Sohn Jerome ist fundamentalistischer Christ geworden. Für ihre Mutter Kiki wiederum kommen die (fremdem und schuldbeladenen eigenen) Stereotypen von Klassenzugehörigkeit und Körperformen dazu.
Die wichtigsten Nebenrollen übernimmt die andere Professorenfamilie, die des schwarzen, britischen und vehement anti-liberalen Monty Kipps. Zwischen seinen Angehörigen und der Familie Belsey entstehen viele, auch unvermutete Verbindungen auf geistiger und menschlicher Ebene.
Das Ganze ist fesselndes Lesefutter auf oberem Niveau. Zadie Smith kann glücklich machen; bei mir reicht dazu schon ein Kapiteleinstieg wie dieser:
Summer left Wellington abruptly and slammed the door on the way out. The shudder sent the leaves to the ground all at once, …
Sie ist für mich eine Geschichtenerzählerin in der Tradition des 19. Jahrhunderts, zu der ich auch Salman Rushdie und John Irving zähle. Noch weniger als schon in ihrem zweiten Roman The Autograph Man tauchen aber in On Beauty die Elemente auf, die White Teeth für mich zu einem Meilenstein machten: das unbefangene, freche Spiel mit Erzählformen, Vorbildern, Traditionen, Kulturen, Topoi. Ich hoffe sehr, dass Zadie Smith das nicht für immer aufgehört hat.
*Romanautoren als Personen interessieren mich ja sonst nur am Rande, aber dieser Frau Smith bin ich verfallen. Vielleicht nachvollziehbar nach der Lektüre des Artikels “Touching up Zadie Smith”, in dem sie über die Verfilmung ihres ersten und brillanten Romans White Teeth erzählt? Da gibt’s auch ein schönes Foto von ihr.