Archiv für April 2013

Auszeitjournal Montag, 8. April 2013 – Dim-Sum-Abenteuer

Dienstag, 9. April 2013

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Für den morgendlichen Weg zum entlegenen Sportstudio ließ ich mir der Abwechslung halber eine Route vom Münchner Fahrradroutenplaner vorschlagen – der mich mal wieder zu einer Verletzung der Verkehrsregeln zu bewegen versuchte, in diesem Fall zu einer unerlaubten Geradeausfahrt, wo Rechtsabbiegen vorgeschrieben ist (letztes Stück Rumfordstraße vor Baderstraße am Isartorplatz). Mir hilft an für Radlern unüberschaubar komplizierten Stellen ja immer der Trick Absteigen, Radlschieben, doch damit bin ich die Ausnahme.

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Heimradeln tatsächlich in sowas wie Sonne, und die Temperaturen waren spürbar gestiegen. München brach umgehend in Straßencafés aus.

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Mittagsverabredung mit Mitbewohner zum Dim-Sum-Essen in der Fire Dragon Lounge (bemerkenswerte Website, Achtung: mit Sound): Beim sonntäglichen Spazierenfrieren hatten wir entdeckt, dass man dort nicht nur den von Petra Hammerstein mehrfach beschwärmten Hot Pot bekommt, sondern eben auch Dim Sum. Wir bestellten zwei Mittagsmenüs und waren zufrieden (am abgefahrensten waren aber die Klebereiskugeln zum Nachtisch, mit süßem Bohnenmus gefüllt und in heißem Wasser schwimmend serviert: Sie kauten sich wie aufgeschmemmter Kaugummi – großartig). Das machen wir wieder, diesmal aber mit Einzelbestellungen aus der Speisenkartenabteilung “Snacks”, die von Teigtaschen und Schweinebrötchen über Entenzungen, Schweineohren und -rippchen sowie Rinderpansen bis Reispäckchen und Reisbrei (ja, wir versicherten uns bei der Wirtin, dass das Congee ist) alles umfasst, was man sich zu einem Dim-Sum-Essen erträumt. Dazu trank ich einen chinesischen Aloe-Vera-Softdrink: Kohlensäurefrei und wasserklar, süß und mit durchsichtigen Pflanzenfetzen darin: mittelkünstlich, dafür aber gar nicht schlecht.

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Gebe hiermit einen Lesetipp weiter: Nicholas Kulish im New York Times Magazine über Baiersbronn: “One Tiny German Town, Seven Big Michelin Stars” – eine spannende Beschreibung nicht nur deutscher Spitzenküche. Kulish erklärt im Vorbeigehen das deutsche duale Ausbildungssystem, das deutsche Bildungssystem, den historischen Hintergrund innerdeutschen Tourismus’ und er stellt einige interessante Figuren der Spitzengastronomie vor. Sehr ansprechend geschrieben und unter Umgehung des häufigen Amis-über-Deutschland-Blödsinns.

via delicious days

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Abends The Help angesehen. Da ich den Roman erst vergangenes Jahr gelesen hatte und sich der Film eng an die Vorlage hält, fielen mir vor allem die Aspekte und Handlungsteile auf, die weggefallen waren. Ich musste mir vom mitguckenden Mitbewohner versichern lassen, dass dennoch genug von den Kerninformationen transportiert werden, mir war der Film sehr oberflächlich erschienen. (Warum sie eine zentrale Figur, Skeeter, die in Buch und im Film explizit als “alles andere als hübsch” beschrieben wird, mit einer sehr hübschen Schauspielerin besetzen, verstehe ich nicht. Hat man Angst, dass das Publikum eine unhübsche Schauspielerin ablehnt?)

Auszeitjournal Wochenende 6./7. April 2013 – die Veteranenkarte

Montag, 8. April 2013


Ein Wochenende in tristem und kaltem Grau. Vollends niedergeschlagen hat mich die Erkenntnis, dass in zweieinhalb Monaten Sommersonnwend ist und dann die Tage wieder kürzer werden.

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Versucht, mit ein wenig Farbe gegenzuhalten. Damit Sie’s merken, habe ich die entsprechenden Details (Avatar-blaue Strumpfhosen und rote Lackschuhe) nach vorne geschoben.

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Ich kann auch erwachsen sein. Letzte Woche erhielt ich einen Brief von meinem Sportstudio: Weil ich seit über fünf Jahren Mitglied und noch dazu ein so fleißiges sei, bekäme ich eine besondere neue Mitgliedskarte, Gutscheine für Theke und Trainerstunden sowie ein Überraschungsgeschenk. Bislang hatte ich mich vor solchen Belohnungen immer weggeduckt, sei es zum Geburtstag oder für häufiges Training: Zum einen bin ich da eh immer g’schamig, zum anderen fürchtete ich, mir als Geschenk Müll einzuhandeln. Doch diesmal hielt ich mir vor Augen, dass eine so kleine Firma wahrscheinlich nicht nur einfach blind einen Marketingfahrplan einhält, sondern das sogar ehrlich nett meint. Und dass ich mir wirklich nichts abbreche, wenn ich einfach mal “Danke” sage und das Geschenk annehme.

Jetzt habe ich also einen grünen Veteranenausweis und eine wirklich schöne und praktische neue Wasserflasche, außerdem werde ich auf Kosten des Hauses testen, wie deren Milchshake schmeckt. Hat gar nicht weh getan.

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Abends ein weiteres Rezept aus Sweets von Nicole Stich getestet: Mohnschupfnudeln.

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Wenn ich sowas fotografiere, sieht es allerdings aus wie Maden im Donaumoos nach Regen.

Einfach zu machen und eine schöne Mehlspeis’ (ich musste mich allerdings erst ein paar Gabeln lang daran gewöhnen, dass die Süße hier eher mild ist). Vielleicht mögen Sie hier mal ins Buch blättern?

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Die erste Folge einer neuen Fernsehserie des BR nachgeholt, weil die höchst verehrte Gisela Schneeberger die Hauptrolle spielt: Im Schleudergang.1 Nun ja. Schneeberger ist immer großartig, das Drehbuch allerdings nicht. Unter anderem, weil der Humor auf überholte Stereotypen setzt: Die Figur, die uns als Beispiel für eine vernetzte Münchner Schickimicki-Geschäftsfrau gezeigt wird, wäre schon vor 20 Jahren höchstens als verarmte alte Jungfer mit Adelshintergrund durchgegangen. Diese bissige Trutsch’n kauft nicht beim Käfer ein, hat kein Apartment in Kitzbühel, holt sich nicht monatlich ihre Ladung Botox – das aber wäre das zeitgemäße Stereotyp der networkenden Münchner Businessfrau. Andererseits: Vielleicht hat Drehbuchautor Peter Bradatsch genau so eine geschrieben – die ihm die zuständige BR-Redakteurin dann um die Ohren gehauen hat: “Sind Sie wahnsinnig? Da fühlt sich doch die Frau vom Intendanten sofort gemeint!”

Wären Dialoge und Personen faszinierend genug gewesen, würde ich zudem nicht daran rummäkeln, dass eine Schwabinger Straße nur halb vollgeparkt gezeigt wird (das kommt höchstens an Heilig Abend vor, doch dafür war zu viel Laub auf den Bäumen) und dass eine simple Wäscherei in München ein Ladenlokal in der Größe eines mittelgroßen Restaurants haben soll.

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Halbstündiger Gewaltspaziergang (Raus! Frische Luft!) durchs Viertel, gleich mal ein paar Schneeflocken um die Mütze gehauen gekriegt. Aber ein paar schöne alte Hausfassaden in der Landwehrstraße entdeckt, wo ich bislang nur Bombenlochfüller kannte.

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Zum Abendessen mal wieder das Rote-Bete-Gratin mit Schafskäse und Minze gemacht, das ich vor Monaten bei Chili und Ciabatta entdeckt hatte und das inzwischen hier im Haus ein Standard geworden ist. Meine Version habe ich hier notiert. Dazu gab’s den Rest Schupfnudeln vom Vortag, in Butter rausgebraten. Und den 2010er Blaufränkisch von St. Antony.

Die erste Flasche davon, die ich vor etwa einem halben Jahr geöffnet hatte, schmeckte scheußlich (ich dachte schon, Blaufränkisch gehört so, weiß es aber inzwischen besser). Also gab ich der anderen ein paar Monate zur Ruhe und inneren Einkehr. Es half ein bisschen. Doch der erste Geruchseindruck ist Hefe, dann erst Brombeere und Wacholder. Im Mund moussiert der Wein leicht (wie alle, alle Weine von St. Antony, das muss Absicht sein), neben Blaufränkischgeschmack süß, sauer und bitter – ziemlich disparat.

  1. Merkt überhaupt jemand, dass ich all die fast zehn Blogjahre hindurch die Schreibungsregeln literaturwissenschaftlichen Zitierens auf Bewegtbilder übertrage? Selbständige Werke kursiv, also Filme und Serientitel. Den Namen einer Serienfolge hingegen in Anführungszeichen. []

Aprile 2004 bis 2012

Sonntag, 7. April 2013

Wir litten nur so unter dem langen Winter, sagte gestern ein Wettermensch im Fernsehen, weil wir von den beiden vergangenen Aprilen verwöhnt seien. Eigentlich sei das normal.
Mittlerweile blogge ich lang genug, um das an eigenen Posts überprüfen zu können. Schaun wir also mal (alle Aufnahmen aus München mit Ausnahme der ersten, die ist aus Augsburg):

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15. April 2004 – die Kirschbäume blühen in aller Pracht.

16_April_2005
16. April 2005, beachten Sie das Grün an den Bäumen im Hintergrund.

1_April_2006
1. April 2006: “Den ganzen Nachmittag die Balkontür offen haben und nicht frieren dabei.”

6_April_2007
6. April 2007 – die Forsythien sind heuer noch lang nicht so weit.

5_April_2008
5. April 2008

5_April_2009
5. April 2009 – und hier erwähnte ich “extrem späten Frühling”.

2_April_2010
2. April 2010


2. April 2011

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7. April 2012 – ich gebe zu, dieser April war ungewöhnlich warm.

Für mich sieht es nur auf dem 2010er-Foto annähernd aus wie dieses Jahr – und damals hatte der Winter nicht schon Ende Oktober begonnen.

Auszeitjournal Freitag, 5. April 2013 – roter Kopf und Atemwölkchen

Samstag, 6. April 2013

Ich bin wirklich keine Sprinterin: Wenn mein Kreislauf zu schnell hochgejagt wird, hört der Spaß auf. Was ich gestern wieder bestätigt fand, als ich mich sehr spät auf den Weg zur Hüpfstunde am Ostbahnhof machte und wie eine gesengte Sau unter anderem den Berg am Gasteig hochstrampelte. Ich kam mit knallrotem Kopf im Sportstudio an, und diese Färbung brachte ich in den gesamten 90 Minuten der folgenden sportlichen Betätigung nicht mehr los.
Ich muss meinen Puls langsam hochbringen, etwa über 20 Minuten. Dann aber laufe ich wie das Duracell-Äffchen, bis mir langweilig wird. Deswegen ist ja auch Spinning nichts für mich, und das erklärt die Länge meiner Sporteinheiten.

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Von Arzttermin in Giesing in die Maxvorstadt geradelt, um Bücher abzuholen. Unter bleigrauem Himmel im mittäglichen Dämmerlicht auf der Ludwigsstraße in Radlerpulks an roten Ampeln gestanden (ja, auch in München gibt es welche, die daran halten), alle hatten Wölkchen Atems vorm Gesicht. Der ewige Winter hat schon etwas Apokalyptisches.

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Ein paar hochinteressante Beobachtungen zum Geschlechterungleichgewicht am Arbeitsplatz von Penelope Trunk. Zum Beispiel:

Unmarried men almost always say they want to share household duties equally. However this is so completely not how it turns out that evolutionary psychologist David Buss says the equality thing is merely a mating call. Men can’t be in a relationship today unless they say they want to assume household duties.

I actually think men do want to do half. But they want to do half of what they think needs doing. So, for example, changing the sheets on the kids’ beds does not matter to a guy. The sheets don’t have poop on them, so they’re clean. If the sheets have poop on them, the guy has no trouble changing them. He does it immediately.

(…)

The New York Times reports that women work more hours at the office than men do. There’s a problem with that statistic too, though. Men think they are working at work just like they think they are doing chores at home. Most of work is social. So women are putting their heads down and knocking out their to-do lists while men are running betting pools.

The problem with the data about who works harder at the office is who defines what work is—the same problem is at home, defining housework. At the office, the most important work is socializing. It’s the stuff that comes from emotional intelligence and makes you an office politics star. The real work at work is knowing what people need and helping them get it so they give you what you need.

Das ist natürlich unzulässig verallgemeinernd, jedem und jeder fallen sofort Gegenbeispiele ein. Aber das könnte ein Muster sein. Und ich bin überzeugt, dass dieses Verhalten nicht angeboren ist – wenn auch möglicherweise so früh und so stark von der Umgebung und ihren Erwartungen geprägt, dass sich Ausbildung und Arbeitsplatz zum Ausgleich darauf einstellen müssen. Die Forderungen, die Penelope Trunk ausführt sind:

1. Stop treating men and women the same.
2. Understand the different stages of life.
3. Accept that this is a problem inherent in school.

Wegen der Gefahr der Verallgemeinerung möchte ich auch hier den Kampf gegen das wiederholen, was meiner Meinung nach das Grundproblem ist: Stop stereotyping.

via @antjeschrupp

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Sie und ich träumen nur davon (WIR KÖNNEN NICHT ANDERS!), andere tun’s: The Tutor Crown korrigiert Graffiti. (Hat noch niemand “Oberlehrer”, “Korinthenkacker” oder “typisch deutsch” gerufen? Na? Ich warte!)

via @marthadear

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Der Mitbewohner trug ein köstliches Abendessen auf: Artischocke mit Knoblauchmajonese und Terrine nach dem Rezept von Nathalie. (Note to self: Grüner Veltliner passt nicht zu Artischocke, das nächste Mal lieber wieder Sauvignon Blanc o.ä.)

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Neben dem Internetlesen im Fernsehen Gladiator laufen lassen, auch schon wieder 13 Jahre alt. Schon arg pathetisch, aber es freut mich immer, Derek Jacobi zu sehen. Die standard Hans-Zimmer-Sülze mit elektronischen Buschtrommeln, die das Ganze musikalisch zukleistert, ist allerdings schwer erträglich. Und kann es sein, dass Russel Crow eine Lächel-Ausschluss-Klausel in seinen Verträgen hat?

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Kleiner Samstagsgenuss:

5m80 from Cube Creative on Vimeo.

via @charmingLiisa

Auszeitjournal Donnerstag, 4. April 2013 – das Rückenschwimmerproblem

Freitag, 5. April 2013

Beim Hochziehen des Rollladens gleich mal zwei Eichhörnchen auf Lärche gesehen, umflattert von zwei Schwanzmeisen – haben die etwa schon Eier gelegt und fürchten sich vor den Nesträubern?

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In dicker Wintervermummung zum Schwimmen geradelt.

Wir müssen über Rückenschwimmer sprechen. Und zwar nicht über die oft bespotteten Plantscher mit Rückenproblemen, die die Bahnen blockieren. Sondern über Sportrückenschwimmer auf Sportschwimmerbahnen. Die blockieren keineswegs, Rückenkraul gehört im Gegenteil zu den eher zügigen Schwimmstilen. Eine Gefahr und ein Ärgernis sind sie vielmehr auf der Nachbarbahn: Letzte Woche fing ich mir zwei Lebertritte der Altdeutsch-Rücken-Schwimmerin auf der Nebenbahn ein, gestern erwischten mich mehrfach Grabscher zweier Rückenkrauler auf der Nebenbahn am Rücken, am Bauch, am Oberschenkel , ebenfalls ziemlich schmerzhaft. Meine Erklärung: Zur Orientierung halten sich Rückenschwimmer so nah an die bahnentrennenden Perlenschnüren, dass sie die Schwimmer und Schwimmerinnen auf der Nebenbahn mit ihren Armen fast zwangsläufig treffen müssen.

Was tun? Ich träume zwar davon, mich mit Kinnhaken zu revanchieren, weiß aber, dass das auf Dauer keine Lösung ist. (Außerdem müsste ich erst mal richtige Kinnhaken lernen.)

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Auf dem Heimweg kam die Sonne raus und blieb da fast den ganzen Nachmittag. Ohne allerdings die Temperaturen knapp über Null spürbar zu erhöhen.

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Eine interessante Blogentdeckung (via @ankegroener) ist More Cabaret, und dieser Text besonders: “Project Bendypants: Practicing Yoga While Fat“. Dass es fitte und sportliche Dicke gibt, übersteigt ohnehin die Vorstellungskraft der meisten Medienkonsumenten und -konsumentinnen. Ich freue mich über jede solche neben mir in den Hüpfstunden – und sie sind gar nicht selten. Ihre schiere Anwesenheit informiert zumindest die Mitturnerinnen im Raum, dass Fitness und Dicksein zusammengehen.
Ich ahne nur vage, mit welchen Vorurteilen sie besonders in Sporterlinnenumgebungen kämpfen müssen. Vor allem von vorne, wo Trainer oder Trainerin stehen.

Flexibility really is my Achilles heel. There are some beginning poses I can’t even get into yet, much less do well. So I’m a rank beginner, and as a struggling fat student, I fit into the stereotypes that many teachers have about fat people.

I’m not going to lie. This is difficult for me. I lean on the privilege of being athletic and able-bodied to buffer me from the hostility that people sometimes throw at me for being a fat person working out in public.

(…)

Of all the sports and athletics I have participated in as a fat person, yoga has sadly been one of the most judgmental and the least emotionally safe.

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Die zweite Staffel The Good Wife angepackt. Draufgebracht hat mich diese Empfehlung auf Kleiner Drei, und bestellt bei sowie geliefert von wurde sie von der Stadtbibliothek München.1 Der Sprung in der Handlung zur ersten Staffel erschien mir zwar merkwürdig groß, das schob ich aber einfach aufs Drehbuch. Um bei Nachschlagen festzustellen, dass die ersten zwölf Folgen der ersten Staffel, die ich gesehen hatte, nur gut die Hälfte dieser Staffel gewesen waren. Mist.

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Abends Leserunde über Leanne Shaptons Swimming Studies: Großes Gefallen auch von Schwimmfernen.

  1. Sehr kommod: Online bestellen, gegen 1,25 Euro wird die DVD zur gewünschten Filiale gebracht. []

Auszeitjournal Mittwoch, 3. April 2013 – Pinterest Fail

Donnerstag, 4. April 2013

Immer noch Renovierungslärm aus der Wohnung über uns, wir sind jetzt in der fünften Woche. Ich nehme an, dass es inzwischen pressiert (es klebt bereits ein handgeschriebenes neues Namensschild am Briefkasten): Die Handwerker beginnen kurz nach sieben Uhr und machen erst zwölf Stunden später Feierabend. Gestern ertönten:
– dumpfes Klopfen
– Laubbläser
– Schleifmaschine
– Bohrmaschine
– Industriestaubsauger
(Aber natürlich Laubbläser. Wir alle hier werden doch wohl einen Laubbläser am Klang erkennen!)

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Erinnerungsschwall, als ich diesen Text bei stattkatze lese. Nachdenken, dass ich ja meinen Vater auch immer wieder sacht anstupse, damit er mir Geschichten aus seiner Kindheit in Spanien erzählen möge. Ich bin so neugierig darauf, ich kenne sonst niemanden aus dieser exotischen Zeit und Welt. In meinem kindlichen Egoismus war ich nicht auf die Idee gekommen, dass es gute Gründe geben mag, warum mein Vater all die Jahre so wenig davon erzählte, mit Ausnahme einiger lustiger Anekdoten: Weil er sich vielleicht lieber nicht an den Schmerz der harten Arbeit und des Hungers, an die Not und die Gewalt (er ging auf eine Salesianer-Schule, in der heftig geschlagen wurde) erinnerte? Aber ich glaube, mein Stupsen ist sachte genug, dass das Ob und Was des Erzählens immer noch ihm überlassen ist.

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Mein repariertes Fahrrad vom freundlichen Nachbarschaftsschrauber abgeholt und darauf ins Sportstudio geradelt. Ich genieße es weiterhin sehr, mit dem Fahrrad unterwegs zu sein; vermutlich fühlen sich Autofahrer ebenso flexibel und individuell mobil – nur dass ich halt keinen Parkplatz brauche und fast überall bis vor die Tür fahren kann.

Eine Runde Krafttraining. Anfang des Jahres hatte ich meinen Vertrag mit der medizinischen Muckibude auslaufen lassen, ich wollte nicht mehr doppelt zahlen: Zum einen mache ich so viel anderen Sport, auch Kräftigungsstunden im Sportstudio. Zum anderen bietet auch das Studio ganz ähnliche Kraftmaschinen (wenn auch mit einer anderen Theorie dahinter). Ich ließ mir also ein Rundum-Kraftprogramm zusammenstellen, das ich einmal die Woche absolviere; ein weiteres Mal pro Woche gehe ich in eine Rückenstunde oder zu anderen Kraftübungen, manchmal absolviere ich dieses Faszien-Training (pdf). Um noch mehr Auswahl an Kraftübungen zu bekommen, meldete ich mich gestern für eine Freihantel-Schulung an.

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Abends Avocado-Souffle nach Cosy Cooking zubereitet (nur mit Avocado, dafür 200 gr – war bei mir eine Avocado) – und einen Beitrag zur Sammlung Pinterest Fail erzeugt: Die Avocadoschalen boten der Masse nicht genug Halt. Geschmeckt hat das Souffle aber gut; das nächste Mal nehme ich weniger Schokolade (20 Stücke ergaben bei mir 70 Gramm, das war zu dominant), und in den Souffleförmchen sah das Ganze ja auch gut aus.

Vaterliebe und Missverständnisse

Mittwoch, 3. April 2013

Ostermontag. Wir sitzen nebeneinander auf dem Sofa, das Schülerlexikon meiner Mutter von 1954 auf meinem Schoß. Aufgeschlagen ist die Landkarte Lateinamerikas. “Nur zwei Länder in Lateinamerika haben keinen Zugang zum Meer”, sagt mein Vater, “Paraguay und Bolivien.” Wir betrachten eingehend die seltsame Form Chiles, schlagen geografische Besonderheiten nach. “Hauptstadt von Chile ist Santiago de Chile”, verkündet er. “Weißt du noch, wie wir das geübt haben?” “Ja”, sage ich seufzend, “immer wieder hast du mich die Länder Lateinamerikas und ihre Hauptstädte abgefragt, ich hab’s gehasst.” Meine Erinnerung zeigt mir den Esstisch, an dem diese Übung stattfand, über den ich sitzend kaum hinwegsah, so klein war ich da noch. Die innere Verzweiflung, weil ich mir einfach nicht merken konnte, welche Hauptstadt zu welchem Land gehörte. Das sinkende Gefühl, wenn ich eigentlich gerade etwas Lustiges mit meinem Vater machte, mit dem ich ohnehin so wenig gemeinsame Zeit hatte, und dann begann er: “¿La capital de Brasil es …?” Und ich würde es nicht wissen, mein Vater ungeduldig und laut werden und mich schimpfen.
Mein Vater ist verblüfft: “Du warst doch immer engagiert dabei!” Ich wechsle das Thema.

Mit brennendem Herzen wird mir klar, dass das eine weitere Anforderung war, unter der ich als Kind litt, vor der ich mich fürchtete, gegen die sich innerlich alles sträubte – doch gegen die ich nie auf die Idee kam zu protestieren. Genauso wenig wie in all den Jahren gegen den verhassten Querflötenunterricht. Oder gegen die ständigen Diäten, denen meine Mutter mich unterzog. Offenbar und seltsamerweise war schlichter, ehrlicher Protest für mich als Kind keine Option im Umgang mit meinen Eltern. Dabei hätte es wahrscheinlich genützt, wenn ich explizit klar gemacht hätte: “Das möchte ich nicht.”

Doch ich kannte nur innerliches Blockieren, äußere Bockigkeit, widerwilliges Folgen. Was mein Vater bald als Faulheit und Schlampigkeit interpretierte.

Denn die Eltern hatten doch recht, davon war ich tief in meinem Inneren überzeugt:
Es war doch richtig, Sachen zu lernen.
Das teure Blasinstrument war eigens für mich gekauft worden, da konnte ich doch nicht einfach aus dem Querflötenunterricht aussteigen.
Ich war doch wirklich viel zu dick.

Naheliegende Folgerung: Falsch war mein innerer Widerstand. Und so haderte ich mit diesem statt mit den elterlichen Erwartungen.

Nein, nicht sehr schlimm. Aber sehr traurig.