Archiv für September 2013

Journal Donnerstag, 12. September 2013 – ungebohrt

Freitag, 13. September 2013

Eigentlich sollte hier der grausliche Bericht stehen, wie ich einmal einen Metallstift in den unteren Kieferknochen gebohrt bekam: Der 12. September hängt seit drei Monaten als Damoklesschwert über meinem Befinden. In der Arbeit war alles darauf eingerichtet, dass ich anderthalb Tage weg sein würde (die Ärztin hatte von einem OP-Termin am Freitag abgeraten; für den unwahrscheinlichen Fall von Komplikationen sollte ich am Tag nach der Operation die Möglichkeit haben, zu ihr zu kommen). Einkaufs- und Speisepläne waren für ein paar Tage auf Breiförmiges oder zumindest Weiches ausgerichtet, schwellungsverhindernde Kühlelemente kühlten im Kühlschrank, eine halbe Staffel The Good Wife war ausgeliehen, um mich von möglichen Schmerzen abzulenken.

Doch die Ärztin hatte den gestrigen Termin verbummelt.

Nein, das habe ich noch nie gehört (aber vielleicht ging das bislang lediglich an mir vorbei wie die selbstzerstörenden Wanderschuhe). Doch beim Betreten der Praxis sah mich die nette Sprechstundenhilfe gleich besorgt an: “Oh, ist was passiert?” Öhm, noch nicht? Schon da war mir klar, dass der Termin vergessen worden war, diese Angestellte kannte ich als immer sehr gut vorbereitet. Doch nun blätterte sie hektisch im großen Terminbuch – und fand nichts, keinen Eintrag, auch nicht an einem anderen Tag. Sie rannte der Ärztin hinterher, die wohl gerade die Praxis verlassen wollte, weil sie ebenfalls von nichts wusste. Wir rekonstruierten, dass die Zahnärztin den Termin vor drei Monaten nach unserem ausführlichen Gespräch an der leeren Praxistheke über das Für uns Wieder der Zeitplanung schlicht nicht ins Terminbuch geschrieben hatte, vor dem sie gestanden war. Sie war völlig zerknirscht und entschuldigte sich immer wieder von Herzen. Bei mir überwog das Amüsement über die unerwartete Situation, gleichzeitig hatte das Ganze etwas von Scheinerschießung: Ich hatte mich zwar vor den Schmerzen gefürchtet, aber dann wäre es zumindest vorbei gewesen. (Für diesen Vergleich muss man allerdings meine Haltung zum Lebenmüssen haben.)

Der Versuch, den Termin gleich auf nächste Woche zu verschieben, scheiterte bei meiner Rückkehr ins Büro: Da kann ich wegen Urlaubsausdünnung und direkt anstehender Kundenveranstaltung ausgesprochen schlecht wegbleiben. Und durch weitere Umstände verschiebt sich die Operation so gleich um einen Monat.

§

Zu meinem Job muss ich mehr erklären. Im Gegenzug dafür, dass ich dort Sekretärin und Nichtmanagen lernen kann, profitiert der Arbeitgeber von meinen bisherigen PR-Erfahrungen und -Kenntnissen: Ich texte, übersetze, redigiere, lese Korrektur, helfe beim Finden von PR-Ideen, setze meine Interneterfahrung ein. Die Agentur ist zu klein, um eine Vollzeit-Sekretärin auszulasten, außerdem ist mir durchaus wohler, wenn ich mein Gehalt durch weiterberechenbare Leistungen wenigstens zum Teil wieder einhole – bei mir läuft als Ex-Kostenstellenverantwortlichen und Ex-Etatdirektorin ständig die Kostenstruktur der Agentur im Hinterkopf mit.

§

@ankegroener hat atemberaubende Münchenbilder gefunden (manchmal einen Tick zu quietschbunt – aber immer aus sensationellen Pespektiven)

Journal Mittwoch, 11. September 2013 – Nichtmanagen

Donnerstag, 12. September 2013

Ich muss besser darin werden nicht zu managen.

Bekomme ich einen Arbeitsauftrag, denke ich weiter und durch, greife Eventualitäten vor, erkenne Lücken und fülle sie selbstständig, recherchiere fehlenden Informationen hinterher. Wenn ich das Ergebnis abliefere, ist es zu weit durchdacht und mitgestaltet. Gerne ordnet der Auftraggeber zwei Drittel der Einzelschritte nochmal an, weil er gar nicht erkennt, dass sie bereits geschehen sind. Ich habe gemanagt und gestaltet statt auszuführen. Zudem: Wenn der eigentliche Auftrag keine Schlüsselfunktion im Projekt hat, werde ich nicht über Änderungen der Ausgangssituation informiert und habe gern mal in die falsche Richtung gearbeitet.
Meine nächste Übung ist also, möglichst buchstabengetreu die Anweisungen auszuführen und deren Einzelergebnisse aufzulisten, statt sie vorauseilend zu einem durchgehenden Ganzen zusammenzufügen – also zur Effizienzsteigerung nur zu machen, was mir angeschafft wird.

Und wenn ich irgendwann lerne, mich auch für die Effizienz nicht mehr verantwortlich zu fühlen, könnte eventuell eine gute Sekretärin aus mir werden.

§

Ein Tag des guten Essens. Mittags ließ ich mich mit meiner Zeitung bei Marietta nieder und bestellte einen Strudel mit Kürbis und Ricotta. Das Lokal war rege besucht, rechts von mir wurde über die Auswirkungen von Windows 8 auf die Programmierung bestimmter Computerspiele diskutiert, links von mir eine rege Unterhaltung auf Französisch, untermalt von genau dem eleganten Gestenballett, das ich mit dieser Sprache verbinde. Vor mir:

Abends kochte der Mitbewohner auf, zum Nachtisch gab es Zwetschgen-Pie:

130911_Zwetschgenpie

§

Falls Sie es noch nicht gemerkt haben: Ich bewege mich gerne in Sport-ähnlicher Form. Laufen, Schwimmen, Step-Aerobics, Gewichte heben, Crosstrainer-Strampeln, Rudermaschine ziehen. Aber auch schlicht Radeln, Treppen steigen, zu Fuß gehen, Tanzen, Wandern. Und auch wenn ich mir immer noch nicht zu 100 Prozent über den Weg traue, ob nicht doch ein Quentchen Angst vor Gewichtszunahme in meine Motive gemischt ist, bereiten mir all die aufgelisteten Dinge in allerallerersten Linie Freude. Inklusive Freude an und Anerkennung für meinen Körper, der mich all dies machen lässt – ich bin mir sehr bewusst, dass das nicht selbstverständlich ist.
Gerade deshalb macht mich Werbung zum Sporttreiben böse, die von ganz unverantwortlichen und gefährlichen Zielen und Gründen ausgeht. Hier eine Aufzählung: “The 6 most shockingly irresponsible ‘fitspiration’ photos”

The fitness industry—from gyms to clothing manufacturers—collectively produces more propaganda than North Korea, a lot of it just as crazy.

via @ankegroener

§

Ein TEDx-Vortrag, “Violence and Silence” von Jackson Katz, gibt mir eine Bezeichnung für meine Erkenntnis “Es geht nicht um mich”: bystander principle. Sexismus und damit verbundene Gewalt können nur bekämpft werden, wenn sich auch diejenigen einmischen, die weder auf der Täter- noch auf der Opferseite stehen. Weil es sich eben um strukturelle Missstände handelt und nicht um persönliche Probleme. Katz appelliert in seinem Vortrag vor allem an Menschen in Führungspositionen, sei es in der Arbeitswelt, in Sportvereinen oder beim Militär (das sind die Bereiche, in denen er Kurse und Workshops leitet).

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
http://youtu.be/KTvSfeCRxe8

via @holadiho

Journal Dienstag, 10. September 2013 – Mülltonnenwecker

Mittwoch, 11. September 2013

Wer hätte gedacht, dass ich den frühmorgens rumpelnden Müllmännern mal für ihren Lärm danken würde? Was ich gestern tat, denn ohne sie hätte ich meinen Morgensport verschlafen: Versehentlich hatte ich meinen Wecker nicht nur verstellt, sondern ausgeschaltet. Statt um 5 vor 6 vom Wecker wurde ich um Viertel nach 6 von Mülltonnengepolter geweckt – und sprang nach einem Blick auf die Uhr auf. Trotzdem schaffte ich noch ein Glas Wasser, Zahnreinigung und Katzenwäsche vor dem Verlassen des Hauses, und im Sportstudio kam ich auch nur 10 Minuten später an als geplant.

§

Kraftttraining bei Hot Iron, also mit Langhanteln, sehr sorgfältig und vorsichtig, um meine kürzlich gereizte Lendenwirbelsäule zu schonen.

Blöder Vorturnerinnenspruch bei der Einweisung in eine Bauchübung: “Nach oben schauen, nicht nach vorn, da ist nichts Interessantes zu sehen, hier gibt’s ja keine Männer.” Und schon wurden auch meine Augenbrauen trainiert.

§

Düster verhangener Himmel, dennoch kam ich morgens trocken in die Arbeit und mittags zu einem Termin am anderen Ende der Innenstadt. Danach aber regnete es energisch los, bis zum Feierabend: Auch nach Hause kam ich trocken.

§

Mal wieder ein Angebot in meiner Blog-Mailbox, einen bezahlten “Gastbeitrag” auf der Vorspeisenplatte zu veröffentlichen. Wieder ging ich begeistert darauf ein, vielleicht klappt es ja nach dem vergeblichen Versuch mit Treppenliften und Juwelen diesmal. Dann bekämen sie hier einen Artikel zu lesen, der Online Casinos mit Feminismus und Brotbacken verbindet. Daumen drücken!

Journal Montag, 9. September 2013 –
an der Wettervorhersage vorbei

Dienstag, 10. September 2013

Die Sache mit den selbstzerstörenden Wanderschuhen lässt mich nicht los. Wo immer ich mein Erlebnis erzähle, heißt es: Ja ja, so ist das halt bei Wanderschuhen. Ein Kollege berichtete von seinen Töchtern, die bei der Bergwacht-Jugend seien – vor jeder Übungseinheit prüften die Gruppenleiter alle Stiefel der Teilnehmer durch Biegen der Sohlen, ob diese die Übung auch überstehen würden; ein Paar sei immer dabei, das bei der Gelegenheit seine Sohlen verliere.

Hat da noch niemand Wind gemacht? Gerade diese “Outdoor”-Branche hatte ich aus der Ferne immer so verstanden, dass Sicherheit, Haltbarkeit und Belastbarkeit der Produkte Priorität haben. Wäre ich mit den Schuhen auf einem Berg gestanden, hätte ich ein echtes Problem gehabt – wie ja Kommentatorin Sabine von ihrer Tochter schreibt, die sich bei einer solchen Gelegenheit einen Bänderriss zuzog.
Steht irgendwo im Kleingedruckten der Beipackzettel dieser Schuhe: “Nicht länger als fünf Jahre nach Herstellung verwenden, sonst höchste Gefahr!”?
Selbst die Information, die Schuhe seien nur bei regelmäßiger Nutzung verlässlich seien, grenzt an Unverschämtheit. Oder ist das schon längst ein Aufregerthema, das ich bloß noch nicht mitbekommen habe?

Nachtrag: Lowa hatte schon gestern Mittag auf meine Anfrage reagiert: Neubesohlung bekomme ich für insgesamt 69,95 Euro. Im Anhang der Antwort-Mail zwei Magazinartikel, die genau den Mechanismus oben beschreiben: Selbstzerstörung bei zu geringer Benutzung. Ernsthaft?

§

Ein Regentag war angekündigt, doch in München hielt sich das Wetter nicht daran: Die Luft war zwar abgekühlt, doch die Sonne schien, die Menschen saßen draußen.

Nach Feierabend war ich in Haidhausen verabredet; die Radfahrt quer durch die Stadt kam mir gerade recht. An der Theke von Mauros Negroni gesessen, köstliche Cocktails und ein hervorragendes Club Sandwich bekommen, mit meiner Verabredung über das Leben derzeit gesprochen und mit dem freundlichen Barkeeper über das Oktoberfest im Wandel der vergangenen 20 Jahre.

Auch das nächtliche Heimradeln war ein Genuss.

Journal Sonntag, 8. September 2012 – Ruhetag

Montag, 9. September 2013

Dieser Sonntag war ein richtiger Ruhetag. Ich bloggte, nahm ein Bad, schnippelte mir zum Frühstück Aprikosen und Birnen in selbst gemachten Joghurt. Seit einigen Chargen habe ich kein Schleimproblem mehr: Vermutlich war die Verwendung von H-Milch keine gute Idee. Jetzt koche ich für Joghurt normale, “traditionell hergestellte” Vollmilch auf und lasse sie auf ca. 45 Grad abkühlen.

§

Roggenschrotbrot gebacken. Nach dem Kneten ging der Teig ab wie die Wutz, ich verkürzte die erste Gare auf zweieinhalb Stunden, die Stückgare auf 45 Minuten, aber das war nicht genug: Die Laibe liefen im Ofen wegen Übergare auseinander. Das ist ja im Grunde eine reine Formschwäche, solche Brote habe ich auf Bauernmärkten durchaus zu kaufen gesehen, sie schmecken ja trotzdem gut. Immer gleich perfekte Brote gibt es halt nur aus der Backfabrik und mit Hilfe von Schweinereien aus dem Labor.

§

Auf dem Balkon Martin Walsers Ehen in Philippsburg ausgelesen. Es gefiel mir bis zum Schluss gut, vor allem wegen des Nachkriegshintergrunds, der hochkomplexen Erzählstimme, der dichten Bilder. Nun habe ich Walser endlich abgehakt; wegen tödlicher Langeweile war ich weder im Einhorn noch im fliehenden Pferd über die ersten Seiten hinausgekommen.

Die liegengebliebenen Süddeutschen Zeitungen der vergangenen drei Tage hinterhergelesen. Die Wahlen rücken drohend näher, und ich bin ratlos wie selten zuvor.

§

Nicht gebügelt.

§

Frisches Brot gegessen, Vögelchen beobachtet, auch Eichkätzchen (ich beantrage die Umbenennung in Kastanienäffchen), ein Buntspecht klopfte energisch auf dem Stamm der Kastanie herum.

Ab 16 Uhr verabschiedet sich der Sommer, um 17 Uhr machte er offensichtlich hinter sich das Licht aus – ich musste im Wohnzimmer die Lampen anschalten.

Mich fast ganz durch meinen Feedreader gelesen.

§

Vage war mir bewusst, dass ich dieses Blog in der zweiten Jahreshälfte 2003 begonnen hatte; jetzt sah ich doch mal genauer nach: Der zehnte Bloggeburtstag der Vorspeisenplatte wäre am 24. August gewesen. Wieder eine Party verpasst.

§

Smillas Fotos sind immer sehenswert (immer? immer.), aber manche Serien berühren mich ganz besonders. Ihre Tangobilder von der Milonga del Pescador aus Brügge gehören dazu.

Journal Samstag, 7. September 2013 – sohlenlos

Sonntag, 8. September 2013

Weil’s vergangenen Samstag gar zu schön war und weil die Vorhersage wieder Sommerwetter versprochen hatte, nahmen der Mitbewohner und ich gestern Morgen wieder eine S-Bahn nach Süden zum Wandern: Dieselbe Strecke wie vor einer Woche, nur in die andere Richtung. Eigentlich war die Tour diesmal ereignisärmer – nur dass ich sie auf desintegrierenden Wanderschuhen zurück legte, die Sohlen lösten sich.

Als wir das Haus verließen, freute ich mich noch an den festen Schuhen: Meine Füße waren darin so gut und gleichzeitig bequem eingepackt, dass ich beim Gehen auf den dicken Sohlen deutlich merkte, wie viel mehr ich mit dem ganzen Körper lief und wie nicht nur die Füße und Unterschenkel die Arbeit machen mussten.

130907_Kleidung

Die Jacke brauchte ich den ganzen Tag nicht: Schon Kirchseeon empfing uns um 10 Uhr mit wolkenloser Hitze, und wir gingen fröhlich los. Ich begann die Funktion von Wanderliedern zu erfassen, denn in solchen Momenten ist mir sehr nach Singen beherzter Weisen. Wir erinnerten uns an “Mein Vater war ein Wandersmann”, “Im Frühtau zu Berge”, “Kein schöner Land”, “Das Wandern ist des Müllers Lust” – kamen aber nur jeweils bis ans Ende der ersten Strophe, dann ließ uns der Text im Stich.

Nach einer knappen Stunde fühlte sich das Gehen seltsam an. Ein Blick auf meine Schuhe: Die Sohle des linken Schuhs löste sich vorne. Darauf war ich nun überhaupt nicht gefasst gewesen. Ich hoffte auf einen bislang halt unentdeckten älteren Schaden, der nicht weiter stören würde. Doch die Sohle löste sich immer weiter, ich begann zu stolpern. Ein festes Klebeband wäre jetzt recht gewesen, doch wer hat schon Klebeband beim Wandern dabei? (Nach allem, was ich seither erfahren habe, möglicherweise mehr Wanderer als gedacht.) Irgendein Stück Schnur hätte auch schon geholfen. Ich durchsuchte alles, was wir bei uns hatten und landete – bei dem Bändel an meinem Fotoapparat.

130907_Wanderschuhe_Baendel

So marschierte ich erst mal unverändert fröhlich weiter und verdrängte so gut es ging, dass sich auch am rechten Wanderschuh vorne die Sohle zu lösen begann. Durch Moosach, hinauf an den Steinsee (gestern gut besucht), durch Oberseeon (das Anwesen, an dem wir vergangene Woche Birnen gekauft hatten, lag einsam, verschlossen und leer). Nach gut zwei Stunden Wanderung half alles Verdrängen nicht mehr: Die Sohlen hatten sich mittlerweile völlig von den Schuhen gelöst, alle beide.

Ich veröffentlichte ein Bild der Kalamität auf Instagram und erhielt umgehend höchst interessante Informationen dazu. Zum einen, dass diese Sohlenflucht ein so verbreiteter Verarbeitungsfehler sei, dass man an frequentierten Wanderstrecken regelmäßig auf weggeworfene Sohlen stoße. Zum anderen, dass einige Hersteller Neubesohlungen anböten. Ersteres halte ich für eine empörende Dreistigkeit der Hersteller, Zweiteres immerhin.

Insgesamt fühlten sich die Schuhe aber stabil an, ich wanderte also einfach sohlenlos weiter, dunkelblaue Krümel der Zwischensohlen hinter mir lassend (größere Stücke steckte ich aber ein und warf sie in den Abfall). Über die folgenden Stunden kam ich dem Boden immer näher, daheim trug ich nur noch schlichte Schnürstiefel.

130908_Wanderschuhe_sohlenlos

Ja, Hersteller Lowa bietet Neubesohlung an, wenn die Schuhe “abgelaufen” sind. Nur kann ich mit der Anleitung nichts anfangen, damit zu meinem “LOWA Händler” zu gehen, die Website führt nicht mal ein Händlerverzeichnis. Ich wandte mich also gleich gestern Abend mit einer E-Mail an die Serviceabteilung von Lowa und bat um Auskunft, wie ich am besten zu einer neuen Sohle komme. Ansonsten sind die Stiefel nämlich bestens in Schuss, und es wäre Vergeudung, sie zu Müll zu erklären.

§

Mein Vergnügen an der Wanderung war dadurch zum Glück nicht beeinträchtigt. Wir sahen nochmal Rauchschwalben, einen kleinen hellbraunen Frosch, lebendig, zudem einen großen, extrem flachen Frosch, tot. Letzterer hatte den nicht zu unterschätzenden Vorteil der leichten Fotografierbarkeit. Vielleicht sollte man Tierfotografie standardmäßig mit toten Tieren beginnen.

Wir begegneten einem Pferd mit Reiterin, das durch diese Begegnung höchst irritiert war und von der Reiterin erst überzeugt werden musste, dass es dennoch weitergehen konnte (zu uns erklärend: “Auf euch war er jetzt nicht gefasst.”).

Ein Bussard rufend über uns kreisend, ein Falke, der von einem Feld aufflog, riesige, grüne Libellen, Himbeeren und Brombeeren am Wegesrand (von denen mich der Mitbewohner immer wegzuziehen versuchte, auf die Warnungen vor Fuchsbandwurm verweisend), erste Pilzlein im Wald. Es war sehr warm und sehr sonnig, das Rote an meinem Hals wird dann wohl doch eine leichte Verbrennung sein. Doch mit besseren Schuhen war die Wanderung tatsächlich weit weniger anstrengend.

Trotzdem freuten wir uns sehr auf das Einkehren in Aying. Zwischen Ausflüglern in Straßenkleidung und Menschen in Nylon-Wurstpellen (in der Stadt bekommt man diese Art von Bewegungsbekleidung weit seltener zu sehen) genossen wir Brotzeitbrettl (sensationell reichhaltig, die Würste aber sichtlich aus der Folie kommend), Wurstsalat, Radler und Kirtabier aus der ortsansässigen Brauerei.

130907_Frosch_tot

Birkenallee beim Gut Deinhofen


Südlich von Moosach

130907_Moosach

Schlacht – die stolze Bewohnerin des blumengeschmückten Hauses sah mir in Kittelschürze beim Fotografieren zu; so konnte ich ihr persönlich dazu gratulieren.

130907_Schlacht_1

130907_Schlacht_2

Egmatinger Forst von außen

130907_Egmating

Aying

130907_Aying_1

130907_Aying_2

Journal Freitag, 6. September 2013 –
Wind von vorn

Samstag, 7. September 2013

Weil das Wetter nochmal ganz in Sommer machte, vor der Arbeit zum Laufen an die Isar. Es war wieder wundervoll, Anblicke wie am Mittwoch, doch diesmal wieder in fast völliger Einsamkeit. Wie der Wind gelaufen, die inzwischen gewohnte Frühmorgenstrecke in fast fünf Minuten weniger als sonst.

§

In der Arbeit einen Twitter-Account aufgesetzt für einen Kunden, erste Tweets abgesetzt, gleich mal Spaß gehabt mit der Verlinkung von Berichterstattung über diesen Kunden (“Aber das ist doch anders, als wir das kommunizieren!”). Die “Social Media ist ein weiterer Kanal, in den wir unsere Botschaften pusten können”-Schule. Na gut, ich wollte mich ja in just following orders üben.

§

Schon vom Büro aus den schlichten Gesang urtümlicher Männerchöre vernommen. Bei Einkäufen in der Innenstadt (Wandersocken!) festgestellt, dass diese voll Idioten war. Da das Oktoberfest noch nicht begonnen hat, konnte das nur bedeuten, dass ein Fußballspiel anstand.

§

Abendbrot auf dem Balkon, der Mitbewohner hatte auf meine Anregung gedämpften Lauchpudding bereitet (allerdings mit vegeterian suet, in München erhältlich bei Pomeroy & Winterbottom), in einer unserer zwei (!) Dampfpuddingformen. Schmeckte ganz ausgezeichnet. Der hübsche Rosé dazu war ein spanischer Altius Rosado 2012 aus 100% Merlot, sehr fein mit wenig Beeren, dafür Säure am Anfang und weicher Milde am Ende. Der zweite aus dem Rosé-Probierpaket von Vinos.de, schon der erste hatte mir sehr gut geschmeckt: Viel Himbeerbonbon im Viña Tobía (reiner Garnacha aus der Riója).

130906_Lauchpudding

Noch vor zehn Schlafen gegangen, denn: Erwachsensein bedeutet, dass man so früh ins Bett darf, wie man will.

§

Harte Lektüre: Caroline Criado-Perez’s speech on cyber-harassment at the Women’s Aid conference

Bitte bedenken Sie, dass die Frau sich lediglich für die scheinbare Winzigkeit von mehr Frauenbildern auf britischen Banknoten eingesetzt hat, mehr nicht. Woher nur kommt schon hier die unglaubliche Hasslawine, die über sie hereinbrach?

Die verbreitete Empfehlung, eine Frau könne sich vor diesen unerträglichen Hassattacken und Aggressionen doch ganz einfach schützen, indem sie sich nicht mit solchen Themen in die Öffentlichkeit begebe, erst recht nicht mit den Folgen, empört mich besonders. Tatsächlich haben wir hier das ideale Beispiel eines Triple Bind:
Eine Frau, die Aggressoren und Täter beim Namen nennt, setzt sich der Gefahr aus beschuldigt zu werden, eine Hetzjagd anzuzetteln.
Eine Frau, die die Identität von Aggressoren und Tätern schützt und von deren Taten anonymisiert spricht, setzt sich der Gefahr fehlender Glaubwürdigkeit aus.
Alle Frauen, die über Angriffe und Aggressionen schweigen, setzen Sprecherinnen der Gefahr aus, als (selbst verschuldete?) Einzelfälle zu gelten, nicht etwa als Symptome eines verbreiteten Problems.
Griechische Tragödie vom Feinsten.
(Es gab dazu kürzlich einen Strichfiguren-Cartoon, den ich leider nicht mehr finde. Kann jemand helfen?)
Nachtrag: Herr Giardino hat in den Cartoon in die Kommentare gesetzt, hier ist er.

130906_Balkonabend