Archiv für Dezember 2022

Lieblingstweets/-tröts Dezember 2022

Samstag, 31. Dezember 2022

Erst mal die in meinen Augen schönsten Tweets:

Und dann die in meinen Augen schönsten Tröts auf Mastodon:

Foto-Rückblick 2022

Samstag, 31. Dezember 2022

Joël regt wieder an: Zeigt euer Jahr mit einem Fotorückblick.

Januar

Fine dining vegetarisch im Green Beetle.

Die erste Wanderung des Jahres führte uns an den Tegernsee.

Februar

Geisterpassagiere am Heimeranplatz – kurz bevor von der Fassade des geschlossenen Sheraton Hotels gegenüber das ikonische Logo verschwand.

Wanderung um die Osterseen.

März

Gelber Sahara-Sand-Himmel über München. Da es danach wochenlang nicht regnete, blieben Wege, Autos, Fenster lange sandig.

Fertig zum Tanztee am Bavariapark, noch mit Mund-Nasen-Masken.

April

Später Schnee.

Obstblüte auf der Wanderung Obst- und Kulturwanderweg Ratziger Höhe.

Mai

Im Museum Fünf Kontinente.

Lieber Besuch aus Berlin.

Juni
(im Juni steckten Ereignisse für ein halbes Jahr, dafür muss ich die Regeln sprengen)

Berlin-Reise zur re:publica: Essen im Restaurant des KaDeWe.

Wanderung zum Brudergeburtstag.

Augsburgwochenende mit Eltern bei Schwiegers, Besichtigung des historischen Wasserturms.

Im ORF-Studio zum Bachmannpreislesen.

Juli

Mauerseglerrettung.

Beerdigung eines Mitabiturienten in Ingolstadt.

August

Drecks-Corona – zum Glück mit wenig Symptomen und keinen Nachwirkungen.

Freunde besucht in Freiburg, Wanderung im Schwarzwald.

Mit Familienbesuch aus Florida im Hirschgarten.

September

Der große Urlaub startete in Paris.

Fast drei Wochen in San Sebastián, hier mein Ausguck in der Ferienwohnung.

Oktober

Calima kommt nach San Sebastián.

Jubiläumskonzert des Jugendkammerchors Ingolstadt.

Apfelernte beim Kartoffelkombinat.

November

Letztes Wandern bei Ebersberg.

Thanksgiving mit Familie bei uns.

Dezember

Erster großer Schneefall an der Isar.

Bei Freunden über Silvester in Bern.

Journal Freitag, 30. Dezember 2022 – Fahrt nach Bern, erstes Freundekuscheln

Samstag, 31. Dezember 2022

Sehr früher Wecker, um vor Aufbruch zum Bahnhof noch Zeit für Blogdinge und Räumen zu haben.

Zugfahrt nach Bern mit der SBB ohne größere Ereignisse. Wir kamen zwar mit Verspätung im Umsteigebahnhof Zürich an (Erklärung über Durchsage nach Passieren der Schweizer Grenze zunächst “wegen erhöhten Verkehrsaufkommens in der Schweiz” – ? -, dann aber “wegen eines Ereignisses im Ausland”: SBB macht klar, WIR WARN’S NICHT!), nahmen halt eine spätere Verbindung nach Bern und gaben den abholenden Gastgebern dort Bescheid.

Im Berner Bahnhof (ziemlich verwirrender Bahnhofstypus Einkaufszentrum mit Gleisanschluss) freuten wir uns erst mal sehr über das Wiedersehen nach viel zu vielen Jahren. Dann stellten wir unser Gepäck unter (interessantes und sehr praktisches Schließfachsystem), um erst mal eine Runde durchs gestern düstere und regnerische Bern zu drehen.

Einkehren auf einen kleinen Snack wurde uns verwehrt: Die Lokale in der Innenstadt waren alle proppenvoll. Aber es gab einen ausgezeichneten Cappuccino im Adrianos, dort erjagten wir ein paar Barhocker.

Weitere Spazierschleifen, dann holten wir unser Gepäck und gingen zum geparkten Auto der Gastgeber: Sie wohnen eine halbe Fahrtstunde von Bern entfernt. Wiedersehen mit einem besonders schönen Haus, wir machten es uns gemütlich.

Abendessen aus Gastgebers Hand: Scharf-süß-sauer eingelegte Gurke als Vorspeise, Berner Lammhaxe mit Senfsauce und Spätzle zum Hauptgang, ein Töpfchen Schokocreme hinterher – und dazu heimische Weine aus dem Wallis: Ein weißer Niklaus Wittwer Fendant und ein Pinot Noir vom selben Winzer, beide wunderbar passend und interessant.

Dazu Austausch von Situation und erster Abgleich Durchstehen der bisherigen Corona-Zeiten.

§

Herr Rau schließt mit einem dritten Teil die Berufsgeschichte seiner Mutter in den 1960ern und 70ern bei NCR ab, mit vielen schönen Fotos von Messen.
“Meine Mutter als Programmiererin 3: Spätere Maschinen”.

Journal Donnerstag, 29. Dezember 2022 – Letzter Isarlauf 2022, Reisevorbereitung

Freitag, 30. Dezember 2022

Gut und ausgeschlafen.

Morgens erst mal Brotbacken fürs Gastgeschenk, wir werden am Freitag über Silvester zu Freunden in der Schweiz reisen. Und ein 7-Pfünder-Hausbrot mitbringen.

Herr Kaltmamsell übernahm das Rausholen aus dem Ofen, so konnte ich schon um halb elf raus zum Laufen. Ich nahm die U-Bahn nach Thalkirchen. Der Himmel war düster, ließ nur hin und wieder Licht durch, aber die Luft war nicht kalt.

Schon auf dem ersten Stück sah ich auf dem Boden einen Tiger-Sperling. Zumindest sollte das Vögelchen mit schwarz-gelb-braun-weißem Gefieder und schwarzer Tiger-Zeichnung im Gesicht so heißen (ich fand daheim auf die Schnelle keine korrekte Bestimmung).

Blick von der Großhesseloher Brücke, für die (Wasserstands-)Akten.

Die kahlen Bäume ermöglichten einen seltenen Blick von dieser Richtung auf Burg Schwaneck.

Pullacher Blick übers Isartal, inklusive Alpenkette.

Und dann kam auch noch die Sonne heraus und wärmte mich. Hier ein Blick in die Großhesseloher Brücke.

Es waren sehr wenige Menschen und außer mir keine Jogger*innen unterwegs, ich genoss die Weite und Leere. Und mein Körper (Muskelkater noch spürbar) spielte problemlos mit.

Im U-Bahnhof Thalkirchen.

Daheim gab’s zum Frühstück um halb drei Birne und Mandarine mit Joghurt, Pumpernickel mit Butter.

Das Brot war sehr gut geraten, es geht als Gastgeschenk durch.

Den Nachmittag verbrachte ich mit Zeitunglesen, Zubereitung eines weiteren Gastgeschenks, Jahresrückblick fürs Blog, Zusammenstellung von Lieblingstweets und -tröts: Ich schrieb schon mal vor, denn ich möchte in der Schweiz möglichst viel Zeit für die Freunde haben.

Fürs Abendessen steuerten wir den nahegelegenen Vietnamesen Chi Thu an – doch es herrschte Hochbetrieb (keine Reservierung möglich), es bestand keine Aussicht auf einen Tisch. Also holten wir uns wie sonst auch Essen für daheim. Meine Glasnudeln mit gebratenem Zitronengras-Tofu, frischem Gemüse und frischen Kräutern schmeckten hervorragend. Nachtisch das letzte Stückchen Christmas Cake, Pralinen.

Packen für Bern. Auch dort sind für Silvester und Neujahr 13 Grad angesagt, die ganz dicken Stiefel und Pullis bleiben daheim.

§

Die nächste Folge über die erstaunliche Berufsvergangenheit meiner Schwiegermutter: Viel über die damaligen Buchungsmaschinen und ihre Technik – im O-Ton erklärt von Frau Schwieger. (Ich überlege noch, ob ich “Frühstückssaldo” nicht auch für besonders lange hochfahrende Software verwenden kann.)
“Meine Mutter als Programmiererin 2: Die frühen Maschinen”.

Jahresrückblick 2022

Donnerstag, 29. Dezember 2022

Die am häufigsten geherzten Fotos meines instagram-Kanals:

Zugenommen oder abgenommen?
Etwa gleich. Da die Veränderung um zwei Konfektionsgrößen von 2021 blieb, stattete ich mich dann doch mit passender Kleidung aus und verräumte nicht mehr passende im Keller. Übernehmen konnte ich ein paar locker sitzende Kleider, ein paar Oberteile, zudem Hemden und Pullis, die ich in den Oversize-Trend argumentieren kann, zum Glück alle Socken und Schuhe. Jetzt bange Hoffnung,1 dass ich diese neue Kleidergröße lange genug für eine Amortisierung der beträchlichen Ausgaben behalte.

Haare länger oder kürzer?
Gleich.

Kurzsichtiger oder weitsichtiger?
Gleich.

Mehr bewegt oder weniger?
Wahrscheinlich etwas mehr Sport, weil ich die Schwimmbäder das ganze Jahr nutzen konnte. 2021 waren sie die meiste Zeit wegen Corona gar nicht oder nur eingeschränkt geöffnet gewesen, 2020 war ich durch die Hüft-Arthrose und -OP behindert.

Mehr Kohle oder weniger.
Gleich.

Mehr ausgegeben oder weniger?
Mehr (Urlaub).

Der hirnrissigste Plan?
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln von San Sebastián nach Guernica zu fahren. (Nicht umgesetzt.)

Die gefährlichste Unternehmung?
Radeln ohne Helm.

Die teuerste Anschaffung?
Möbel: Tisch, Stühle, Sofa.

Das leckerste Essen?
Diese süßen spanischen Zwiebeln als Salat mit Romana-Blättern und Tomaten vom selben Feld.

Der interessanteste Wein?
Pittnauer Rosé Dogma.

Das beeindruckenste Buch?
Hildegard Knef, Der geschenkte Gaul.

Das enttäuschendste Buch?
John Irving, The last chairlift.

Der ergreifendste Film?
Three Thousand Years of Longing

Die beste Musik?
Die Spotify-Familien-Playlist der Bruderfamilie.

Das beste Theater?
Ich war nur in einem Stück, Like lovers do in den Kammerspielen, das war ok.

Die meiste Zeit verbracht mit…?
Arbeit.

Die schönste Zeit verbracht mit…?
Wandern.

Vorherrschendes Gefühl 2022?
Soll ich mich an diesen Körper in neuer Form gewöhnen?

2022 zum ersten Mal getan?
In kaltem Wasser so lang geschwommen, bis ich blaue Finger- und Zehennägel hatte und schlotterte.

2022 nach langer Zeit wieder getan?
Für mehr als drei Wochen verreist – das hatte ich meiner Erinnerung nach seit der Abiturreise nicht mehr.

3 Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
Frieren beim Schwimmen, Sorgen um Familie, zweimal Darmgrippe.

Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
Geh weg von hier (vergeblich).

Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
Ein Kistlein gemischte Teebeutel.

Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
Zuwendung und Geduld.

2022 war mit 1 Wort…?
Erträglich.

Vorsätze für 2023?Worauf ich mich 2023 freue
Mit meinem Vater Madrid, El Olmo und Sepúlveda bereisen.

  1. “Bang” im Sinne von “total panisch”. []

Journal Mittwoch, 28. Dezember 2022 – Schwimmen mit Trick, Start der Berufsgeschichte von Frau Schwieger

Donnerstag, 29. Dezember 2022

Herrlich und lang geschlafen.

Was mein Weltbild mal wieder durcheinander bringt: Die Münchner Stadtwerke SWM haben mir über 200 Euro zurückgezahlt (nochmal: DIE haben MIR Geld zurückgezahlt). In meinem privilegierten Wohlstand hatte ich es nie nötig, mir über die genauen Zusammenhänge Gedanken zu machen, hatte lediglich abgespeichert, dass Herr Kaltmamsell und ich beim Umzug nach München vor 23 Jahren vereinbarten, dass er Telefon/Internet übernimmt, ich die Rechnungen der Stadtwerke. Erst jetzt kapiere ich, dass dieser SWM-Abschlag nur unseren Stromverbrauch zahlt, die sprunghaft teurer gewordene Wärme (Wasser, Heizung) über unsere monatliche Miete beglichen wird, wir zahlen Warmmiete. Und Strom haben wir im vergangenen Jahr deutlich weniger benötigt, auch wenn unser Verbrauch schon immer unterdurchschnittlich war. Der Verdacht liegt nahe, dass die Ursache die Abschaffung des sehr alten Wäschetrockners war. Ordentlich nachzahlen werden wir also bei der Jahresabrechnung der Hausverwaltung, doch selbst da hat Herr Kaltmamsell anhand der Vorjahreswerte und der aktuellen Preise berechnet, dass wir mit einem dreistelligen Betrag davonkommen müssten.

Den gestrigen freien Tag nutzte ich für eine Schwimmrunde. Angenehmes Radeln ins Olympiabad, ich erwischte endlich mal auf der Schleißheimerstraße eine fast grüne Welle, radelte immer wieder länger am Stück und kam gut aufgewärmt an.

Schwimmen im wenig besetzten Becken: Mit einem Trick kam ich doch zu meinen 3.000 Metern. Es fröstelte mich bereits ab 1.200 Metern, obwohl ich wegen Überholens mehrfach Zwischenspurts einlegte, ich richtete mich auf 2.500 Meter ein. Doch als ich danach auf die Uhr sah, war ich so schnell wie schon lange nicht gewesen – jetzt wollte ich unbedingt wissen, wie lange ich für 3.000 Meter brauchen würde, und schwamm mit Energie weiter. Ich blieb tatsächlich unter 80 Minuten; meine schnellsten drei Kilometer, an die ich mich zu erinnern glaube, brauchten 75 Minuten.

In der Umkleide des Olympiabads.

Die Muskelkater-Situation: Ja. Und zwar praktisch überall (Ausnahmen: Unterschenkel, Unterarme), ich weiß schon, warum ich diese Folge auf Fitnessblender besonders mag, Bauchmuskelkater gleichzeitig oben und unten hatte ich schon lang nicht mehr. Aber nichts davon Eleganz-mindernd.

Auf dem Heimweg radelt ich zum Vollcorner, ging nach Radlparken aber erst mal zu anderen Einkäufen: Beim Emilo scheiterte ich gleich, das Café war zu (öffnet vor endgültiger Schließung aber im Januar nochmal), also weder Espressobohnen noch ein besonders guter Cappuccino. Meine Semmelpläne gingen ebenso wenig auf, beim Zöttl gab es keine Laugenzöpferl. Also weiter zum Bäcker Wimmer für Handsemmeln. Im Vollcorner kaufte ich die Einkaufsliste leer.

Daheim gab’s zum Frühstück Semmeln, außerdem Birne mit Joghurt (da ich sie gleich essen wollte, hatte ich welche gekauft, die so aussahen – ich möchte hier eine Kommentatorin zu dem Foto von David Lebovitz zitieren: “I wouldn’t even think of eating a pear unless it looked like it had lost a bar fight!”).

Nachmittags nochmal raus für Einkäufe: Ich hatte die Hefe vergessen, wollte aber abends Brotteige ansetzen.

Viel Zeit mit Beobachten der Live-Kamera an der Wasserstelle in der namibischen Wüste verbracht. Es kam eine kleine Rotte Warzenschweine vorbei, jetzt wurde sich auch gesuhlt. Später sah ich Zebras trinken, mehr als ein halbes Dutzend, und stellte fest, dass die sich mit herzallerliebsten Gluckslauten verständigen.

Herr Kaltmamsell bereitete das Abendessen zu: Aus dem Ernteanteil-Wirsing wurde Lasagne nach einem Kartoffelkombinat-Rezept.

Schmeckte sehr gut, war halt deutlich knuspriger (trockener) als klassische Lasagne. Nachtisch Christmas Cake, dann Schokolade. Auf Tele5, dem weiteren Arthouse-Sender neben arte, lief Der kleine Horrorladen von 1986, ewig nicht mehr gesehen. Im Bett meine nächste Lektüre begonnen: Candice Carty-Williams, Queenie.

§

Herr Kaltmamsell hat den ersten Teil der Geschichte meiner (eh ziemlich coolen) Schwiegermutter veröffentlich und wie sie in den 1960ern zur Programmiererin ausgebildet wurde (unter anderem inklusive ihres ersten Arbeitsvertrags bei NCR und Fotos aus ihrer ersten Zeit):
“Meine Mutter als Programmiererin 1: Werdegang”.

§

Spuren im Schnee, die man bei uns sehr wahrscheinlich nie findet.

Bücher 2022

Mittwoch, 28. Dezember 2022

Unfassbar, dass ich vor zehn Jahren noch doppelt so viele Bücher gelesen hatte.
* markiert wieder ausdrückliche Empfehlungen.

1 – Blai Bonet, Frank Henseleit (Übers.), Das Meer
Ich weiß ja nicht. 1958 auf Katalonisch veröffentlicht spielt der Roman nach dem Bürgerkrieg in einem Lungensanatorium auf Mallorca und besteht aus Monologen von einzelnen Personen (Patienten und Personal), die vage die Geschichte eines Mordes zu Beginn des Bürgerkriegs erzählen, vor allem aber die Gedanken dieser Personen über sich selbst und die anderen Monologisierer*innen.
Die spanische Version wird vermarktet als „metaphysical novel as exemplified by Dostoyevsky“ – und an Dostojewski musste ich bei den verquasten und schier endlosen theoretischen Abhandlungen über Unschuld und Schuld in den Augen des katholischen Gottes durchaus denken, über Sünde, moralisches Verderben und Versuchung – was nicht als Kompliment gemeint ist, weil IM ERNST?! Ich will mich keineswegs über Menschen lustig machen, die sich mit solchen Fragen martern, denn Marter und Pein sprechen aus diesen Monologen der Protagonisten ganz deutlich. Aber sie liegen meinem eigenen Nachdenken über Ethik sehr fern, wie fast alle Metaphysik. Mit seiner zusätzlichen Handlungsarmut und seinen angestrengt-poetischen Beschreibungen (die mögen aber ebenso wie die orthografischen und grammatikalischen Fehler der Übersetzung und mangelndem Lektorat zuzuschreiben sein) ging der Roman komplett an mir vorbei.

2 – Wolfgang Herrndorf, Sand*
Ein zweites Mal gelesen – das Ende hatte ich komplett vergessen. Auch dieses hervorragend gemacht, auch dieses zitiert indirekt eine ganze Fiktionsgeschichte an Vorbildern, um dann etwas ganz Anderes damit zu machen.

3 – Granta 157, Should we have stayed at home? New travel writing

4 – Chris Whitaker, We begin at the end
Hier ausführlich besprochen.

5 – Hanya Yanagihara, A little life*
Hier ausführlich besprochen.

6 – Jennifer Gunter, The Menopause Manifesto
Hier ausführlich besprochen.

7 – Annie Ernaux, Sonja Finck (Übers.), Das Ereignis

8 – Hildegard Knef, Der geschenkte Gaul*
Hier ausführlich besprochen.

9 – Octavia Butler, Parable of the Talents

10 – Mareike Fallwickl, Die Wut, die bleibt
Ein Roman über das vielfältige Unglück der Mutterschaft, über Männer, die es vertiefen, und über Frauen, die sich genau das wünschen. Als Alternative haben wir 3rd-wave-feministische Teenagerinnen, die Gewalt für eine Lösung halten. Die ersten Aspekte sind sehr weit weg von meinem Leben (wobei ich durchaus Mitleid empfinde, ich bedaure ja auch Menschen, die bei Formel-1-Rennen verunglücken oder sich bei Risiko-Sportarten verletzen), die letzteren fand ich arg melodramatisch geschrieben.

11 – Granta 158, In the familiy

12 – Granta 159, What Do You See?

13 – Fabio Geda, Verena von Koskull (Übers.), Ein Sonntag mit Elena*
Mir gefiel das Undramatische der einfachen Geschichte: Ein Witwer hat für die Familie seiner erwachsenen Tochter gekocht, doch diese muss kurzfristig absagen. Er ist enttäuscht und geht raus auf einen Spaziergang, lernt am Skaterpark eine Frau mit Teenagersohn kennen, lädt die beiden zum ausgefallenen Familienessen ein. Für einen Nachmittag lassen diese Fremden sich aufeinander ein.
Besonders wird diese einfache Geschichte, weil sie ist technisch liebevoll erzählt wird, nämlich mit der Stimme der zweiten erwachsenen Tochter aus einigen Jahren Abstand. Sie erzählt ihre Sicht auf ihren Vater mit, auf die ganze Familie, auf ihr eigenes Heranwachsen, ihr jetziges Leben.
Ich mochte es, für einige Stunden von Übersetzerin Verena von Koskull nach Norditalien mitgenommen zu werden.

14 – Amy Stewart, The Drunken Botanist
Gemogelt, weil ich dieses Sachbuch über pflanzliche Cocktail-Zutaten noch nicht ausgelesen habe.

15 – Colson Whitehead, The underground railroad*
Hier ausführlich besprochen.

16 – Mely Kyiak, Herr Kiyak dachte, jetzt fängt der schöne Teil des Lebens an*
Hier ausführlich besprochen.

17 – Hannah Gadsby, Ten Steps to Nanette: A Memoir Situation*
Ein monumentales Werk, das mich auf vielen Ebenen mitnahm. Gadsby erzählt ihr Leben – so viel mehr, als sie für Nanette verwendete. Als strukturellen roten Faden verwendet sie die Entwicklung der LGBTQ-Rechte in der reaktionären Provinz Tasmanien, aus der sie stammt.

Mir ging ihre Geschichte nahe, ihre Einsamkeit in Kindheit und Jugend, ihr Eingeschlossensein in Selbsthass und Depression, gleichzeitig ihr Verstand, dessen Schärfe mit “Messer-” nicht annähernd gewürdigt ist: Wie sie die Dynamik in ihrem Publikum registriert, analysiert, steuert. Und doch lag sie gleichzeitg völlig daneben in ihrer Prognose, was Nanette mit dem Publikum tun würde.

Die bemerkenswerteste Figur (neben Hannah) ist ihre Mutter, vor der ich mich sehr schnell sehr fürchtete (das verbindet mich mit ihrer jüngsten Tochter).

Mum’s involvement wasn’t mean-spirited or calculated, she’s just someone who gets caught up in the moment; and when the moment takes Mum, she’ll heckle anyone and anything. I once heard her say, ‘That colour makes you look fat’ to an actual house.

Das nur als Beispielzitat, wie wenig Gadsby auch in den erschütterndsten Passagen auf Pointen verzichtet.

Ich fand sehr spannend, wie das Programm Nanette entstanden ist, das ihr zu Weltruhm verhalf. Hannah Gadsby zeichnet besonders detailliert die Genesis nach – auf der Ebene Inhalte, Programmgestaltung, aber auch, wie sie sich darauf vorbereitet, sich durch das Erzählen der Traumata nicht jedesmal zu retraumatisieren.

18 – Granta 160, Conflict

19 – Marlen Haushofer, Die Mansarde*
Diese schlichte Sprache ist so schön, in der Selbstbeschreibung der Ich-Erzählerin steckt so viel Nachvollziehbares. Ein scheinbar einfaches und durchschnittliches Frauenleben der 1930er-1960er, nur dass es sonst in der Literatur nicht vorkommt.

20 – Zoë Beck, Schwarzblende

21- Heather Corinna, What Fresh Hell Is This?: Perimenopause, Menopause, Other Indignities, and You

22 – Khuê Pham, Wo auch immer ihr seid
Eher informativ als literarisch.

23 – Alan Bennett, The Uncommon Reader

24 – Matthias Nawrat, Unternehmer

25 – Fernando Aramburu, Willi Zurbrüggen (Übers.), Patria*
Hier ausführlich besprochen.

26 – (Marc-Uwe Kling, Die Känguru-Chroniken)

27 – Elizabeth Wetmore, Valentine*
Ein gruslig nachvollziehbares Bild typischer Frauenleben in einem gottverlassenen texanischen Nest der 1970er. Am Anfang steht die brutale Vergewaltigung eines 14-jährigen Mädchens in Umständen, die heute als “date rape” bezeichnet würden. An diesem roten Faden hängen die Geschichten von Mädchen und Frauen, die einen näheren oder ferneren Bezug zu diesem Verbrechen haben; fast alle sind trost- und hoffnungslos.
Mir gefiel der Einblick in diese fremde, ferne Welt – für echtes Lob war er mir aber zu dramatisch detailreich, manch eine Stimmungserzeugung fand ich zu platt durchschaubar.

(28 – John Irving, The Last Chairlift)
Nur gut die Hälfte der über 1000 Seiten geschafft, dann beschlossen, dass es das mit mir und John Irving halt war. Die wirre (nicht im guten Sinn) Geschichte aus der Sicht von Adam, einem Schriftsteller (echt jetzt? schon wieder?) über ihn in den USA der 50er bis 80er (danach hörte ich auf) mit seiner Mutter und ihrer Partnerin, seiner Kusine und deren Partnerin, seinem Stiefvater, der zur Frau wurde, seinen skurrilen Sex mit skurrilen Frauen – interessierte mich einfach nicht, keine der Figuren war interessant genug zum Leben erweckt. Ganze Passagen bis Absätze tauchten mehrfach auf, die Beschreibungen und Handlungen ergingen sich seitenweise in irrelevanten Details, der Roman hätten dringend ein Lektorat benötigt.

29 – Kristine Bilkau, Nebenan
Das Buch gefiel mir anfangs gut, mich interessierte das norddeutsche Einfamilienhausleben, die Personen darin kamen mir nah. Dann allerdings dominierte das Thema Fortpflanzungswunsch immer mehr, entwickelte sich zum Thema unerfüllter Fortpflanzungswunsch – und damit kann ich halt wirklich, wirklich, wirklich nichts anfangen. Im letzten Viertel kriegte mich der Roman aber wieder, die Autorin merke ich mir. Unter anderem begrüßte ich sehr, dass fast alle angefangenen Erzählfäden offen blieben: verschwundene Nachbarsfamilie, Fortpflanzung, immer gebrechlichere alte Tante, anonyme Drohbriefe, Zukunft des Jugendwohnheims, mögliche Überraschungen in früher Kindheitsgeschichte.

30 – Sigrid Nunez, Salvation City*
Hier ausführlich besprochen.

31 – Helga Schubert, Vom Aufstehen: Ein Leben in Geschichten*
Das Buch ist genau was draufsteht: Die alte Helga Schubert erzählt ihr Leben in kurzen Geschichten, von der Mutter, die nie etwas mit ihr anfangen konnte, vom Künstlerinnenleben in der DDR, von ihrer prägenden christlichen Religiosität, von den Veränderungen durch die Wende. Viel Alltag, in sorgfältig ausgewählten Details und Begebenheiten, scheinbar einfach. Ich fand es hochinteressant.

32 – Alena Schröder, Junge Frau am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid*
Ein handwerklich hervorragender Roman, auch sprachlich sehr gut gemacht. Ich mochte die Struktur mit zwei Zeitebenen: Die in der Vergangenheit erzählt vom Berlin der 1920er und 30er, im Mittelpunkt die junge Senta, die früh in eine Ehe rutscht, sich um den Preis ihrer Tochter daraus befreit, sich zur Reporterin durchbeißt. Die Gegenwart erzählt eng an Hannah, eine etwas haltlose junge Frau, die gerade in ihrer Promotion steckt, eine Affäre mit ihrem Diss-Betreuer hat, jede Woche ihre greise Großmutter Evelyn besucht. Das verbindende Element zwischen diesen beiden Ebenen ist ein Brief aus einer israelischen Anwaltskanzlei an Evelyn: Sie ist die wahrscheinliche Erbin von Nazi-Raubkunst – Evelyn ist die Tochter, die Senta einst aufgab. Das Ganze ist knapp und glaubhaft erzählt, ich mochte die Figuren, interessierte mich für ihr Leben. Zwei Dinge rechne ich dem Roman besonders hoch an:
– Die einzige in der Handlung neu angebahnte Beziehung ist kein love interest, sondern die Freundschaft Hannahs zu einer Frau.
– Es gibt kein rundes Ende.

Ein gutes Lesejahr. Besonders freut mich, dass es einige richtig gute deutschsprachige Literatur von heute enthielt.