1000 Fragen 141-160

Mittwoch, 1. August 2018 um 14:31

141. In welche Länder möchtest du noch reisen?
England, Italien, Israel, Portugal, Schweden, Luxemburg, Irland, Spanien.

142. Welche übernatürliche Kraft hättest du gern?
Fliegen.

143. Wann wärst du am liebsten im Erdboden versunken?
Das passiert mir so schnell und oft, dass ich viel Energie in die Vermeidung der Möglichkeit (aka Menschen) investiere.

144. Welches Lied macht dir immer gute Laune?
Keines immer. (Hängt zu sehr von Grundstimmung ab.)

145. Wie flexibel bist du?
Kommt ganz darauf an: Wenn ich mich auf etwas sehr gefreut habe, oder wenn ich mich für etwas sehr angestrengt habe, neige ich zu großer Enttäuschung oder Wut.

146. Gibt es eine ungewöhnliche Kombination beim Essen, die du richtig gern magst?
Vanilleeis mit Kürbiskernöl.

147. Was tust du, wenn du in einer Schlange warten musst?
Warten. Wenn sie richtig, richtig lang ist: Lesen.

148. Wo siehst du besser aus: im Spiegel oder auf Fotos?
Vor allem unterschiedlich: Mein Gesicht scheint sehr unsymetrisch zu sein, auf Fotos sehe ich ganz schief aus – weil es anders schief ist, als ich von meinem Spiegelbild gewohnt bin.

149. Entscheidest du dich eher für weniger Kalorien oder mehr Sport?
Mein Impuls ist immer mehr Sport – weil mir das so viel mehr Spaß macht als weniger zu essen.

150. Führst du oft Selbstgespräche?
Fast nur, wenn ich sehr wütend auf mich bin.

151. Wofür warst du gern berühmt?
Für irgendwas so Spezifisches, dass die Berühmtheit sich auf höchstens 50 Menschen beschränkt – deren Anerkennung mich dann aber wirklich freut.

152. Wie fühlt es sich an, abgewiesen zu werden?
Wie körperlicher Schmerz.

153. Wen würdest du gern besser kennenlernen?
Einige von den Downstairs-Menschen um mich herum.

154. Duftest du immer gut?
Ganz sicher nicht.

155. Wie viele Bücher liest du pro Jahr?
Etwa 40.

156. Googelst du dich selbst?
Ja, aber sehr selten. Eigentlich nur, wenn ich von seltsamen Google-Verwechslungsgeschichten wegen Namensgleichheit lese.

157. Welches historische Ereignis hättest du gern mit eigenen Augen gesehen?
Die Mondlandung. Mit wirklich eigenen Augen.

158. Könntest du mit deinen Freundinnen zusammenwohnen?
Nein. Aber ich könnte mit niemandem zusammenwohnen, Herr Kaltmamsell ist eine große Ausnahme.

159. Sprichst du mit Gegenständen?
Nein.

160. Was ist dein größtes Defizit?
Überdruss.

Quelle: Flow-Magazin.

Zu den Fragen 121-140.
Zu den Fragen 161-180.

die Kaltmamsell

Journal Dienstag, 31. Juli 2018 – Vorübergehend ausgeschaltet

Mittwoch, 1. August 2018 um 5:15

Einen Tag gar nichts müssen. Das schafft bei mir kein Wochenende, das schafft kein Urlaub. Das schafft nur Migräne.

Kurz nach dem nächtlichen Moment der Erkenntnis, dass ich mich krank melden musste, weil selbst nach Wirkung des Triptans gar nichts ging, bäumte sich mein Planungszentrum ein letztes Mal auf: Hey, nach Abklingen der schlimmsten Nachwirkungen könnte ich eine Runde Krafttraining einlegen! Und wenn Herr Kaltmamsell Blumenerde besorgte, endlich ein paar Pflanzen umtopfen!

Doch dann saß ich vormittags doch mit hängendem Kopf und Blick einfach bloß da und gab zu: Heute kann ich gar nichts müssen.

Es war ohnehin ein Drinnen-Tag: Das Draußen war so richtig heiß.

Beim Rumsitzen las ich hin und wieder. Im Internet ließ ich allerdings gezielt alle Häme-Tweets aus, egal aus welcher und in welche Richtung.

Mittags schaffte ich Duschen und Nagelpflege (alle 20), Herr Kaltmamsell (Sommerferien!) servierte Lukullität:

Heißes Käsebrot mit Petersilien-Pistazien-Pesto. Es schmeckte sehr gut.
Dann legte ich mich erst mal wieder hin.

Nachmittags kurzer Abstecher nach draußen, um bei der nächst gelegenen Eisdiele einen jahreszeitlich angemessenen Snack zu holen. Ich kam sehr gerne zurück ins kühlere Innen.
Mehr Gucken und Lesen.

In der Abenddämmerung zwei Fledermäuse gesehen, aber den ganzen Tag keine Mauersegler.

§

Geraldine DeRuiter berichtet:
“What Happened When I Tried Talking to Twitter Abusers”.

via @vinoroma

Zusammenfassung ihrer Ergebnisse (für jedes führt sie Beispiele auf):

1. None of these people considered themselves misogynists. I asked them directly, and the responses to this (and to whether or not they considered themselves to be abusers) was a resounding “no.”

(…)

2. They later doubled-down on the sexist insults. When I asked them about their behavior, almost all of these individuals immediately got defensive, tried to obfuscate the issue, and when none of that worked, they doubled down on their attacks.

(Double-down on musste ich nachschlagen, um sicher zu gehen: Heißt verdoppeln – kann mir jemand den Unterschied zum Verb double erklären?)
(…)

3. According to them, all of this was my fault. I was told repeatedly that my choice to be vocal on issues of politics and feminism opened me up to the bevy of insults that I’d received, and if I hadn’t chosen to talk about those issues, then this wouldn’t have happened.

(…)

4. This wasn’t harassment; I’m just too sensitive. As I noted above, women who call out harassment are often told that their situation isn’t abusive or problematic – they’re just perceiving it the wrong way.

(…)

5. They accused me of harassing them.

(…)

6. This was about power. I suppose I should have realized from the start that anyone who appears in your Twitter mentions to tell you that you’re fat, ugly, old and barren (“Who among us is NOT?” is my unanswerable reply) isn’t trying to have a conversation. They are simply trying to chase you off the platform, so your voice won’t be heard anymore. This dynamic became so apparent that I was actually able to predict when they would double-down on their insults, based on when I felt the power dynamic shift.

die Kaltmamsell

Twitterlieblinge Juli 2018

Dienstag, 31. Juli 2018 um 17:46

Einerseits ein sehr langer Monat. Andererseits auch ein eher ernster.

die Kaltmamsell

Journal Montag, 30. Juli 2018 – Hitzekeule

Dienstag, 31. Juli 2018 um 9:56

Gestern wurde es dann auch in München so richtig heiß. Der Morgenkaffee auf dem Balkon war noch lau, ebenso der Marsch in die Arbeit.

Doch als ich nach Feierabend zu einer Einladung in Neuhausen aufbrach, traf mich draußen die Hitze mit der Hochsommerkeule – ich verlangsamte sofort meinen Schritt, um nicht ins Torkeln zu kommen.

Im angenehm temperierten Büro hatte ich einen Meerschweinchentag gehabt: Seit eine Meerschweinebesitzerin mir erzählte hat, dass die Viecherl den ganzen Tag Heu fressen müssen, um ihre Verdauung in Betrieb zu halten (geringe Peristaltik), denke ich immer an sie, wenn mein Magen ständig knurrt und ich Hunger habe, selbst wenn die letzte Mahlzeit und Sättigung erst eine halbe Stunde zurück liegt.

Auf der Einladung dann hatte ich in der Hitze tatsächlich mal kaum Appetit (passiert mir eigentlich auch in größter Hitze nicht). Dafür unterhielt ich mich angeregt mit Menschen aus Kunst, Kunstwissenschaft und Münchner Leben.

Ich verließ die Gesellschaft bereits in frischer Dunkelheit, da mich ja nach der Nacht ein Arbeitstag erwartete. Auch um halb elf war es draußen wärmer als in der sorgsam gekühlten Wohnung.

§

Richard C. Schneider schätzte ich in seinen Jahren als Chefkorrespondent des ARD-Studios in Tel Aviv sehr wegen der vielen Facetten seiner Berichterstattung. In seinem Blog erklärt er, warum er auf Twitter nichts zur #MeTwo-Debatte beisteuert.
“Mein Beitrag zur #MeTwo Debatte in Deutschland”.

die Kaltmamsell

Journal Sonntag, 29. Juli 2018 – Entspannter Hochsommersonntag ohne Freibad

Montag, 30. Juli 2018 um 6:51

Ausgeschlafen, Morgenkaffee auf dem Balkon in herrlich frischer Sommermorgenluft.

Zu meinem Isarlauf radelte ich an den Friedensengel, um halb zehn war es noch weit unter heiß.

Ich lief wie eine Junge: Als ich am Ende meiner geplanten Strecke ankam, also bei der Hälfte, war ich ganz überrascht, dass ich schon hier war. Und für meine Verhältnisse sensationell vernünftig, weil ich NICHT vor lauter Laufbegeisterung schnell mal die Strecke verlängerte, es wurde nämlich gerade heiß und ich hatte kein Wasser dabei. Doch 15 Minuten später schlug mein Befinden um: Ich bekam Darmkrämpfe und war sehr froh über das Ende des Laufs.

Zum Frühstück und danach las ich die Wochenend-SZ. Und verbrachte den Nachmittag nicht im Naturbad Maria Einsiedel, wie es das Nutzen-Nutzen-Nutzen-Zentrum meines Hirns vorgeschlagen hatte, weil mich das gestresst hätte.

Abendessen vorbereitet – diesmal habe ich meine Lieblingszubereitung für Brathähnchen seit vielen Jahren endlich mal aufgeschrieben: Zitronen-Thymian-Hähnchen. Mit besonderem Hinweis auf das eine Detail, für dessen Erlernung ich viele Jahre brauchte: Muss ein paar Stunden marinieren.

Die Wäsche der vergangenen Woche gebügelt; im Sommer kommt eigentlich jede Woche genug für eine Stunde Bügeln zusammen.

Auf dem schattigen Balkon Chimamanda Ngozi Adichies Americanah gelesen, das mir ganz ausgezeichnet gefällt. Nach Wochen mal wieder mit meiner Mutter telefoniert – ich muss öfter daran denken Sie anzurufen.

Das Brathähnchen zum Abendbrot schmeckte uns, zum Nachtisch die Aprikosentarte mit Lavendel auch. Im Fernseher lief nebenher Eine Leiche zum Dessert – wieder ein Film, der randvoll Zitierbarem steckt (Herr Kaltmamsell befleißigt sich gerne des “Gefährliche Straße wie frische Pilze”). Und eine sexy junge Maggie Smith drinhat.

§

Die Kunst, eine Vogelsichtung zu beschreiben: Helen Macdonald und der Ziegenmelker.
“Glimpses of the elusive nightjar”.

§

Frau Croco über ihren Vater:
“Charlie Romeo Oscar Charlie Oscar”.

die Kaltmamsell

Journal Samstag, 28. Juli 2018 – Freibadschwumm und Tartebacken

Sonntag, 29. Juli 2018 um 7:39

Bis fast sieben geschlafen, müde aufgestanden (diesmal war es das Einschlafen, das lange nicht klappen wollte).

Weiter angenehmster Hochsommer hier München, also verhältnismäßig kühle Nächte und tagsüber nie erschlagend brüllend heiß, immer wieder Wolken. Gestern kühlte es schon am frühen Abend so weit ab, dass ich die Fenster öffnen konnte.

Mir tun die Menschen in den seit Monaten brennend heißen und trockenen Gegenden wirklich leid – ich erinnere mich noch zu gut an den Sommer 2003 in Bayern mit brüllender Hitze von Mai bis September. Das war nicht schön.

In diesem jetzigen guten Sommer spazierte ich vormittags ins Schyrenbad zum Schwimmen.

In der Isar wurde bereits geschwommen.

Eine weitere interessante Versehensaufnahme (Serie “Kaltmamsellfüße im Sommer 2018”?).

Ich bin ja immer noch auf der Suche nach einer neuen Schwimmbrille – das wird langsam eine ewige Geschichte. Das Exemplar, dass ich im Oktober 2015 gekauft hatte (nach eingehender Fachberatung) muss ich so eng schnallen, wenn auch beim Abstoßen kein Wasser eindringen soll, dass ich Kopfweh bekomme. Also trug ich weiter mein uraltes, sehr kleines, halbblindes, aber zumindest dichtes Modell. Kürzlich schwärmte Nessy von ihrem Exemplar: Die Waschbärenringe nach dem Schwimmen sind mir zwar egal (es kommt praktisch nie vor, dass ich direkt nach einer Schwimmrunde präsentabel sein muss), doch sie schreibt von sehr guten Sitz – das heißt ja wohl, dass sie bequem und gleichzeitig wasserdicht ist. Also bestellte ich das Modell.

Gestern stellte ich die Riemen so ein, dass die Brille sich schön um die Augen festsaugte und sicher saß. Das hielt das Wasser genau bis zur ersten Wende fern: Einmal kräftig abgestoßen – und es wurde nass an den Augen. Also stellte ich die Riemen so fest, dass sicher kein Wasser eindringen konnte, mit dem bekannten Ergebnis Kopfschmerzen. Ich gebe dem Paar noch einen Versuch mit ein wenig Lockerung. Wenn ich wieder nur die Wahl zwischen undicht und Kopfweh habe, kehre ich halt zum Schraddelmodell zurück.

Nach meinen 3 Schwimmkilometern (die Bahnen lebhaft, aber niemand kam sich in die Quere) hatte ich mich noch ein wenig sonnen wollen, war auch schon sorgsam sonnengecremt – doch dann türmten sich immer dunklere Wolken auf, den ganzen Himmel bedeckend. Ich packte und ging über eine Einkaufsrunde heim. Während meines Frühstücks wurde es wieder strahlend sonnig, die Mauersegler schrillen noch immer (jetzt müssten sie jeden Tag abreisen).

Nach einer Siesta backte ich Aprikosentarte mit Lavendel (große, runde Tarteform, also mit doppelter Menge FÜllung).

Beim ersten Nachbacken halte ich mich ja meist sklavisch ans Rezept, doch diesmal stolperte ich:

Ihr braucht für dieses Rezept nicht extra Lavendel zu kaufen, sondern frischen Lavendel aus eurem Garten.

Dennoch versuchte ich es mit getrocknetem Lavendel, denn “einen Garten” hatte ich dem einkaufenden Herrn Kaltmamsell nicht auf die Liste setzen wollen.

Geständnis: Ich glaube nicht an Blindbacken mit Inhalt. Der einzige Unterschied zu Vorbacken ohne ist ja wohl, dass das Absinken des Rands verhindert wird, oder? Funktioniert das wirklich? Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden: ausprobieren. Diesmal machte ich also den Terz mit Backpapier und Kichererbsen, hier das Ergebnis fotografiert:

Nächstes Mal backe ich nur so vor und vergleiche.

Zum Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell Pies nach Ottolenghi mit Wurzelgemüsefüllung (zum Rezept hier runterscrollen), dazu eine Joghurt-Petersilien-Soße. Mir schmeckten sie ganz hervorragend, doch der Koch war leider nicht zufrieden und wird sie nicht nochmal machen. Dazu gab es den ersten tinto de verano dieses Veranos.

§

Mir fällt übrigens sehr auf, welche sonst durchaus mitteilungsfreudigen Twitterer mit erkennbarem Migrationshintergrund nichts über ihre Erfahrungen mit Ausgrenzung und Rassismus teilen – von denen ich einige wirklich schlimme im persönlichen Kontakt von ihnen gehört habe. Das beutelt mich fast noch mehr, denn ich kenne den Grund – @textautomat formuliert ihn aus:

Warum ich unter dem Hashtag metwo nichts schreiben werde: Fast alle POC hier haben oft Rassismus erlebt und schon mehr als einmal darüber geschrieben. Und das ist auch richtig und wichtig so. Aber ich habe einfach keine Kraft, unter einem Trending Hashtag meine verletzendsten Erfahrungen zu teilen, damit Trolle, Nazis und Sifftwitterer, die nur darauf lauern, mich digital mit Scheiße bewerfen. Es ist gut, dass diese Geschichten erzählt werden. Es ist gut, dass weiße Deutsche ohne Umschweife hören, was es heißt Rassismus zu erleben.

Aber auch hier kommt wieder der eklige Nachgeschmack: Darüber zu reden funktioniert nicht, ohne dass Nazi-Arschlöcher und pubertierende Kellerkinder sich auf deine Tweets stürzen und dich trollen, bedrohen und aus dem Netz mobben wollen —> noch mehr Rassismuserfahrung.

§

Auf Zeit online dazu ein Kommentar von Yassin Musharbash:
“Einfach mal zuhören!”

Wenn Menschen mit Migrationshintergrund von Diskriminierungen berichten, ist das keine Verunglimpfung Deutschlands als rassistisches Land – sondern ein Gesprächsangebot.

die Kaltmamsell

Journal Freitag, 27. Juli 2018 – Ausflug in die Sommerfrische und französische Weinerlichkeitsliteratur

Samstag, 28. Juli 2018 um 8:18

Wieder zu früh aufgewacht, aber nicht so schrecklich früh, und in einen wundervollen Hochsommermorgen.

Zum dritten Mal hatte sich meine Leserunde in der Sommerfrische verabredet, also im Feriendomizil zweier Mitlesender am Chiemsee (in der Lokalzeitung stünde jetzt “fast schon zur Tradition geworden” – ab dem vierten Mal lautet die Pflichtformulierung “zur traditionellen Sommerfrische”). Dazu trafen sich die anderen Mitlesenden kurz nach Mittag (jahaha, ich kann auch mal richtig früh Feierabend machen!) am Münchner Hauptbahnhof und stiegen mit einem gemeinsamen Bayernticket in einen Zug nach Salzburg. Es stellte sich heraus, dass viele hundert Menschen dasselbe Ziel hatten, der Zug war knallvoll. Ab Rosenheim teilten wir den Stehplatz in den Gängen mit einer bayerisch-schwäbischen Theatergruppe auf Sommerausflug – Wattenscheider Kegelclub Dreck dagegen. Als wir in Prien ausstiegen, brummte mir der Kopf vor lautstark geäußerten alkoholisierten Dummheiten aller Schattierungen in hinteraugsburger Dialekt.

Doch auf uns warteten Kaffeundkuchen mit sensationeller Aussicht auf Alpenpanorama inklusive Kampenwand – alles war gut.

Dann musste es nochmal nicht so gut werden: Wir sprachen über die Lektüre, Pierre Michon, Anne Weber (Übers.), Leben der kleinen Toten. Ich hatte den in vielen Tönen berühmten Band (unter anderem von Iris Radisch als “eines der großartigsten Bücher überhaupt”) auf dem Weg nach Klagenfurt gelesen, unter immer lauterem Schnauben: Da interessierte sich jemand keineswegs für das Leben kleiner Leute, sondern nur für sich selbst, seine romantische Herkunft, seine tsetsetse wilde und verkommene Drogenjugend – und brauchte ein paar Leute als interessante Staffage dafür, notfalls halb erfunden. Die Sprache vor lauter konstruierter Vergleiche und unter Schmerzenslauten an den Haaren herbeigezogenen Bildern nahezu undurchdringlich – kein Torbogen, kein Baum ist vor Michons Metapherorhoe sicher. (Beispielsatz: “Welches alte Familiendrama lebt weiter in der Kehle der Hähne?”) Wenn das die Krone französischsprachiger Erzählkunst ist, kann sie mir gestohlen bleiben.

Zunächst aber wartete ich ab, was die Mitlesenden der Runde über die Lektüre zu sagen hatten – immer wieder kommen in unseren Gesprächen komplett konträre Rezeptionen auf, die mich sehr bereichern. In diesem Fall waren wir uns aber einig: Aufgeplusterter, überinstrumentierter (den Begriff aus Klagenfurter Jury-Diskussionen bot ich an), weinerlicher und selbstverliebter Schmarrn. So schnell kommt uns kein französisches Buch mehr auf den Tisch.

Zurück zum guten Leben: Mit dem Bauch voll warmem Käsekuchen fuhr der Großteil mit offenem Verdeck zum wundervollen Langbürgner See (ich hatte morgens noch schnell einen Badeanzug in die Arbeitstasche geworfen) sprang hinein und drehte eine Runde. Ich war schon sehr lange nicht mehr in einem See geschwommen und genoss es sehr.

Mehr Alpenpanorama, diesmal mit Cremant, Käse und Auberginensalat, zentrales Gesprächsthema: Die anstehende Mondfinsternis, Verlauf, Zeiten, Richtung.

Die Rückfahrt nach München verlief deutlich einsamer und ruhiger.

Die Mondfinsternis erlebte wir dann doch nicht mit: Herr Kaltmamsell war ebenso erschlagen wie ich, wir hätten zu einem Aussichtspunkt gehen müssen – und wären ja dann doch vor lauter Erschöpfung nicht aufnahmefähig gewesen.

§

Wenn Sie in Deutschland wohnen und keinen erkennbaren Einwanderungs-Hintergrund haben: Lesen Sie bitte auf Twitter unter #metwo nach, was andere an Ausgrenzung im Alltag erleben. (Und seien Sie sehr, sehr vorsichtig mit der Ansicht, Sie könnten beurteilen, ob diese Erlebnisse ausgrenzen oder nicht.) Wenn Sie zu den anderen gehören: Lesen Sie unter #metwo nach, dass Sie nicht allein sind oder sich “bloß anstellen”.

Warnung: Der Hashtag wird selbstverständlich längst von Rassisten verwendet, um darunter mehr Rassismus zu veröffentlichen. (Noch sind diese Tweets aber in der Minderheit.)

Irgendwo müsste ich noch die Absage der Hans-Seidl-Stiftung auf meine Bewerbung um ein Promotionsstipendium haben. Begründung: Nur deutsche Staatsangehörige kämen für dieses Stipendium in Frage.
(Die ich auch damals schon lange war. Was man mir dort offensichtlich allein angesichts meines Namens absprach.)

die Kaltmamsell