Archiv für Dezember 2021

Lieblingstweets November/Dezember 2021

Freitag, 31. Dezember 2021

Jahresrückblick 2021

Freitag, 31. Dezember 2021

Die am häufigsten geherzten Fotos auf instagram:

Wenig Abwechslung. Gemocht wurden: Impfen, Haare, Plätzchen.

Zugenommen oder abgenommen?
Abgenommen, fast zwei Kleidergrößen. Mein Körper wurde mir damit noch fremder als eh schon. Nicht nur dotze ich beim Anziehen oder beim Yoga an unerwarteten Stellen auf Knochen, nicht nur hat sich das Bindegewebe um einige Zentimeter der Schwerkraft ergeben: Die meiste meiner Kleidung passt nicht mehr, bis hin zur echten Untragbarkeit (wer hätte gedacht, dass Hemden und Kleider nicht nur zu weit werden, sondern auch deren Ärmel zu lang?). Tatsächlich bereue ich jetzt, seit Jahren konsequent Kleidung aussortiert zu haben, die ich wegen zu eng nicht mehr trug. Mein schmaleres Gesicht gefällt mir aber, und ich versuche mir einzureden, dass ich leichter (haha) jogge.

Haare länger oder kürzer?
Gleich lang.

Kurzsichtiger oder weitsichtiger?
Sowohl als auch: Das Jahr 2021 war das Jahr der ersten Gleitsichtbrille. Wahrscheinlich wäre eine zusätzliche Bildschirmbrille optimal, aber vorerst genieße ich es zu sehr, nach vielen Jahren nicht mehr ständig die Brille ab- und aufsetzen zu müssen, als dass ständiger Brillenwechsel attraktiv wäre.

Mehr bewegt oder weniger?
Deutlich mehr, denn das künstliche Hüftgelenk heilte komplett vorschriftsmäßig ein. So konnte ich wieder zu Fuß in die Arbeit gehen, konnte wandern, konnte ab Frühsommer wieder joggen, ab Wiedereröffnung der Bäder wieder schwimmen. Yoga nahm ich auch wieder auf, hin und wieder Krafttrainig. Nur das Strampeln auf dem Crosstrainer hörte auf: Unser eigenes Gerät ging irreparabel kaputt, ob es einen Nachfolger bekommt (ist halt doch ein riesiges, hässliches Trumm), ist noch offen.

Mehr Kohle oder weniger.
Müsste etwas mehr gewesen sein, weil kein Monat mit reduziertem Krankengeld.

Mehr ausgegeben oder weniger?
Vermutlich etwa gleich: Die Ausgaben für Umzug und neue Möbel schlugen sich langfristig nicht auf meinen Kontostand.

Der hirnrissigste Plan?
Überhaupt auch nur mittelfristig zu planen, erwies sich im zweiten Corona-Jahr meist schnell als hinrissig. Darunter fällt mir kein besonders schlimmer Ausreißer ein.

Die gefährlichste Unternehmung?
Ich führe auch weiterhin ein ausgesprochen Risiko-armes Leben – Sie sehen ja selbst an diesem Blog, welche Lappalien als aufschreibenswerte Geschichten herhalten müssen. Gefährlich war vermutlich der Restaurantbesuch in einem gesteckt vollen Raum mit laxer 3G-Kontrolle und Personal mit Masken unter der Nase.

Die teuerste Anschaffung?
Der Wandschrank für mein Schlafzimmer.

Das leckerste Essen?
Die Foie gras an Heilig Abend war schon ein Highlight, an Restaurant-Essen genoss ich wohl am meisten den Abend im Berliner Tisk.

Das beeindruckendste Buch?
Markus Ostermair, Der Sandler

Das enttäuschendste Buch?
Nora Bossong, Schutzzone

Der ergreifendste Film?
Nomadland.
(Erinnert mich daran, dass ich so kleine goldene Creolen haben wollte, wie sie die Hauptfigur in dem Film trägt.)

Die beste Musik?
Ja! Durch den Zugriff auf den Spotify-Family-Mix der Bruderfamilie lernte ich endlich mal wieder spannende Musik kennen.

Das beste Theater?
Ja. Nee. Corona.

Die meiste Zeit verbracht mit…?
Hadern.

Die schönste Zeit verbracht mit…?
Nicht-Hadern, sondern Sinneswahrnehmungen, vor allem im Draußen.

Vorherrschendes Gefühl 2021?
Bitte lass es zu Ende gehen.

2021 zum ersten Mal getan?
Impfung gegen SARS-CoV-2, Urlaub im Bayerischen Wald, mit einer Schreinerei ein Möbelstück entworfen und anfertigen lassen, eine Tanzrevue gesehen.

2021 nach langer Zeit wieder getan?
Umgezogen, Löcher in die Wand gebohrt, einen Freundeskreis verloren.

3 Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
Dass ein Teil der Gesellschaft, in der ich lebe, komplett den Anschluss an die Realität verliert und sich eine eigene konstruiert.
Dass sich Covid-19 als noch tückischer erweist als prognostiziert und wir in ein drittes Corona-Jahr starten.
Zwei große zwischenmenschliche Krisen im Frühjahr.

Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
Lass dich impfen.

Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
Möglicherweise ein schlichter selbstgebackener Geburtstagskuchen.

Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
Begleitung und Zuwendung.

2021 war mit 1 Wort…?
Kräftezehrend.

Vorsätze für 2022?
Auch jetzt habe ich es nicht mit Vorsätzen. Für Verhaltensänderungen, die ich als notwendig erkenne, warte ich nicht bis zum Jahreswechsel.

Journal Donnerstag, 30. Dezember 2021 – Wandern um die Osterseen mit Herrn Bruder

Freitag, 31. Dezember 2021

Bis fünf durchgeschlafen – aber dann halt nicht mehr.

Gestern hatte ich eine Wanderverabredung – und musste mich schon sehr am Vertrauen auf die moderne Meteorologie festhalten, die für das Gebiet um Starnberg ab Mittag trockenes Wetter vorhergesagt hatte: In München regnete es vormittags aus konsequent grauem Himmel mit Wind.

Das frühe Aufwachen ermöglichte mir noch ein bisschen Yoga, bevor ich fürs Wandern den Rucksack packte: War ja mein Weihnachtsgeschenk für Herrn Bruder gewesen, also sorgte ich für Brotzeit. Heißer Tee in Thermoskanne (sogar eigens besorgt, weil im Nichtwinter beim Wandern nie Sehnsucht nach einem heißen Getränk aufgekommen war; beim Einkaufen hatte ich gelernt, dass Thermoskannen heute ganz anders aussehen als vor 30 Jahren), am Vorabend gebratene Fleischpflanzerl, Scheiben vom letzten selbstgebackenen Brot aus der Gefriere. (Wasser eh, aber das hat jede*r selbst dabei.) Auf dem Weg zum Bahnhof kaufte ich noch Tomätchen (als Ersatz fürs Ketchup zu den Fleischpflanzerln), Schokonüsse und Fruchtgummi.

Beim Holen der Wanderstiefel aus dem Keller, Teekochen und Wanderanziehen (ich hatte mich fürs Winterwandern für dicken Pulli unter superduper Wanderjacke und für wärmende Strumpfhose unter gewohnter Wanderhose entschieden) kam ich dann doch ins Hetzen und wunderte mich ein wenig, weil ich den Vormittag eigentlich sehr gut durchgeplant hatte. Am Bahnhof, an dem ich mit dem anreisenden Herrn Bruder zur gemeinsamen Weiterfahrt verabredet war, kam ich auf die Ursache: Ich war eine Stunde zu früh dran. (Check des Online-Fahrplans, denn am recherchierten Gleis war ein anderer Zug angekündigt, Blick auf die Handy-Uhrzeit, Gegencheck auf Bahnhofsuhr: Ja, tatsächlich, es war nicht 10.46 Uhr, sondern erst 9.46.) Ging ich halt nochmal heim und wechselte schwitzend von dickem Wollpulli in leichteren Baumwollpulli unter der Wanderjacke.

Eine Stunde später klappte alles wie verabredet, wir fuhren zusammen nach Iffeldorf für eine Wanderung um die Osterseen, ab der ersten Minute in regem Gespräch, über das ich mich in den folgenden Stunden sehr freute.

Die Osterseen waren mir in den vergangenen Jahren immer wieder als Ausflugsziel empfohlen worden, ich hatte eine gemütliche Strecke drumrum gefunden, erweitert um den Spaziergang vom Bahnhof dorthin. Gleich beim Parkplatz stießen wir auf die Schautafeln der Limnologischen Station des Lehrstuhls für Aquatische Systembiologie an der TU München und stellten fest, dass die Osterseen tatsächlich etwas sehr Besonderes sind mit ihren unterseeischen Quellen und als Eiszerfallslandschaft. An dem Quelltopf Blaue Gumpe (so viele schöne neue Wörter!) machten wir Rast für Brotzeit.

Das Wetter hatte das Briefing bekommen: Es war sehr warm (Mütze, Schal und Handschuhe hatte ich gleich bei Ankunft im Rucksack verstaut), regnete gar nicht, wurde immer heller und wir sahen sogar Sonne.

Auch einen Seidenreiher sahen wir, immer wieder großartige Ausblicke auf die leicht verschneite Alpenkette, Schilflandschaft, auch der Ort Iffeldorf war sehr malerisch.

Iffeldorf.

Steg über die Blaue Gumpe.

Blick in die Blaue Gumpe.

Es waren wenige Menschen unterwegs (nur EIN Radler), aber doch etwas mehr, als ich an einem düsteren Tag im Winter erwartet hätte – ich stelle mir ungern vor, wie viel Betrieb hier an einem Sonnentag ist.

Den angepeilten Zug zurück kurz nach vier verpassten wir um wenige Minuten – egal, wir hatten einander genug zu erzählen, sahen die Sonne hinter den Bergen verschwinden, brotzeiteten nochmal auf der Bank am Gleis. Mit einer Extraschleife wegen falscher Abzweigung waren das etwa zwölf Kilometer in knapp vier Stunden mit langer Pause gewesen.

Rückfahrt im Dunklen, die Anzeige im Zug informierte über 14 Grad Außentemperatur. Kurzer Abschied am Münchner Hauptbahnhof mit Silvesterwünschen, die Luft in München auf dem Heimweg (mit Abstecher zu Obstkauf beim Süpermarket Verdi) bacherlwarm.

Herr Kaltmamsell servierte zum Nachtmahl mit Käse gefüllte Weizentortillas, Guacamole und Käse, Nachtisch Pralinen aus Königsbrunn – ganz besonders gut und deshalb ein hochwillkommenes Weihnachtsgeschenk der lieben Schwiegers.

Im Bett las ich weiter in Blai Bonet, Frank Henseleit (Übers.), Das Meer – und stieß nochmal gehäuft auf falsch gesetzte Kommas, auf Bezugsfehler und Vertipper (“Steinmetzte”); das war dann doch keine Kunstgriff, sondern fehlendes Lektorat/Korrektorat im Kupido-Verlag und damit sehr ärgerlich.

Bücher 2021

Donnerstag, 30. Dezember 2021

Ein dünnes Bücherjahr. Zum einen konnte ich wieder mehr Sport treiben statt zu lesen, zum zweiten gibt es die Leserunde nicht mehr, die immer wieder Anlass zu Buchlesen war, zum weiteren lese ich wirklich viel Internet – offensichtlich statt Büchern.
* kennzeichnet wieder meine Empfehlungen – was nicht heißen muss, dass ich die anderen Bücher schlecht fand. In Klammern setze ich Bücher, von denen ich aktiv abrate.

1 – Marieluise Fleißer, Erzählende Prosa

2 – China Miéville, The City & the City

3 – Bernardine Evaristo, Girl, Woman, Other*

Hier ausführlich besprochen.

4 – William Maxwell, So long, see you tomorrow

5 – Anna Stern, das alles, hier

6 – Dervla McTiernan, The Ruin*

Hier ausführlich besprochen.

7 – Peter Ustinov, Krumnagel

8 – Anke Stelling, Bodentiefe Fenster*

Hier unten ausführlich besprochen.

9 – Amitava Kumar, Immigrant, Montana

10 – Granta 154, I’ve Been Away for a While

11 – Sharon Dodua Otoo, Adas Raum

12 – Matthias Brandt, Blackbird

13 – Andreas Glumm, Geplant war Ewigkeit*

Hier ausführlich besprochen.

14 – Helen Slavin, The Extra Large Medium*

Hier unten ausführlich besprochen.

15 – Ruth Klüger, weiter leben: Eine Jugend*

Eines meiner Bücher des Jahres, hier unten ausführlich besprochen.

16 – Granta 155, The Best of Young Spanish Language Novelists*

Hier unten ausführlich besprochen.

17 – Dervla McTiernan, The Scholar

18 – Nicole Diekmann, Die Shitstorm-Republik

19 – Markus Ostermair, Der Sandler*

Mein zweites Buch des Jahres und meine Entdeckung des Jahres, hier ausführlich besprochen.

20 – Helen Macdonald, Vesper Flights*

Hier ausführlich besprochen.

21 – Britt Bennett, The Vanishing Half

(22 – Nora Bossong, Schutzzone)

23 – Zadie Smith, Grand Union

24 – Sigrid Nunez, The Friend

25 – Clemens J. Setz, Indigo*

Hier besprochen.

26 – Trezza Azzopardi, The Hiding Place*

Hier ausführlich besprochen.

27 – Christine Cazon, Lange Schatten über der Côte d’Azur

28 – Megan Abbott, Dare me

29 – Granta 156, Interiors

30 – Vanessa Giese, Die Frau, die den Himmel eroberte

31 – Christoph Hackelsberger, München und seine Isar-Brücken

32 – C Pam Zhang, How Much of These Hills is Gold*

Hire ausführlich besprochen.

33 – Gabriele Tergit, Effingers*

Hochgelobte Wiederentdeckung, auch ich fand das Familienepos, erstveröffentlicht 1951, ganz ausgezeichnet. Tergit zeichnet einen großen Bogen, und analysiert damit ausgesprochen hellsichtig indirekt bereits kurz nach der Katastrophe des “Dritten Reichs”, wie es zu ihr kommen konnte. Mir gefiel die Kunstfertigkeit, mit der sie in Zwischenkapiteln zu verschiedenen Zeiten die weltwirtschaftliche Situation in Zusammenhang mit dem Lebensrhythmus ihrer Protagonist*innen bringt, mir gefielen die schillernden Charakterzeichnungen, fast durchwegs fern von Stereotypen, mir gefiel, wie sie durch zahlreiche Alltagsdetails nachvollziehbar machte, dass die Krisen zwischen den Weltkriegen eine ganze Welt verschwinden hatten lassen.

34 – Matthias Lehmann, Parallel

35 – William Kotzwinkle, The Fan Man

36 – Robert Galbraith, Lethal Withe*

Wunderbare Mischung aus Nähe zu Ort (London) und Zeit (Olympische Spiele) sowie überzeitlichen Gesellschaftsfragen – wie schon in den Vorgängerkrimis spielt die britische Klassengesellschaft eine entlarvende Rolle. Auch der eigentliche Kriminalfall interessierte mich diesmal.

Journal Mitwoch, 29. Dezember 2021 – Urlaubstag mit Schwimmen und Gegendemo aus dem Fenster

Donnerstag, 30. Dezember 2021

Richtig lang geschlafen, bis nach sieben, das war schön.

Für zwischen 10 und 12 Uhr waren die Zusammenbauer unseres neuen Barschranks von Mycs angekündigt (nachdem wir nichts gefunden hatten, was unserer Vorstellung von Barschrank entsprach, auch nicht in Alt, stellten wir uns bei diesem Regalanbieter einen Schrank zusammen, der unserer Vorstellung nahe kam). Doch sie klingelten überraschend eine Stunde früher, wir waren noch ungeduscht und in Schlumpfklamotten, es wurde ein bisschen Slapstick.

Dabei hatte ich ohnehin geplant, bei Ankunft der Handwerker bereits fort zu sein, ich wollte schwimmen. In milder Luft radelte ich zum Dantebad, sah blaue Löcher am Himmel, doch der Wind warf mir auch ein paar Hände voll Regentropfen ins Gesicht.

Schwimmen war ok, ich spürte Muskelkater vom Oberkörper-Krafttraining am Vortrag. Auf den letzten von meinen 3×1.000 Meter wurde es sehr voll auf der Schwimmbahn, doch das waren hauptsächlich Intervall-Schwimmende, die mich zweimal voll Karacho überholten, um dann zehn Minuten am Beckenrand in Gruppe auszuruhen. Immer wieder kam die Sonne heraus, im Freien zu schwimmen ist schon besonders schön.

Das anschließende Umkleiden wurde in der ohnehin nicht besonders geräumigen Sammelumkleide des Dantebads ein wenig stressig, weil eine sechsköpfige Familie (natürlich) als Gruppe hereinkam, und Gruppen das Abstandhalten ohnehin immer schwierig machen, mit kleinen und daher unberechenbaren Kindern aber verschärft.

Auf der Rückfahrt Einkäufe beim Basitsch, ich teilte mir gestern mit Herr Kaltmamsell das Decken des Lebensmittelbedarfs für einschließlich Wochenende auf.

Daheim dachte ich wieder daran, gegen den Chlorschnupfen gleich nasenzuduschen, noch vor dem Frühstück (wurde auch mit Ausbleiben des Schnupfens belohnt). Frühstück gegen zwei bestand aus: Granatapfelkerne und Orange mit Joghurt und Mohn, ein paar halbgetrocknete Pflaumen dazugeworfen.

Raus auf eine Einkaufsrunde: Tee in der Sendlinger Straße, Mehle bei der Hofbräuhausmühle, Salat und Obst beim Basitsch am Viktualienmarkt. Auf dem Heimweg erinnerte ich mich an ein Sonderangebot, das ich beim Vorbeigehen entdeckt hatte und kaufte neue Schneestiefel – zwar nicht nur zum Reinschlüpfen wie meine geliebten aktuellen zerfallenden, aber mit (innen gut vor Nässe gesichertem) Reißverschluss. Ich hoffe, das Thema ist jetzt wieder für 15 Jahre abgehakt. Zudem hatte DHL ein Päckchen gebracht, ich besitze jetzt wieder einen passenden Schwimmbikini (Online-Impulskauf bei Rabattaktion meines Lieblingsherstellers).

Zeitunglesen, dann bereitete ich die Brotzeit fürs Geschwisterwandern am Donnerstag vor (war mein Weihnachtsgeschenk für Herrn Bruder gewesen – hoffentlich hat das Wetter sein Briefing mit kein Regen, dafür mild bekommen).

Die organisierten sogenannten “Impfgegner” bewiesen gestern erneut, dass ihnen die demokratisch vereinbarten Regeln unserer Gesellschaft egal sind: Obwohl Protestaktionen untersagt waren (eine stationäre Demonstration mit bis zu 5.000 Teilnehmern hatte das Verwaltungsgericht kurzfristig sogar genehmigt, doch die Bedingungen kein Demonstrationszug, Abstand und FFP2-Masken wurden nicht akzeptiert), sammelten sie sich in der gesamten Innenstadt zu Demonstrationszügen (hier Berichte von der Nacht). Aufmerksam wurde ich darauf, als ich abends von Ferne Demo-Skandieren hörte – und dann zog eine dieser Gruppen auch noch direkt vor unserem Haus vorbei. Wenigstens hatte ich so Gelegenheit, eine Weile “BUUH!” aus dem Fenster zu rufen, Herr Kaltmamsell schloss sich an, unsere kleine Gegendemo.

Herr Kaltmamsell hatte für Nachtmahl gesorgt: Frittierte Teigröllchen mit Avocadofüllung, dazu ein süßsaurer Dip aus frischem Koriander und Limette, von mir gab’s Radicchio-Salat mit Balsamico-Dressing. Zum Nachtisch gab es den Rest Christmas Pudding aufgewärmt.

§

Kwame Anthony Appiah, Philosophie-Professor an der New York University, analysiert am Beispiel von Ghana, Nigeria und Namibia:
“Die andere Seite des Virus”.

Während sich der reiche Norden mit Lockdowns vor Corona schützt, haben solche Maßnahmen im Süden fatale Folgen: Wirtschaftssysteme kollabieren und Menschen leiden. Über zwei zeitgleiche, und doch grundverschiedene Pandemien

Journal Dienstag, 28. Dezember 2021 – Staub, Familie zum 4. Weihnachtsfeiertag, The French Dispatch

Mittwoch, 29. Dezember 2021

Sprechen wir über Staub.
Eine Folge der Maßnahmen gegen die ersten Corona-Welle im Frühling 2020 war, dass Herr Kaltmamsell und ich zwei Monate ohne Putzmänner wohnten und selbst putzen mussten. Beim verhassten Staubwischen der vielen, vielen, vielen Bücherregale fiel mir auf, welch kolossale Staubfänger die waren und wie mühsam das Sauberhalten. Deshalb ersetzten wir beim Umzug die Hälfte der offenen Buchregale durch Bücherschränke mit Glastüren. Erhofft hatte ich mir ein komplettes Ersetzen, nur dass in diese Bücherschränke von der Stange halt deutlich weniger Bücher passen als in deckenhohe offene Bücherregale.

In der neuen Wohnung fielen mir schon bald die Staubmäuse auf. Ich war es gewohnt, dass sie nur wuchsen, wenn die Putzmänner eine Woche aussetzten, also nach etwa zehn Tagen. Jetzt aber huschten sie bereits nach fünf Tagen in die Ecken des Flurs – und das, wo wir beim Einzug alle Gegenstände und Bücher gründlich entstaubt hatten. Waren die beiden Herrn etwa nachlässiger in ihrer Staubbeseitigung geworden?

Herr Kaltmamsell fand dann den Schlüssel zu dieser Erscheinung: Die Menge an Staub bleibt ja dieselbe. Und da wir so viel weniger Staubfänger haben, nämlich die offenen Bücherregale, musste er halt woanders hin: Er formte sich zu Staubmäusen. Ich dachte an meine spanische tía Luci in einem Vorort von Madrid, die den Fliesenboden ihres Reihenhauses mindestens zweimal am Tag feucht durchwischte: Da sie – u.a. zur Staubvermeidung – nur mit geschlossenen Schränken eingerichtet war (plus cositas, also dekorative Rumsteherle, die täglich abstaubt wurden), hätten sich sonst wahrscheinlich bereits nach einem Tag Staubmäuse gebildet.

§

Auch gestern wieder gut geschlafen, wieder zu früh und müde aufgewacht.

Spülmaschine ausgeräumt, Morgenkaffee getrunken und gebloggt, Über-Nacht-Waschmaschine ausgeräumt und Inhalt aufgehängt / in den Trockner geworfen.

Zu Mittag waren wir bei Schwiegers eingeladen, als 4. Weihnachtstag, ebenso meine Eltern. Vor der Zugfahrt hatte ich noch Zeit für eine Runde Krafttraining, Fitnessblender “Abs and Upper Body Workout”: Ging gut (in diesem übersichtlichen Umfang sind auch Klappmesser keine Mühe), tat gut. Auf der Zugfahrt durch graue, verregnete Landschaft las ich weiter liegengebliebene SZ-Magazine der vergangenen Monate (die Tageszeitung war wieder nicht gekommen).

Fröhliches Wiedersehen mit Schwiegers und Eltern. Nachdem diese viere dann doch in einem Alter sind, in dem die Bewirtung größerer Gesellschaften so viel Kraft kostet, dass es sich wie Mühe anfühlt, sie dennoch weiterhin gerne gastgeben, nachdem zudem die Freude der Familie an diesen Zusammenkünften unverändert hoch ist, wenn nicht sogar steigt – überlegten wir, wie wir sie künftig mit weniger Anstrengung für die Gastgebendenden ermöglichen können. Zum Beispiel wenn im nächsten Corona-Wellental wieder so richtig große Zusammenkünfte anstehen. Unsere Lösung für dieses nächste Mal: Herr Kaltmamsell und ich übernehmen die Küche der Schwiegers, bringen die Zutaten mit und alles Vorbereitbare bereits fertig (Dessert, Kuchen etc.), kochen den Rest vor Ort. Idealerweise übernehmen die Gastgeber dann nur Umräumen, Tischdecken, alkoholische Getränke, Abspülen.

Gestern aber hatten alles noch die Schwiegers selbst gemacht:
Vorspeise: gebeizter Lachs mit Avocado und Toast – ganz wunderbar, dazu ein württemberger Traminer.
Hauptspeise: verwandtschaftlich geschossenes, superzartes Rehfilet mit Spätzle, Rosenkohl, Blaukraut, dazu ein Lemberger “Wo der Hahn kräht” – der mir wie schon der letzte Lemberger ganz ausgezeichnet schmeckte, ich glaube, ich mag die Rebsorte. (Haben Sie Empfehlungen, welche Lemberger ich noch probieren sollte?)
Nachtisch: Bratapfel mit Marzipan-Amaretto-Sauce.
Espresso.

Meine Eltern brachten uns auf ihrem Rückweg zum Bahnhof. In München regnete es so richtig, wir waren dann doch froh um den sicherheitshalber eingesteckten Schirm.

Für den frühen Abend hatte ich Kinokarten gekauft: The French Dispatch von Wes Anderson, auf den ich mich lange gefreut hatte. Und der dann noch besser als erwartet war. So ideenreich hat sich Anderson wohl noch nie ausgetobt – angefangen von der Struktur der Episoden entlang der Magazinstruktur des titelgebenden French Dispatch, weiter mit filmischen Mitteln von Theater bis Zeichentrick oder das Spiel mit dem Französischen und der liebevolle Einsatz von Untertiteln für die Übersetzungen. Anderson macht das Gegenteil von Hollywood-Illusionskino, das auf die Erzeugung großer Gefühle setzt. Statt dessen erkennbare Künstlichkeit, eine Aneinanderreihung immer neuer und überraschender V-Effekte fast schon im Brecht’schen Sinn, nur halt nicht in der Pose der düsteren Revolution, sondern mit geradezu kindlichem Vergnügen. Ich werde noch eine Zeit brauchen, um alle (oder zumindest mehr) davon zu verarbeiten; unter anderem gefiel mir, wie in der Episode um den genialen Künstler Moses Rosenthaler in der Psychiatrie der jüngere Schauspieler, der die Jugend der Figur spielte, durch den Altersdarsteller Benicio del Toro ersetzt wurde: Indem der ältere dem jüngeren, sitzenden, der in die Kamera schaut, auf die Schulter klopft, woraufhin der aufsteht, sich umarmen lässt und weggeht, der ältere setzt sich und sieht in die Kamera. Nicht nur hier verwendet Anderson Stilmittel des Theaters zur Informationsvermittlung.

SWINTON war nie besser, McDormand liebte ich sehr, Owen Wilson spielte seine Rolle aus Midnight in Paris nochmal, bloß halt gar nicht, alle anderen Darsteller waren eh hinreißend. Und ich weiß jetzt endlich, dass Guillermo del Toro und Benicio del Toro zwei Menschen sind, der eine Regisseur, der andere ein Schauspieler.

Auch Herr Kaltmamsell hatte zwei Kinostunden mit aufgesperrten Mund verbracht, wir spazierten sehr vergnügt durch den leichten Regen heim. Dort aß ich zum Abendessen ein Stück Panettone, der auch Wochen nach dem Anschneiden noch saftig war.

§

Herzerfrischendes Interview mit der 78-jährigen Renate Schmidt, frühere SPD-Bundesfamilienministerin (€):
“Gesamt­fränkin und Bestim­men­wollerin”.

Woher nehmen Sie diese Energie? Sie wirken mit 78 Jahren so, als könnten Sie morgen wieder ein Ministerium übernehmen.

Das war früher schon so. Mit zehn Jahren habe ich mir das Coburger Tageblatt untern Arm geklemmt und bin in den Hofgarten gegangen, hab mich auf eine gut sichtbare Bank gesetzt und dort die Zeitung gelesen, weil ich wollte, dass die Menschen erkennen, was für eine wichtige Person ich bin.

Großartig!

Journal Montag, 27. Dezember 2021 – Beim Notar

Dienstag, 28. Dezember 2021

Sehr gut geschlafen, vom Wecker aus tiefem Schlaf gerissen worden. Wecker, weil 8-Uhr-Termin: Mit meinen Eltern und meinem Bruder bekam ich beim Notar einige letzte Dinge meiner Eltern erklärt und unterzeichnete notarielle Dokumente.

Der Notar mit prägnantem Namen war tatsächlich der Sohn des einzigen Menschen dieses Namens, dem ich davor begegnet war: Des Zahnarzts, der mir als 16-Jähriger die Weisheitszähne entfernt hatte. Ingolstadt ist halt doch diese Art von Stadt. Herr Notar Zahnarztson erklärte freundlich, flott und umfassend, ging auf alle Fragen ein.

Unter anderem ist meinem Bruder und mir ja schon lange bewusst, dass wir uns in Erbschaftsdingen gründlich und bösartigst verstreiten müssen, weil Naturgesetz. Von diesem Termin erhofften wir uns Beratung, bei welcher Gelegenheit wir am besten damit anfangen – oder ob dafür erst jemand gestorben sein muss? Der Notar war auch zu diesem Thema hilfreich, wir fanden ein Beispiel für einen Passus der Vorsorgevollmacht, das sich ganz offensichtlich für ein Zerwürfnis eignete, Herr Notar pflichtete uns bei. Man will sich ja auch beim Erbschaftsstreiten richtig benehmen.

Beim abschließenden Smalltalk erfuhren wir, dass die Wochen um Weihnachten in Notarkanzleien Hochbetrieb herrscht: Eben weil zu dieser Gelegenheit Kinder anreisen und ihre Eltern das gerne für die Regelung letzter Dinge nutzen. Für mich war das die erste notarielle Handlung, und ich fand durchaus interessant, dass eine Notarskanzlei aussieht wie eine Arztpraxis, mit Empfangstheke, Wartezimmer, PatientenMandantenklo.

Auch um neun war es nicht richtig hell geworden, es herrschte das vertraute Ingolstädter Nebelgrau.

Dass mir das iphone gerade diese Aufnahme ungeschärft hat, schmerzt mich besonders – ich fand den Anblick so markant, dass ich extra umgekehrt war, um ihn einzufangen. (Mit Magneten hantieren oder doch ein neues Smartphone kaufen?)

Ereignislose und menschenarme Zugfahrt nach München, abwechselnd durch Nebel und klare Sicht. Daheim küsste ich Herrn Kaltmamsell und packte nur schnell aus, zog dann auf die erste Einkaufsrunde. Mochte ich Kaufhäuser schon lang, erweisen sie sich derzeit als besonders praktisch, weil man nur einmal am Eingang Impfstatus und Identität belegen muss, dann verschiedenste Dinge einkaufen kann. Nochmal heim zum Abladen, zweite Einkaufsrunde zum Vollcorner für Lebensmittel, jetzt schien die Sonne von wolkenlosem Himmel durch klare Luft und wärmte, ich fand das herrlich.

Dann endlich Frühstück: Avocado, getoastete Brioche, Orangen, halbgetrocknete Zwetschgen, Tee Lapsan Souchong weil frischer Wasserfilter.

Herr Kaltmamsell hatte bereits in den Tagen davor einen Umbau im Arbeitszimmer begonnen: Auf Vorschlag meiner Mutter tauschen wir zwei Regale; ihre Beobachtung, dass wir danach das nie genutzte Sofa hier unterbringen würden und damit einen schönen Anblick vom Wohnzimmer aus erzeugen, überzeugte uns beide. Gestern baute Herr Kaltmamsell fertig, mir fiel lediglich die Aufgabe des Löcherbohrens zu. Und das Sofa mitzutragen. Das Ergebnis gefiel uns.

Nachmittags eine Runde Yoga. Zeitunglesen online über Herrn Kaltmamsells Zugang, meine Zeitung war mal wieder nicht gebracht worden.

Ich war für das Abendessen zuständig und verarbeitete die restliche selbstgemachte Majonese von Freitag (super Idee von @küechlatein fürs nächste Mal: gleich im Schraubglas zubereiten) zu Kartoffelsalat russischer Art aus der Lameng. Etwas Warmes sollte es aber auch geben: Herr Kaltmamsell erhitzte in der Mikrowelle zwei Portionen Christmas Pudding. Danach noch Schokolade. Das war definitiv zu viel, ich ärgerte mich.

Früh ins Bett, ich war sehr müde.