Archiv für Dezember 2019

Lieblingstweets Dezember 2019

Dienstag, 31. Dezember 2019

Es war ganz schön laut auf Twitter im vergangenen Monat. Hier meine Favoriten unter den anderen Tweets.

Jahresrückblick 2019

Dienstag, 31. Dezember 2019

Die am häufigsten geherzten Fotos auf instagram:

Zugenommen oder abgenommen?
Wahrscheinlich im selben geringen Maß zugenommen wie in den vorhergehenden 13 Jahren.

Haare länger oder kürzer?
Kürzer: Von Cary Grant auf Judi Dench.

Kurzsichtiger oder weitsichtiger?
Gleich. Fürs Lesen setze ich weiterhin die Brille ab, doch für alles in größerer Entfernung als Buch oder Zeitung brauche ich sie.

Mehr bewegt oder weniger?
Weniger, da ich in der ersten Jahreshälfte kaum, in der zweiten gar nicht wandern und joggen konnte.

Mehr Kohle oder weniger.
Mehr: Die Nachzahlung der VG Wort (Verlagsanteil – für welchen Verlag war das bitte einbehalten worden?) belief sich auf ein paar tausend Euro.

Mehr ausgegeben oder weniger?
Mehr: Rosenfest!

Der hirnrissigste Plan?
Dass ich durch Aktion meine Hüftprobleme loswerde?

Die gefährlichste Unternehmung?
Versehentliche Offenheit.

Die teuerste Anschaffung?
Keine, ich habe das ganze Jahr nur Alltagsdinge gekauft.

Das leckerste Essen?
Ich glaube im “Market” in Brighton.

Das beeindruckenste Buch?
Da gab es nicht einen einzelnen Spitzenreiter. Meine Lieblinge: Der Band mit Fotos von Vivian Maier, Eleanor Oliphant is Completely Fine, The English Patient, Laufen, Eventide, Beloved.

Das enttäuschendste Buch?
Kein echter Reinfall dabei, aber am meisten mehr erwartet hatte ich mir von Simone Buchholz, Revolverherz.

Der ergreifendste Film?
Also nicht der beste, sondern der ergreifendste: Captain Marvel.

Die beste Musik?
Ich höre weiterhin sehr wenig Musik, zuletzt gefiel mir die von Billie Eilish.

Das beste Theater?
Von den drei Stücken, die ich 2019 sah, gefiel mir am besten No sex von Toshiki Okada an den Kammerspielen.

Die meiste Zeit verbracht mit…?
Erwerbsarbeit.

Die schönste Zeit verbracht mit…?
Bloggen. (Wozu so Fragebögen gut sind: Am liebsten verbringe ich nämlich Zeit mit Herrn Kaltmamsell, die dann auch die schönste Zeit ist. Aber 2019 war das sehr wenig. Vielleicht weil wir nur eine Woche zusammen im Urlaub waren? Und an den Wochenenden wegen meiner Drecksschmerzen nicht Wandern gehen konnten? Das darf 2020 auf keine Fall so bleiben.)

Vorherrschendes Gefühl 2019?
Alles ein bisschen viel für jemanden, die mit ihren Affekten und Emotionen immer noch nicht besser umgehen kann wie im Alter von vier.

2019 zum ersten Mal getan?
Schöffendienst, einen Frack getragen, einen Traum zugelassen und umgesetzt, ein ganz großes Fest mit 100 Gästen gefeiert, auf Reha gegangen.

2019 nach langer Zeit wieder getan?
Studienfreunde gesehen.

3 Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
Bewegungsbeeinträchtigung, Arbeitsirrsinn, vor allem aber auf den Verlust einer sehr lieben und sehr kranken Freundin.

Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
Dass neben all den erfundenen Leben noch genug reales Leben und reale Freundschaft übrig ist. Vergeblich.

Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
Da sein.

Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
Liebevolle Zuwendung.

2019 war mit 1 Wort…?
Heftig.

Vorsätze für 2020?
Mehr Zeit mit Herrn Kaltmamsell verbringen.

Journal Montag, 30. Dezember 2019 – Besorgungen

Dienstag, 31. Dezember 2019

Am Jahresende wird es immer ein bissl voll hier im Blog, weil ich ja einerseits Bücher, Fragebogen, Dezembertwitterlieblinge posten möchte, andererseits auch die Journaleinträge – ich will doch nächstes Jahr nachsehen können, was ich vor einem Jahr gemacht habe.

Gestern hatte ich einen Wecker gestellt, um mich für das Umsetzen meiner Pläne nicht hetzen zu müssen, als da waren: Eine Runde Krafttraining Bauch/Rücken mit Aufwärmen und Dehnen, Bettwäsche und Handtücher waschen, Kleigeld zur Bank bringen, Koffer mit kaputter Rolle zum Kofferhändler bringen, Lebensmittel einkaufen, bügeln.

Krafttraining lief sehr gut, bis auf Klappmesser (Hüftbeuger-Aua) und Seitstütz (LWS-Aua) konnte ich das oft absolvierte Halbstundenprogramm bei Fitnessblender durchturnen, sogar obwohl ich davor bereits die Physio- und Orthopädenhausaufgaben durchgemacht hatte. Anschließend fühlte ich mich sehr gut.

Den schweren Sack Kleingeld radelte ich lieber zur Bank, statt ihn zu schleppen. Strahlende Sonne, aber noch frostig. Auf dem Rückweg erledigte ich nur die Hälfte der geplanten Einkäufe beim Süpermarket Verdi, weil sich die Schlange vor der Fleischtheke dreimal durch die Breite des Ladens erstreckte. Auch so wartete ich, aber lediglich zehn Minuten vor der Kasse.

Den Koffer musste ich zu Fuß transportieren: es war der ganz große von Samsonite, den ich vor neuneinhalb Jahren gekauft hatte und dessen eine Rolle (von vieren) kaputt war. Obwohl mir damals beim Kauf versichert worden war, dass ich ihn überallhin zur Reparatur bringen könne, wo Samsonite-Koffer verkauft würden, humpelte ich lieber bis zum Samsonite-Laden im Tal als zu den aktiv unangenehmen Menschen im Kofferladen ums Eck zu gehen. Dort nahm man mir den Koffer allerdings nicht etwa zur Reparatur ab, sondern bestellte lediglich eine Ersatzrolle. Ich musste das Trumm also zu meinen weiteren Einkäufen mitnehmen. Die Sonne wärmte inzwischen auch.

Lammfleisch bei einem ungemein launigen Metzger in der Metzgerzeile am Viktualienmarkt (die Launigkeit “wer um alles in der Welt mag Lammfleisch?!” kann sich vermutlich nur jemand erlauben, der im Grunde von den Leberkäs- und Bratensemmelkäufen der Touristen lebt). Nach weiterer mühsamer Humpelei besorgte ich noch Milchprodukte im Biosupermarkt.

Frühstücksmittagessen: Borscht vom Vortag mit reingebrocktem Brotrest (bei uns verkommt nichts). Dazu Zeitungslektüre.

Letztes Bügeln vor Urlaub, Bücher-Blogpost finalisiert, am Jahresendfragebogen geschrieben, Orange, Birne und Stollen gegessen.

Zum Nachtmahl probierte Herr Kaltmamsell ein Rezept aus einem alten “Kochen aus aller Welt”-Kochbuch aus: Albanisches Lamm. Es wurde angebraten und dann im Ofen in einem Joghurt-Ei-Guss fertig gegart.

Schmeckte gut, dazu Ruccola.

Abendunterhaltung Ich war eine männliche Kriegsbraut mit Cary Grant von 1949 auf Arte.

Bücher 2019

Montag, 30. Dezember 2019

Ganz offensichtlich bin ich dieses Jahr mehr zum Bücherlesen gekommen als in den Jahren zuvor. Der Grund ist leider kein guter: In der zweiten Jahreshälfte hinderten mich Gesundheitsprobleme am Wandern und Joggen, auch meine ausgedehnten Fußmärsche um von A nach B zu kommen musste ich einstellen – in der frei werdenden Zeit las ich. Und es war ein gutes Bücherjahr, ich fühlte mich sehr bereichert.

* markiert wieder eine Empfehlungen, die anderen haben mir mindestens gut genug gefallen, dass ich sie zu Ende gelesen habe. Richtige Katastrophen waren dieses Jahr keine dabei.

1 – Henri Cartier-Bresson, The decisive moment*
Neuauflage des Buchs, mit dem Cartier-Besson das Genre Fotojournalismus begründete. Ich fand nicht nur die Fotos aufschlussreich (gerade die außereuropäischen Motive erzählten viel über den europäischen Blick darauf), sondern auch Cartier-Bressons selbstverliebt verschwurbeltes Vorwort.

2 – Wolf Haas, Junger Mann

3 – Anke Tröder, 13 Near Misses*
Hier meine Besprechung.

4 – John Maloof, Vivian Maier. A Photographer Found*
Auch ohne die magische Geschichte um die heimliche Meisterfotografin, deren Werk erst posthum und zufällig entdeckt wurde, gehen mir Maiers Bilder auf vielfältige Weise nahe. Gleichzeitig ist es die besondere Veröffentlichungsgeschichte, die mich auf sehr grundlegende Gedanken über die Definition von Werk und Autorenschaft brachte.

5 – Ursula K. Le Guin, The Dispossessed*
Ganz anders als Left Hand of Darkness, eine deutlich weniger komplexe Utopie. Und doch wieder eine unverwechselbare Stimme, von der ich mir sehr gern erzählen ließ.

6 – Ijoma Mangold, Das deutsche Krokodil: Meine Geschichte*
In diesem Blogpost finden sich meine Gedanken zum Buch (ca. Mitte).

7 – Thomas Bernhard, Alte Meister*
Hier meine Besprechung.

8 – James Baldwin, If Beale Street could talk
Meine Besprechung findet sich in diesem Post.

9 – Ari Seth Cohen, Advanced Love

10 – Simone Buchholz, Revolverherz

11 – Gail Honeyman, Eleanor Oliphant is Completely Fine*
Einer meiner Favoriten des Jahres, hier besprochen.

12 – Robert Galbraith, Career of Evil

13 – Granta 146, The Politics of Feeling

14 – Maja Lunde, Ursel Allenstein (Übers.), Die Geschichte der Bienen

15 – Philip K. Dick, The Man in the High Castle*
Hier besprochen.

16 – Marie Sophie Hingst, (Hrsg.), Kunstgeschichte als Brotbelag*
Hier besprochen mit Beispielen.

17 – Sarah Kuttner, Kurt

18 – Joseph Conrad, The Secret Agent

19 – Kiki Thaeringen, Bär & Ich. Die jungen Jahre

20 – Neil Gaiman, Terry Pratchet, Good Omens*
Ich hatte es gern gelesen, es trägt wirklich die komische und zutiefst humanistische Handschrift beider Autoren – Böse und Gut sind gar nicht so weit voneinander entfernt, wie die Weltreligionen es uns verkaufen wollen; da muss erst der Antichrist auf die Welt kommen für ein sauber durchgeplantes Armageddon, um sie wenigstens vorübergehend zur Vernunft (!) zu bringen.

21 – Gary Shteyngart, Lake Success*
Besprechung findet sich in diesem Post.

(Carlo Collodi, Hubert Bausch (Übers.), Pinocchio)
Konnte ich nicht zu Ende lesen, weil ich die gedankenlose Gemeinheit der Hauptfigur nicht ertrug.

22 – Granta 147: 40th-Birthday Special

23 – Jakob Arjouni, Kismet

24 – Dagmar Chidolue, Ponzl guckt schon wieder*
Ein sehr seltsames Kinderbuch aus den 80ern. Da ist zum einen die entwaffnende Perspektive der zehnjährigen Laura, die nicht so recht irgendwohin passt. Und dann die Lebenssituation ihrer alleinerziehenden Mutter, die nochmal schwanger wird – und spätestens mit diesem zweiten Kind völlig überfordert ist. Eine Zehnjährige, die für sich und ihre Mutter das Abendbrot organisiert und zubereitet, von der erwartet wird, dass sie sich um ein Baby kümmert, während ihre Mutter zur Arbeit geht – alles unmarkiert.

25 – Michael Ondaatje, The English Patient*
Definitiv ein Meilenstein in meiner persönlichen Lesegeschichte, hier besprochen.

26 – Tom Wolfe, The Bonfire of the Vanities*
Der episch breite Roman von Wolfe erschien 1987 und sollte das New York seiner Zeit darstellen: Ziel erreicht, ein Sittengemälde der New Yorker Männerwelt der 80er, das rückblickend viele spätere Entwicklungen und Missstände erklärt – ich war froh, dass mir die Reha genug Zeit bot, das Monumentalwerk wegzulesen.

Mir fiel unter anderem auf: Das Wort “yuppies” gibt es nicht – wurde vielleicht später geprägt? (Laut Ngram ist der Höhepunkt der Verwendung 1993.) “Stress” hat auch niemand, die ganze Berufwelt der Leistungsträger wirkt inzwischen völlig antiquiert. (Ganz abgesehen davon, dass wir uns in einer Technikwelt ohne Internet und Mobiltelefon befinden, der Plot würde durch diese heutigen Kommunikationsmethoden nicht mehr funktionieren.)

Es geht nur um Männer, Frauen sind lediglich Ausstattungsstücke. Nur einmal bekommen wir die Innensicht einer Frau erzählt.

Interessant fand ich die Betonung von Aussprache und Vokabular, immer wieder werden Sätze und Wörter lautmalerisch im Akzent der Sprechenden wiederholt, immer weil der personale Hörer sie verachtet. Überhaupt: Verachtung – die ganze Tonalität ist getränkt von Menschenfeindlichkeit und Bosheit, doch ohne dass mich das abgestoßen hätte.

27 – Dietmar Grieser, Glückliche Erben

28 – Min Jin Lee, Susanne Höbel (Übers.), Ein einfaches Leben

29 – Colson Whitehead, Sag Harbor*
Hier besprochen, inklusive Rezeption meiner Leserunde.

30 – Granta 148: Summer Fiction

31 – Bel Kaufman, Up the down staircase

32 – Stephen King, The Body*
Meine Besprechung steht hier.

33 – Zoë Beck, Brixton Hill

34 – Isabel Bogdan, Laufen*
Darüber habe ich hier geschrieben.

35 – Kent Haruf, Eventide*
Meine Besprechung steh hier.

36 – Friedrich Ani, Süden und das heimliche Leben

37 – Daniel Mendelsohn, Matthias Fienbork (Übers.), Eine Odyssee. Mein Vater, ein Epos und ich*
Hier besprochen.

38 – Margaret Atwood, The Testaments

39 – Juan Moreno, Tausend Zeilen Lüge: Das System Relotius und der deutsche Journalismus

40 – Bill Hayes, Insomniac City: New York, Oliver, and Me*
Ich genoss die einfühlsamen Beobachtungen in New York und zu seinen Menschen, fühlte mich an eigene Aufenthalte in New York erinnert und an die Einmaligkeit dieser Stadt, war berührt von der Liebesgeschichte zwischen zwei so unterschiedlichen Männern und wie sie miteiander umgingen, einander gut taten.

41 – Toni Morrison, Beloved*
In diesem Blogpost besprochen.

42 – Shulamit Lapid, Mirjam Pessler (Übers.), Lokalausgabe

43 – Kent Haruf, Plainsong*
Meine Besprechung findet sich hier.

44 – Granta 149: Europe: Strangers in the Land

45 – Elise Schmit, Stürze aus unterschiedlichen Fallhöhen

46 – Kathrin Passig, Vielleicht ist das neu und erfreulich*
Ich freute mich mal wieder an Kathrin Passigs Aufspüren von Haltungen hinter den Haltungen zu neuer Technik, sich selbst gegenüber mindestens so skeptisch wie gegenüber anderen. Gleichzeitig mochte ich das Fehlen jeder Häme, Kathrin Passig wirkt immer wirklich interessiert an Erkenntnis (es ist traurig, wie selten das in Texten über Technik ist).

47 – Saša Stanišić, Herkunft*
Unten in diesem Post besprochen.

48 – Judith Kerr, When Hitler Stole Pink Rabbit

49 – Judith Kerr, Bombs on Aunt Dainty*
Der zweite Band der Trilogie vermittelte mir viele, auch atmosphärische Alltagsdetails der Bombenangriffe auf London im Zweiten Weltkrieg, das langsame Abstumpfen der Todesangst, die Sonderstellung der Flüchtlinge, die damals ebenso ausgegrenzt und mit denselben Argumenten geschmäht wurden wie heute. Mittendrin die Hauptfigur der jetzt 18-jährigen Anna, die sich nur am Rande um sowas wie Bildung und Ausbildung kümmern kann, weil sie dringend Geld für ihren und den Lebensunterhalt ihrer Eltern verdienen muss. Dennoch schafft sie sich Zeit für Zeichenkurse, auch ihre künstlerische Entwicklung wird nachvollziehbar geschildert.

50 – Judith Kerr, A Small Person Far Away

Journal Sonntag, 29. Dezember 2019 – Sonniger Frost

Montag, 30. Dezember 2019

Nochmal ein wirklich sonniger und schöner Tag, allerdings auch durchgehend frostig.

Gestern nur eine kleine Sportrunde mit Crosstrainer, Dehnen und den wichtigsten Übungen. Wieder sah ich wie jeden Tag Eichhörnchen in den Bäumen vor unserem Haus herumturnen – sollten die nicht laut Biobuch Winterruhe halten?
Ich spazierte Semmeln holen.

Nach Frühstück und Internetlesen war ich endlich mal schläfrig genug für eine kleine Siesta. Und danach munter genug für einen sonnigen Spaziergang über den Südfriedhof zur Isar.

Gehen war schmerzhaft und schwer, nach der guten Stunde Trippelei war ich deutlich erledigter als nach einer Stunde Schwimmen oder Morgensport. Gleichzeitig ziehe ich mich inzwischen deutlich für draußen deutlich wärmer an als früher: Ich kann nicht schnell genug gehen, dass mir davon richtig warm würde.

Daheim Orange, Birne und Stollen. Ich las Nancy Mitford, The Pursuit of Love, das mir von Anfang an sehr gut gefallen hatte: Der Roman basierend auf den Kindheits und Jugenderinnerungen der Autorin und spielt in der Zeit und der Welt von P. G. Wodehouses Wooster und Jeeves, zeichnet diese reichen, privilegierten Kreise allerdings noch hirn- und rücksichtsloser. Der Tonfall ist süffisant und respektlos, ohne dass sich die Erzählerin selbst ausnähme.

Zum Nachtmahl hatte Herr Kaltmamsell den restlichen Ernteanteil (Blaukraut, Karotten, Rote Bete) mit aufgetauter Zungenbrühe zu einer Art Borscht verarbeitet, der genau das richtige gegen die Kälte und meinen Gemüsehunger war.

Als Abenunterhaltung sahen wir die Mord im Orient-Express-Verfilmung von 2017. Mir gefiel sie sehr gut, ich konnte die Verrisse von vor zwei Jahren nicht recht nachvollziehen: All die großen Schauspielerinnen und Schauspieler glänzten, die Kamera erzählte interessante Zusatzgeschichten, Kostüm und Maske zeugten von Recherche und Hingabe, und die oft kritisierte Künstlichkeit von Farbe und Ausstattung gab dem Film eine Theaternote, die dem veralteten Ausgangsmaterial gut tat. Hatte die Kritik Realismus erwartet? Bei einem Agatha-Christie-Stoff?

§

Den Morgen hatte ich mit Lektüre des ZEIT-online-Schwerpunkts “Unheimlich schön” verbracht. Besonders interessant fand ich die Reportage von Vanessa Vu über Schönheitsoperationen in Südkorea, zu denen sie neben Kundinnen und Kunden sowie Anbietern auch eine örtliche Ethnologin befragt hat:
“Größer, glatter, Gangnam”.

Für mich als Schmink-ferne ebenfalls sehr informativ: Ein Porträt von Make-up-Expertin Lisa Eldrige.
“Die Gralshüterin”.
Ich sah sogar ein paar ihrer verlinkten YouTube-Tutorials an: Besonders faszinierte mich ihre Analyse von Marilyn Monroes ikonischem Look.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/RAneUTr8mog

Journal Samstag, 28. Dezember 2019 – Hören, Lesen und Gucken

Sonntag, 29. Dezember 2019

Ein trockener Tag, meist sogar sonnig, aber es wird spürbar kälter.

Vormittags genehmigte ich mir wieder eine ausführlichere Sportrunde mit Faszienrolle, Crosstrainer, Rücken- und Bauchübungen. Die Fahrradunfallrippe hat sich beruhigt, gestern schränkten mich bei den Übungen nicht mal die rechten Hüftbeuger ein: ausführliches Bauchmuskeltraining. Was immer noch langsam aber sicher seit Monaten schlechter wird, ist das ganz einfache Gehen.

Auf dem Crosstrainer hörte ich die Dezember-Folge von Rice & Shine. Minh Thu Tran und Vanessa Vu unterhalten sich über die Aussicht auf weihnachtliches Familientreffen und hierbei vor allem über die verletzenden Kommentare zu ihrem Aussehen. (Exotische Note: Ich freute mich daran, dass sie diese Kommentare meist erst mal auf Vietnamesisch zitierten und erst dann übersetzten.) Thema war auch die Rolle von Kollektivismus versus Individualismus für ihr Heranwachsen und ihr heutiges Leben (es stellte sich heraus, dass Vanessa ihre gymnasiale Facharbeit darüber geschrieben hatte). Mir wurde schlagartig bewusst, dass meine Eltern auch als Einwanderergeneration Gastarbeiter ganz auf der Seite des Individualismus waren, dass es sogar genau diese Haltung war, die sie aus ihrer Herkunftsschicht ausbrechen und sozial aufsteigen ließ. Das bedeutete zwar, dass sie nie eine Gegenleistung für die Familie oder eine andere Community erwartet haben – aber auch, dass der Leistungsdruck des “du kannst alles, was du willst” herrschte.

Zum Frühstück ein Brot mit letztem Rest Rillettes, der Rest Blaukrautsalat mit Orange.

Jetzt war es trocken genug für meine Besorgungen, ich ging ins Kaufhaus am Marienplatz, sah in der Sendlinger Straße auch in die eine oder andere Boutique mit “SALES”-Schildern – um mir nur nach kurzem Blick bewusst zu werden, dass ich wirklich mehr als genug Kleidung habe. Den Rückweg legte ich dann schon auf die kürzest mögliche Strecke, Gehen war zu schmerzhaft für Bummelei.

Über den Nachmittag zu Plätzchenteller und Granatapfelkernen Judith Kerr, A Small Person Far Away ausgelesen. Der letzte Band der Trilogie blickt im Grunde auf die ersten beiden zurück und reflektiert sie. Vordergründige Handlung: 1956, Hauptfigur Anna lebt in London. Ein Telefonanruf (neue Alltagstechnik!) holt sie nach Berlin, wo ihre Mutter im Krankenhaus liegt. Durch Spaziergänge und Gespräche wird sie an die Vorfälle und Menschen erinnert, die 1933 und im Kriegslondon wichtig waren – Anna wird sich der Unzuverlässigkeit von Erinnerungen bewusst, muss auch die Geschichtsklitterung der deutschen Bevölkerung erleben. Sprachlich und erzählerisch wieder schlicht und funktional – allerdings entstehen damit auch immer wieder sehr lebendige Umgebungen und Eindrücke. Las ich gern, für den besten und wichtigsten der Trilogie halte ich aber den zweiten Band Bombs on Aunt Daisy.

Zum Abendessen war Herr Kaltmamsell aushäusig, ich machte mir Spinat mit Sahne und verlorenen Eiern. Zum Nachtisch mehr Plätzchen, langsam sind sie selbst mir genug.

Als Abendunterhaltung die Folge Kroymann vom Dezember nachgeholt (hier in der Mediathek). Ganz großartig – bei der Superheldinnen-Nummer (ab Minute 15:35) musste ich anhalten, um erst mal schallend fertiglachen zu können, ohne etwas zu verpassen.
Und ab jetzt träume ich von einer Folge Kroymann, in der Hazel Brugger mitspielt.

Journal Freitag, 27. Dezember 2019 – Schwimmglück

Samstag, 28. Dezember 2019

Schade, dass Weihnachten rum ist. Dieses Jahr ging der Advent wie im Zeitraffer vorbei (ich verräumte gestern Ausstecherle für Plätzchen, die ich eigentlich noch hatte backen wollen), zum Ausgleich war mir an Weihnachten das Weihnachtliche noch nicht über.

Ein Regentag. Ich hatte eine Schwimmrunde im Olympiabad geplant und musste mich auf eine U-Bahn-Fahrt dorthin einstellen. Eilig hatte ich es aber nicht: Ich vertrödelte den Morgen, so dass ich erst um elf ankam. Und feststellte, dass ich meinen Sporttoilettbeutel daheim vergessen hatte. Ich beschloss, dass das egal war: Geduscht hatte ich ja daheim, die Haare würden halt nur mit Wasser ausgespült, und schmutzig oder verschwitzt würde ich nach einer Stunde im Chlorwasser auch nicht sein. Den Chlor-Hautgout würden die anderen Menschen in der U-Bahn schon aushalten.

Der Haupteingang ist wieder benutzbar, es gibt wieder einen Blick von oben aufs Schwimmbecken. (Und auf die gestern herrlich leeren Bahnen.) Die riesige Fensterfront ist noch in Renovierung.

Die seltsame Wabenform der Umkleiden wurde beibehalten, lediglich die Farbe war etwas gedeckter geworden.

Das Schwimmen fühlte sich großartig an, meine Hüfte spürte ich, doch sie bereitete keine Probleme – dennoch genehmigte ich mir nur 2.200 Meter.

(Leichte Chlorausdünstungen nur für das geübte Auge sichtbar.)

Herr Kaltmamsell musste arbeiten, die Lebensmitteleinkäufe erledigte also ich auf dem Rückweg im Biosupermarkt. Weitere Besorgungen, für die ich jetzt Muße gehabt hätte, verschob ich, weil das Wetter einfach zu greislich war.

Zum Frühstück gab es nochmal Reste: Brot und Rillettes, eine Orange mit Joghurt, Plätzchen.

Aus einem kleinen Blaukrautkopf aus Ernteanteil machte ich Rohkostsalat, angelehnt an dieses Rezept (ohne Feigen, anderer Essig, braune Zwiebel). Schmeckte sehr gut, aber die Zwiebel würde ich das nächste Mal weglassen.

Mail ans Hotel in Venedig mit unserer Ankunftszeit – und dem Hinweis, dass wir Gummistiefel dabei haben werden, weil uns die Situation bewusst ist, und dass wir wenn nötig auch gerne mit anpacken, sollte es ein weiteres Hochwasser geben (zu Weihnachten schwappte es wohl schon wieder).

Ich fühlte mich cool by proxy: Zwei Handvoll Menschen in meiner Twitter-Timeline twittern vom Chaos Communication Congress in Leipzig.

Judith Kerr, Bombs on Aunt Dainty ausgelesen: Der autobiografische Roman, der sich When Hitler Stole Pink Rabbit anschloss, gefiel mir bis zuletzt sehr gut (definitiv kein Kinderbuch). Er vermittelte mir viele, auch atmosphärische Alltagsdetails der Bombenangriffe auf London im Zweiten Weltkrieg, das langsame Abstumpfen der Todesangst, die Sonderstellung der Flüchtlinge, die damals ebenso ausgegrenzt und mit denselben Argumenten geschmäht wurden wie heute. Mittendrin die Hauptfigur der jetzt 18-jährigen Anna, die sich nur am Rande um sowas wie Bildung und Ausbildung kümmern kann, weil sie dringend Geld für ihren und den Lebensunterhalt ihrer Eltern verdienen muss. Dennoch schafft sie sich Zeit für Zeichenkurse, auch ihre künstlerische Entwicklung wird nachvollziehbar geschildert. Empfehlung!

Neben Blaukrautsalat gab es zum Nachtmahl Spaghetti Carbonara (Herr Kaltmamsell wollte seine große Carbonara-Begabung dadurch verhöhnen, dass er andere Nudeln zur Auswahl stellte – unter Wehlauten abgelehnt).

§

Sascha Lobo in einem taz-Interview über den Paragrafen 219a:
“‘Ich glaube an My body, my choice'”.

Balance auf dem schmalen Grat, die Aufmerksamkeit zu nutzen, die Sascha mehr bekommt als die eigentlichen Aktivistinnen zu dem Thema, ohne sich in den Vordergrund zu schieben:

Ich habe das Privileg, mit Privilegien überhäuft zu sein. Als wirtschaftlich unabhängiger, mittelalter, weißer, weitgehend heterosexueller Cis-Mann mit großer medialer Reichweite kann ich mir aussuchen, wofür ich kämpfe. Ich habe keinen eigenen Kampf, denn die heutige Gesellschaft ist bereits um meine Bedürfnisse herum gebaut. Das kann man zum Beispiel an meiner Frisur erkennen. Sie ist einigermaßen lächerlich – und trotzdem werde ich überall gebeten zu sagen, was ich denke. Eine schwarze Frau mit einer solchen Frisur würde in der deutschen Öffentlichkeit wahrscheinlich viel weniger ernst genommen werden.

§

Igel in Irland – ein ganz bezaubernder Twitter-Thread.